1604e_110_Recycling.qxp_Wirtschaftsatlas 13.04.16 09:49 Seite 110
Foto: WMR Waldmühle
Energie
Das Abbruchmaterial der ehemaligen Zementfabrik Kaltenleutgeben wird für die Geländemodellierung des neuen Bauprojekts verwendet. Das spart Transportkosten und schont primäre Rohstoffquellen
Die Goldgräber der Großstadt Städte sind mit ihren Gebäuden riesige Rohstofflager. Die Schätze effizient zu schürfen ist aber schwierig. GEWINN extra über die urbanen Minen und ihre Erfolge. bruchmaterial wanderten durch eine vor Ort aufgestellte Aufbereitungsanlage. Nach dem Brechen („Schreddern“) und Sieben usgerechnet eine ehemalige Zement- setzt man das Material zur Geländemofabrik ist heute ein Vorzeigebeispiel, dellierung ein, dem Aufschütten. Die für wenn es um ökologische Rohstoffgewin- den Zu- und Abtransport notwendigen nung, das Urban Mining geht. Hinter die- Lkw-Fuhren konnten dadurch von zirka sem Begriff steckt die Idee, anstatt Roh- 30.000 auf 10.000 reduziert werden. Unstoffe aus Primärquellen abzubauen, sie term Strich ergab das zwei Millionen Euro aus bereits verbauten Materialien zu gewinnen. Zum Beispiel beim Abbruch von Rohstoffmengen in Gebäuden Gebäuden Beton, Ziegel und Metalle zu Kilo pro Kubikmeter Bruttovolumen trennen und wieder dem Rohstoffkreislauf eines Gebäudes zuzuführen. Geht man noch einen Schritt Wohnhaus* Industrie* weiter, passiert das Ganze sogar direkt Altbau Neubau Altbau Neubau auf der Baustelle und Beton wird somit Rohstoff Beton 27 380 68 150 wieder zu Beton für den Neubau. Ziegel 210 88 180 9 Ebenso gehört zu Urban Mining, AusMörtel, Putz 99 39 60 3,6 hub gleich für das Bauprojekt zu verwenden, Glas 0,27 1,5 0,68 k. A. so wie am Beispiel der Zementfabrik Kal- Holz 17 3,4 8,5 1,2 tenleutgeben südwestlich von Wien. Aus Stahl 3,7 13 8,6 14 dem ehemaligen Industrierelikt werden Aluminium 0,34 0,32 0,031 0 gerade 450 Wohnungen mit dem roman- Kupfer 0,065 0,21 0,02 0,18 0,028 0 k. A. k. A. tischen Namen Waldmühle Rodaun. Blei Wohlklingend auch das Ergebnis des dor- k. A. = keine Angabe; *) Altbau: ca. 100 Jahre; Neubau: max. 20 Jahre; Quelle: Christian Doppler Labor für Anthropogene Restigen Urban Mining: 144.000 Tonnen Ab- sourcen (TU Wien) VON STEFAN TESCH
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GEWINN
an Einsparung. „Die Bedingungen waren ideal, denn die abgerissenen Gebäude bestanden größtenteils sortenrein aus Beton“, schildert der für den dortigen Urban-Mining-Prozess verantwortliche Architekt Thomas Romm. Und warum passiert das nicht auf jeder Baustelle? Erstens: „Es fehlt hierzulande das Bewusstsein dafür“, so Romm, der Architekten und Bauherren zum Umdenken auffordert. Zweitens: Jede Baustelle ist ein Unikat und die Möglichkeiten des Urban Mining sind enorm vielfältig.
Recycling auf der Baustelle Bei Großprojekten, wie etwa der Seestadt Aspern, geht man sogar noch einen Schritt weiter: „60 Prozent der Baustoffe wurden im Bauvorhaben selbst gewonnen“, erzählt Romm. Das heißt, die gigantischen Aushubmengen am ehemaligen Flughafen im 22. Wiener Bezirk wurden einerseits zum Aufschütten von Straßen verwendet, andererseits in der Ortbetonanlage zu Beton verarbeitet. In diese Anlage flossen 300.000 Kubikmeter Kies aus dem Aushub. Romm April 2016