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Die Schönheit des Einfachen “

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Gesprächsstoff

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sen Takt nicht gerade ist, sondern Richtung 5/8-Takt geht. Das liegt auch an den sehr kurzen Wörtern der estnischen Sprache. Noch heute hat die Sprache einen hohen Stellenwert in der estnischen Musik, was sich besonders in der Chormusik zeigt.

Daneben ist ein weiterer bedeutender Aspekt die Landschaft: Für die Größe des Landes haben wir sehr wenig Einwohner. Wenn man also durch Estland fährt, sieht man unglaublich viel Land und Wälder und irgendwann ein kleines Holzhaus. Mit der Küste, dem Meer und den Inseln ist es

Du sprachst von Chormusik ...

Der Chorgesang hat einen immens hohen Stellenwert und vieles ist in der estnischen Musik durch die Chormusik entstanden.

In Tallinn gibt es einen großen Sängerfestplatz, wo seit 1869 alle fünf Jahre ein gigantisches Sängerfest stattfindet. Ursprünglich war das Fest gegründet worden, um die estnische Sprache zu erhalten. Wir wurden ja ständig von Russen, Dänen oder Schweden beherrscht, also waren wir immer in einer schwierigen Lage und ich bin der Meinung, dass wenn es keine Sprache mehr gibt, meiner Tochter mitgeben möchte, um die Sprache nicht zu verlieren. Wie sieht es mit der Instrumentalmusik aus? einfach ein wunderschönes, weitläufiges Land. Diese Weite ist etwas Besonderes, das sich in der estnischen Musik widerspiegelt. auch die Kultur nicht mehr existiert. Das Sängerfest hat es geschafft, auch während der sowjetischen Besatzung zu bestehen. In den Familien wird noch heute viel gesungen; etwas, das ich auch

Anfang des 20. Jahrhunderts öffnete sich die Welt und das förderte die Instrumentalmusik, weil die Komponist:innen dadurch ins Ausland reisen und dort lernen konnten. Ich bin immer wieder begeistert, wie unglaublich gut die Werke von Komponisten wie Eduard Tubin, Rudolf Tobias oder Heino Eller orchestriert sind. Dass ich hier jedes Jahr ein estnisches Werk aufführe, ist quasi ein kleines Geschenk an mein Heimatland.

Wie wählst du die Stücke aus?

Wichtig ist mir in jedem Fall die substanzielle kompositorische Qualität. Ein schöner Nebeneffekt ist es, wenn ich die Komponist:innen persönlich kannte. Ester Mägi, von der wir im kommenden Sinfoniekonzert ein Stück spielen, war so jemand. Als junger Dirigent habe ich ein Werk von ihr aufgeführt und sie eingeladen, in den Proben dabei zu sein, um bei musikalischen Fragen Antworten zur Art und Weise der Interpretation ihrer Musik geben zu können.

Wie kam denn der Kontakt zu Ester Mägi zustande?

Literaturrätsel

RÄTSEL

Erkennen Sie diese Figur aus einem Stück im November? Aber Achtung: Die Sicht des Textes ist sprachlich angepasst und ahmt nicht den dichterischen Tonfall nach. Die Lösung finden Sie auf der letzten Seite.

Mein wohledler Freund Spencer, ich schreibe dir diesen Brief von meinem Besuch in Oxford – die Karte der Bodleian Library, um die du mich für deine Sammlung batst, habe ich dir beigelegt. Wie du ja weißt, wollte ich hier meinen jungen Neffen besuchen. Du weißt ja: Diese langen Schiffsreisen sind nichts für mich und ich werde mich noch einen Moment lang davon erholen müssen, aber für die Familie und die Geschäfte finde ich gerade noch Zeit.

Dabei muss ich dir auch ein Geständnis machen: Durch eine komplizierte Angelegenheit steckte meine Familie in unangenehmen finanziellen Angelegenheiten. Die Mittel, die ich für das Studium und Spesen meines lieben Neffen Charles hier in Oxford vorgesehen hatte, musste ich stattdessen aufwenden um entstandene Schulden zu tilgen. Doch er ließ es sich von diesen Neuigkeiten kaum beirren. Denn statt hier fleißig zu studieren hat der Bursche nur Augen für eine junge Dame, aber du weißt ja wie es ist in diesem Alter. Er schrieb mir auch von seinen Freunden, wie dem Lord Fancourt Babberley, der in der studentischen Theatergruppe auch einen guten Mimen abgibt und sich nun sogar an Damenrollen heranwagen möchte! Ich frage mich auch, was wohl der Dekan der Universität davon halten mag, aber die jungen Herren müssen sich ja ausprobieren.

Doch nun das wichtigste: Charles hat eine hochkarätige Tante aus einem anderen Zweig der Familie, die zu meinem großen Glück nun ausgerechnet heute aus Brasilien wieder nach Oxford kommt. Ich wusste von ihr nur noch, dass vor genau zwanzig Jahren nach Brasilien ging und dort die Sekretärin eines gewissen Don Pablo d’Alvadorez wurde, gerade als ich selbst meine Stellung in Indien angetreten hatte. Ebendiese Dame ist nun millionenschwer und könnte mir leicht aus der Patsche helfen – wenn ich sie nur überzeugt bekomme.

Zu meinem großen Glück hat sie, die gute Donna Lucia d’Alvadorez, meinen liebsten Neffen Charles ausgerechnet heute zum

Lunch gebeten. Dem verliebten Burschen kam da natürlich gleich die zündende Idee: Er ist zwar ihr einziger Erbe, aber so lange kann unsere finanzielle Lage nicht warten. Ich muss ihr einen Antrag machen und eine gemeinsame Verabredung zum Lunch mit zwei jungen verliebten Leuten ist der perfekte Rahmen um mit etwas Romantik von den Umständen abzulenken.

Nun, nach dem ersten Eindruck muss ich sagen: Sie nicht besonders attraktiv und auch nicht so jung wie sie tut, aber in Familienangelegenheiten habe ich nun mal Prinzipien. Ich frage mich auch, was der junge Lord Babberley treibt, nachdem ich so viel von ihm gehört habe, aber der sitzt sicher in einem Studierzimmer und lernt den Text für seine Paraderolle. Nun muss ich aber zurück zum Lunch, ich schreibe dir den Rest der Geschichte morgen und besorge dir natürlich noch die Karte des hiesigen botanischen Gartens. JD niel Michael Kaisers ‚White, Vanishing‘ die Möglichkeit, mit dem Komponisten zusammen sein Werk einzustudieren. In der Spielzeit 2018/19 war das mit ‚Mechanics of Flying‘ von Liisa Hirsch der Fall.

Was war Ester Mägi für eine Persönlichkeit?

Sie war eine unglaublich liebenswerte Frau. Sehr intelligent und weise. Die Arbeit mit ihr war sehr bereichernd, denn sie bestand nicht auf einer ausschließlichen Interpretationsweise ihrer Musik. Dazu kam ihre sehr offene und wohlwollende Haltung gegenüber jungen Musiker:innen und Dirigent:innen. Allein die Tatsache, dass sie mich zu sich nach Hause zu Kaffee und Kuchen eingeladen hat, um entspannt über die Musik zu sprechen, zeigt ihre warmherzige Freundlichkeit.

Der Name ‚Bukoolika‘, des im 6. Sinfoniekonzert erklingende Stücks, weist auf Hirtenmusik hin.

Ich wollte ein Werk für Klarinette und Orchester aufführen. Um mehr über das Werk zu erfahren, habe ich Kontakt zu ihr aufgenommen. Was gibt es Größeres, als Komponist:innen nach ihrer Meinung fragen zu können. In dieser Spielzeit hatten wir bei Da-

Ja, ‚Bukoolika‘ zeigt, dass vieles in der estnischen Musik auch aus der Folklore stammt. Das erste Motiv sieht – aus nur drei Tönen bestehend – sehr einfach aus. Aber wenn man sich die Instrumentierung und den musikalischen Unterbau anschaut, ist es nicht nur schöne, sondern auch sehr spannende Musik. Man hört die Schönheit des Einfachen, denn das Leben muss nicht immer kompliziert sein.

Das Interview führte Mirjam Thissen.

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