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HORIZONT № 45
Spiele statt
SPIELVARIANTEN DER GAMIFICATION
trockener Fakten
Bei Gamification motivieren spielerische Elemente. Unternehmen setzen nun verstärkt solche Spiele zur Schulung von Mitarbeitern und sogar bei der Personalsuche ein. Bericht von Stefan Tesch
E
s muss nicht gleich die Bohrinsel im Schwarzen Meer sein, wo der Wind bis zu 160 Stundenkilometer schnell bläst oder man tagelang auf seinen Flug zum Festland warten muss. Technische Berufe gibt es auch in weitaus bequemeren Varianten, doch nach wie vor sind Frauen dort selten anzutreffen. Der Frauenanteil rangiert bei technischen Fachkräften in Österreich bei schwachen 15 Prozent – und das trotz rosiger Jobaussichten.
Die OMV möchte mit Hilfe von Gamification mehr Frauen für technische Berufe gewinnen. Ein erster Schritt ist die spielerische Auseinandersetzung mit Technik in Form eines Rätsels. © OMV
Spielerische Generation Grund genug für den Gas- und Mineralölkonzern OMV, seit 2012 dem niedrigen Frauenanteil den Kampf anzusagen. Dazu griff das Unternehmen tief in die Trickkiste und zog ein Gamification-Projekt namens „Österreich sucht die Technikqueens“ herraus. „Alles andere wäre der falsche Zugang, denn die Generation Y ist es gewohnt, zu spielen“, weiß Jasmine Böhm, Global Sustainability Manager bei der OMV. In diesem Onlinespiel geht es darum, einfache technische
Aufgaben zu lösen, wie etwa in einem Suchbild erdölhaltige Produkte zu erkennen. Als Belohnung kassiert der Spieler Punkte und kann sich damit für ein Mentoring-Programm qualifizieren. Zielgruppe sind die 14- bis 16-Jährigen, die für ein technisches Studium begeistert werden sollten, in der Hoffnung, sie danach als OMV-Mitarbeiterinnen zu gewinnen. Für eine Zwischenbilanz, ob die jährlich veranstalteten Spiele Früchte tragen, ist es noch zu früh. Die Teilnehmer des ersten Technikqueen-Jahrgangs vor vier Jahren sind gerade 20 geworden. Mit dem Verlauf des sehr langfristig ausgelegten Projekts ist man bei der OMV aber jetzt schon zufrieden. „Es wird besser angenommen als erwartet“, erzählt Böhm. Fast alle der jährlich 2.000 Teilnehmerinnen spielen die einwöchige Onlinechallenge zu Ende. Belohnungen als Motivation Wenn die OMV künftig die ersten Technikqueens als Mitarbeiterinnen begrüßen wird können, dann ist das Konzept der Gamification aufgegangen. Hinter diesem Fremdwort steckt die Verknüpfung von Prozessen und Abläufen mit spielerischen Elementen. „Für Unternehmen liegt das Einsatzgebiet vor allem bei Onboarding, Recruiting und Weiterbildung“, erklärt Jörg Hofstätter, Geschäftsführer der Digitalagentur Ovos, die sich auf die Entwicklung spielerischer Wissensvermittlung spezialisiert hat. Motivation und Belohnung sind der Clou hinter dem Phänomen Gamification. „Ob Bonuspunkte, Ranking, Medaillen – direktes Feedback auf seine Leistung spornt Menschen enorm an“, sagt Hofstätter. Es vermittelt den Spielern das Gefühl, etwas weitergebracht zu haben. Doch nicht jedes Spiel eignet sich für alle Szenarien. „Um spielerisch die Verkaufsleistung von Mitarbeitern zu steigern, muss es im Spiel zum Wett-
bewerb unter den Teilnehmern kommen“, so Hofstätter. Soziale Themen, etwa Führungskräftetrainings zur Früherkennung von Burnout, sind mit einem kollaborativen Modus besser bedient. Ebenso ist es essenziell, die Qualifikationen der Zielgruppe gut zu kennen, um sie im Spiel nicht zu über- oder unterfordern. Gamification würde sonst mehr schaden als helfen. Für die Entwicklung eines Spieles gemeinsam mit einer Agentur muss man ungefähr vier bis sechs Monate einplanen. Üblicherweise wird nach Spielzeit abgerechnet. So kostet ein halbstündiges Spiel ab rund 25.000 Euro, ein mehrstündiges samt Multiplayer-Modus kann auf 250.000 Euro kommen. Gamification in Schulungen Wer hierzulande Postbote werden möchte, muss spielen. Diese Regel hat die Post allen angehenden Briefzustellern für die Einschu-
Die Uniqa-Versicherung belohnt Kunden dafür, dass sie beim Autofahren das Handy nicht nutzen. Als Belohnung gibt es Rabatte auf die Prämie sowie Gutscheine für einen Kaffee an der Tankstelle. Gemessen wird über die SafeLine-App. Das St. Anna Kinderspital testet gerade das Spiel „Interacct“, das Kinder mit einer Krebserkrankung dazu animiert, täglich Angaben zu ihrem Wohlbefinden zu machen. Der Verein für Elektromobilität, Austrian Mobile Power, sammelt über „Mission E-Possible“ spielerisch Ideen, wie Elektromobilität im Jahr 2035 umgesetzt werden könnte. Über das „Karrierequiz“ der Ersten Bank können Jugendliche über einen gamifizierten Fragebogen klären, ob eine Lehre bei dieser Bank für sie das Richtige ist.
tet Johann Danzinger, Leiter des Prozessmanagements im Bereich Briefzustellung bei der Post. Seit der Einführung dieses Onboarding-Spiels gibt es bereits messbare Erfolge: „Die Beschwerdequote ist gesunken“, freut sich Danzinger. Zwar komme das Onboarding-Spiel laut Danzinger bei den neuen Mitarbeitern gut an, doch auf gemischte Reaktionen stößt die Tatsache, dass nun altgediente Briefträger das Spiel absolvieren müssen. Der Post
‚Gamification eignet sich am besten für Mitarbeiterschulungen und für Onboarding-Prozesse.‘ Jörg Hofstätter, Geschäftsführer der Digitalagentur Ovos © Ovos
lungswoche auferlegt. Täglich gilt es, das praktisch Gelernte in Form von Lückentexten und MultipleChoice-Tests zu festigen. Solch ein E-Learning-Modul dauert 15 Minuten und am Ende der Woche wartet ein Abschlusstest. „Punkte und eine Hall of Fame steigern den Ehrgeiz während des Lernens, denn damit können sich die Mitarbeiter untereinander vergleichen“, berich-
hat das Spiel 150.000 Euro gekostet und die damit geschaffene Plattform wird man künftig für Trainingsspiele in Kundenservice und Marketing nutzen. Auch die OMV baut weiterhin auf Gamification, etwa in Form eines Raffineriesimulators. Zudem teste man gerade Virtual-Reality-Spiele für Schulungen. Und womöglich profitieren die jetzigen Technikqueens eines Tages davon. r
Einfach aber effektiv: Die Post setzt bei der Einschulung neuer Briefzusteller auf ein Onboarding-Spiel. © Post
Die Finalistinnen der OMV-Technikqueens. © OMV