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Weizen: Proteingehalt und -qualität
Welcher Bedarf besteht für die Zukunft? die internAtionAle GesellschAFt Für GetreideWissenschAFt und -technoloGie – AustriA (AbGek. icc-AustriA) und dAs dePArtMent Für lebensMittelWissenschAFten und -technoloGie der uniVersität Für bodenkultur Wien hAben iM APril 2022 ein syMPosiuM orGAnisiert. ein kurZbericht.
AlFred MAr
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Mit wissenschaftlichem Interesse und in kritischer Betrachtung blickt die Getreidewissenschaft auf die Erntequalitäten von österreichischem Weizen. Besonders seit Mitte des letzten Jahrzehnts wird im Qualitätsweizengebiet im Pannonikum im Osten Österreichs eine signifikante Tendenz zu steigenden Proteingehalten bei gleichzeitig abnehmenden Hektarerträgen festgestellt. Steigende Proteinwerte führen zu entsprechend höheren Gehalten am technologisch qualitätsentscheidenden Gluten, dessen Qualität sich deutlich in Richtung zunehmende Elastizität entwickelte, was in der Bäckereitechnologie bereits zu Verarbeitungsproblemen führte, Stichwort „bockige Teige“. Ganz besonders betroffen zeigt sich die Erzeugung von Feinen Backerzeugnissen, allen voran Waffeln und Kekse. Die Frage stellte sich daher, wieviel Protein und in welcher Qualität wird Weizen für die Herstellung österreichischer Backerzeugnisse aus heimischem Hauptrohstoff benötigt?
© alfred Mar
Alfred Mar
In den beiden einleitenden Vorträgen gaben Andreas Jirkowsky, Raiffeisen Ware Austria AG (RWA), und Ernst Gauhs, ehem. RWA, einen Marktüberblick. Vorangestellt die zufriedenstellende und auch für die weitere Zukunft optimistische Aussage: Die Versorgung mit österreichischem Brotgetreide ist gesichert! Auf Basis der Qualitätskriterien der Börse für landwirtschaftliche Produkte Wien gelten für Weizen folgende Mindest-Proteingehalte: Mahlweizen 12,5 %, Qualitätsweizen 14 %, Premiumweizen 15 %. Der Trend der Ernten der letzten Jahre Richtung Premiumweizen wurde bestätigt. Somit ergibt sich für Österreich Einfuhrbedarf für Weizen mit niedrigeren Proteingehalten, vorrangig für Industriezwecke (Stärke, Bioethanol), aber je nach Erntejahr auch für die Herstellung von Feinen Backwaren. Mit einem Blick auf den internationalen Getreidemarkt wurde nicht nur auf den stark gestiegenen Preis auf den Warenbörsen (Trend von 170 Euro Richtung 400 Euro je Tonne Weizen) hingewiesen, sondern auch auf die zunehmend höheren Bedarfsmengen gegenüber den etwa stagnierenden Produktionsmengen. Dies bedeutet eine Abnahme der globalen
Lagerbestände, die jedoch äußerst ungleichmäßig verteilt sind. Während China einen Weizenvorrat von rund einem Jahr hält, bewegen sich die Lagerbestände in Euroopa und Nordamerika bei nur etwa einem Monat. Ernst Gauhs hob hervor, dass Angebot und Nachfrage den Preis wesentlich stärker beeinflussen als der Proteingehalt. Die Qualitätskriterien der Börse für landwirtschaftliche Produkte ergeben auf Basis der angeführten Mindest-Proteingehalte je nach Marktlage unterschiedliche Zuschläge. In Erntejahren mit Verknappung an Mahlweizen sinkt der Preiszuschlag für Qualitätsweizen. Die Klassifikation nach dem Proteinwert wird zwar durch die Schnellanalytik gerechtfertigt, entscheidender in der weiteren Verarbeitung ist jedoch die Backfähigkeit. Dabei erfolgt die Einteilung nach Qualitätsgruppen mittels Semmelbackversuch, derzeit mit RapidMix-Test, nach Qualitätskriterien und dabei vorrangig dem Backvolumen. Eine Qualitätsgruppe 7 von 10 ist dabei für die Einstufung als Qualitätsweizen erforderlich. Die Beeinflussung ist durch Sorte und Stickstoffdüngung im Wesentlichen determiniert. In diesem Zusammenhang steht die Frage einer Gütesiegelstrategie zur Diskussion, die bei gegebener Backqualität auch Minustoleranzen im Proteingehalt akzeptiert und somit attraktive Erzeugerpreise bei niedrigeren Proteinwerten sichert. Für Niedrigproteinweizen für die Waffel- und Kekserzeugung bietet sich der Kontraktanbau als Option an.
Weizenanbau Österreich 2030 und Saatzucht
Manfred Weinhappel, Landwirtschaftskammer Niederösterreich, stellte einen klaren Zusammenhang zwischen den in den letzten 10 Jahren steigenden Proteinwerten Richtung Premiumweizen und dem Klimawandel her, wobei besonders die steigenden Temperaturmittelwerte ausschlaggebend sind. In einer gleichzeitigen Entwicklung nimmt die Bodenbonität ab, was zur zukünftigen Reduktion der Weizenanbauflächen und somit zur Ertragsreduktion führen wird. Mit den Klimaschutzmaßnahmen des Green Deals der EU erfolgt die Zielsetzung einer Düngemittelreduktion um 20 %, was einen Beitrag zur Reduktion der Proteinwerte leisten kann. Gleichzeitig werden nationale Programme zur weiteren, teils freiwilligen Reduktion der Stickstoffdüngung gestartet. Beispiele dazu wie das Nitrataktionsprogramm, umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) und Grundwasserschutz werden daher nicht nur Klima- und Umwelteffekte zeigen, sondern auch zur Reduktion des Proteingehalts im Weizen beitragen. Verstärkt wird dieser Trend durch die steigenden Energiepreise, die stark steigende Preise für Düngemittel bedeuten. Über allem steht jedoch die gesellschaftliche Entwicklung. Es gibt die Erwartungshaltung der Konsumentinnen und Konsumenten, österreichisches Getreide in Backerzeugnissen zu verwenden. Franziska Löschenberger, Saatzucht Donau, bestätigte – abgeleitet aus den vorigen Anforderungen – die Züchtungsziele nach einer möglichst hohen Nährstoff-
© alfred Mar
Veranstalter des icc-Austria symposiums v.l.n.r.: Prof. dr. roland ludwig, boku, dr. elisabeth reiter, AGes und icc-Austria, Prof. dr. regine schönlechner, boku und icc-Austria, di Alfred Mar, boku und icc-Austria
nutzung, die in gleichbleibenden Proteingehalten bei höheren Hektarerträgen resultieren sollten. Weiter steht die höhere Backfähigkeit bei geringeren Proteinwerten als wichtiges Ziel fest. Selbstverständlich bewegt sich die Genetik im Rahmen der rechtlichen Vorschriften. Als Schnellmethode zur Feststellung der Backfähigkeit wurde die Glutopeak-Methode von Brabender ins Treffen geführt. Aus österreichischer Sicht ist auch im Hinblick auf den Green Deal der EU auf eine Zunahme der Züchtung von Sorten für den Biolandbau hinzuweisen.
Sortenzulassung
Michael Oberforster und Stefano D´Amico, beide AGES, gaben einen Überblick über die Sortenzulassung. Hervorgehoben wurde gleich eingangs, dass zur Einstufung der Backqualität das Backvolumen, der Sedimentationswert und die Energie im Extensogramm bedeutsamere Kennzahlen sind als der Proteingehalt. Michael Oberforster zog einen Vergleich der Parameter der Backqualität zwischen Österreich und den Nachbarländern. Dabei zeigten sich doch deutliche Unterschiede, auch hinsichtlich Auswirkung des Proteingehalts. Hinsichtlich Düngung wurde besonders die Stickstoff-Spätgabe in Frage gestellt, da österreichischer Weizen, wieder im Vergleich mit den Nachbarländern, die deutlich höchsten Proteinwerte aufweist. Stefano D´Amico berichtete über ein Projekt, in dem im Zulassungsverfahren die Unterschiede von Biosorten gegenüber konventionellen untersucht wurden. Der geringere Proteingehalt von Biosorten zeigte sich erwartungsgemäß in der reduzierten Wasseraufnahme und auch im geringeren Backvolumen. Die Kennzahlen zur Bewertung von Weizensorten für den konventionellen Anbau eignen sich daher nur bedingt für Biosorten. Vorgeschlagen wurde als modifizierte Kennzahl das spezifische Backvolumen je Gramm Protein. Besonders wurde darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Projekt die Knetung beim Semmelbackversuch mit dem Spiralkneter im Vergleich mit dem Rapid-Mix-Test erfolgte. Dabei wurde die Knetzeit anhand der Teigstabilität aus dem Farinogramm variabel eingestellt. Markus Löns, Fa. Brabender, führte die in der Saatzucht oben angeführte Schnellmethode Glutopeak im Detail der Laboranwendung aus. Dabei betonte er, dass Glutopeak Tendenzen aufzeigt, jedoch keine endgültigen Aussagen über die Weizenqualität zulässt. Als Sonderfälle der Anwendung wurden hochenzymatische Weizenproben bedingt durch Wanzenstich gezeigt und weiter die Untersuchung von Waffelmehlen im Niedrig-Protein-Bereich
mit dem Ziel der Vermeidung der Agglutination von Proteinmolekülen.
Peter Stallberger, GoodMills Österreich, beleuchtete das Thema aus praktischer Sicht der Bäcker. Zunächst hob er am Ende der Wertschöpfungskette die Konsumentenwünsche hervor, die sich auf Gesundheitswert, Geschmackswert und auch auf Modetrends in der Ernährung beziehen wie z. B. alte Getreidesorten, keineswegs aber auf Proteingehalte. Für die Qualität des Backergebnisses ist neben Protein bzw. Gluten besonders auch die Beschaffenheit der Stärke mit über 60 % Anteil an den Mehlinhaltsstoffen und die Enzymaktivität ausschlaggebend. Gerade die Weizenernten der letzten Jahre zeigten wegen klimabedingter Trockenheit aber besonders geringe Enzymaktivitäten. Letztendlich verwies Peter Stallberger auf die hohen elastischen Kräfte der Hochproteinweizen, die zu den erwähnten „bockigen Teigen“ mit schlechter Formbarkeit führen. Die Bedeutung von Premiumweizen sieht Peter Stallberger vorwiegend im Export, z. B. als Aufmischweizen für Italien. Im Inland wird davon nur ein geringer Anteil gebraucht, z. B. bei der Bereitstellung von Mehl für die Krapfenerzeugung. Für alle anderen Arten von Backerzeugnissen, Weizenbrot, Kleingebäck, einschließlich Tiefkühlteiglinge für die Backstationen des Handels, liegen die optimalen Qualitäten im Bereich Mahlweizen bis Qualitätsweizen. Ein adaptiertes Bezahlungssystem für die Landwirtschaft mit der Fokussierung auf Backqualität statt auf Protein wird daher die zukünftige Herausforderung sein. Waffelmehle im Niedrig-Protein-Segment werden im Kontraktanbau zu produzieren sein. Karl Tiefenbacher, T-Consulting und BOKU, ging auf die speziellen Bedürfnisse der Waffelhersteller nach Weizenmehlen mit einem Proteingehalt von nur 9 bis 10 % ein. Dabei muss die Agglutination, die zu einem Verstopfen der Düsen zum Auftragen der Waffelmassen mit hohem Wassergehalt führen würde, unbedingt vermieden werden. Bei diesem allfälligen Aggregieren von Molekülen spielen neben Proteinen auch Pentosane (Arabinoxylane) eine wichtige Rolle.
Podiumsdiskussion und Take Home Message
In der abschließenden Podiumsdiskussion stellten sich Johann Birschitzky, Saatzucht Donau, Martin Holzmann, Bäckerei Haubi´s, Klemens Mechtler, AGES, und Peter Stallberger, GoodMills, den Fragen der Teilnehmenden. In abschließenden Statements wurde zusammengefasst, dass in den letzten Jahrzehnten in den Modulen entlang der Wertschöpfungskette, Saatzucht, Landwirtschaft, Mühlen und Backwarenerzeuger herausragende Ergebnisse zur Produktion von hochqualitativen Backerzeugnissen aus Weizen mit stetig zunehmendem Proteingehalt erzielt wurden. Der Klimawandel und die damit im Zusammenhang stehenden Gegenmaßnahmen verlangen jedoch eine adaptierte Vorgehensweise entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Geringere Ausbringung von Düngemitteln wird einerseits Klima und Umwelt schonen, andererseits aber auch neue Anforderungen an die Saatzucht und die Sortenzulassung stellen. Die zukünftigen Qualitätsziele von Backwaren für den österreichischen Markt verlangen eine Fokussierung auf die für die jeweiligen Endprodukte optimierten Backqualitäten. Diese und nicht die Proteingehalte allein müssen in einem neuen Preisregime für alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette zufriedenstellend gestaltet werden. Dazu wird es unbedingt erforderlich sein, nach der mit diesem Symposium erfolgten Initiative der ICC-Austria in weiterer Folge Round-Table-Gespräche mit allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette bis zur Erzielung der erforderlichen Ergebnisse zu führen.
DI Alfred Mar, Lehrbeauftragter an der Universität für Bodenkultur, Präsident der ICC-Austria
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