2015 Kampfschwimmer

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KAMPFSCHWIMMER-AUSBILDUNG

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SAUERSTOFFKREISLAUFGERÄT

KÄMPFER AUS DER

HERAUSFORDERUNG Kampfschwimmer müssen den Fallschirmsprung ins Wasser perfekt beherrschen. Auch wenn das Gepäck wie hier rund 70 Kilogramm wiegt.

TIEFE it dumpfem Brummen taucht die Hercules-Maschine am Horizont auf. Majestätisch zieht sie über den hellblauen Attersee. Plötzlich öffnet sich hinter ihr ein grüner Fallschirm, dann noch einer, und schließlich befinden sich sechs Kampfschwimmer des Jagdkommandos in der Luft. Die Motoren der Hercules verstummen langsam in der Ferne, während die Soldaten lautlos mitten im See landen. Blitzschnell befreien sie sich von ihren Fallschirmen, legen Flossen an und schwimmen mit dem Rucksack vor sich herschiebend los. Ihr Ziel ist ein per Lastenfallschirm aus dem Flugzeug abgeworfenes Schlauchboot samt Motor, das nun in mehr als 100 Metern Entfernung im Wasser als unscheinbares Paket treibt. Wenige Minuten später machen sich die sechs Männer ans Werk. Sie packen das Boot aus, füllen es mittels Pressluftflasche, klettern hinein und

Die Kampfschwimmer des Jagdkommandos operieren meist im Schutz des Wassers, um dann blitzschnell zuzuschlagen – manchmal kommen die Soldaten aber auch von oben. Ein Übungsbesuch von Stefan Tesch.

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Das taktische Kreislauftauchgerät funktioniert ähnlich wie der menschliche Lungenkreislauf: Getaucht wird dabei mit reinem Sauerstoff aus einer 1,9 Liter Flasche. Das ausgeatmete Kohlendioxid gelangt in die mit Atemkalk gefüllte CO2-Absorberpatrone. Das weiße Granulat entzieht der Luft CO2 sowie Feuchtigkeit. Der Sauerstoff kann danach wieder eingeatmet werden und es sind Tauchzeiten von bis zu vier Stunden möglich. Da aus diesem Atemkreislauf keine Luft ins Wasser gelangt, entstehen auch keine Blasen an der Oberfläche und der Taucher bleibt unerkannt. Allerdings birgt dieses Tauchgerät einen Nachteil: Sauerstoff wird aufgrund des hohen Drucks unter Wasser giftig. Somit liegt die maximale Tauchtiefe bei rund sieben Metern. Üblicherweise operieren Kampfschwimmer aber ohnehin nur in drei bis vier Metern Tiefe.

starten den Außenbordmotor. In schneller Fahrt und mit den Sturmgewehren im Anschlag, geht es schnurstracks Richtung Ostufer. „Bei diesem Szenario üben wir das rasche Anlanden von Spezialeinsatzkräften über das Wasser, um Aufträge am Ufer auszuführen“, erklärt Major Michael Novotny, Hauptlehroffizier beim Jagdkommando. Diese im Bundesheer bis dato noch nie trainierte Methode, eignet sich sowohl für Einsätze in Binnengewässern als auch fürs Meer. Insgesamt erstreckt sich die Kampfschwimmerausbildung über zwei Jahre. Im ersten Jahr absolvieren die Soldaten – allesamt Berufssoldaten beim Jagdkommando – den dreimonatigen Grundtauchkurs, um die Basics des Tauchens zu erlernen: Tauchen mit Pressluftflaschen, Nachttauchen, Orientieren, Retten und Bergen. Im zweiten Jahr geht es mit dem eigentlichen Kampfschwimmerkurs weiter. Hier liegt der Fokus am Tauchen mit dem

Sauerstoffkreislaufgerät („Rebreather“) und dem Üben von taktischen Verfahren für den Einsatz. „Im Gegensatz zum herkömmlichen Tauchen mit Pressluftflaschen, verursacht das Kreislaufgerät keine Blasen beim Ausatmen und ist somit für unerkanntes Annähern geeignet“, erzählt ein Heerestauchlehrer. Getaucht wird sowohl in Flüssen und Seen Österreichs, als auch im Mittelmeer. Bis die Kampfschwimmer zu Spezialisten unter WasMILI TÄR AK T UEL L


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„Die Ausbildung ist extrem herausfordernd und abwechslungsreich“, sagt einer der Kursteilnehmer. Besonders in Erinnerung ist ihm noch das Anti-Ertrinkungs-Training. Dabei müssen die Soldaten mit zusammengebundenen Händen und Füßen im sechs Meter tiefen Wasser eine Viertelstunde durchhalten. „Dies gelingt, indem man zwischen Boden und Oberfläche hin und her pendelt“, verrät der Soldat. Zäh ist auch das Orientieren und Navigieren bei schlechter Sicht. So müssen die Kampfschwimmer bis zu drei Stunden unter Wasser verschiedene Punkte auf Strecken von mehreren Kilometern antauchen. „Geduld, Ausdauer und enormes Durchhaltevermögen sind hier oberstes Gebot“, sagt er. Zum Einsatz kommen dabei lediglich Kompass und Uhr. Entfernungen misst man mit folgender Formel: Für 100 Meter in voller Ausrüstung inklusive Rucksack benötigt man fünf Minuten. Die Soldaten tauchen dabei entweder zu zweit oder in der Gruppe, stets verbunden mit einer Leine. Zur Standardbewaffnung der Kampfschwimmer gehören Sturmgewehr und Pistole. Diese Waffen funktionieren auch, wenn sie während eines Tauchgangs komplett nass werden. Um direkt nach dem Auftauchen schießen zu können, muss man die Waffe kurz mit dem Lauf nach unten halten, damit das Wasser herausrinnt. Je nach Einsatz, kommen auch Panzerabwehrrohr sowie Maschinengewehr mit ins Wasser.

ÜBUNGSSZENARIO Nach dem Absprung aus der Hercules müssen die Soldaten ein zuvor abgeworfenes Schlauchboot samt Motor in Betrieb nehmen. Im Eiltempo geht es damit dann Richtung Ufer.

ser werden, ist es ein langer und nasser Weg. Rund 200 Stunden verbringen die Soldaten während ihrer Ausbildung unter Wasser – auch im Winter bei Eis und Schnee. Sie lernen dabei das Arbeiten unter Wasser, etwa Hämmern, Bohren, Schrauben, Schneiden und das Heben von Gegenständen mit dem Bergeballon. Dabei geht es um Präzision, Koordination und viel Fingerspitzengefühl, denn bei Strömungstauchgängen in der Donau ist es häufig so trüb, dass man unter Wasser seine ausgestreckte Hand nicht mehr erkennen kann. Alle Handgriffe müssen daher blind beherrscht werden. MI L I TÄR AKTUE LL

Die Aufgaben der Kampfschwimmer sind vorwiegend die Aufklärung von Objekten im wassernahen Bereich, sowie die Befreiung und der Schutz von Personen. „Im Gegensatz zu anderen Einheiten des Bundesheeres können Kampfschwimmer unerkannt und ohne Boot an Land gehen und somit etwa Hafenanlagen erkunden.“ Diese Fähigkeit ist nicht nur für Einsätze im Ausland wichtig, sondern auch fürs Inland. Denn im Ernstfall können die Soldaten über das Wasser zu schützenswerten Objekten – zum Beispiel Kraftwerke – gelangen und dort rasch wirksam werden. Ebenso gehören Geiselbefreiungen auf Schiffen zu ihren

MAJOR MICHAEL NOVOTNY „Kampfschwimmer müssen zäh sein und ein extremes Durchhaltevermögen haben.“

Fähigkeiten. Das „Boarding“ erfolgt dabei sowohl über Hubschrauber als auch über Schnellboote. Die Einsätze finden meist bei Nacht statt, um die Dunkelheit als zusätzliche Tarnung zu nützen. Wo das Jagdkommando tatsächlich operiert, bleibt jedoch weitestgehend ein gut gehütetes Geheimnis. Zurück am Attersee: Die Kampfschwimmer haben das Ufer erreicht und rüsten sich nun für den nächsten Übungsdurchgang. Diesmal werden sie aus mehr als 1.000 Metern mit angelegtem Tauchgerät aus der Hercules springen und im Gleitflug am Fallschirm den Attersee erreichen. Danach tauchen sie ans Ufer. Nach Einbruch der Dunkelheit werden sie nochmals das Szenario mit dem abgeworfenen Schlauchboot trainieren. Ohne Tageslicht ist das eine extrem schwierige Operation. Major Novotny, der selbst gerade einen Fallschirmsprung ins Wasser absolviert hat, fügt hinzu: „Kampfschwimmer haben es im Einsatz nie angenehm.“ Wieso sollte das also bei Übungen anders sein?


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