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Lebensqualität trotz Hofübergabe

Foto: © www.aufleben.tirol

Franz, Bärbel und hannes junior haben sich entschlossen, gemeinsam ein hofübergabeseminar zu besuchen. gespannt lauschen sie den ausführungen der Referentinnen und Referenten. informationen über rechtliche, fördertechnische und betriebswirtschaftliche inhalte sind ja in ordnung. aber hofübergabe aus zwischenmenschlicher Sicht beleuchten? Braucht es das?

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Von Angelika Wagner

lebensqualität Bauernhof – Beratung und Begleitung in herausfordernden lebenssituationen: Das angebot richtet sich an alle Bäuerinnen und Bauern, die Beratung und Begleitung in schwierigen lebenssituationen in anspruch nehmen wollen.

www.lebensqualitaetbauernhof.at

angelika wagner, mSc, Referat lebensqualität Bauernhof, lk tirol w enn Familien unter der Hofübergabe/ Hofübernahme leiden, zeigt sich, dass es sich mehrheitlich um Themen aus dem persönlichen und zwischenmenschlichen Bereich handelt. Es ist allerdings schwer in Worte zu fassen, was alles auf Gefühlsebene passiert.

Das Hauptthema der Beratungen von Lebensqualität Bauernhof kommt aus dem Themenbereich Generationenkonflikte. Eine Hofübergabe muss daher grundsätzlich auch mit folgender Frage zu tun haben:

Wie stellen wir uns das Zusammenleben miteinander vor?

In ein paar Punkten soll im Folgenden erörtert werden, wie auf das gute Zusammenleben geachtet werden kann. Die Inhalte sind allesamt aufgebaut aus den Erfahrungen der Praxis. 1.) Wertschätzung des Alten: Wie soll ich denn etwas schätzen, das ich so niemals machen würde, weil es altmodisch und überholt ist und sich nicht rechnet? So höre ich es manchmal. Von der Gestaltung der Ferienwohnungen, über den Umgang mit Maschinen, Viehhaltung, bis hin zur Ordnung in der Werkstatt gibt es wohl kein Thema, wo es nicht Auffassungsunterschiede geben würde.

Im Großen und Ganzen gilt als Faustregel, dass es für die Eltern leichter ist zu vertrauen, dass eine Hofübergabe gut wird, wenn die Jungen zwar nicht gleicher Meinung sind, aber akzeptieren, wie das Bisherige geschehen ist. Das ist ein besonders guter Türöffner, wenn es den Hofübernehmern gelingt zu schätzen, dass die meisten Eltern nach bestem Wissen und Wollen den Hof bewirtschaftet haben. Ich betone extra: die meisten. Es gibt nur sehr wenige Hofübergeber, die es nicht wirklich versucht haben oder frustriert gescheitert sind.

Deshalb eine Haltung, die helfen wird: Ich ehre das, was ihr bisher gemacht habt und bin dankbar, dass ihr es mir anvertraut. Das Mindeste, was es als Basis brauchen wird: Ich versuche, dir gegenüber als Mensch respektvoll zu sein.

2.) Vertrauen in das Neue: Bei den Hofübergabeseminaren werden Hofübernehmer und Hofübergeber für eine Übung geteilt. Sie versuchen, getrennt zu beschreiben, was ihnen im Zusammenleben besonders wichtig ist. Und was kommt bei den Jungen heraus?

Foto: © www.lebensqualitaet-bauernhof.at

Der Respekt ist auch das Hauptanliegen der Jungen, wenn sie in den Hofübergabe-/Hofübernahmeseminaren erarbeiten, worauf es für sie beim Zusammenleben ankommt. Eltern, denen es gelingt, die Jungen rechtzeitig und in Verantwortungsübernahme mitdenken zu lassen, haben eine gute Voraussetzung für die Zukunft geschaffen. Vertrauen haben in die Jungen heißt aber auch, zu berücksichtigen, dass sie noch nicht alles gut genug können, dass sie Fehler machen und das auch dürfen.

Besonders kritisch erlebt wird die Partnerwahl der Jungunternehmer. Plötzlich kommt eine neue Art des Lebens und Betrachtens in die Familie. Was sich anfänglich häufig als erfrischend erleben lässt, zeigt sich in der Folge als Herausforderung des Vereinbarens. Ganz insgeheim wird gehofft, dass sie oder er sich dann unserhof 3/2021 schon „anpassen“ wird. Deshalb braucht es etwas ganz besonders:

3. ) Bereitschaft zu Kompromis-

sen: Irgendwann begegnete mir das etwas ungewohnte Wort der Zweinigung. Es beschreibt aber bei genauerem Hinsehen sehr gut, was es im Zusammenleben braucht. Viele der alltäglichen Herausforderungen können auf unterschiedliche Arten geregelt werden. Wählt man zum Beispiel den etwas überholten, aber doch gut funktionierenden Weg oder ist der neue, teurere und effizientere Zugang besser? Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, sprich, unterschiedliche Wege führen auch beim Arbeiten, bei der Betriebsführung und auch im Zusammenleben zum Ziel. Es ist eine Frage von Kompromissen und Diskussionen. Besonders in der Übergangszeit von einer Betriebsführung in die nächste braucht es den Erfahrungsaustausch.

4.) „Dienstbesprechung“ unter der Leitung des Betriebsführers/

der Betriebsführerin: Kaum ein Punkt hat im Zusammenleben eine so hohe Wichtigkeit wie das Gespräch. Und zwar: ein richtiges Gespräch. Damit ist gemeint: keine Nebentätigkeiten, keine Nebengeräusche (Traktor, Staubsauger oder Melkmaschine …). Die gute Atmosphäre eines Gesprächs wird unterstützt von gutem Hinhören und einer Begegnung auf Augenhöhe, und zwar von allen Beteiligten.

Reden auf Augenhöhe: Du bist wichtig und ich bin wichtig.

Mit Dienstbesprechung ist auch gemeint, dass regelmäßig vereinbarte Termine Konflikte vermeiden helfen. Regelmäßigkeit heißt auch, dass man Übung im miteinander Reden und Planen bekommt. Natürlich ist es auch eine Herausforderung, zu entscheiden: was muss angesprochen werden und wo können es die Einzelnen auch einmal gut sein lassen. Geheime Sammellisten von Fehlern der anderen könnten getrost ausgetauscht werden gegen offene Aussagen wie etwa, da ist etwas gut gelungen, lasst uns das fortsetzen.

5. ) Wohldosiertes Zusammensein:

Die Erfahrungen von Lebensqualität Bauernhof lassen eine Tendenz von gewünschter Nähe erkennen: Während sich Eltern einen intensiveren Kontakt zu den Jungen wünschen und die Hofübernehmer und Hofübernehmerinnen oft zwischen den Ansprüchen stehen, wünschen sich die hinzugekommenen jungen Partner und Partnerinnen mehr Abstand und Rückzugsmöglichkeit. Rückzug brauchen alle. Auch die Übergebenden. Anklopfen, abschließen dürfen, aber sich auch ab und zu gegenseitig einzuladen, unterstützt das Familienklima. Mit „wohldosiert“ ist auch gemeint, Rückzug zu akzeptieren. Das ist in erster Linie ein Schutz für die junge Familie.

6. ) Freude und Sinn im Leben:

Wenn dieser Punkt in den Hofübergabe-/Hofübernahmeseminaren zur Sprache kommt, dann können viele sagen: Ich würde mich ja über das Leben freuen, wenn das Zusammenleben und die Übergabe richtig geregelt wären. Das ist ein Zeichen von großer Verantwortung für den Betrieb und auch eine materielle Orientierung im Leben. Vielleicht auch, weil es viele bisher gar nicht gewohnt sind, anders zu denken und sich Wünsche zu erlauben. Es entspannt die Stimmung im Haus sehr, wenn es möglich ist, sich am Leben zu erfreuen. Da gehört das Betriebliche dazu. Wichtig ist dennoch auch Freude und Sinn in anderen Dingen zu sehen, die nichts mit dem Hof zu tun haben. So gelingt es, über manches großzügig hinwegzusehen.

Zusammenfassung

Eine andere und mich selbst wertschätzende, lernfreudige und gelassene Lebenshaltung dient einem gelingenden Miteinander auf den Höfen. Es braucht Respekt füreinander und einen gelassenen Umgang mit dem Anderssein und Denken.

Der Blog für menschen in der landwirtschaft, die auf ihre lebensqualität achten und impulse für ein gelingendes leben am hof suchen:

www. aufleben. tirol

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