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Mit Gossip zu Geld: die Kaffeegöttin von Stockholm
Versteckt in einer kleinen Gasse, ganz in der Nähe der Johannis-Kirche in Stockholm hatte sie ihr Geschäft: Anna Ulrica Arfvidsson bzw. „Mamsell Arfvidsson“ – die „Kaffeesucherin“.
Ulrica Lindberg, wie ihr Geburtsname war, wurde 1734 geboren und wuchs als Tochter eines Hausmeisters am Hofe des schwedischen Königs auf. Nach dem Tod ihres Vaters heiratete ihre Mutter einen Koch des königlichen Haushalts; Mutter und Tochter nahmen dessen Nachnamen Arfvidsson an. Ulrica wuchs in einer Umgebung auf, in der sie viele Gerüchte sowie der neueste Klatsch und Tratsch aus den höheren Kreisen der Gesellschaft erreichten. Sie war gut über die Dinge informiert, die manch eine:r nur zu gern wissen würde. Ulrica genoss eine stabile Ausbildung durch ihre Nähe zum Hof und wurde als sehr intelligent beschrieben – eine junge Frau mit einem messerscharfen Verstand und guter Intuition, stets auf dem Laufenden. Darüber hinaus verfügte sie über ein breites Netz an Kontakten und Informant:innen aus allen Gesellschaftskreisen. Ihr Wissen über die Geschehnisse in der Gesellschaft war so groß und so aktuell, dass sie sogar zwischenzeitlich von der Polizei konsultiert wurde.
Das Gustavianische Zeitalter war ein günstiges Zeitalter für Wahr-
Das historische Vorbild für die Wahrsagerin Ulrica aus Verdis ‚Un ballo in maschera‘ sagerei und Medien: Zwar war Okkultismus formal ein Verbrechen, geächtet wurde es aber haben. Ihre Vorhersagen schienen von Jahr zu Jahr genauer zu werden. Auch Mitglieder des Königshauses baten sie um Rat; so wurde sie während des russischschwedischen Krieges (17881790) vom König Gustav III. und anderen einflussreichen Personen konsultiert. Gustav III. nahm sie auch in Schutz, als die Polizei sie dann doch eines Tages aufforderte, die Wahrsagerei zu unterlassen. nicht und das Gesetz in der Praxis selten durchgesetzt. Nach dem Tod ihrer Mutter bekam Ulrica ein Erbe, das sie relativ wohlhabend machte und ihr ermöglichte, ein Geschäft zu eröffnen: Ab 1780 gibt es Belege für ihr Wirken als professionelle Wahrsagerin. Ihre Kundschaft kam aus allen Gesellschaftsschichten. Die Wahl des Ortes für ihren Laden in einer Gasse, in der hauptsächlich arme Menschen und blinde Frauen lebten, garantierte die Diskretion der Kund:innen. Besonders bei der Aristokratie waren Ulrica und ihr Handwerk sehr beliebt – schnell hatte sie den Ruf, sich noch nie geirrt zu
Ihr Geschäft bestand Berichten zufolge lediglich aus einem gewöhnlichen Raum, von dem eine Ecke mit einem Vorhang bedeckt war, hinter den sich Ulrica während der Sitzung zurückzog, wodurch das Gerücht entstand, dass sich hinter dem Vorhang irgendeine Art von magischer Kraftquelle befinden musste. Sie betrieb ihren Laden mit zwei Assistentinnen: Maja Persdotter, die ehemalige Hausdame ihrer Kindheit, und Adrophia (oder Adotia oder Adrecka) Dordi, die als türkische Frau aus Marokko beschrieben wird und wohl eine ehemalige Sklavin war, die einst über Deutschland nach Schweden gekommen ist. Ulrica bot verschiedene Methoden der Wahrsagerei an, wie zum Beispiel auch das Tarot. Doch ihre Spezialität war die Kaffeedomantie – das Lesen des Kaffeesatzes. Sie und ihre Kolleginnen wurden aufgrund der hohen Präzision ihrer Vorhersagen auch als „Kaffeegöttinnen“ bezeichnet.
Kaffeesatzlesen ist eigentlich ganz einfach und bis heute ein beliebtes Freizeitvergnügen vor allem von Frauen im südeuropäischen und südosteuropäischen Raum, wobei heutzutage der Glaube an die Ernsthaftigkeit der „Erkenntnisse“ nicht weit verbreitet ist. Zum Kaffeesatzlesen eignen sich besonders Mokkazubereitungen. Nach dem Verzehr des Getränks bleibt in der Regel der Kaffeesatz in der Tasse zurück. Eine gängige Methode ist es, die Person, deren Zukunft befragt werden soll, den noch nassen Kaffeesatz mit dem Finger umrühren zu lassen. Nachdem er getrocknet ist, werden die so entstandenen Muster gedeutet. Wer keinen Kaffee mag, kann auch aus Teeblättern lesen. In ‚Harry Potter und der Gefangene von Askaban‘ unterrichtet Professor Trelawney diese Kunst und deutet in Harrys Tasse den Grimm – ein Todesomen.
Auch Ulrica kam im Laufe ihrer Karriere in die unangenehme Situation, anderen den Tod prophezeien zu müssen: 1786 suchte sie der König in Verkleidung auf. Sie präsentierte einige Vorhersagen über seine Vergangenheit und Zukunft und sprach darüber hinaus eine Warnung aus: „Hüte dich vor dem Mann mit dem Schwert, den du heute Abend treffen wirst, denn er strebt danach, dir das Leben zu nehmen.“ Auf dem Rückweg traf der König tatsächlich einen
Mann mit Schwert, der die Zimmer der Schwägerin des Königs verließ: Es handelte sich dabei um einen der Verschwörer, die ein Attentat auf den König planten. Als der König Gustav III. in der Nacht vom 16. zum 17. März 1792 auf einem Maskenball in der Stockholmer Oper Opfer eines Attentats wurde, wurde diese Episode in Erinnerung gerufen. Ulrica half anschließend der Polizei bei den Ermittlungen.
In ihren letzten Jahren wurde Ulricas Geschäft weniger lukrativ, was vermutlich mit den Kaffeeverboten 1794 bis 1796 und 1799 bis 1802 zusammenhing –denn damit fiel ihre wichtigste Erwerbsquelle weg. Sie starb in Armut. Ulrica Arfvidsson war die berühmteste Wahrsagerin der schwedischen Geschichte. In zahlreichen Memoiren und Tagebucheinträgen ihrer Zeitgenossen findet sie Erwähnung und im 19. Jahrhundert behaupteten viele Wahrsager:innen, ihre Schüler:innen gewesen zu sein, um so ihren Ruhm nutzen zu können. Ulrica Arfvidsson und ihre Rolle in Bezug auf die Verschwörung gegen den König wurden das Vorbild verschiedener literarischer Figuren; die bekanntesten wohl die Rolle der Arvedson in Eugène Scribes Libretto ‚Gustave III. ou Le bal masqué‘ die in Giuseppe Verdis Oper ‚Un ballo in maschera‘ zu Ulrica wurde. SK
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