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Konsumentinnen und Konsumenten von heute sensibel, bewusst und eigenverantwortlich
„eThik und moRAl“, „GeschlechTeRdiskRiminieRunG“ soWie „iRReFühRunG und TäuschunG“ – dAs sind die ToP-3-GRünde Von konsumenTenbeschWeRden, die im JAhR 2021 beim ÖsTeRReichischen WeRbeRAT einGeGAnGen sind. in deR AkTuellen konsumenTensTudie WeRden schliesslich die Zunehmende sensibiliTäT und beWussTe WAhRnehmunG Von WeRbunG seiTens konsumenTinnen und konsumenTen AuFGeZeiGT. eine elTeRnbeFRAGunG besTäTiGT die eiGenVeRAnTWoRTunG Von elTeRn in beZuG AuF dAs eRnähRunGs- und beWeGunGsVeRhAlTen Von kindeRn in ÖsTeRReich.
AndReA sToidl
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Die alljährlich veröffentlichte Beschwerdebilanz des Österreichischen Werberats zeigt den zunehmenden verantwortungsvollen Umgang der werbetreibenden Industrie im Zuge ihrer Werbemaßnahmen. So wurden trotz steigender Anzahl an Entscheidungen gleich viele Stopp-Entscheidungen (11 Fälle) wie im Jahr zuvor getroffen. Die Anzahl an Sensibilisierungssprüchen in 19 Fällen hat sich mehr als verdoppelt (2020: 8) und 31 Mal wurde mit „Kein Grund zum Einschreiten“ (im Vergleich 2020: 28) bewertet (Abbildung 1). Die neuerliche geringe Anzahl an StoppEntscheidungen ist für den Österreichischen Werberat ein positives Signal für das anhaltende verantwortungsvolle Agieren von werbetreibenden Unternehmen. Und nicht nur das: Zeigten sich doch bei 9 der 11 Stopp-Entscheidungen die betroffenen Unternehmen sofort kooperativ und haben die Sujets entfernt. Inhaltlich ist die anhaltend hohe Anzahl von Beschwerden im Bereich „Ethik und
Andrea stoidl
r s chiffl/ÖW N a Kathari © 11 Aufforderung zum stopp 31 kein Grund zum einschreiten 45 kleiner senat – unbegründet abgewiesen 81 ÖWR nicht zuständig
n = 258 entscheidungen stand per 31.12.2021 30 ÖWR nicht zuständig – keine Wirtschaftswerbung 27 sofortige sujetrücknahmen 11 Verfahren nicht möglich 3 ÖWR nicht zuständig – cross border complaint Abbildung 1: beschwerdebilanz 2021 – Geschäftsbericht ÖWR 2021
Wie akzeptabel finden Sie in der Werbung
Abbildung 2: störfaktoren in der Werbung – konsumentenstudie, Vergleich 2015/2018/2021
Moral“ auffallend, die erstmals den Beschwerdegrund der „Geschlechterdiskriminierenden Werbung“ ablöst. Beschwerdegründe sind für den Österreichischen Werberat immer ein gutes Barometer dafür, in welche Richtung sich die Wahrnehmung von Werbung und somit auch gesellschaftliche Trends im Bereich Ethik und Moral bewegen. Bereits im Jahr 2020 wurde ein massiver Anstieg von Ethik und Moral als Grund von Beschwerden festgestellt. Diese Tendenz hat sich im Jahr 2021 fortgesetzt. Kommerzielle Kommunikation wird zunehmend bewusster wahrgenommen und kritisch betrachtet.
Konsumentenstudie 2021
Die zunehmende Sensibilität und bewusste Wahrnehmung von Werbung und deren Botschaften zeigt auch der Langzeitvergleich der aktuellen Konsumentenstudie 2021, die bereits das dritte Mal durchgeführt wurde und die „Einstellung der Österreichischen Bevölkerung zur Werbung“ aufzeigt: Absolut inakzeptabel wurden 2021 Inhalte mit „gewaltverherrlichenden Darstellungen“ (42 %), Aggressivität in Bild (42 %) und Wort (39 %) sowie „abwertende Darstellungen“ aufgrund der Sprache (44 %), der Rasse (43 %) und des Geschlechts (42 %) gesehen. Auch Warnhinweise, die oft nicht nötig sind, scheinen bei Konsumentinnen und Konsumenten nicht den gewünschten Effekt zu erzielen. So empfinden 19 % der Befragten diese als störend (Abbildung 2). Im Umkehrschluss genießen Darstellungen von Menschen, die den klassischen Schönheitsidealen nicht entsprechen, übergewichtige Models und gleichgeschlechtliche Paare hohe Akzeptanz bei den österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten. Spannend ist in die-
Abbildung 3: Vergleichsstudie 2021 – bewusst gekauft
sem Zusammenhang die signifikante Steigerung (5 %-Punkte im Vergleich zu 2018) der Akzeptanz von medizinischen und wissenschaftlichen Fachausdrücken in der Werbung. Dies bestätigt die Aussage der erhöhten Glaubwürdigkeit, die Werbung zugesprochen wird.
Reaktion von Konsumentinnen und Konsumenten – Kaufbereitschaft und
Kaufverhalten: Aufmerksamkeit um jeden Preis zu generieren, gehörte 2021 eindeutig der Vergangenheit an. Wichtiger war es, die Kompetenzen, Abneigungen und Vorlieben der Konsumentinnen und Konsumenten zu erkennen und zu respektieren. Gelingt das nicht, schlägt es sich unmittelbar in der Kaufbereitschaft von Konsumentinnen und Konsumenten nieder. So würden Konsumentinnen und Konsumenten ein Produkt/eine Dienstleistung nicht kaufen, wenn dafür Werbung gemacht wird, die für sie den Eindruck erweckt, unwahr (67 %) oder irreführend (55 %) zu sein oder als aggressiv (46 %) oder sexistisch (47 %) erlebt wird. Könnte die Kaufbereitschaft von Konsumentinnen und Konsumenten noch als ein sozial gewünschtes Antwortverhalten ausgelegt werden, lassen die Ergebnisse zum tatsächlichen Kaufverhalten im Jahresvergleich kaum Interpretationsspielraum. 61 % der Befragten gaben an, dass sie aufgrund einer für sie nicht akzeptablen Werbung schon einmal etwas bewusst nicht gekauft haben. Als besonders kritisch zeigen sich vor allem Männer (63 %) und ÖWRKenner (71 %) sowie die junge Zielgruppe bis 29 Jahre (68 %). Noch eindeutiger sind die Ergebnisse im Hinblick auf die positive Wirkung von Werbung und das tatsächliche Kaufverhalten. Demnach haben 3/4 (!) der Konsumentinnen und Konsumenten schon einmal ein Produkt gekauft oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen, weil sie die Werbung dafür angesprochen hat. Unter ÖWR-Kennern ist das Ergebnis mit 78 % noch deutlicher (Abbildung 3).
Elternbefragung
Die Kompetenz und bewusste Werbewahrnehmung von Konsumentinnen und Konsumenten zeigt sich ebenfalls bei einer Elternbefragung über „Ernährung und Übergewicht von Kindern in Österreich“, die im Jahr 2021 im Auftrag des Österreichischen Werberats durchgeführt wurde und valide Zahlen über die Ursache von Übergewicht bei Kindern sowie das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in Österreich liefert. So sind bei einer Kaufentscheidung für Lebensmittel qualitative Kriterien wie Qualität und Frische entscheidend, gefolgt von Preis und Geschmack. Als am wenigsten relevant werden die Aspekte Verpackung und Werbung angegeben.
Werbung wird als Informationsquelle geschätzt
Die absolute Mehrheit der Mütter und Väter sieht in der Werbung im Lebensmittelbereich einen wichtigen Informationsgehalt: 82 % möchten mittels Werbung über Produktneuheiten und Innovationen bei Lebensmitteln informiert werden. Unter den Personen, die sich selbst als übergewichtig einschätzen, sind es 86 %, und bei jenen,
die mit übergewichtigen Kindern im Haushalt leben, sogar 93 % (Abbildung 4).
Eigenverantwortung der Eltern
Generell betrachtet hat Corona den Alltag von Kindern wesentlich beeinflusst: Vor allem die Nutzung von Internet und sozialen Medien ist erheblich gestiegen, auch Fernsehen oder Videospiele waren beliebte Beschäftigungen in Zeiten, in denen persönliche Kontakte nicht oder nur eingeschränkt möglich waren. Beim Essen selbst war das Verhalten innerhalb der Familie ausschlaggebend: Gestiegen sind vor allem das (gemeinsame) Kochen zu Hause sowie die gemeinsamen Mahlzeiten innerhalb der Familie. Gesunken sind die körperliche Bewegung und sportliche Aktivität. Interessant in diesem Zusammenhang war, welche Aspekte aus Sicht der Eltern für Übergewicht bei Kindern verantwortlich sind. Die Ergebnisse sind eindeutig: Eltern sind sich ihrer Eigenverantwortung mehr als bewusst – sowohl in Bezug auf die Vorbildfunktion ihres eigenen Verhaltens als auch auf ihr mangelndes Wissen über Ernährung. Insgesamt 87 % der befragten Eltern sind der Meinung, dass das Vorbildverhalten von Eltern und der Umgang mit Ernährung im eigenen Haushalt eine sehr wichtige (56 %) bzw. eher große (31 %) Rolle bei der Entstehung von Übergewicht spielt. Mit insgesamt 77 % wird als weitere Hauptursache das mangelnde Wissen der Eltern über Ernährung angegeben. Doch auch das soziale Umfeld des Kindes oder die finanzielle Situation der Familie stehen an der Spitze der genannten Ursachen. Der zweitwichtigste Themenkreis bei der Entstehung von kindlichem Übergewicht wird im schulischen Bereich geortet – genannt werden dabei Faktoren wie das Fehlen von Ernährungsbildung im Schulunterricht, zu wenig Möglichkeit zur Bewegung oder die Qualität des Essens in Schule, Kindergarten etc.
Abbildung 4: elternbefragung 2021
Abbildung 5: Verantwortlich für die ausgewogene ernährung der kinder – elternbefragung 2021
Abbildung 6: Welche 3 maßnahmen halten sie am besten geeignet, um übergewicht bei kindern vorzubeugen oder zu verringern?
Als weniger relevante Aspekte bei der Entstehung von Übergewicht werden schließlich zu viel Computernutzung und Medienkonsum, der Einfluss von Influencern oder auch Werbung in den verschiedensten Medienkanälen genannt. Fazit: Nicht die werbliche Kommunikation an sich ist für Eltern bei der Entstehung von Übergewicht relevant. Vielmehr werden eigenes Verhalten als Ursache erkannt und Forderungen vor allem in Richtung pädagogischer Einrichtungen formuliert. Darüber hinaus geben 79 % der Eltern an, dass sie Gespräche mit ihren Kindern über Wirkung, Zweck und Ziele von Werbung führen. Auch die Verantwortung für eine ausgewogene Ernährung sehen Eltern mit insgesamt 91 % eindeutig bei sich selbst bzw. der Familie – 76 % sehen hier sogar die hauptsächliche Verantwortung. Weit dahinter werden ältere Kinder selbst (41 %) sowie Lehrer/Schule/Kindergarten (29 %) und Hersteller von Lebensmitteln (29 %) genannt, wobei gerade Letzteren lediglich eine Mitverantwortlichkeit zugeschrieben wird (nur
1 % sieht hier eine hauptsächliche Verantwortlichkeit). Nur 2 % der befragten Eltern sehen in der Berichterstattung von Medien und in der Werbung eine Hauptverantwortlichkeit für eine ausgewogene Ernährung von Kindern (Abbildung 5).
Bewegung und Ernährungsbildung als Schlüssel
Als wichtigste Maßnahme, um Übergewicht bei Kindern vorzubeugen bzw. zu verringern, wird die Änderung von Lebensgewohnheiten (55 %) genannt (Abbildung 6). Damit einhergehend werden die Förderung von körperlicher Bewegung durch mehr öffentliches Freizeit- und Sportangebot (50 %) oder auch die Wissensvermittlung über Ernährung an Kinder (38 %) genannt. Im Lösungspaket von Eltern ebenfalls enthalten ist der Vorschlag der Änderung von Rezepturen von Lebensmitteln (38 %). Als wenig geeignet, um Übergewicht bei Kindern tatsächlich zu verringern, sehen Väter und Mütter in Österreich eine Beschränkung von Lebensmittelwerbung (20 %) oder die Änderung von Lebensmittelverpackungen (13 %). Vielmehr gibt die überwiegende Mehrheit der Eltern (insgesamt 91 %) an, dass ausreichend Informationen über die Nährwerte der gekauften Lebensmittel auf der Verpackung vorhanden sind. Hinsichtlich der Verbesserung des eigenen Ernährungs- und Bewegungsverhaltens geben die Befragten „mehr Bewegung und Sport“ als wichtigsten Faktor an. Die Beschränkung von Lebensmittelwerbung bildet bei möglichen unterstützenden Maßnahmen das Schlusslicht.
Mag.a Andrea Stoidl, Geschäftsführerin Österreichischer Werberat, Gesellschaft zur Selbstkontrolle der Werbewirtschaft, Wien
Quellen: Konsumentenstudie 2021, Elternbefragung 2021
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