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Pedale und Strom statt Diesel: Auch so kann der Verkehr fließen Benzin, nein danke. Rita Huber liefert Essen per Fahrrad, Florian Weber sogar Eiskästen per Muskelkraft. Und Fahrschulbesitzer Alfred Skarabela tankt am liebsten elektrisch.
Stefan Tesch
Fahrschule Skarabela fährt auf Elektro ab
Alfred Skarabela war früher ein Mann, der Autos mit viel PS liebte. Doch heute bedeutet ihm Umweltfreundlichkeit mehr als der stärkste Motor. Deshalb hat seine Fahrschule am Stadtrand von Wien seit 2004 eine umfangreiche CSR-Strategie mit Schwerpunkt auf Ökologie beim Autofahren entwickelt. So sind dort spritsparende Fahrtechniken und Elektrofahrzeuge Teil der Firmenphilosophie. Zudem trägt sie als einzige Fahrschule das Österreichische Umweltzeichen und „kompensiert“ anfallende Emissionen durch eine Mitgliedschaft bei ClimateAustria. Spritsparendes Fahren ist fest in der Fahrausbildung integriert und kommt auch bei den verpflichtenden Perfektionsfahrten zur Anwendung. Damit räumt Skarabela mit so manchem Vorurteil auf: „Viele glauben, spritsparendes Fahren bedeutet langsam fahren. Doch bei gleichen Höchstgeschwindigkeiten verbrauchen wir bei richtiger Fahrweise pro Fahrt zwischen 16 bis 18 Prozent weniger Treibstoff.“
Alfred Skarabela betankt seine Fahr schulautos mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage.
Seit drei Jahren hat Skarabela in seiner Fahrschule ein E-Auto im Einsatz, das mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage (Leistung: 3.000 kWh/Jahr) „betankt“ wird. Die Anschaffungskosten für Fahrzeuge liegen nicht über jenen von herkömmlichen Autos, denn bei manchen Herstellern (z. B. Renault) bezahlt man für die sonst sehr teuren Batterien eine monatliche Miete von etwa 80 Euro. Was im abgasreichen Fahrschulgeschäft nach einem ökologischen Volltreffer klingt, hat jedoch einen großen Haken: E-Autos haben Automatikgetriebe. Und laut Gesetz gilt: Wer die Prüfung mit einem Automatik-Pkw absolviert, dessen Führerschein gilt nicht für Autos mit manueller Schaltung. Daher läuft derzeit ein österreich-
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weites Pilotprojekt, an dem auch die Fahrschule Skarabela teilnimmt. Insgesamt führen 13 Fahrschulen die Vollausbildung größtenteils mit E-Autos durch. Lediglich die letzten Fahrstunden lenkt der Fahrschüler einen Pkw mit manueller Schaltung. Lernen die Schüler dadurch weniger? Skarabela hat keine Bedenken: „Aus pädagogischer Sicht ist es ohnehin sinnvoller, wenn Anfänger mit einem Automatikgetriebe fahren. Denn dann können sie sich auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren und sind nicht vom Schaltvorgang abgelenkt.“ Er sieht daher einen Trend hin zum verstärkten Sicherheitsdenken und weg vom technischen Detailwissen beim Führerschein der Zukunft. Bis die Gesetzgebung nachzieht, kommt das E-Auto vorwiegend bei Perfektionsfahrten für Führerscheinbesitzer zum Einsatz. „So vermitteln wir ihnen das Gefühl vom umweltfreundlichen Fahren.“ Anders als beim Auto können Mopedausbildungen zur Gänze mit E-Gefährten absolviert werden, was vom Gros der Kunden auch gerne angenommen wird. „Die Jungen sind von der enormen Beschleunigung begeistert“, berichtet Skarabela, doch Wermutstropfen ist für viele der fehlende Moped-typische Lärm. „Bis die Gesellschaft für E-Fahrzeuge bereit ist, wird es noch lange dauern“, prognostiziert Skarabela. Er wünscht sich mehr Rückhalt vom Gesetzgeber, damit er seine E-Flotte massiv erweitern kann.
Rita bringt’s Essenszustellung ohne Abgase
Rita bringt’s ist ein Lieferservice für vegetarisches Essen. Hauptspeisen und Suppen werden ausschließlich aus regionalen und biologischen Zutaten gekocht und vormittags per Lastenfahrrad in Wien zugestellt. Damit geht Gründerin und Geschäftsführerin Rita Huber einen ganz anderen Weg als die Mehrheit der Zusteller,
Foto: Stephan Doleschal
Darf’s ein bisschen schwerer sein: Fahrradkurier Florian Weber transportiert mit seinen Heavy Pedals in Wien bis zu 250 Kilo Fracht.
Foto: Markus Frühmann
Darf’s ein bisschen gesünder sein: Rita Huber liefert vegetarisches Essen per Radl aus.
die meist wenig gesundes Essen mit Auto und Moped zustellen. „Die Kombination aus vegetarischer, gesunder Küche plus umweltschonender Zustellung ist unser USP“, erklärt Huber. Da es laut Huber so etwas in Wien noch nicht gab, waren die ersten Wochen nach der Gründung von Trial and Error geprägt. Die größten Herausforderungen waren Transport und Logistik, insbesondere das Versprechen einzuhalten, alle Speisen zwischen zehn und zwölf Uhr zu den Kunden, vorwiegend an deren Arbeitsplätze, zu liefern. „Wir haben über unsere Webseite ein Radrouten-Planungstool entwickelt, um zeit- und muskelkraftökonomisch zustellen zu können.“ Das Tool ermittelt aus den Lieferadressen die optimale Route und Beladung der insgesamt 15 Lastenräder. Zwar dachte Huber anfangs, es sei schwierig, genügend Fahrer zu finden, doch „es gibt überaus viele Personen, die durch Sport Geld verdienen wollen“. Vor gut anderthalb Jahren hat Huber mit ihrem Geschäftspartner Gerald Költringer das Unternehmen gegründet und konnte am ersten Tag ihrer Tätigkeit bereits 40 Portionen ausliefern. Heute sind es zehnmal so viele Bestellungen pro Tag. Die Kunden sind zu 80 Prozent weiblich, jedoch größtenteils keine Vegetarier. „Den meisten geht es ums gesunde Essen sowie die umweltfreundliche Zustellung“, schildert Huber. „Schonung von Ressourcen ist die Grundlage unserer Geschäftsidee“, ergänzt sie. So sind auch die Verpackungen der
Speisen aus Recyclingpapier und biologisch abbaubaren Materialien.
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Rita bringt’s liefert nur an Kunden, die spätestens am Vortag bis 16 Uhr bestellt haben. Somit kann die Logistik, konkret die Beladung der Fahrräder sowie die Streckenzusammenstellung, rechtzeitig organisiert werden. Dieses Konzept hat einen erfreulichen Nebeneffekt: „Da wir exakt so viel kochen, wie bestellt wird, vermeiden wir Überproduktion. Es bleibt so gut wie kein Essen übrig.“ In den nächsten fünf Jahren möchte Rita Huber das Zustellgebiet auf ganz Wien ausweiten und damit auch die großen Randbezirke wie Donaustadt, Floridsdorf und Liesing anfahren. Auch die Kochkapazität muss wachsen. „Kooperationen mit Industrieküchen lehnen wir aber ab, denn darunter würde die Qualität der Speisen leiden“, betont sie. Viel mehr soll eine Multi-Standort-Strategie samt Küche und Restaurant verteilt in ganz Wien zum Tragen kommen. „Dies verkürzt die Zustellwege, da nicht von einem Standort die ganze Stadt beliefert werden muss.“ Um weit entfernte Gebiete zu erreichen, setzt man jetzt schon teilweise auf Elektrofahrräder. Erster Schritt in diese Richtung ist der diesen Sommer eröffnete Gastro stand auf dem Vorgartenmarkt. Außerdem möchte Huber das Catering-Service für Firmen- und Privatkunden ausbauen sowie verstärkt mit dem „Foodbike“ auf Veranstaltungen Mahlzeiten verkaufen.
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Heavy Pedals transportieren nicht billiger, aber dafür umso grüner
Man muss schon ein waschechter Radler sein, um auf dem Drahtesel bis zu 250 Kilo Fracht mit reiner Muskelkraft durch die Stadt zu kutschieren. So einer ist Florian Weber, der 2009 mit zwei Freunden den Schwerlast-Fahrradbotendienst Heavy Pedals gründet hat. Aus der Nutzung von Lastenrädern für seinen damaligen Textilhandel entstand bald die Idee, daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Doch die anfängliche Euphorie verpuffte schnell, als die für die Betriebseröffnung notwendige Haftpflichtversicherung knapp 7.000
Kühlschränken oder großen Zimmerpflanzen. „Für den Transport von einzelnen Gegenständen rentiert sich meistens ein Lkw nicht“, freut sich Weber. In Zukunft möchte Heavy Pedals verstärkt Waren vom stationären Handel zum Kunden nach Hause liefern. Weber sieht es als kleine Kampfansage an die Übermacht großer Versandhäuser und die damit verbun dene Umweltbelastung beim Transport der Waren. „Wir möchten die lokale Wirtschaft stärken.“ Ein zweites und notwendiges Standbein von Heavy Pedals ist der Verkauf von Lastenfahrrädern. Kleine Fahrradgeschäfte in ganz Östereich sollen dafür als Partner fungieren.
„Wir haben ein Radrouten-Planungstool entwickelt, das Zeit und Muskelkraft spart.“ RI TA HUBER , RI TA BRINGT‘ S WEITERE UNTERNEHMEN MIT:
Euro pro Jahr ausgemacht hätte. Das Problem: „Die Versicherungen kannten unser Business nicht, da es damals neu war“, erklärt Weber. Angesichts eines Startkapitals von 6.000 Euro ein Problem. Erst viel Verhandlungsgeschick und gute Kontakte zu Versicherungsvertretern ließen die Prämie auf rund 150 Euro schrumpfen. Ein bis dato schwieriges Kapitel sind die verhältnismäßig hohen Preise, die Weber vom Kunden verlangen muss. Während man sich von Online-Shops Waren aus dem Ausland versandkostenfrei zustellen lassen kann, kostet bei Heavy Pedals eine Fahrt innerhalb Wiens im Schnitt zehn Euro. „Nicht alle Kunden verstehen, dass menschliche Muskelkraft eben mehr kostet als die Zustellung mit Kraftfahrzeugen. Dieser Preis ist ohnehin nur möglich, da fast alle Fahrten als Sammelfahrten geführt und gleich mehrere Aufträge auf einmal abgewickelt werden“, schildert Weber. Und die hohe Nutzlast von 250 Kilo lässt es meist zu, sehr viele Aufträge zusammenfassen. „Die Planung von effizienten Sammelfahrten ist der Hebel, um in Zukunft noch mehr aus dem Transportgeschäft herausholen zu können“, ist Weber überzeugt. Aktuell wickelt das Unternehmen zwischen zehn und 50 Fahrten pro Tag ab, darunter viele regelmäßige Aufträge, wie etwa der Transport von Flyern und Magazinen. Die Kunden sind vorwiegend NGOs, Unternehmen, die auf Umweltschutz Wert legen, sowie die Stadt Wien. „Denen ist wichtig, dass die Fracht nicht mit dem Auto transportiert wird.“ Aber auch Aufträge von Privaten trudeln regelmäßig ein, zum Beispiel Transporte von
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Neue Verkehrskonzepte Carsharing Car2go, Zipcar, Carsharing 24/7 - drei Initiativen, ein Ziel: Weniger Autos in den Städten durch die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen. Motto: Fahren statt besitzen.
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