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Blackout in der Lebensmittelindustrie vorbereitende Maßnahmen und Aktivitäten

BLACKOUT IN DER LEBENSMITTELINDUSTRIE – VORBEREITENDE MASSNAHMEN UND AKTIVITÄTEN

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Alle Ereignisse würden auch einzeln zu schwerwiegenden Lieferkettenunterbrechungen und Versorgungsengpässen führen. Umso wichtiger ist nun eine entsprechende Vorbereitung, um Schlimmeres zu verhindern. Die Hoffnung, dass es schon nicht so weit kommen wird, ist allein zu wenig. Während das Szenario Blackout oder in Fachkreisen auch eine Strommangellage bereits länger thematisiert werden, war eine schwere Gaskrise bisher kaum vorstellbar, auch wenn dieses Szenario bereits 2018 im Rahmen der länderübergreifenden Übung (LÜKEX 2018) „Gasmangellage in Süddeutschland“ beübt wurde. Die Erkenntnisse waren erschütternd: Die vielschichtigen wechselseitigen Abhängigkeiten sind kaum bekannt. Eine solche Gaskrise könnte verheerende Lieferkettenunterbrechungen und ein Versorgungschaos auslösen.

Möglicher Katastrophenwinter 2022/23

Gleichzeitig hat sich in den vergangenen Monaten die Lage im europäischen Stromnetz massiv zugespitzt: Die Strompreise gehen nicht nur aufgrund der horrenden Gaspreise durch die Decke. Es fehlen auch in vielen Ländern Produktionskapazitäten: Etwa in Frankreich, wo derzeit rund die

herbert saurugg

N N essfoto Wie Busi ©

Hälfte der Atomkraftwerke vom Netz sind und noch niemand weiß, ob diese bis zum kommenden Winter wieder verfügbar sein werden. Frankreich war bisher der Hauptstromexporteur und ist nun bereits im Sommer zum Importeur geworden. Die extreme Trockenheit hat dazu geführt, dass in vielen Ländern die Stromproduktion reduziert werden musste. Nicht nur bei Wasserkraftwerken, sondern auch bei zu kühlenden thermischen Kraftwerken. Die geplante kurzfristige Reaktivierung der deutschen Kohlekraftwerke als Ersatz für die Gaskraftwerke scheitert nicht nur am fehlenden Personal, sondern auch an der Kohle, die erst beschafft werden muss und durch Niedrigwasser nicht mehr über den Rhein zu den Kraftwerken transportiert werden kann. Die leicht formulierte Gasbedarfsreduktion von 15 % lässt sich technisch häufig nicht einfach umsetzen, weil es bisher dafür keine Vorbereitungen gab. Außerdem ist diese bei vielen Prozessen überhaupt nicht möglich. Eine zwangsweise Durchsetzung in Form einer Gasmangelbewirtschaftung wird nur über großflächige Stromabschaltungen durchführbar sein. Ansonsten drohen massive Infrastrukturschäden. Fällt der Gasdruck unter ein gewisses Niveau, werden Sicherheitsventile aktiviert, die dann alle manuell wieder in Betrieb genommen werden müssten. Bis dahin wären aber längst Gaskraftwerke oder die industrielle Produktion zusammengebrochen, da hier wesentlich mehr Druck benötigt wird. Daher sollten wir uns auf einen sehr harten Winter vorbereiten, auch wenn noch eine Restmöglichkeit besteht, dass es doch nicht so schlimm kommt. Bisher wird jedoch fast nur auf das Prinzip „Hoffnung“ gesetzt und wertvolle Zeit für Vorbereitungen vergeudet. Denn es geht nicht darum, ob es wirklich so weit kommt, sondern dass wir kaum in der Lage wären, mit solchen Ereignissen umzugehen, womit schwere wirtschaftliche und gesellschaftliche Verwerfungen drohen.

Sehr schlechte Ausgangslage

Die Lebensmittelindustrie wäre in jedem Fall schwer von einer eskalierenden Energiekrise und Lieferkettenunterbrechungen betroffen. Aber nicht nur diese, sondern die gesamte Bevölkerung. Denn wie wir seit Jahren wissen, ist ein Großteil der Bevölkerung kaum auf schwerwiegende Versorgungsunterbrechungen vorbereitet. Rund ein Drittel der Bevölkerung und damit auch der eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat spätestens nach vier Tagen nichts mehr zu essen. Ein weiteres Drittel ist spätestens nach einer Woche am Ende. Das bedeutet, dass sich nach einem Blackout am Ende der ersten Woche rund 6 Millionen Menschen in Österreich im gefühlten Überlebenskampf befinden: Sie haben nichts mehr zu essen und sie sehen, dass die Supermärkte leer oder möglicherweise sogar zerstört sind, was einen Wiederanlauf immer schwieriger werden lässt.

Phasen eines Blackouts

Hinzu kommt, dass die Auseinandersetzungen mit dem Szenario Blackout nach wie vor häufig bei der Phase 1 des Stromausfalls enden, was deutlich zu kurz greift: Denn während in Österreich die Stromversorgung binnen ein bis zwei Tagen wieder funktionieren sollte, wird es noch mehrere Tage dauern, bis danach wieder überall die Telekommunikationsversorgung (Handy, Festnetz, Internet) funktionieren wird (Phase 2). Bis dahin funktionieren weder Produktion noch Logistik noch Treibstoffversorgung. Daher werden viele Prozesse frühestens in der zweiten Woche wieder anlaufen können. International wird das noch viel länger dauern, was sich massiv negativ auf die Logistikketten (Rohstoffe, Verpackungsmaterialien etc.) auswirken wird.

Lebensmittelnotversorgung

Daher ist es ganz entscheidend, möglichst rasch eine Lebensmittelnotproduktion und Verteilung vorzubereiten. Diese beginnt bei den eigenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen: Denn wenn diese nicht ausreichend vorgesorgt haben, kommen sie nicht in die Arbeit. Damit wird eine Krisenbewältigung immer schwieriger. Daher sollte der erste Schritt bei der Mitarbeitersensibilisierung und Eigenvorsorge beginnen. Parallel ist dafür zu sorgen, dass die Produktionsanlagen möglichst ohne Schäden und Ausfälle sicher heruntergefahren werden können, wenn weder Strom noch Telekommunikationsversorgung funktionieren. Dazu sind Offline-Pläne erforderlich, damit die Mitarbeiter ohne große Koordination wissen, was zu tun ist, wenn nichts mehr wie gewohnt funktioniert. Während der Phasen 1 und 2 kommt alles zum Stillstand. Erst danach (Phase 3) wird ein Wiederanlauf funktionieren, wenn die Mitarbeiter bereits wieder kontaktiert und in die Arbeit geholt werden können. In der Lebensmittelindustrie sollte zudem eine Notproduktion vorbereitet werden, die möglichst rasch wieder beginnen sollte: Welche Produkte können mit möglichst wenig Aufwand und gut lagerfähig produziert sowie verteilt werden, um eine rasche Notversorgung gewährleisten zu können? Dazu ist eine Prozessanalyse entlang der Wertschöpfungskette (Lieferanten für die Rohstoffe – Logistik – Produktion inkl. Verpackungsmaterial – Logistik und Verteilung) erforderlich, was nur mit den Lieferanten und Kunden gemeinsam gelingen wird. Denn eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Zentraler Punkt ist dabei Einfachheit: In solchen Krisen funktioniert nur das, was möglichst einfach gehalten ist und wenig Koordinationsaufwand und Ressourcen benötigt. Wie das Ganze auch noch finanziell abgewickelt werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Zuerst müssen wir jedoch die gesellschaftliche Überlebensfähigkeit sicherstellen, denn sonst erübrigt sich der Rest.

Herbert Saurugg, MSc, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge, Wien

Literatur

[1] Vgl. https://www.saurugg.net/blackout.

Zuletzt abgerufen: 16.08.22 [2] Vgl. LÜKEX 18: Gasmangellage in Süddeutschland – eine kritische Betrachtung. https://www.saurugg.net/2018/blog/ vernetzung-und-komplexitaet/luekex18.

Zuletzt abgerufen: 16.08.22 [3] Vgl. Katastrophenwinter 2022/23

Fiktion oder bald Wirklichkeit? https://www.saurugg.net/katastrophenwinter22. Zuletzt abgerufen: 16.08.22 [4] Vgl. Studie „Ernährungsvorsorge in Österreich“. https://www.saurugg.net/eva.

Zuletzt abgerufen: 16.08.22

Abbildung: Phasen eines europaweiten strom-, infrastruktur- sowie Versorgungsausfalls („blackout“)

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