Schriftwahl

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DIE QUALDER

SCHRIFT

WAHL

SONJA GLEIXNER

#2 Typografische Kurzanleitung




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»Typografische Kurzanleitung«

#2


Kapitel 2: »Schriftwahl«

Gute typo Schlechte Typo & die Schrift geschichte & Die anatomie der Buchstaben & Die vielfalt der art Seite 10

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Licht und Schatten Typografie ist wie Licht und Schatten. Ein Bild funktioniert nur richtig, wenn die Typografie ihre Aussage erreicht. Unsere heutigen digitalen Buchstaben sind aus der Handschrift entstanden, diesen Aspekt sollte man immer im Hinterkopf behalten. Die Eigenschaften der Schrift und Ihre Charakteristik vermitteln dem Betrachter eine Bedeutung jenseits von Syntax. Typografie ist ein kommunikatives Leitsystem und ermรถglicht mehrere kommunikative Lรถsungen - je nach Aufgabe und Ziel (Lesetypografie oder Dekorativ).

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#2

»Schriftwahl«

Gute Typo Schlechte Typo

A u f V e r pa c k u n g e n in Supermarktregalen begegnet sie uns ebenso wie auf Plakaten am Straßenrand oder in den Schulbüchern unserer Kinder: mittelmäßige bis schauderhafte Typo. Da werden Buchstaben großzügig gestaucht und gesperrt oder mit den übelsten digitalen Effekten versehen. Ein Blocksatz wird oft durch weiße Löcher zerrissen und die eingesetzte Schrift passt nicht zum Inhalt oder ist schlicht so klein gesetzt, dass Lesen kaum möglich ist. Dabei gibt es viele Bücher, in denen die Grundregeln von guter typografischer Gestaltung für jeden nachzulesen sind und man sollte auch meinen, dass die Gestalter dieser Packungen, Poster und Bücher um diese Regeln wissen. Warum also begegnet uns im Alltag so viel schlechte und so wenig gelungene Typografie?

»Gute Typografie ist Mühsame Arbeit«

Gute typo - schlechte typo


„Viele Gestalter haben nicht die Gedult, die gute typografische Gestaltung braucht, und sie steht auf der Prioritätenliste auch nicht obenan“, ist Veronika Burian überzeugt. Die Pragerin studierte in München Industriedesign und machte 2003 mit Auszeichnung ihren Master in Typeface Design in Reading. Zusammen mit José Scaglione betreibt sie die Foundry Type Together und gehört zu einigen wenigen international erfolgreichen Typedesignerinnen. „Heute muss alles schnell gehen, man setzt eher auf Wirkung als auf Details, und viele Gestalter interessiert Typografie auch darum nicht so sehr, weil es keine Kunst, sondern mühsame Arbeit ist.“ „S c h r i f t i s t ein stark unterschätzter Faktor unseres Alltags“, versucht Boris Kochan eine Erklärung zu finden. Der Vorsitzende der Typographischen Gesellschaft München e.V. führte in seiner Agentur Kochan & Partner ein Experiment durch, dass einem die Augen öffnet. „Wir wollen sehen, was passieren wird, wenn ein Raum komplett schriftfrei ist und hatten dafür eine gute Stunde eingeplant. Zunächst hat das viel Spaß gemacht, aber nach vier Stunden entdeckten wir immer noch Buchstaben: wie auf den Reglern der Heizung oder dem Zylinder des Türschlosses - wir sind von Schrift umzingelt, ohne dass uns das bewusst ist.“ Nach Ansicht von Boris Kochan gibt es zudem viel zu wenig Hochschulen, an denen viel Wert auf Typografie gelegt wird. Diese Vernachlässigung setzt sich dann fort. Auch in der Beziehung zwischen Designer und Kunde kommt Typografie oft zu kurz. Der Auftraggeber sieht nicht ein, für diesen Teil der Gestaltung viel Geld auszugeben. Geht man aber hier ins Detail, kostet das nun mal Zeit und damit Geld. „Wenig Geld produziert schlechte Typo“, so Boris Kochan.

Der Münchner Designer ist keiner, der sich in die Schwärmereien für die gute alte Zeit verliert, gibt aber zu bedenken, dass die moderne Technik nicht gerade zu besserer typografischer Gestaltung beiträgt. „Die Mehrstufigkeit im Produktionsprozess ist verloren gegangen. Früher haben verschiedene Gewerke auf eine Drucksache geschaut, das kam der Qualität zugute.“

Quelle: »typoPage« Page Extra Ausgabe Januar 2010 Praxisteil (S. 6 - 7)

G e d a n k e n auf Mikro- und Maktrotypografie zu verwenden, macht aber alle Male Sinn. Denn auch Laien nehmen die Unterschiede zwischen typografisch gut und schlecht gestalteten Texten wahr, wenn doch auch nicht immer bewusst. „Genau das ist die Aufgabe von Gestaltung, denn Typografie ist schließlich kein Selbstzweck. Für jeden macht es einen Unterschied, ob er sich in einer typografisch verschutzten Welt oder in einer aufgeräumten bewegt“, so Boris Kochan. Für ihn ist klar: Gut lesbare Typografie kann auf jeden Fall die Welt verändern, und dabei denkt er gleich an ein neues Experiment. „Ich wette, wenn das Kleingedruckte auf Packungsbeilagen oder in Handyverträgen typografisch ansprechend gestaltet wäre, würde es auch gelesen.“ Auch für Veronika Burian ist es keine Frage, dass Laien auf schlechte Typo reagieren. „Sie sagen sicher nicht, hier stimmt die Spationierung oder Schriftstil nicht, aber sie werden vielleicht in einem Magazin den Artikel nicht zu Ende lesen oder ein Buch nach ein paar Seiten weglegen, weil ihnen die Augen weh tun.“

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Dann versuchen Sie es doch mal mit guter 3 Typografie


U m d as B e w u ss t s e i n für Schrift zu erhöhen, müsste man nicht erst an den Hoch-, sonder schon an den Grundschulen damit starten. Genau hier setzt das Projekt »Buchkunde in Schulen« an, welches der Verlag Hermann Schmidt Mainz gemeinsam mit Boris Kochan ins Leben rief und das die TGM gerne fortsetzten möchte.Die Grundschüler sollten sich hier mit der Frage beschäftigen, wie aus herstellerischer Sicht ein gutes Buch entsteht. Obwohl einige der Kinder sicherlich noch nie etwas von Durchschuss, Blocksatz oder Registerhaltigkeit gehört hatten, waren sie sehr aufmerksam und auch kritisch. Ein Schüler bemerkte, dass der Weißraum am rechten Rand genau richtig wäre, damit seine Finger nicht auf den Buchstaben liegen; eine Schülerin kritisierte, dass die Seitenzahlen beim Umblättern nicht genau aufeinander lagen. „Ziel des Projekts ist es, das Bild eines guten Buches in den Köpfen zu verankern“, erklärt Kochan. „Schulbücher sind in der Regel leider nicht dazu angetan, denn auch hier spielen finanzielle Zwänge eine Rolle.“ Interessant auch die Idee des »Tastaturführerscheins«, in welchen Schüler der Sekundarstufe, die mit dem Umgang mit Programmen wie Word oder PowerPoint lernen, auch für das Thema Schrift sensibilisiert werden soll. „Viele Jugendliche verlottern hinsichtlich Schrift auch darum, weil sie so viel im Internetz unterwegs sind und dort bislang - trotz unendlich viel zu lesender Texte - nur sehr wenige und wenig ausdrucksstarke Schriften noch zur Verfügung standen, das wird sich mit den Webfonts künftig verbessern,“ meint Kochan.

G u t e T y p o g r a f i e b r a u c h t R e g e l n , da sind sich die Profis weitgehend einig. Aber was passiert, wenn jemand wie D. Carson, ein kompletter Regelverweigerer ist? „Solche Arbeiten haben mit Typografie eigentlich nicht zu tun“, meinte Veronika Burian. „Es sind visuelle Artworks mit Buchstaben, die durchaus ästhetisch und gut sein können. Aber man kann sie nicht lesen, und für mich bedeutet Typografie Lesbarkeit.“ Oft folgen solche Projekte einem bestimmten Zeitgeist und haben sich deshalb nach ein paar Jahren überlegt, anders als hervorragend gemachte Lesetypografie, die oft noch nach Jahrhunderten bewundert wird. „In der Typografie gibt es bislang viele kleine Regeln, die im einzelnen gesehen pedantisch erscheinen mögen, im Zusammenhang aber wichtig und richtig sind“, so Veronika Burian. Insbesondere wenn es um Lesetypografie geht, macht die Befolgung Sinn, auch wenn nicht alles gleich wichtig ist. Für Veronika Burian hat die Wahl der richtigen Schrift in der passenden Größe oberste Priorität, ebenso wie ein vernünftiger Umgang mit Block- und Flattersatz und die Vermeidung von Hurenkindern, also der letzten Zeile des Absatzes, die zuglich die erste einer neuen Spalte oder Seite ist. „Gerade bei der Schriftwahl denken viel zu viele Leute viel zu wenig nach. Sie nehmen eine Schrift, die sich schön finden, fragen sich aber nicht was sie vermittelt, aus welcher Zeit sie kommt und welche Botschaft sie damit transportiert."

Quelle: »typoPage« Page Extra Ausgabe Januar 2010 Praxisteil (S. 8 - 9)

Gute typo - schlechte typo


»Herausragende Typografie ist die Botschaft selbst« Quelle: »typoPage« Page Extra Ausgabe Januar 2010 Praxisteil (S. 10 - 11) (S. 21)

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V i e l d i s k u t i e r t ist auch das Thema Schriftenmix. „Wenn es um eine Headlineschrift und einen Fließtexttype geht, dann hat man etwas mehr Spielraum, da diese weiter auseinanderstehen“, erläutert Veronika Burian. „Schwierig wird es zum Mischen von Schriftfamilien mit z.B. einer Serif- und einer SansVariante. Das macht die Sache leichter, da fast alle Proportionen aufeinander abestimmt sind.“ Natürlich kann man sogar auch voneinander unabhängige Schriften mischen. Dieses ist allerdings aufwendiger, da man die Größe anpassen muss, schließlich entspricht auch die optische Größe nicht nur zwingend der Punktgröße. Außerdem sollte man beachten, dass die Fonts stilistisch verwandt sind, also Organisches zu Organischem, Mechanisches zu Mechanischem. Sonst kann es passieren, dass der Lesefluss ins Stocken gerät und die in einer anderen Schrift gesetzten Satzteile zu stark betont werden. Ganz schwierig und meistens ziemlich sinnlos ist nach Auffassung Burians das Mischen von Sans uns Sans beziehungsweise Serif und Serif: Entweder würden sie sich zu wenig oder zu stark unterscheiden. Eine äußerst liberale Einstellung vertritt hingegen Rudy VanderLans, Mitbegründer der legendären kalifornischen Typfoundry Emigre: Er ist überzeugt, dass sich jede Schrift mit jeder mischen lässt. Größe, Farbe, Laufweite, Kontrast und das gesamt Layout bestimmten, wie sich Schriften zusammen einsetzten lassen. Typografie ist die Umsetzung einer gestalterischen Aufgabe unter Einsatz von Schrift. Um dies optimal machen zu können, braucht der Gestalter Gewissenhaftigkeit und natürlich

Gespühr für das Thema. Als gutes Beispiel hierfür sehe ich die Verwendung der guten alten Helvetica. Nichts ist schlimmer als eine Verlegenheitsgestaltung in Helvetica, um nicht zu „stören“ oder gar „aufzufallen“, was fälschlicherweise gern mit purem Purismus begründet wird. Bedient sich der Gestalter hingegen der Helvetica, um etwas ganz bewusst auszudrücken oder weil die Formen einzelner Gewichte zum Thema passen, kann dies sogar zu herausragender Typo führen. Gute Typografie muss nicht zwangsläufig „schön“ anzusehen sein. Das wäre für den Gestalter zwar einfacher, geht aber manchmal an der Aufgabe vorbei. Ich denke, dass man bei der typografischen Arbeit generell eine Menge Mut, auch zur Reduzierung oder zur chaotischen Fülle, mit sich bringen sollte. Und sich wirklich um den Gestaltungsprozess kümmern muss. Voraussehbare „gefallene“ Lösungen finde ich schwierig. Zurück zur Helvetica (Neue): Ihre Ziffern sind grauenhaft zugerichtet und müssen meistens im Layout nachspationiert werden. Das muss der Gestalter sehen und umsetzen können, sonst wird es immer bei 0815 Gestaltungen bleiben. Bei dem bekannten Plakat für die Fährverbindung Ostende-Dover, das Lucien de Roeck 1935 mit gerade mal 20 Jahren gestaltet hat, finde ich vor allem die TypografieBild-Komposition extrem gelungen, da die klassische Mittelachse, die durch die Diagonale der 3 auf einmal dynamisch wirkt. Jedes Element des Plakates ist eng an die Position der jeweils anderen gebunden und bedingt diese zugleich. Hier ist nicht zufällig. Die Reduzierung aufs Wesentliche zieht den Betrachter sofort in den Bann. „Die Leistung dessen beeindruckt mich immer wieder. “


Quelle: »typoPage« Page Extra Ausgabe Januar 2010 Praxisteil (S. 23 - 27)

G u t e T y p o lebt durch die Liebe zu den Details, ausgezeichnetes Fingerspitzengefühl des Gestalters und die Fähigkeit, die ideale Schrift zum Thema zu wählen. Dazu gehört auch, neben dem passenden Materialien die richtigen Farben und eventuell sogar Bilder zu verwenden. Gute Typografie erklärt sich selbst und vermittelt dem Betrachter eine Botschaft. Der Unterschied von guter zu herausragender Typografie besteht für mich darin, dass ich bei Letzterer die Arbeiten auch noch in zehn Jahren faszinierend finden werde, weil sie unabhängig von Trends und zu jeder Zeit stimmig sind. Herausragende Typo ist einfach zeitlos. Typografie ist ein großes Wort, und es gibt jede Menge Leute, die sich selbst als Typografen bezeichnen. In meiner Welt, so Jason Smith, sollte ein Typograf in der Lage sein, Schriten zu zeichnen, Buchstaben in einem grafischem Layout zu benutzen, clever mit Wortspielen sein, nach Designmöglichkeiten mit Wörtern Ausschau halten und mit Typo expressiv und illustrativ gestalten.

Gute Typografie ist sehr schwer zu finden, denn: Bei dem was uns täglich umgibt, wird schon halbwegs Ansehliches überschwänglich gefeiert. Aber: Ein auch ein regelkonformer Schriftsatz ist keine gute Typo. Ebenso wie ein rechtschreibfehlerloser Text keinesfalls ein guter Text ist. Gegen sämtliche Regeln zu verstoßen, ist es allerdings auch nicht vielleicht folgt daraus schöne Grafik., wohl aber keine gute Typografie. Wahrscheinlich ist der Kern guter Typografie das, was Jan Tschichold einst seinen progressiven Kritikern und Anhängern der “Neuen Typografie“ schrieb: Nichts ist schädlicher als Enge des Blicks und geistige Inzucht. Wer aus diesem Satz Fragen formuliert und für sich positiv beantwortet, der ist auf einem guten Weg - mittels etwas Intution - auch zu guter Typografie. Wenn verschiedene Fachleute gute Typografie auswählen, man sämtliche Beispiele nebeneinanderlegt und Nicht Fachleute wählen lässt, was davon herausragend ist, hat die Mehrheit mit großer Wahrscheinlichkeit recht. Mein persönliches Beispiel für hervorragende Typografie, so Ole Schäfer, stammt von Grafikdesign - Hasser Horst Janssen aus dem Jahr 1970: „Petty fauer. 20 gute Morgen + hast du gut geschlafen Gedichte“ bildet eine konsequente und konsistente Einheit von Form, Text und Bild.

» E in hervorragender typograf muss viele verschiedene Fähigkeiten haben« Gute typo - schlechte typo


Keine Formfrage, denn gute Typografie sieht gut aus und funktioniert. Mit einem anderen Wort: Sie lädt zum Lesen ein, stört aber nicht weiter. Herausragende Typo hat immer noch eine extra Geschichte, die nicht in der Form liegt, als vielmehr im Prozess. Das kann zum Beispiel damit zu tun haben, wie etwas entsteht. Und wenn die Geschichte gut ist, ist es keine Frage mehr von richtig und falsch oder gut und besser und auch nicht mehr so sehr eine Frage der Form, sondern genau richtig. Mit anderen Worten: herausragend. Wie im Fall des denkmalgeschützten Veranstaltungsgebäude De Bali im Zentrum von Amsterdam. Der Künstler Helmut Dick wurde gebeten, das Filmfestival in der Stadt sichtbar zu machen. Er entschloss sich den Namen einfach ganz groß über die Fassade zu pinseln. Am gleichen Tage gingen Unmengen Beschwerden bei der Stadt ein, wie sie denn um Himmels Willen diese Aktion an einem denkmalgeschützten Haus erlauben konnten Was die schockierten Bürger nicht wussten: Unter den Buchstaben war sogfältig eine unsichtbare Gummischicht angebracht, mit der sich die Typografie nach Ablauf des Events ganz einfach abziehen ließ. Gute Typografie ist allgegenwärtig. Sie sagt uns, welche Autobahnausfahrt als Nächstes kommt, dass Rauchen tödlich sein kann und wann die Milch schlecht wird. Wir nehmen sie nicht einmal als Typografie wahr. Darum ist sie gut, sie erfüllt den Zweck. Herausragende Typografie lädt den Betrachter hingegen auf ein Spiel ein. Sie führt üben den reinen Leseprozess hinaus und unterhält uns. Sie gibt Rätsel auf, und wir freuen uns, sie zu lösen.

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Ausgerechnet die werbliche Typografie ist leider oft so systematisiert gestaltet wie Auto bahnschilder. Headlines sind gleich gesetzt in austauschbaren Schriften, alles komplett perfekt lesbar. Es ist wie bei den Autobahnausfahrten: Man erfasst die Botschaft in Sekundenbruchteilen und vergisst sie dann sofort wieder. Marken wollen sich profilieren und ihre Botschaften werden immer komplexer. Hier wäre es doch Aufgabe des Designer Herausragendes zu schaffen! Sicher, Ungewohntes braucht einige Sekundenbruchteile länger beim Lesen. Dafür aber macht es Spaß. Und bleibt eher in den Gedächtnissen. Alles war herausragende Typografie ausmacht lernen wir auf den nächsten Seiten und Kapiteln. Tauchen Sie ein in die fabelhafte Welt der Typografie. Lernen Sie die verschiedenen Satzarten, sowie Einstellungen von Laufweiten und die Zeilenabstende, so dass Ihr Text ein schönes Schriftbild ergibt. Gute Typografie ist eine langwierige und umfangreiche Sache. Aber es lohnt sich. Alleine die Wahl von geeigneten Schriften und ihre Merkmale zu erkennen, braucht Zeit und Gedult. Doch das Ergebnis am Ende zählt!

Quelle: »typoPage« Page Extra Ausgabe Januar 2010 Praxisteil (S. 29 - 31)


»herausragende Typografie Hat noch eine geschichte jenseits der Buchstaben und wörter « 5 Gute typo - schlechte typo


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Bildende Künste der epoche Ein Abbild der Kultur eines Volkes. Die Schrift ist eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheit. Die unterschiedlichen Schriftsysteme sind autonom an verschiedenen Orten der Welt entstanden. Vorstufen unserer West Europäischen Schrift sind die Höhenund Wandmalereien, Hieroglyphen und Keilschriften. Bücher wurden von Hand geschrieben. Der Bleisatz ist eine Methode zur Herstellung von Drucken. Die Grundlage für diese Technologie wurde um 1440 von Johannes Gutenberg geschaffen.

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#2

»Schriftwahl«

Die Schrift Geschichte Die ersten Höhenbilder entstanden ca. 30.000 vor Christus. Darauf folgten die ersten Bilderschriften ab 4.000 bis ca. 1.700 vor Christus. Die erste phönizische Schrift ist die erste echte Alphabetschrift, das heißt ein Zeichen steht für einen Laut (nicht auch für eine Silbe oder ein Wort wie bei Keilschrift und Hieroglyphen). Sie entstand um 1.500 v. Chr. Die Capitalis Monomentalis war die erste repräsentative Monumentalschrift. Die erste Basis für unsere Kleinbuchstaben entstand ca. 800 - 1.100 n. Christus. Unsere heute bekannten Alphabete aus Klein- und Großbuchstaben entstand ca. 1450 in Venedig.

» Vom Bild zum laut«

Die Schriftgeschichte


» Der Antiqua Formenkanon« Renaissance-Antiqua (auch Mediaeval oder Mediäval) ist eine frühe Schriftklasse nach DIN 16518. Sie wird unterteilt in die venezianische Renaissance-Antiqua und die französische Renaissance-Antiqua.

R e n a i ssa n c e - A n t i q u a Die Ursprungsform der AntiquaSchriften ist deutlich vom Schreiben mit der Breitfeder geprägt. Erkennungszeichen sind die Schrägstellung des Querstriches des kleinen e, die schräg ansetzenden, vom Anstrich mit der Feder hergeleiteten oberen Serifen, die oft abgerundeten Serifenenden, die geringe Minuskelhöhe, relativ geringe Strichstärkenunterschiede, eine geneigte Schattenachse der Rundungen, die gute Zeilenführung durch prägnante Zeichenform sowie ein, dank des deutlich spürbaren Schreibduktus, lebhaftes Schriftbild. Eine Besonderheit bildet auch die Kursive, die nicht aus dem Normalschnitt selbst entwickelt ist. Stattdessen wird diesem eine eigenständig entwickelte, passende schräge Schrift beigestellt. Fetten fehlen in der Regel oder wurden erst wesentlich später hinzugefügt. Ein weiteres

Die Schriftgeschichte

Erkennungsmerkmal ist, dass die Serifen der Versalien N und M nicht vorhanden oder über beide Seiten ausgerichtet sind.

DYNAMISCHES FORMPRINZIP > schräg stehende Schattenachse > keilförmige Anstriche der Kleinbuchstaben > abgerundete Übergänge zwischen Grundstrich und Serifen > leichter Duktuswechsel > organisch angesetzte Serifen


D i e B a r o c k - A n t i q u a ist eine Schriftklasse nach DIN 16518. Zeitlich fällt die Entwicklung der dritten Schriftklasse nach DIN 16518 in die Zeit des Barocks, der früher verwendete Begriff Übergangs-Antiqua, auch Vorklassizistische Antiqua, beschreibt diese Schriftklasse jedoch besser, da sie als Bindeglied zwischen der vom Schreiben geprägten RenaissanceAntiqua und den geplanten, durchdachten Formen späterer Klassen fungiert, und eher eine Beruhigung des Schriftbildes denn ein barockes Auftreten hat.

DYNAMISCHES UND STATISCHES FORMPRINZIP > im Gegensatz zur Renaissance Antiqua zeigt diese größere Unterschiede in der Strichstärke > Senkrechte Schattenachse > kaum ausgerundete Serifen (meist oben schräg und unten waagrecht angesetzt)

D i e K l ass i z i s t i s c h e A n t i q u a ist eine Schriftklasse nach DIN 16518. Diese Schrift ist die letzte Druckschrift, deren Name nach der kulturgeschichtlichen Epoche benannt wurde, in der sie entstanden ist. Die Techniken mit den feinen Linien des Kupferstichs und Stahlstichs sind die Merkmale des aufkommenden technischen Zeitalters. Auch was die Druckschriften angeht, besinnt man sich nach dem Barock nun wieder auf die Antike mit ihren klaren Formen. Im englischen Sprachraum ist statt Klassizistische Antiqua die Bezeichnung Didone geläufig, sowie in Frankreich Didones, in Holland Didonen und in Italien Bodoniani.

STATISCHES FORMPRINZIP > dünne Haarlinie > dicker Grundstrich > waagrechte Serifen > Senkrechte Schattenachse > geschlossene Form > starker Duktuswechsel > vertikale Betonung > Tropfenform > Abkehr von der Handschrift

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Renaissance »Antiqua« Bei Renaissance-Antiqua handelt es sich um die erste Reinform der Antiqua mit Minuskeln und Majuskeln. Sie entstand aus der humanistischen Minuskel nach dem humanistischen Formprinzip des 15. Jahrhunderts. Die heutigen Renaissance-Antiqua-Schriften basieren fast ausschließlich auf den Schriftformen der Typografen Nicolas Jenson, Francesco Griffo und Claude Garamond.Eine Renaissance-Antiqua-Schrift zeichnet sich durch ein harmonisches Schriftbild und eine sehr gute Lesbarkeit aus. Stilmerkmale sind die geringen Unterschiede in den Strichbreiten, abgerundete Übergänge zu den Serifen, keilförmiger Ansatz bei den Senkrechten und die von links oben nach rechts unten gerichtete Achsstellung der Rundformen.

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5 Die Schriftgeschichte


Serifenbetonte linear - Antiqua »Egyptienne« Die Egyptienne entstand im 19. Jahrhundert. Sie gibt es im statischem Formprinzip (z.B. Schriftart Clarendon), im dynamischem Formprinzip (z.B. The Serif) und im geometrischem Formprinzip (z.B. Rockwell). Die markantesten Merkmale der serifenbetonten Linear - Antiqua sind die gleiche Strichdicke, die auffällige Rechtecksform der Serifen und ein lineares Erscheinungsbild. Sie wurden einerseits entwickelt, um trotz minderwertigen Papiers ein akzeptables Schriftbild zu erhalten und andererseits um in Werbung und Headlines aufzufallen.

3 Die Schriftgeschichte


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Serifenlose linear - Antiqua »Grotesk« Die Serifenlose Linear-Antiqua, auch “Grotesk” oder Endstrichlose genannt, entstand im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Anfänge von serifenlosen Schriften mit optisch gleich wirkenden Linien lassen sich schon 450 v. Chr. in Griechenland und später in Italien erkennen. In den englischsprachigen Ländern werden serifenlose Schriften allgemein mit der Bezeichnung “Gothic” umschrieben, die sich wahrscheinlich auf die Schwarzwirkung des Textes zurückführen lässt. Dieser Schrifttyp hatte es schwer, sich durchzusetzen, da er Anfangs von der Bevölkerung abgelehnt wurde. Eine Schrift eines wesentlichen Bestandteiles zu berauben, nämlich ihrer „Füsschen“, dass war für die Schriftkenner vor 100 Jahren eine „groteske“ Vorstellung. Man kann auch von einer kühnen Abstraktion sprechen. Heute jedoch setzten sich die serifenlosen Schriften auf Grund des wachsenden Bedarfs nach auffälligen Werbeschriften zunehmend durch.

3 Die Schriftgeschichte


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Antiqua Varianten »Deko Schirft« Zu den Varianten gehören alle AntiquaSchriften, die den verbleibenden Gruppen nicht zugeordnet werden können, weil ihre Strichführung vom Charakter dieser Gruppen abweicht. Kern dieser Gruppe bilden die so genannten Deko-Schriften.

3 Die Schriftgeschichte


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Typografische Details Auch die Typografie hat Ihre eigene Sprache. In der Fachsprache werden Großbuchstaben als Versalien oder Majuskeln genannt. Kleinbuchstaben werden als Gemeine oder Minuskel bezeichnet. In unserem Alphabet gibt es 26 Großbuchstaben, welche sich aus Kreis, Dreieck und Rechteck zusammen setzen. Zwischen den Buchstaben sollen einheitliche Abstände herrschen. Die Berechnung der Abstände von Buchstaben wird Körning genannt. Rechteckige und kreisförmige Figuren bringen viel Weiß ins Wort.

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#2

»Schriftwahl«

Die Anatomie der buch staben So wie der Menschliche Körper bestehen auch Buchstaben aus unterschiedlichen Körperteilen. Die Anatomie von Buchstaben gehört zum Bereich »Mikrotypografie oder Detailtypografie«. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Gestaltung von einzelnen Buchstaben, bzw. nur den einzelnen Teilen dieser Buchstaben. Dargestellt sind in diesem Quadranten die beim Schriftenentwerfen zu gestaltenden Elemente. Beim Satz spricht man von den »druckenden Teilen«. Im Gegensatz zur »Makrotypografie«, bei der es etwa um den Satzspiegel oder der Schriftgröße geht, wird auf den nächsten Seiten der Bereich der oben genannten »Mikrotypografie« behandelt.

»Mikrotypografie oder auch Detailtypografie «

Die Anatomie der Buchstaben


»Die Form der Buchstaben hat sich über viele Jahrhunderte aus Hand- und Druckschriften entwickelt « Genau wie beim menschlichen Körper spricht man auch bei der Schriftgestaltung von Anatomie der Schrift. Darunter versteht man die Grundstruktur der Schriftzeichen. Menschen haben Armen, Beine, Zehen, etc., bei den Buchstaben spricht man zum Beispiel von Punze, Ligatur oder x-Höhe. Über 25 Begrifflichkeiten beschreiben die SchriftAnatomie. Sie sind wichtig, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Schriftgestaltung zu erkennen und bei der Auswahl passender Schriften zu helfen, da die Schriftgestaltung Einfluss auf die Lesbarkeit eines Textes hat oder bei einem Logo auch auf das Image, das vermittelt wird. Dieses Hintergrundwissen zur Schrift - Anatomie hilft, die passende Schriftart für den jeweiligen Text und Anlass zu finden. So ist zm Beispiel bei er Auswahl einer kleineren Schrift, die trotzdem gut lesbar sein muss essentiell, über die x-Höhe, also die Höhe, die der Klein- buchstabe „x” in der jeweiligen Schriftart hat, Bescheid zu wissen. Denn das Verhältnis zwischen x-Höhe und Oberund Unterlängen wie bei „g” und „h” bestimmt maßgeblich das Erscheinungsbild und damit die Lesbarkeit der Schriftart. Die unterschiedlichen x-Höhen lassen beispielsweise zwei Schriftarten in der selben Schriftgröße unterschiedlich groß wirken. Ein grundlegendes Verständnis über SchriftAnatomie ist für die meisten Grafiker ausreichend. Wer jedoch gerne selbt einmal eine Schrift entwickeln möchte, tut gut daran, sich im Vorfeld eingehender mit der Schrift - Anatomie und ihren Begrifflichkeiten zu beschäftigen.

Schriftlinienproportionen, also der Abstand der Schriftlinien zueinander, dienen der Konstruktion von Buchstaben und sind ein wesentliches Schriftklassifikationsmerkmal. Sie sind bei jeder Schrift unterschiedlich. Schriftlinienproportionen bestimmen nicht nur die Ästhetik einer Schrift, sondern auch deren Lesbarkeit. Der Standard in gemischten Alphabeten westeuropäischer Schriften ist das „Vierliniensystem”. Die Typografie unterscheidet secht Schriftlinien: A-Linie (Akzentlinie), k-Linie (Minuskeloberlänge bei Renaissane - Antiquas), die HLinie (Majusekl- oder Versalhöhe), die x-Linie (Minuskelhöhe), Grundlinie (Schriftlinie) und die p-Linie (Unterlänge). Im Vierliniensystem werden folgende Hauptschriftlinien und Überhanglinien differenziert: Großer Überhang, Majuskelhöhe (H-Linie), Kleiner Überhang, Minuskelhöhe (x-Höhe), Grundlinie (Schriftlinie), Unterer Überhang, Unterlänge (Grundlinie zur p-Linie) und der tiefere Überhang. Schriftlinien sind insbesondere bei der mikrotypografischen Interpretation von Schriften im Segment der Schriftmischung von großer Wichtigkeit.

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3 Die Anatomie der Buchstaben


Bezeichnung der Buchstaben Die Buchstabeneinzelformen haben Ihre eigenen Bezeichnungen. Die Begriffe sind Basiswissen der Typografie.

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Gewichte und varianten Die Schriftgröße wird durch die Kegelgröße bestimmt. Wie die Kegelhöhe stammt die Dickte aus dem Bleisatz. Sie steht für die Breite eines Buchstabens zzgl. einer Vorund Nachbreite (Fleisch). Als Unterschreiden bezeichnet man das verringern der Dickte. Beim Kompressatz setzen wir Dickte an Dickte. Die Kegelgröße bestimmt die Schriftgröße. Als Kapitälchen bezeichnen wir Großbuchstaben auf der Höhe von Kleinbuchstaben. Weiter Varianten bilden die Mediävalziffern (siehe oben), Ligaturen und Schwungbuchstaben (rechts und links unten).

3 Die Anatomie der Buchstaben


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#2

»Schriftwahl«

Die Vielfalt der arten Schriftfamilie ist der Begriff aus der Typografie und bezeichnet eine Gruppe von zusammengehörender Schriftschnitte mit unterschiedlichen Breiten (schmal, breit), Strichstärken (leicht, normal, fett,...) und Zeichenlagen (normal, kursiv,...), die in der Regel von einmal Entwerfer stammen und gemeinsame Merkmale der Form aufweisen. Gut ausgebaute Schriftfamilien können aus mehreren Dutzend Mitglieder bestehen. Eine Schriftfamilie lässt sich in den meisten Fällen einer Klassifizierung zuordnen. Der Begriff Schriftsippe bezeichnet eine besondere Art von Schriftfamilien, deren verschiedene Schriftschnitte in mehreren Kategorien der Klassifikation vertreten sind. Die Grundform innerhalb der Sippe ist identisch, jedoch unterscheiden sich die Buchstaben in der klassenspezifischen Ausprägung.

» Schriftfamilie Schriftsippe«

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Beispiel einer Schriftfamilie anhand der Schrift 'Univers'

Beispiel einer Schriftsippe anhand der Schrift 'Lucida'

g

g

g

g

g

Sans

Typewriter

Console

Handwriting

Grande

g

g

Bright

Serif

g Calligraphy

g Blackletter

g Fax

Die Vielfalt der Arten


» wir Verwenden frische fonts! « Es müssen nicht immer Helvetica, Garamond oder Gill Sans sein. Präsentiert wird hier eine unverbrauchte Auswahl an Schriften, die über eine ähnliche Anmutung wie die Klassiker verfügen und somit eine brauchbare Alternative darstellen. Quelle: »typoPage« Page Extra Ausgabe Januar 2010 Praxisteil (S. 34)

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M ass e n m a n g e l ist nicht dafür verantwortlich, das unsere Typografische Landschaft zuweilen recht monoton aussieht. Schon eher das Überangebot: denn wer soll sich eigentlich bei Zigtausenden v. Fonts noch auskennen? Wer abseits ausgelatschter Typopfade wandern will, muss sich nicht nur Fachkenntnisse besitzen, sondern auch Zeit investieren, um geeignete unverbrauchte Fonts zu finden. Da ist es oft leichter, auf Altbewährtes zu setzen, zumal Kunden in typografischer Hinsicht nicht immer experimentierfreudig sind. Und schließlich kann man mit Klassikern wie Helvetica, Garamond und Co. nicht völlig danebenliegen. Was sie aber nicht garantieren, ist typografische Individualität. Wer die erreichen will, braucht Alternativen, von denen

ich hier einige für Sie zusammengestellt habe. Dabei ging es mir nicht um Klassikerklons, vielmehr habe ich nach Schriften mit ähnlicher Anmutung gesucht, die sich für vergleichbare Einsatzgebiete eignen. Manchmal war die Abgrenzung nicht einfach, weil sich die Klassiker sehr ähnelten. So kann die Gotham eine gute Alternative zur FF DIN zeigen, ebenso gut aber die Interstate ersetzen. Jedenfalls aber sind alle vorgestellten Typen qualitativ hochwertig und ausreichend bis sehr gut ausgebaut. Wer eine ähnliche Type finden möchte, muss sich klar machen, welche typischen Merkmale die Schrift hat, die er ersetzen möchte. Jetzt aber ganz schnell umblättern und Ideen für eine individuelle typografische Gestaltung sammeln.


T

f

Sabon Next

Mit der Sabon Next schuf Jean Francois Prchez sozusagen das Revival eines Revivals

Die Vielfalt der Arten

Alternative

Garamond


Ok Gotham

Gotham von Tobias Frere-Jones (2002)

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Alternative

FF DIN


wg Alternative

Bodoni

Walbaum

Weist einen geringeren Strichst채rkenkontrast auf

Die Vielfalt der Arten


vo Neuzeit

Rundere Form im Gesamtbild und spitzere Ausl채ufe (z.B. V)

Die Vielfalt der Arten

Alternative

Helvetica


Ge Bliss Pro

Alternative

Gill Sans

Rundere Formen und eine hÜhe Mittellänge

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