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Weitwinkel

WEITWINKEL statt Tunnelblick

JOHANNES LANGER

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Der Tag danach.

Wir selbst können die Veränderung sein, die wir uns für diese Welt vorstellen.

Jedem Ende wohnt ein Zauber inne. Lange mussten wir auf das Ende der durch das Coronavirus ausgelöste Maßnahmen warten. Heute gaben die Regierenden dieses bekannt. Durch breit angelegten Impfungen, effektive Medikamente und unserer Disziplin gelang es, die Pandemie für beendet zu erklären. Da wir aber auf diesen Moment so lange warten mussten, wirkt sich das fundamental auf uns Menschen aus. Auf die Art und Weise wie wir reisen, arbeiten, konsumieren oder zusammenkommen. In den Demokratien muss das komplexe Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit und Schutz der Allgemeinheit erst wieder gefunden werden. In diesem existenziellen Konflikt zwischen Vergangenem und Zukünftigen wäre es falsch, dem Gewesenen nachzutrauern. Sind wir bereit zum Abschied und zum Neubeginn? Richten wir doch alle kreative Anstrengung auf das Künftige aus. Es ist die Zeit, Neues zu erdenken. Um meinen frei formulierten Anfangssatz von Hermann Hesse richtig zu zitieren: „jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Was vom Virus gesellschaftlich und wirtschaftlich bleiben wird? Nach einer Krise kehren Gesellschaften nicht zum alten Trott zurück. Es bleibt immer etwas hängen. In diesem Zusammenhang stolpere ich über das Wort Hysterese. Es klingt ein bisschen wie Hysterie – und meint doch etwas völlig anderes. Der Begriff steht nämlich für das, was von einem Einfluss übrig bleibt, wenn dieser Einfluss schon wieder verklungen ist. Ein Beispiel: Setzt man ein Eisenstück in ein Magnetfeld, baut sich im Metall eine Magnetisierung auf. Entfernt man das Eisen wieder aus die sem Feld, bleibt ein Teil der Magnetisierung übrig. Das Eisen ist zum Magneten geworden, obwohl die ursprüngliche Ursache gar nicht mehr wirkt. Offenbar haben selbst Materialien so etwas wie ein Gedächtnis, sie erinnern sich an das, was ihnen zugestoßen ist. Sie kehren nicht einfach zum früheren Status zurück. Ihr Wesen hat sich verändert.

Das Schockartige der Ereignisse wird uns jetzt erst so richtig bewusst. Während viele bis zur Selbstaufgabe arbeiten mussten, waren Hunderttausende trotz Heimarbeit geradezu zwangsentschleunigt. Dies führte zu einer Expansion nach Innen. Laufen erwies sich einmal mehr als wirkungsvolles Entfliehen und gleichzeitiges Sammeln. Noch nie liefen so viele. In praktisch jedem Nachrichtenblock sah man eine Läuferin oder einen Läufer durchs Bild huschen. Spazierengehen und Laufen brachten die Minuten, die im Stillstand für die notwendige Bewegung sorgten. Wir taten endlich Dinge, die wir schon lange wollten, für die wir aber bisher immer zu wenig Zeit fanden.

Ein Empfinden verfestigte sich bei vielen: „Laufen befreit!“ Von der häuslichen Enge nach Wochen des Home-Office, des Home-Schooling, des Aufeinanderhockens; es löst uns von der Nachrichtenflut und wenn auch nicht vollständig, von Sorgen. Es brachte uns auf neue Gedanken, schaffte Ordnung und Klarheit im Kopf. Bewegung ist die beste Antwort auf Stress, denn Aussitzen und Nichtstun bringen keine Lösung. Körperliche Aktivität übt einen positiven Effekt auf die hormonelle Stressregulation aus. Laufen senkt nicht nur den Cortisolspiegel und den damit verbundenen Stresspegel, sondern sorgt für die Ausschüttung von körpereigenen Botenstoffen, die für ein Gefühl der Zufriedenheit und Ausgeglichenheit sorgen. Diese positiven Signale nehmen wir auf unserem Weg zu neuen Herausforderungen im Leben mit. Dieser Effekt der Hysterese, ergänzt mit dem lustvollen Erstarken sozialer Kontakte, wirkt auf uns und unsere Gesundheit. Denn ein die Gesundheit förderndes Leben ist eines, das uns die Fähigkeit erhält, trainiert und optimiert, auf Zwangslagen wie bei einer Pandemie oder andere Störungen effektiv reagieren zu können. Denn immerhin geht es um unser Leben, in dem es gut läuft. Machen wir das Beste daraus.

Bewegen Sie sich – und leben Sie Ihr Leben! Das wünscht Ihnen Ihr RunUp-Herausgeber Johannes Langer

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