Der Prinz von Homburg: Programmheft (Auszüge) | Staatsoper Stuttgart

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Hans Werner Henze DER PRINZ VON HOMBURG Oper in drei Akten nach dem Schauspiel von Heinrich von Kleist Für Musik eingerichtet von Ingeborg Bachmann Revidierte Fassung von 1991 Uraufführung der Erstfassung am 22. Mai 1960 an der Hamburgischen Staatsoper Uraufführung der revidierten Fassung am 24. Juli 1992 im Cuvilliés-Theater, München Staatsoper Stuttgart Premiere der Neuproduktion am 17. März 2019 (Stuttgarter Erstaufführung)

Musikalische Leitung Cornelius Meister Regie Stephan Kimmig Bühne Katja Haß Kostüme Anja Rabes Video Rebecca Riedel Licht Reinhard Traub Dramaturgie Miron Hakenbeck Besetzung der Premierenserie: Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg Štefan Margita Die Kurfürstin Helene Schneiderman Prinzessin Natalie von Oranien, seine Nichte, Chef eines Dragonerregiments Vera-Lotte Böcker Prinz Friedrich Artur von Homburg, General der Reiterei Robin Adams Graf Hohenzollern, von der Suite des Kurfürsten Moritz Kallenberg Feldmarschall Dörfling Michael Ebbecke Obrist Kottwitz, vom Regiment der Prinzessin von Oranien Friedemann Röhlig Wachtmeister Johannes Kammler Erster Offizier Mingjie Lei Zweiter Offizier Paweł Konik Dritter Offizier Michael Nagl Erste Hofdame Catriona Smith Zweite Hofdame Anna Werle Dritte Hofdame Stine Marie Fischer Staatsorchester Stuttgart


INHALT

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Vorab in Kürze

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Handlung

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Synopsis

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Stephan Kimmig über Hans Werner Henzes Der Prinz von Homburg

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Traumreste, 36 Anmerkungen zu den Traumwelten des Prinzen von Homburg und Ingeborg Bachmanns Frank Witzel

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Der Prinz von Homburg Hans Werner Henze

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Entstehung eines Librettos Ingeborg Bachmann

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Träumerisch László Földényi

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Traumräume teilen Stephan Kimmig im Gespräch mit Miron Hakenbeck

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Unbewusst László Földényi

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Angst Byung-Chul Han

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Order des Herzens –  Order des Gesetzes Barbara Zuber

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Fotos der Klavierhauptprobe von Wolf Silveri

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Impressum und Nachweise


VORAB IN KÜRZE Der Prinz von Homburg begibt sich zuweilen in Traumzustände und erlebt sie intensiv und greifbar wie die Wirklichkeit. Seinem Traumsinn folgend handelt er in der Schlacht gegen den Befehl –  und erringt dadurch den Sieg. Dann wacht er in der Wirklichkeit auf, die einem Albtraum gleichkommt: Auf Befehlsverweigerung steht die Todesstrafe. Einzig der Kurfürst von Brandenburg könnte das Todesurteil aufheben und den Prinzen begnadigen. Er stellt dem Prinzen frei, das Urteil selbst außer Kraft zu setzen. Der erkennt sich als schuldig an, überwindet seine Furcht vor dem Tod und träumt zuletzt von der Unsterblichkeit. Am Ende wird er begnadigt. Die Träume des Prinzen gehen in Erfüllung, er aber bleibt sich unsicher, ob nicht gerade das nur ein Traum sein kann. Schwieriger Held Als Kleists Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg 1828 zum ersten Mal in Berlin aufgeführt wurde (mehr als 15 Jahre nach dem Selbstmord respektive Freitod des Dichters) löste es Unbehagen aus. Auch der Berliner Universitätsrektor Georg Friedrich Wilhelm Hegel, der in seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften die unbedingte Unterscheidung des Träumens vom Denken fordert, fand: „Der Prinz von Homburg ist der erbärmlichste General; beim Austeilen der Dispositionen zerstreut, schreibt er die Ordre schlecht auf, treibt in der Nacht vorher krankhaftes Zeug, und am Tag in der Schlacht ungeschickte Dinge.“ Diese von Hegel monierte „Zweiheit, Zerrissenheit und innere Dissonanz des Charakters“ missfiel auch dem Königshaus, ganz zu schweigen von der unsoldatischen Schlafwandlerei und Todesfurcht. Friedrich Wilhelm III. verfügte, „dass das Stück ... niemals wieder aufgeführt werden soll.“ Im deutschen Kaiserreich wurde der Traumtänzer umgedeutet zum tugendhaften Helden, der die Notwendigkeit des Gehorsams anerkennt. Die Todesfurchtszene hat man dafür schlichtweg gestrichen. Von den Nationalsozialisten wurden sämtliche Kleist’sche Ambivalenzen restlos ausgelöscht: Der Prinz verkörperte nun die bedingungslose Unterwerfung unter das Gesetz der Volksgemeinschaft. Als Luchino Visconti Henze das in Deutschland missverstandene Schauspiel als Opernstoff empfohlen hat, spürte er wohl das Potenzial einer Seelenverwandtschaft des jungen, sich suchenden Komponisten mit dem „in Visionen und Wachträumen spielerisch lebenden Menschen“. Vor dem Hintergrund der Erfahrung totalitärer Herrschaft und ihrer Verdrängung in der Nachkriegszeit deuten Henze und Bachmann den Konflikt zwischen dem Träumer und der gemeinschaftlichen Ordnung für sich neu. Traum-Realität „Der Traum ist ein Leben, das, mit unserm übrigen zusammengesetzt, das wird, was wir menschliches Leben nennen. Die Träume verlieren sich in unser Wachen allmählig herein, man kann nicht sagen, wo das Wachen 6

Der Prinz von Homburg


eines Menschen anfängt.“ Dem Experimentalphysiker Georg Friedrich Lichtenberg zufolge machen Träume das Dasein erst vollständig. Auch für den Prinzen von Homburg sind sie existenziell. Die von Lichtenberg angedeutete unscharfe Abgrenzung des Traums vom Wachzustand wird für Homburg zur Radikalerfahrung: Realitäts- und Traumebenen geraten ihm verstörend durcheinander. Was er als Wirklichkeit ansieht, definieren die anderen als Traum. Was er träumt, ist eigentlich Wirklichkeit. Die Tatsache seiner Begnadigung hält er wiederum für einen Traum. Ob er wacht oder träumt, fragt er sich, sobald er an der Beschaffenheit der Wirklichkeit zweifeln muss. Die Unterscheidung wird zunehmend schwieriger, vielleicht sogar hinfällig: Ein Handschuh wird dem Prinzen zum Beweis dafür, dass Traum und Leben eine Einheit bilden können. Endet der Traum, wenn die Wirklichkeit beginnt? In der Oper kann beides zeitgleich existieren beziehungsweise hörbar werden. In Henzes Partitur gibt es Klangchiffren für die subjektive Traumwahrheit (u. a.: eine Sexte im Gesang des Prinzen, frei-tonale Melodien, Anklänge an Dur und Moll, berückende Orchesterklänge) wie auch für das gesetzlich geregelte Tagesgeschäft. Die klanglich gefassten Gegenwelten sollen aber nicht nur strikt voneinander geschieden sein. Im Laufe der Oper gehen sie Spannungsverhältnisse ein: Traumwelten müssen sich an der von allen geteilten Wirklichkeit messen. Aber gilt nicht die Umkehrung auch? Vielleicht wird dabei das eine als ebenso imaginär wie das andere erkannt. Systemwandel Wenn die Offiziere beim Kurfürsten Gnade für den Prinzen erwirken wollen, fordern sie ihn auf, die Empfindung zum alleinigen Maßstab seines Handelns zu machen: „Herr, das Gesetz, das oberste, das höchste, / Das wirken soll in deiner Feldherrn Brust, / Das ist der Buchstab deines Willens nicht. Was kümmert dich, wir bitten dich, die Regel!“ Verzeihen soll die strikte Anwendung des Gesetzes ablösen, Staatsraison nicht über das Lebensrecht des Einzelnen gestellt werden. Im Finale der Oper wird eine neue Ordnung entworfen: Die Empfindung wird zum Gesetz der Gemeinschaft erhoben, in der auch der Träumer seinen Platz finden soll. Auch die Formbildung von Musik folgt Gesetzen. Für seine HomburgPartitur arbeitete Hans Werner Henze mit einem der striktesten musikalischen Regelsysteme seiner Zeit: der Zwölftontechnik, bei der festgelegte Tonreihen nach bestimmten Prämissen verarbeitet werden. Durch Befolgen dieser musikalischen Regeln und einen strengen Kontrapunkt bringt Henze die Wirkmächtigkeit des Gesetzes zum Klingen, lustvoll inszeniert er aber auch den Regelbruch. Wenn das subjektive Erleben mit der Ordnung kollidiert, unterwandert Henze die strengen Techniken: mit tonal klingenden Akkordstrukturen, frei-tonalen melodischen Erfindungen und Affektzeichnungen, die vom italienischen Melodramma inspiriert sind.

Vorab in Kürze

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HANDLUNG Erster Akt Eine entscheidende Schlacht steht bevor, doch wird Prinz von Homburg, der General der Reiterei, vermisst. Der Kurfürst von Brandenburg und sein Gefolge finden ihn wachen Auges träumend im nächtlichen Garten. Sie suchen nach einer Erklärung für sein eigentümliches Verhalten: Träumt der Prinz bereits den Heldenruhm für die noch zu schlagende Schlacht voraus? Der schlafwandelnde Prinz erblickt unter den nächtlichen Besuchern die geliebte Prinzessin Natalie von Oranien und ergreift einen ihrer Handschuhe. Der Kurfürst zieht sich mit seinem Gefolge aus dem Traum des Prinzen zurück. Nur Graf Hohenzollern bleibt und weckt seinen Freund. Der erinnert sich an das eben Geträumte, kann sich jedoch den Handschuh nicht erklären, den er – offensichtlich als Relikt seines Traumes – ganz greifbar in den Händen hält. Feldmarschall von Dörfling diktiert den Offizieren den Schlachtplan. Der Prinz von Homburg sinnt weiter über sein Traumerlebnis nach und ist ganz auf Prinzessin Natalie fixiert, die ihren fehlenden Handschuh sucht. Vom ausgefeilten Schlachtplan bekommt er nur Bruchstücke mit. Über eines ist er sich sicher: sein Traum verheißt ihm Glück auf dem Schlachtfeld und in der Liebe. Die Schlacht beginnt im Morgengrauen. Aus der ihnen zugewiesenen Stellung beobachten der Prinz und seine Untergebenen das Gefecht. Als sie sehen, dass sich der Gegner zurückzieht, gibt Homburg Befehl zum Angriff, ohne das Kommando des Kurfürsten abzuwarten, wie es der Schlachtplan vorschreibt. Die Mahnungen seiner Offiziere schlägt er in den Wind: Seine Order empfange er vom Herzen. Die Schlacht ist gewonnen, doch hat sie große Verluste gefordert. Auch der Tod des Kurfürsten wird gemeldet. Die Kurfürstin ringt um Fassung. Homburg und Natalie bekennen einander inmitten all der Verwüstung ihre Liebe. Da wird die Nachricht vom Tod des Kurfürsten widerrufen. In ihrer Freude über diese Botschaft eröffnen sich Homburg und Natalie ganz neue Wege, einander und sich selber wahrzunehmen. Der Kurfürst fordert, dass derjenige, der eigenmächtig die Reiterei in die Schlacht geführt hat, vor das Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt werde. Als der Prinz von Homburg ihm Siegestrophäen überbringt, lässt er ihn entwaffnen und gefangen nehmen.

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Der Prinz von Homburg


Zweiter Akt Hohenzollern besucht seinen Freund im Gefängnis. Das Kriegsgericht hat den Prinzen zum Tode verurteilt, doch zeigt sich dieser ungerührt. Er vertraut auf sein Gefühl, der Kurfürst werde das Urteil wieder aufheben. Hohenzollern muss ihm die Gewissheit nehmen: Der Kurfürst hat das Urteil sogar schon zur Unterschrift angefordert. Dem Prinzen wird seine aussichtslose Lage bewusst. Er beschwört Hohenzollern, mit ihm nach Wegen der Rettung zu suchen. „Auf leerer Bühne ein Grab.“ Der Prinz wird von Todesfurcht ergriffen. Homburg fleht die Kurfürstin an, sich für seine Begnadigung einzusetzen. Diese rät ihm, Haltung zu bewahren. Als Homburg sich bereit erklärt, für seine Rettung sogar Natalie aufzugeben, bekennt Natalie sich zu ihren Gefühlen für den Prinzen. Sie verspricht, selbst beim Kurfürsten für ihn vorzusprechen. Natalie gibt dem Kurfürsten zu bedenken: Sosehr das Gesetz herrschen soll, sowenig darf es die Autorität der Gefühle auslöschen. Den Kurfürsten befremdet es zu erfahren, wie sehr der Prinz an seinem Leben hängt. Er verspricht, ihn freizulassen, und übergibt Natalie ein Schreiben an ihn. Natalie überbringt dem Prinzen den Brief des Kurfürsten, in dem dieser ihm die Freilassung in Aussicht stellt, sofern er das Urteil als ungerecht betrachte. Homburg versteht, was diese Freiheit impliziert, und verfasst seine Antwort: Er erkenne das Urteil und seine eigene Schuldigkeit an. Natalie beschließt, den Prinzen mit Gewalt aus seiner Lage zu befreien. Dritter Akt Dem Kurfürsten droht Rebellion: Prinzessin Natalie hat das ihr unterstellte Regiment anrücken lassen, zugleich verlangen Hohenzollern und andere Offiziere vorzusprechen: Sie drängen auf die Begnadigung des Prinzen. Der Kurfürst erhält Homburgs Brief. Er lässt den Gefangenen vorführen. Der Prinz erklärt den Versammelten, dass ausschließlich der Tod sein Wille sei, und verlangt vom Kurfürsten die gerechte Strafe für sein Verschulden. Der Kurfürst lässt ihn zurück ins Gefängnis bringen. Hohenzollern führt den Prinzen mit verbundenen Augen zum Richtplatz. Der Prinz richtet all seine Sinne auf die Ewigkeit, die ihn im Tod erwartet, kann sich jedoch nicht ganz vom Leben lösen. Als Hohenzollern ihm die Augenbinde abnimmt, glaubt der Prinz, sich in einem Traum wiederzufinden: Der Kurfürst, die Kurfürstin, Natalie und alle anderen sind versammelt, um ihn in ihre Gemeinschaft aufzunehmen.

Handlung

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SYNOPSIS Act 1 A decisive battle looms, but the Prince of Homburg, the general of the cavalry, is missing. The Elector of Brandenburg and his entourage find him dreaming, open-eyed, in the nocturnal garden. They seek an explanation for his peculiar behaviour; is the Prince already dreaming of heroic glory in the coming battle? Amongst the nightly visitors, the sleep-walking Prince sees his beloved Natalie, Princess of Orange, and grabs one of her gloves. The Elector and his companions disappear from the Prince’s dream. Only Count Hohenzollern remains, and wakes his friend, who remembers his recent dream but cannot explain the glove he – obviously left over from the dream – quite tightly holds in his hands. Field Marshal Dörfling dictates the plan of battle to his officers. The Prince of Homburg continues to contemplate his dream and is completely fixated on Princess Natalie, who is searching for her missing glove. He hears only fragments of the sophisticated battle plan. One thing above all is certain: his dream signifies fortune on the battlefield and in love. The battle begins at dawn. From their allotted position, the Prince and his subordinates observe the fighting. As they see that the opposition is retreating, Homburg gives the order to attack, without waiting for the Elector’s command stipulated in the battle plans. The Prince pays no heed to the warnings of his officers; he shall only follow his heart. The battle has been won, but at a great cost. Even the Elector has been killed. The Electress tries to control herself. Amid the devastation, Homburg and Natalie confess their love for each other. Suddenly, news of the Elector’s death is retracted, and the joy they feel at this message opens new possibilities for Homburg and Natalie to discover themselves and each other. The Elector claims that the one who independently, and without authorization, led the cavalry into battle shall face a court-martial and be sentenced to death. As the Prince of Homburg brings him the spoils of war, the Elector orders him to be captured and stripped of his weapons.

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Der Prinz von Homburg


Act 2 Hohenzollern visits his friend in prison. The court-martial has sentenced the Prince to death, yet he seems unmoved by it all. He trusts his feeling that the Elector will reverse the court’s decision, but Hohenzollern removes any hope: the Elector has already requested the decree be signed. The Prince now sees the hopelessness of his situation, and makes Hohenzollern swear to help him find a way out. “A grave on an empty stage“. The Prince is siezed by fear of death. Homburg begs the Electress to plead for his mercy. She advises him to retain his composure. As Homburg declares himself prepared to give up Natalie for his salvation, Natalie confesses her feelings for the Prince, and requests an audience with the Elector. Natalie asks the Elector to consider that as much as the law should prevail, so should the authority of emotion. The Elector is taken aback at how much the Prince is clinging to life. He promises to release him and gives Natalie a letter for the Prince. Natalie takes the Elector’s letter to the Prince, the letter promising his release as long he considers the verdict unjust and he is professed as innocent. Homburg understands what this freedom implies, and composes his reply: he shall acknowledge the verdict and his own guilt. Natalie decides to free the Prince from his situation with force. Act 3 The Elector is threatened with rebellion. Princess Natalie recalls her subordinate regiment while, at the same time, Hohenzollern and other officers pledge their allegiance. They press for the Prince’s pardon. The Elector receives Homburg’s letter, and he grants the Prince a chance to present himself. The Prince tells the assembled that death is his exclusive wish, and demands from the Elector the correct punishment for his guilt. The Elector orders him to be returned to prison. Hohenzollern leads him, blindfolded, to the place of execution. The Prince directs all his senses towards the eternity that awaits him in death, but cannot completely release himself from life. As Hohenzollern removes the Prince’s blindfold, Homburg believes he has found himself in a dream again: the Elector, his wife, Natalie and the others are gathered to receive him into their community as victor of the battle.

Synopsis

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Stephan Kimmig Wenn wir über die Oper Der Prinz von Homburg sprechen wollen … … dann müssen wir auch in die Leben von Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann eintauchen, die ab 1953 in Italien leben, die aus Deutschland respektive Österreich nach Italien fliehen, weil sie die verlogene, muffige, restaurative Zeit in ihren Ländern nicht aushalten. Wenn wir über die Entstehungsgeschichte der Oper sprechen wollen, dann müssen wir aber auch über den Zweiten Weltkrieg sprechen. Hans Werner Henze hat ihn als Soldat noch miterlebt. Als sehr junger Mann, mit 17 Jahren, musste er in den Krieg. Heinrich von Kleist, auf dessen Originaltext sich das Libretto von Ingeborg Bachmann bezieht, musste mit 15 in den Krieg, also noch einmal zwei Lebensjahre früher als Henze. Henze geriet schon als Jugendlicher aufgrund seiner politischen Einstellung in Konflikt mit seinem Vater, der NSDAP-Mitglied war und ihn auf eine Musikschule der Waffen-SS schicken wollte. Als Hans Werner Henzes Vater von der Homosexualität seines Sohnes erfuhr, soll er gesagt haben, dass „so etwas wie er ins KZ gehöre“. Anfang 1944 wurde Henze zum „Reichsarbeitsdienst“, wenige Monate später als Funker zur Wehrmacht einberufen. Die Erfahrungen dieser Zeit führten bei ihm zu einem Gefühl der Mitschuld, aber auch zur lebenslangen leidenschaftlichen Ablehnung von Krieg, Faschismus und Nationalismus. Und heute? Sagt der Vorsitzende einer gerade erstarkenden Rechtspartei allen Ernstes, Hitler und die Nazis wären ein Vogelschiss in der erfolgreichen 1000-jährigen deutschen Geschichte gewesen; spielen Rechte, Nationalisten, Heimatverkitschte wie schon immer mit Angst und Identität, mit Einschluss und Ausschluss, mit Grenzen und Mauern. Glücklicherweise nur partiell, also: aufpassen und benennen! Henze war also auf der Suche nach einem geeigneten Stoff, um über Nachkriegsdeutschland zu sprechen. Um über die Veränderung von einem nationalistisch-hierarchischen Deutschland, aufgrund dessen Ideen und

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Wenn wir über die Oper Der Prinz von Homburg sprechen wollen …


Aggression respektive Menschenverachtung Millionen von Menschen umgebracht wurden, in ein friedliches und freies Deutschland sprechen zu können. Und um von einem menschenzugewandten Deutschland zu träumen. Dem setzen sich Henze und Bachmann aus. Das suchen sie, um nicht mehr permanent von einem hasserfüllten, zerstörenden, todbringenden Deutschland zu albträumen. Henze wird von dem berühmten italienischen Film-und Opernregisseur Luchino Visconti auf Kleists Prinz Friedrich von Homburg hingewiesen. Henze schreibt dazu: „Es scheint mir eine helle Provokation zu sein in diesem Text, eine Provokation, die heute genauso viel gilt: Denn nach dem kulturellen Identitätsverlust der BRD nach 1945 muss mangels eigener Tradition eine neue Identität entwickelt werden, eine Identität der Freiheit, der Solidarität und des Friedens.“ Henze sagt später: „Ich habe mein ganzes Leben unter der Zeit gelitten, in der ich involviert war als Uniformträger und Schiesseisenbenutzer. Die schlimmste Zeit meines Lebens, vielleicht besonders schlimm, weil meine bestimmte Art zu leben und zu denken und zu tun, stark anders sich machte, als es üblich war. Ich hatte wirklich die Nase voll von jeder Art von Zwang und Gehorsam und Befehlserfüllung. Mein großes Thema war nunmehr die Verweigerung, der Nonkonformismus! Und die Aufgabe meiner Generation, die moralischen Verhältnisse in diesem Land zu korrigieren und die Verlogenheiten zu entlarven.“ Hannah Arendt schreibt in ihrem Text We refugees, den sie gegen Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlicht: „Wir haben unsere Heimat verloren. […] Wir haben unseren Beruf verloren, und damit unsere Zuversicht, dass wir zu etwas nutze sind in dieser Welt. Wir haben unsere Sprache verloren und damit die Natürlichkeit unserer Reaktion. Wir haben unsere Verwandten in den polnischen Ghettos zurückgelassen und unsere besten Freunde wurden in Konzentrationslagern ermordet. […] Wir wollen unsere Leben wieder aufbauen, wir müssen stark und optimistisch sein.“ Da ist die oft helle, zarte, dann gewaltige und unberechenbare Musik von Henze, die Hoffnung auf einen anderen Menschen bei Bachmann. Ingeborg Bachmann liest und erträumt im Kleist’schen Homburg ein anderes Deutschland, ein fröhliches Brandenburg. Eine ideale Vision Kleists, etwas, das es noch nicht gibt, etwas Schönes endlich – eben den Gegenentwurf zur verknöcherten Realität auch ihrer Heimat. Einen Staat, in dem die Gerechtigkeit lebbar wird, wo Freimut kein Wagnis mehr ist. Wo der Staat selbst einsichtig werden kann und Zweifel und Widerstand seiner Macht gegenüber sogar legitimiert und wünscht.

Stephan Kimmig

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Ingeborg Bachmann verändert den Text von Kleist immer wieder gründlich, im Sinne der Gedankenwelt, die Henze und sie umtreibt. Bachmann greift ein, schreibt um, und streicht alle ihr ausschließlich militärisch erscheinenden Züge. Ein Beispiel des Eingriffs in Kleists Text, auch für andere Stellen stehend: In einem Satz des Kurfürsten bezogen auf Homburgs Verurteilung, heißt es noch bei Kleist: „Der [Homburg] wird dich lehren, das versich’r ich dich / Was Kriegszucht und Gehorsam sei!“ Daraus wird bei Bachmann: „Der wird euch lehren, was Freiheit und was Würde sei.“ Aus Kriegszucht und Gehorsam wird also Freiheit und Würde. Bachmann tauscht den brandenburgischen respektive deutschen Untertanengeist ein gegen Individualismus und Humanismus. Henze und Bachmann wollen ein Land, in dem man leben kann und leben lässt – divers, phantasievoll und neugierig. Wo Verschiedenheiten möglich sind, sich nebeneinander selbstbewusst zeigend und darstellend. Alle Figuren im Libretto Bachmanns zeichnen sich durch einen Freimut sondergleichen aus und atmen eine Luft der Freiheit, die uns heute selbstverständlich erscheint. Die aber noch nie in einem Staatswesen voll und ganz geatmet worden ist. Das verweist auf den noch immer utopischen Charakter dieses Staates. Für Bachmann ist der Prinz der erste moderne Protagonist, mit sich allein in einer zerbrechlichen Welt. Und uns darum nah, kein Held mehr, sondern komplexes Ich und leidende Kreatur in einem. Ein „unaussprechlicher Mensch“, wie Kleist sich selbst genannt hat. Ein Träumer, Schlafwandler ... Henze inspiriert an dem Stoff die Wachheit der Nachtwandler, das überdeutliche Erkennen, das andere Sehen, die völlige Öffnung fremden Reizen gegenüber. Die Oper sollte zuerst Der Nachtwandler heißen. Kleist selber sagt: „Ach, du weißt nicht, wie es in meinem Inneren aussieht (...) und gern möchte ich dir alles mitteilen. Wenn es möglich wäre. Aber es ist nicht möglich, und wenn es auch kein weiteres Hindernis gäbe, als dieses, dass es uns an einem Mittel zur Mitteilung fehlt, denn selbst das einzige, dass wir besitzen, die Sprache taugt nicht dazu, sie kann die Seele nicht malen, und was sie uns gibt, sind nur zerrissene Bruchstücke.“ Und: „Ich weiß nicht, was ich dir über mich unaussprechlichen Menschen sagen soll.“ Kleists Sprache, sein Misstrauen gegen Sprache erkennt man auch daran, dass die Figuren in seinen Stücken oft ins Sprachlose geraten, ins Erröten, Stammeln, in Ohnmacht. In diese sprachlosen Grenzsituationen kann natürlich wunderbar jetzt die Musik hineingedacht werden. Das weiß Henze.

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Wenn wir über die Oper Der Prinz von Homburg sprechen wollen …


Für Henze sind die zentralen Momente der Handlung die Spannung zwischen dem Sein des Einzelnen und der Staatsraison gleich einer starken Struktur an sich, Fragen der Missachtung von Gesetz und Ordnung, „das Zittern eines Menschen vor der Gewalt der herrschenden Macht“, der Mut, sich solcher Macht zu widersetzen. Henze sagt, es ist ein Stück über absolute Freiheit! Er sieht darin aktuelle Bezüge zur Bundesrepublik der 50er Jahre, in der er bekanntlich nicht leben wollte. Er identifiziert sich mit dem Prinzen und stellt fest, dass die Figur Prinz von Homburg sehr viel mit dem Deutschland seiner Zeit zu tun hat, mit all den Bitternissen und Problemen, die mit diesem Land zusammenhängen. Es geht um ein krankes System. Eine Wunde. Missstände. Aber das System empfindet Zweifel: Wie werden wir wieder lebendig? Wenn das Militärische kommt, schreibt Henze beinahe Jazz. Und zeigt damit: das System sucht. Will sich befreien. Wie macht man das? Woher können wir die Kraft dazu nehmen? Die Phantasie, dass es auch anders gehen könnte? Es geht in dieser Oper nicht ausschließlich um das Militär beziehungsweise eine Ordnung und das Individuum, das sich anpassen und in diese Ordnung eingefügt werden soll. Nein, es geht um die Funktionsweise von Systemen an sich, ob das eine Familie ist, ein Restaurant, ein Betrieb, eine Firma, oder ein Theater. Das Militär ist also nur eine Metapher. Es soll eine starke Struktur gezeigt werden, ein System, das sich – in Person des Kurfürsten – wünscht, kritisiert zu werden. Es geht also um die Kritikmöglichkeit eines Systems, einer Struktur, in der ein idealer Boss sagt: Wenn du mich kritisiert, und sagst, ich bin im Unrecht, dann bist du toll. Und dann hast du Recht. Und wirst gewürdigt. Eine Feier für den Freimut. Und das kritische Zusammenleben, in dem die Differenz nicht verwischt wird. Sie darf bestehen. Und man darf sich reiben. Das wird von Henze und Bachmann als Leben oder Lebendigsein begriffen. Wo ist der Aufstand, der das auch will? Freiheit im Anderssein. Freiheit im Nicht-dasselbe-Machen-wie-alle-Anderen. Wo die Angst aufhört. Wo nicht Verdrängung der ständige Lebensmotor ist. Wo Orte zum Leben entstehen. Wo sind die Alternativen? Die Sehnsucht nach Empfindung: Wir finden sie beim Kurfürsten, bei Hohenzollern, bei Dörfling und Kottwitz, den Offizieren. Also wollen alle anders sein.

Stephan Kimmig

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Wenn einer zu viel träumt, wird er gefährlich. Der Phantast. Der Andersmacher. Aber wir können von ihm lernen: Nicht einfach Befehlen folgen oder vorgeschriebenen Abläufen. Was ist wichtiger, Gehorsam oder Eigeninitiative? Frech sein, nicht dem Kanon folgen, herausfordern, die bestehenden Denkzusammenhänge in Frage stellen. Wirkliche Freiheit. So zu leben, wie man es möchte, ohne vorgefertigten Bildern, wie man zu sein hat, Genüge tun zu müssen. Es geht um Individualität. Die Befehlsketten aufreißen. Es geht um Traum und Phantasie gegen die Abrichtung und Zurichtung. Es geht aber auch um Traumata. Verdrängungen. Die Wiederbewaffnung der BRD. Homosexuelle als unwertes Leben. Fragen an die bundesdeutsche Nachkriegsgeschichte, die den Hintergrund abgibt: Wo wurden in ihr Träume geboren oder verhindert? Was ist am Träumen gefährlich? Und: Welche Gesellschaft braucht welche Körper? Alle Männer sind unheilbar krank, sagt Bachmann. Stimmt das? Das, was wir Frieden nennen, ist der Krieg, sagt Bachmann. Stimmt das? Der wirkliche Krieg sei nur die Explosion dieses Kriegs, der der Frieden ist. Wie sieht er aus, der Keim der großen Verbrechen? Die Antwort findet jeder in sich selbst, sagt Bachmann. Er liegt in dem Wunsch, den Anderen zu beherrschen. Faschismus, sagt Bachmann, fängt in der Beziehung zwischen Menschen an. Homburg ist ein Außenseiter, weil er träumt, weil er sucht, das nächtliche All untersucht. Nur der Träumer kann uns von einem freieren Leben erzählen, und so träumen Bachmann und Henze von einem freieren Leben: Ohne Erniedrigungen, ohne zerstörerische Hierarchien, ohne das Zertrümmern von Seelen. Wir müssen dankbar sein, dass es diese Träumer gibt. Wir brauchen sie. Systemerweiterer. Möglichkeitenerweiterer. Die meisten Menschen wollen nicht im Hass leben. Die meisten Menschen lieben etwas anderes als ihre Nation. Die meisten Menschen sind glücklich, wenn andere glücklich sind. Die meisten Menschen helfen, wenn andere in Not sind. Die meisten Menschen sind Optimisten, schon aus Notwendigkeit.

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Wenn wir über die Oper Der Prinz von Homburg sprechen wollen …


Stephan Kimmig

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Traumreste Frank Witzel 36 Anmerkungen zu den Traumwelten des Prinzen von Homburg und Ingeborg Bachmanns 1 Es ist eine Eigenschaft der Träume, dass wir uns in ihnen offenbaren. Unheimlich an diesen Offenbarungen ist, dass wir nie wissen, wo genau im Traum sie sich zeigen.

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Wenn wir Träume erzählen, so ist es immer ein Vergewissern, nicht über den Traum, sondern über unser Erwachen. 5 Der Prinz von Homburg entzog sich mir. Während ich ihn las, stellte sich beinahe automatisch die Frage ein, die Henze in dem Brief an Bachmann formulierte, in dem das Thema einer Bearbeitung des Prinzen zum ersten Mal auftaucht: „chi se ne frega di quel racconto?“ (Wer schert sich um diese Erzählung?) Also versuchte ich mich Kleists Stück über seine Bearbeiterin zu nähern. Sie allerdings schien mich zu fragen: „Wie kannst du aus einer Distanz heraus versuchen über mich zu schreiben?“

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2 Träume sind nur scheinbar abhängig von einem Träumenden, können sie sich doch rasch gegen ihn wenden, andere, die eben noch bedeutungslos am Rand standen, zum Subjekt erwählen und mit ihnen weiterträumen, während der Träumer ausgeschlossen zurückbleibt.

4 Ein Prinz ist, selbst wenn er nicht träumt, ein Topos des Traums, ein Archetypus, der auf eine ihm versprochene Macht wartet. Der Zustand des Prinzen ist der des Träumens. Er selbst ist die Figur der Möglichkeit; für den, die ihn erträumen, aber auch für sich selbst. Er gleicht damit dem Dichter allgemein, in diesem Fall der Dichterin Ingeborg Bachmann. Über 45 Jahre nach ihrem Tod, ist sie mittlerweile selbst zu einer Traumgestalt geworden.

Traumreste


Franรงoise Petrovitch, Les oublis, 2016

Frank Witzel

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Franรงoise Petrovitch, Sans titre, 2017

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Bruderschaft Alles ist Wundenschlagen, und keiner hat keinem verziehn. Verletzt wie du und verletzend, lebte ich auf dich hin. Die reine, die Geistberührung, um jede Berührung vermehrt, wir erfahren sie alternd, ins kälteste Schweigen gekehrt. Ingeborg Bachmann

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Traumräume teilen Stephan Kimmig im Gespräch mit Miron Hakenbeck SK

MH

Françoise Petrovitch, Gants, 2018

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Traumräume teilen


Wovon träumst du? Ich habe vergangene Nacht etwas geträumt, was ich noch nicht richtig verstanden habe. Ich war in einer futuristischen Stadt und musste meinen Sohn abholen, wusste aber überhaupt nicht, wie ich das hinbekommen soll: Die Wohnungen sahen wie Fabrikhallen aus, es war schwer, sich zurechtzufinden. Ich musste also irgendwo hinfahren, aber meine Kuh (ich habe tatsächlich noch nie eine Kuh besessen) war abgehauen. Sie hatte wahnsinnig lange Zotteln, wie Dreadlocks, und war in ein Parkhaus eingebrochen und hatte dort alles verwüstet. Ich musste diese vollkommen verzottelte Kuh einfangen. MH

SK

Träume sind sicherlich klüger als Traumdeuter, aber lass mich einen Versuch wagen: Geht es da um Verantwortung? Oder die Lust am Demolieren? Zu Beginn von Henzes Oper träumt der Titelheld. Die anderen sind irritiert, weil er träumt und sie zugleich wahrnimmt. Wovon träumt der Prinz eigentlich? SK Homburg weiß zunächst selbst nicht, wie seine Träume beschaffen sind. Er sucht im Traum oder besser gesagt im Träumen überhaupt nach Signalen, um auf andere Weise als über den Verstand zu Entscheidungen zu kommen. Der Traum hilft ihm Kanäle anzuzapfen, die ihm die logikgesteuerte Ratio nicht eröffnet. Diese unbewusste, assoziative Suche stelle ich mir vor wie das Herstellen von Telefonverbindungen früher im Fernmeldeamt: Da gibt es viele verschiedene Stecker, mit denen man unzählige Verbindungen schalten kann. Und einige dieser Verbindungen machen auf ganz besondere Weise Sinn. Aber was in uns schaltet diese Verbindungen? Gibt es in unseren physiologischen Strukturen eine große Empfindungsstelle, die Neues her-

ausfinden will? Vor mittlerweile zwanzig Jahren hat man beim Kernforschungsinstitut CERN entdeckt, dass Protonen und Neutronen sehr selten, aber doch immer mal wieder von ihrem zu erwartenden Verhalten abweichen. Die Forscher*innen konnten es sich nur so erklären: Das Teilchen träumt oder folgt einer Phantasie. Das hört sich natürlich erst einmal nach Esoterik an. Aber tatsächlich bringt die Natur permanent Hybride und Abweichungen hervor. Man könnte sagen, sie spielt und probiert so andere Anordnungen aus. Darum geht es auch beim Träumen: dass man auf Lösungen kommt, die ungewöhnlich und überraschend sind, und an die man vorher nie gedacht hätte.

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Gespräch mit Stephan Kimmig

MH Trotz seiner Bereitschaft zum Träumen weiß der Prinz, dass es so etwas wie eine Realität gibt, aus der heraus die Träume beschrieben, bewertet und analysiert werden können. Ihn irritiert ein Handschuh, von dem er annimmt, dass er ihn im Wachzustand nicht sehen dürfte, da er ihn doch geträumt hat. Er ist sich der allgemein anerkannten Unterscheidung von Traum und Realität also bewusst. Ist sein Problem die Auflösung dieser Trennlinie? SK Es gibt ein Spiel, bei dem man seine ganze Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache lenkt: Man geht zum Beispiel durch die Stadt und achtet nur auf Geldstücke am Boden. Da kann man tatsächlich einiges finden. Allgemeiner formuliert: Es gibt Zeichen, die man oft übersieht, die aber, sobald man sich auf sie konzentriert, überall vorhanden sind und einem Hinweise geben können. Wie Shakespeares Hamlet zu Horatio sagt: Es gibt es viel mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als unsere „Schulweisheit sich träumt.“ Dass da plötzlich ein Handschuh auftaucht, muss nicht heißen, dass

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der Traum zur Realität wird. Oder dass immer schon Realität war, was der Prinz für einen Traum gehalten hat. Vielleicht ist der Handschuh ganz unabhängig von seiner Herkunft für Homburg eine Ermutigung, den Weg des Träumens fortzuschreiten. Normalerweise verwerfen wir rätselhafte innere Bilder oder Empfindungen als nicht praktikabel für das, was wir Alltag oder Realität nennen. Homburg probiert dagegen, seinen Traumbildern und Traumempfindungen weiter nachzugehen. Anstatt das Geträumte zu rekonstruieren und zu erklären, pinselt er es weiter aus, um ein eigenes Bild für seine innere Wahrnehmung zu kreieren. In diesem Bild entdeckt er Details, die ihn wiederum auf neue Bilder bringen. So erstellt er sich eigene Wahrnehmungslandkarten für die lange Odyssee, die letztlich jeder in seinem Leben macht: die Erkundung, wer man selbst ist. Wir werden das sicher nie vollkommen zufriedenstellend herausfinden, aber es ist ganz schön, wenn man ein paar mehr Ecken ansegelt an den Inseln, die wir alle sind. Segelt man dabei ausschließlich allein? Man entdeckt sich doch auch dadurch, dass man seine Selbstwahrnehmung mit anderen teilt und anderen vermittelt. Sonst wird es ein Ego-Trip. Wie kann es gelingen, über sein Träumen Neuland zu betreten und dennoch mit den anderen zu sein? SK Das läuft bei Homburg über ein ganz besonderes Charisma: In der Schlacht hat Homburg zum Beispiel einen Überschuss an Energie, an Optimismus, an Glauben ans Gelingen. Dabei interessiert ihn der vorgefasste Plan der Schlacht gar nicht. Er hat ganz eigene Vorstellungen von ihr und ist konzentriert auf das, was er sieht, riecht, empfindet. Daraus entwickelt sich ein Gefühlsauftrieb, der größer und zur GewissMH

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heit wird: Wenn ich mich auf mein Gespür konzentriere, kann ich an diesem Tag etwas hinkriegen – ein gutes Spiel abliefern, um es sportlich zu formulieren. Diesem Gefühl vertraut Homburg, es gibt ihm den Schwung, mit dem er die anderen ansteckt: Wir ge hen da raus und schlagen die Schweden. Man kann auch von dem militärischen Zusammenhang, in dem Kleist es beschreibt, abstrahieren: Wir schlagen Real Madrid oder wir bewältigen eine ganz wichtige Aufgabe. Homburg nimmt die anderen mit in Zukunftsräume hinein. Er bleibt also in Traumräumen und ist mutig genug, ihnen zu vertrauen. Nochmal zum nachtwandelnden Prinzen der Anfangsszene. Die anderen haben das Gefühl, ihn von der sicheren Seite des Wachseins aus zu beobachten. Für den Prinzen sind sie sein Traum, auch wenn er mit ihnen in Kontakt geht. Wer imaginiert oder sieht hier eigentlich wen? Wer ist Subjekt und wer Objekt des Traumes? Diese Grenzverschiebung könnte schnell unheimlich werden. Diese Unheimlichkeit wird von den anderen Figuren angepackt: Sie diagnostizieren das Traumwandeln als Krankheit oder in abgemildertem Ausdruck als „Unart des Geistes“. Hohenzollern begründet später die Bitte um Gnade mit der Unzurechnungsfähigkeit des Träumers. Warum wird das Träumen nicht ernst genommen? MH

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Dahinter steckt die Angst, durch die Träume die Realität infrage stellen zu müssen. Jeder kennt Träume, aus denen man nur schwer ins Wachsein zurückfindet: in denen man fliegen konnte oder verfolgt worden ist, in denen man in anderen Ländern war oder in ganz anderen Familien- oder Liebesverhältnissen. Der Moment des Wachwerdens ist dann langwierig. Wenn man sich in diesem Übergang des Aufwachens zu lange aufhalten würde, dürfte man den anderen schnell als wahnsinnig erscheinen. Ich frage mich, ob die große diffuse Unzufriedenheit vieler Menschen oder massive irrationale Ängste, von denen Menschen besetzt sind, nicht gerade daher kommen, dass sie sich ihren Träumen nicht stellen. Dass sie die Träume als etwas Unbrauchbares beiseite schieben. Dabei könnte die tatsächliche Auseinandersetzung mit ihnen helfen, der Unzufriedenheit oder Ängstlichkeit etwas entgegen zu setzen. Hohenzollern fühlt sich vom Träumen des Prinzen angezogen und möchte diesen Weg mitgehen. Für Augenblicke öffnet er sich den Empfindungen außerhalb der geordneten Wege. Das wird ihm aber schnell zu gefährlich. Sein träumender Freund bleibt ihm also auch fremd. Vielleicht nicht ohne ein gewisses Bedauern: Warum traue ich mich immer nur zeitweise, auch so zu sein? Du hast die Frage aufgeworfen, in wessen Traum wir anfangs schauen oder wer wen träumt: Es gibt mehrere Perspektiven. Einerseits beobachten alle den sich „abnorm“ verhaltenden Homburg. Dann gibt es Homburg, der seine Traumvisionen schaut. Es gibt für mich noch eine dritte Position: Natalie, die sich beides von außen anschaut. Sie versteht, dass der Kurfürst mit seinem Staat und mit sich selbst Experimente vorhat und sie erkennt Homburgs innerliche Suchbewegungen. Sie schaut sich diese beiden Denkweisen an, um SK

Gespräch mit Stephan Kimmig

ihrerseits noch einmal etwas anderes zu entwickeln: Sie will sich weibliche Rollenzuschreibungen vom Leib streifen, um zu verstehen, wer sie selbst als Mensch jenseits dieser Zuschreibungen ist. In der Begegnung mit dem Prinzen geht es ihr nicht darum, sich aufzugeben oder in der Liebe endgültige Zufriedenheit oder Sicherheit zu finden. Sie sucht nach einer wirklichen Begegnung, nach einer gegenseitigen Offenheit, die auch verunsichert, aber ihr gerade dadurch erlaubt, sich selbst anders zu erfahren. MH Das nimmt auch Züge von etwas Traumhaftem an: Ich denke an das Duett von Natalie und Homburg auf dem Schlachtfeld. In einer der Proben erschien es plötzlich als eine Exterritoriale, etwas, was räumlich aber auch aus dem kausalen und zeitlichen Fluss herausfällt. SK Diese Begegnung steht völlig losgelöst für sich. Bachmann erweitert diese Szene um etwas Neues, was sie anderen Kleisttexten entnimmt: Als ob sie der Zerstörung des Krieges den Kampf der Liebe gegenüberstellen will – als eines von zwei Modellen. Obwohl das zeitlich nach dem Ende der Kampfhandlungen passiert, hat man den Eindruck, der Kampf würde für diese Begegnung für einen Moment angehalten und Homburg mit dem Gefühl der kämpferischen Liebe auf das Schlachtfeld des Krieges zurückkehren. MH Nach den traumwandlerischen Selbsterfahrungen in der Schlacht und der Liebe stürzt Homburg in eine ganz andere Erfahrung. Er wird durch den Kurfürsten mit der Gewalt des Gesetzes und mit dem Tod konfrontiert. Macht ihn das zu jemand anderem? SK Homburg macht tatsächlich eine Veränderung durch, aber nicht im Sinne eines

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von außen bestimmten, zur Einsicht erzogenen oder zurechtgebogenen Menschen. Er begreift, welche Möglichkeiten ihm das Sterben bieten würde: Durch den Tod könnte er alles hinter sich lassen, was ihm bislang wichtig schien und ihn funktionieren ließ, was aber vielleicht gar nicht wichtig war. Er erlaubt ihm, sich von allen Konventionen zu befreien, sich loszulösen von allem, was scheinbar sein „Ich“ ausmacht, aber gar nicht das „Ich“ ist, sondern nur Ergebnis von Anpassung oder Nachmacherei oder Mode. Dabei folgt er nicht etwa einer Eitelkeit oder Selbstüberschätzung, sondern trifft eine ganz bewusste Entscheidung: Homburg ist sich sicher, durch das Todesurteil an den Kern davon heranzukommen, was Existenz heißt. Dadurch stellt sich bei ihm auf einmal eine Ruhe ein, von der aus er sterben aber auch ganz anders weiterleben könnte. Wenn man das auf uns selbst herunterbricht, ist es die Erfahrung, dass es viel weniger bräuchte, um unser „Ich“ glücklich zu stellen, als wir oft glauben. Aufgrund dieser Erfahrung ist er auch so verwirrt, als er am Ende wieder in den Trubel der Welt zurückkehren soll. Mich verstört der Moment, wenn Homburg in der Inszenierung mit verbundenen Augen auf die Exekution wartet und auf seinem Shirt quer über die Brust das Wort „Freiheit“ zu lesen ist. Ich verstehe, dass in der Akzeptanz des Todes ein Moment von Freiheit liegen kann. Trotzdem wird der ihm durch staatliche Gewalt von außen aufgezwungen. MH

Ich glaube, er transzendiert das und macht sich dadurch zum selbstbestimmten Subjekt. Diese Freiheit kann einem kein System nehmen. Bachmann setzt den Kurfürsten übrigens ganz bewusst als einen idealen Herrscher, einen idealen Boss. Sie entwirft mit dieser Figur eine wirkliche Sehnsucht nach einer anderen Art des Herrschens. Und in diesem Konstrukt, diesem Bachmanschen Universum sucht der Kurfürst die Emotionalität seiner Untergebenen. Er wartet so lange mit der Begnadigung des Prinzen, um bei den anderen etwas auszulösen. SK

Der Spielmeister, der von Anfang an um den Gang der Dinge weiß? SK Ganz und gar nicht. Auch ihm passieren die Dinge. Er wandelt sich, als Mensch und als das System, für das er steht. Homburgs Verhalten kann er nicht voraussehen. Ihm könnte alles entgleiten und in die völlige Auflösung von Struktur münden. Er spielt gefährlich, mit einem sehr phantasievollen Einsatz. Das könnte ihn auch wegfegen. MH

Reden wir über die Begnadigung! Der Kurfürst gibt vor, dem Prinzen die Entscheidung über seinen Tod und sein Leben selber zu überlassen. Der Prinz spielt den Ball zurück. Sind das Schachzüge, die dem anderen erlauben, sein Gesicht zu wahren? SK Der Kurfürst möchte, dass Homburg ihn kritisiert: Du bzw. das Kriegsgericht, ihr habt einen Fehler begangen und mir Unrecht angetan. Er möchte den Mut und den Widerspruch des ihm Unterstellten. MH

Aber Moment, genau das bietet ihm der Prinz doch gerade nicht. Erwartet der Kurfürst nicht sogar, dass der Prinz sich schuldig erklärt? Im Kontext der Nachkriegszeit könnte es viel bedeuten, dass jemand seine Schuld annimmt und nicht verdrängt. MH

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In unserer Interpretation nutzt der Prinz dieses Todesurteil als Möglichkeit, noch einmal eine ganz andere Erfahrung zu machen: eine Reise an die Grenzen des Lebens und in den Tod hinein, auch wenn er von dort nicht zurückkommen kann. SK

… um damit als Mensch hinauszuwachsen über Lebensgier und Todesangst? SK Er nimmt den Tod aktiv als etwas Lebendiges an, sieht im Tod mehr als den Schrecken, den wir zumeist mit ihm verbinden. Er transzendiert den Begriff Tod, auch wenn er dafür durch extreme Angst gehen muss. Für den Kurfürsten ist es aufregend, dass Homburg nicht so reagiert, wie die große Mehrheit der Menschen wahrscheinlich reagieren würde; dass er weiter auf seiner Suche nach Erfahrungsräumen bleibt, die ihm wesentlich erscheinen. MH

Auch wenn Bachmann und Henze dem Stoff vor dem Hintergrund ihrer eigenen geschichtlichen Erfahrungen das Militaristische genommen haben und den Konflikt zu dem eines Menschen und eines Systems an sich gemacht haben: Homburg ist kein Pazifist. Gab es einen Moment, wo dich das gestört hat? SK Es gibt in uns allen zerstörerische Kräfte, man muss sie nicht immer als negativ ansehen. Sie haben auch mit Neugier und mit Neuanfängen zu tun. Diese Triebkräfte, eine Wand einzurennen, um zu erkunden, was dahinter ist, sind uns eingeschrieben. Es gibt natürlich Pazifisten, jeder Buddhist beherscht wohl die vielen dunklen, zerstörerischen Kräfte in sich. Ich habe davor großen Respekt, bekomme das selbst aber gar nicht hin und habe auch nie verstanden, wo diese zerstörerischen Energien dann bleiben. In Zusammenhängen wie dem Krieg werden sie natürlich manipuliert, missbraucht und dadurch wahnsinnig inhuman. MH

Im Bühnenraum gibt es Ballettstangen, an denen immer wieder jemand gymnastische Übungen vollführt. Beim Kleist-Forscher Wolf Kittler kann man lesen, dass zu Kleists Lebzeiten unter dem Eindruck der Niederlagen gegen Napoleon zahlreiche Reformideen für das preußische Militär entwickelt wurden. Man hat unter anderem vorgeschlagen, Tanzunterricht in die soldatische Ausbildung einzuführen. Der Soldatenkörper sollte flexibler werden, Grazie und Ästhetik gewinnen – das ändert aber nichts daran, dass es auch da um Kontrolle ging. SK Das kann man tatsächlich mit Zucht und Abrichtung in Verbindung bringen. Man kann an den Ballettstangen den Körper drillen, ihn trainieren und herausfordern, bis er so dehnbar ist, dass er jede verMH

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langte Bewegung ausführt. Zugleich lassen diese Übungen auch an die Leichtigkeit von Tanz denken, an etwas Fließendes, Schwebendes, das Abheben vom Boden. Das verweist auf eine schmale Grenze, die vielleicht in vielen Systemen und Technologien existiert: Wo dient etwas einer rigiden Kontrolle oder wird zum unhinterfragten Automatismus? Und wo stimuliert es die Weiterentwicklung des Denkens, die Phantasie? Um noch einmal auf die Frage nach dem Pazifismus zurückzukommen: Der blinde Gehorsam, über den eine Gemeinschaft hergestellt werden soll, wird bei Henze und Bachmann natürlich angegriffen. In der Szene der Befehlsausgabe wird solch ein Denken ad absurdum geführt: Der Schlachtplan wird immer wieder von der musikalischen Dramaturgie durchlöchert, zersetzt. So durchdacht Schlachtpläne wirken, in ihren Strategien sind immer Opfer mit einkalkuliert, auch auf der eigenen Seite. Im Ersten Weltkrieg wurde Soldaten befohlen, aus den Schützengräben rauszurennen, obwohl klar war, dass sie sofort niedergeschossen werden. Da wurden hunderttausende Leben einfach verheizt. Diese Art der Verfügung über Menschenleben ist natürlich gruselig. Ich habe eine große Bewunderung für jeden, der Fahnenflucht begeht. Ein System, das die widerspruchslose Befolgung von noch so sinnlosen Befehlen voraussetzt, zerstört in den Menschen jegliche Mitmenschlichkeit und Reflexion. Henze schreibt, dass er nach dem Krieg nichts so sehr ersehnte wie den Aufbruch gegen diese autoritären Strukturen. Die Verweigerung des kritiklosen Gehorsams schien ihm enorm wichtig.

versucht, diese aber verworfen. Die Musikwissenschaftlerin Barbara Zuber schreibt in ihrem Beitrag für dieses Programmheft, dass dieser Satz neben der EmpfindungsUtopie als Achtungszeichen bestehen bleiben musste: In allen noch so idealistischen Ordnungen des Zusammenlebens können Ausschluss und Unterdrückung drohen. Du hast den Schlachtruf umgedeutet oder anders gelesen: als Teil eines beherzten Glaubens an Veränderung. SK Wenn am Ende alle Figuren der Oper mit ihren bunten Schals eine Gemeinschaft bilden, dann sind sie nicht unbedingt von diesem Glauben erfüllt, sondern werden eher daran erinnert, dass es diesen Glauben einmal gegeben hat: die Überzeugung, dass wir Regeln oder Verhaltensweisen, die uns nicht gut tun, ändern können. Wir leben allerdings nicht gerade in einer Zeit, in der alle vom großen Umschwung träumen, anders vielleicht als die Menschen Ende der 1960er oder Anfang der 1970er Jahre. Sicher steckten auch damals die meisten in ihren routinierten Abläufen. Aber wenn es diese Umbruchsenergie nicht zumindest bei einem Teil der Gesellschaft gegeben hätte, würden wir heute in vielen Bereichen, in Fragen des Feminismus zum Beispiel, ganz woanders stehen. Wir thematisieren mit der Oper ja

Umso mehr irritiert der Schlusssatz der Oper: „In Staub mit allen Feinden Brandenburgs“. Ingeborg Bachmann hat sich an alternativen Fassungen zu Kleists Schluss MH

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nicht das Militär oder militärischen Gehorsam, sondern Veränderungsmöglichkeiten von Systemen allgemein. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass Regierungen keine Handlungsspielräume mehr haben und ausschließlich globalisierte Warenströme unser Dasein bestimmen. Was wir in der Regel als unveränderlich ansehen. Dieses weltzerstörerische System wird uns als vollkommen alternativlos erklärt: Dann wird die Erde von uns eben komplett zugemüllt, und auch Ungerechtigkeit besteht einfach wie ein Naturgesetz weiter. Mich interessiert daher, wie man den Glauben an die Möglichkeit wiedergewinnen kann, das Zusammenleben humaner zu gestalten. Insofern ist dieses Ende von der Frage geprägt, was für ein gutes Miteinander notwendig wäre. Es bleibt aber eine Skepsis bestehen: Wie kann man so etwas gemeinsam angehen? Wie bringt man das unter die Leute? Wie lautstark muss man dabei sein? Natalie und die Kurfürstin singen, dass die Rettung des Prinzen ein Zeichen des Himmels sei. Brauchen wir, um uns zu bewegen also äußere Zeichen, ein kleines Wunder? Wie eine Reaktion darauf ruft der Feldmarschall Dörfling, der mit Gefühlen davor zurückhaltend war, „Ins Feld! Ins Feld!“. Als würde er sagen: Lasst uns die Frage, ob man eine Gesellschaft nicht vielleicht doch über Empfindung denken kann, auskämpfen. So gesehen kann dieser Schlusssatz auch eine Kampfansage an alle sein, die uns suggerieren, dass wir empfindungslos leben sollen, dass Rendite, Effizienz und Wachstum wichtiger sind als Empathie und Mitgefühl.

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Françoise Petrovitch, Étendu Étendu, 2018



Franรงoise Petrovitch, ร tendu, 2016






Fotos der Klavierhauptprobe am 6.3.2019 von Wolf Silveri

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