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BERUF & ERFOLG
Nachhaltige Bekleidung
Das Leiberl vom Bio-Bauern
Fotos: EZA
Nach Obst und Gemüse kommt nachhaltige Bekleidung in Mode. Aber was ist eigentlich ein nachhaltiges Leiberl? Zwischen Rohstoff, Herstellung und Handel bleibt viel Platz für Interpretationen. Nicht hinter jedem Gütesiegel steckt gleich viel Nachhaltigkeit.
Nachhaltige Bio-Mode nimmt zu, doch die Definition von Nachhaltigkeit ist nicht ganz eindeutig. Man muss nachfragen, ob darin faire Löhne für Näherinnen . . .
VON STEFAN TESCH
E
in Bio-Leiberl sieht nicht anders aus als ein Nicht-Bio-Leiberl, wie auch all jene Mode, die eher sportiv, casual und weniger Bussiness like ist. Kein Wunder also, dass „in den letzten fünf Jahren rund zehn Betriebe in Wien auf diesen Zug aufgesprungen sind“, meint Karin Lebelhuber, Leiterin von Anukoo Fair Fashion, einem Geschäft für nachhaltige Mode in Wien. „Wir sind erst am Beginn und die Szene hier ist sehr klein. Manche Labels haben sich in Richtung Nachhaltigkeit neu orientiert, manche sind gleich auf dieser Schiene gestartet.“ Das Problem: Es gibt auf dem Markt nur wenige Stoffe, die zertifiziert sind. Baumwolle als absolutes Zugpferd im Nachhaltigkeitsbereich ist der am häufigsten verwendete Stoff. Andere Materialien wie etwa Wolle, Seide oder Leinen sind zwar zertifizierbar, doch hat es sich bis jetzt nicht durchgesetzt. Alpaka – die Wolle des gleichnamigen Andentieres – kommt dann zum Ein-satz, wenn Hersteller aus Südamerika dem Kunden quasi als Zertifikat präsentiert werden.
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. . . oder primär biologisch nachwachsende Rohstoffe gemeint sind, die verarbeitet werden, wie dieses Kleid aus Alpakawolle
Dabei ist das gar nicht so einfach zu sa- so die gesamte Wertschöpfungskette selbst gen, was nun nachhaltige Bekleidung wirk- kontrollieren zu können. lich ist. „Hier gibt es zwei Zugänge, die idealerweise kombiniert werden. Einerseits Bio ist Kopfsache kann die Herstellung aus ökologischer Sicht „Bio ist Überzeugungssache“, meint Maria nachhaltig sein, andererseits können es die Smodics-Neumann, Landesinnungsmeistesozialen Rahmenbedingungen sein, wie et- rin für Mode und Bekleidungstechnik in wa die Bezahlung der Baumwollpflücker“, Wien. „Wir sind noch weit davon entfernt, erklärt Andrea Reitinger, Pressesprecherin um dorthin zu kommen, wo Bio-Lebensder Salzburger Importorganisation EZA Fai- mittel jetzt sind. Entwicklungen erfolgen in rer Handel, die das Mutterunternehmen von Wellen. Zuerst günstige Mode in niedriger Anukoo ist. Darüber hinaus kann man auch Qualität – dann kommt die Gegenbewegung, recycelte Wolle oder Kunststoffe als nach- in der wir jetzt sind.“ Zehn bis 20 Jahre haltigen Zugang – was der Textilriese H&M schätzt Smodics-Neumann, bis sich Bioseit 2008 macht – bezeichnen. Mode so wie Bio-Gemüse etabliert hat. AusRohstoffe können nachhaltig angebaut nahme: Ein Hype erfasst einen europäischen und weiterverarbeitet werden. Beim Anbau Staat, dann kann es schnell nach Österreich von biologischer Baumwolle etwa wird auf überschwappen. „In den letzten Jahren fraPestizide verzichtet, bei der Bleichung oder gen immer mehr Leute nach, wie Bekleidung Färbung von Stoffen kommt keine umwelt- produziert wird“, stellt Reitinger fest. Die schädliche Chemie, etwa Chlorbleiche, zum EZA ist der heimische Pionier in Sachen Einsatz. Hochgiftige Chemie in der Stoff- Nachhaltigkeit – seit 37 Jahren handelt das herstellung braucht man nämlich für die Unternehmen mit Lebensmitteln, KunstFeatures bügel- und knitterfrei. handwerk und Naturkosmetik und beliefert Zur sozialen Seite der Nachhaltigkeit damit österreichweit rund 80 Weltläden. „Es gehört die angemessene Bezahlung der Bau- ist keine Modeerscheinung, es wird ein Stanern und Plantagearbeiter. Die EZA beispiels- dard, genauso wie es bereits bei Bio-Leweise bezieht die fertige Ware von Partner- bensmitteln der Fall ist“, prognostiziert Reifirmen in Mauritius, Indien und Peru, um tinger. „Der Markt wird aber nicht boomen.“ TOP
November 2012