Siebzehn - Das Magazin des Stuttgarter Kammerorchesters

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Das Magazin des Stuttgarter Kammerorchesters

SIEBZEHN 03/2018

Abseits von allen Klischees Thomas Zehetmair –4–

Ein kleines barockes Wunder Fabio Biondi –6–

Das klingt einfach gut

Georg Breinschmid –8–

Sinnliche Klänge

François Leleux – 10 –


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Interview mit dem Geschäftsführenden Intendanten Markus Korselt

„MOMENT MAL, DAS IST DOCH DAS SKO!“ Interview mit Markus Korselt

SIEBZEHN: Du bist nun seit einem halben Jahr Geschäftsführender Intendant des Stuttgarter Kammerorchesters, begleitest das Orchester aber schon seit vielen Jahren als Cellist und Di­ rigent. Wie kam es, dass sich die Wege von euch beiden „alten Bekannten“ kreuzten? MARKUS KORSELT: Eigentlich kam das etwas überraschend, denn mich hatte die Reiselust gepackt und es liefen Gespräche mit Kulturinstitutionen in Kanada, Australien und Hongkong, als mich die Nachricht von der vakanten Stelle beim SKO erreichte. Rasch wurde mir klar: Warum in die Ferne schweifen ... Jetzt bin ich in Stuttgart und sehr glücklich, mit diesem Klangkörper arbeiten zu dürfen. Was reizt Dich an gerade diesem Orchester? Das SKO gehört zu den führenden Orchestern seiner Art, seine Musiker könnten in vielen anderen Orchestern auf Solopositionen sitzen. Zusammen mit musikalischer Neugier und stilistischer Vielfalt ist ein Niveau möglich – egal, ob bei der Kleinen Nachtmusik oder einer Uraufführung – das beglückend und fordernd ist. Welchen Weg möchtest Du mit dem Orche­ ster beschreiten? Auf welche Programmatik setzt Du? Ein wichtiges Anliegen ist, dass wir als Musikbotschafter in der ganzen Welt zeigen, wie schön unser Repertoire ist. Das Reisen liegt ja seit seiner Gründung vor 73 Jahren in der DNS des Orchesters. Dieses Jahr sind wir in Indien, China, Japan und Nepal. Gleichzeitig stärken wir unsere Präsenz vor Ort mit zahlreichen Open Airs in Stuttgart sowie der Baden-Württemberg-Tour mit Konzerten im ganzen Bundesland. Dort musizieren wir – wie übrigens auch auf vielen internationalen Touren – immer wieder gemeinsam mit jungen Musikern vor Ort. Ziel ist es, nicht einfach einzufliegen und nach zwei Stunden wieder zu gehen, sondern etwas Bleibendes zu hinterlassen. Programmatisch erweitern wir unser Kernrepertoire, das etwa von Bach bis Schostakowitsch reicht, um maßgeschneiderte Projekte: Wiederentdeckungen zu Unrecht vergessener Werke sowie Auftragskompositionen in großer stilistischer Vielfalt – vom klassischen Cellokonzert über Jazz bis hin zu Elektro.

Markus Korselt

?

Auch abseits der Konzertsäle wurden in den letzten Monaten besondere Projekte entwickelt und gefördert, Stichwort „Förderprogramm ex­ zellente Orchesterlandschaft Deutschland“. Die Auszeichnung durch die Bundeskulturministerin im Rahmen dieses Förderprogramms bedeutet einen großen Motivationsschub für unsere Education-Arbeit, in der viel Herzblut steckt. Auch unserer sozialen Verantwortung wollen wir mit neuen Formaten gerecht werden. Mit Concerto Mobile und Tafelmusik bieten wir noch in diesem Jahr Konzerte

„ Wir wollen an unserer spezifischen Klangfarbe arbeiten.“ – Markus Korselt –

an besonderen Orten für Menschen an, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht auf die Idee kämen, eine Konzertkarte zu kaufen. Wir sind allerdings für viele Projekte noch auf der Suche nach dem passenden Partner und Sponsor. Vielleicht liest das hier ja jemand und meldet sich – ich nehme zu jeder Tages- und Nachtzeit den Hörer ab! [lacht] Neben Deinem Amtsantritt als Geschäfts­ führender Intendant darf sich das SKO ja bald –3–

über eine weitere Personalie freuen: Thomas Zehetmair wird ab September 2019 am Pult des Chefdirigenten stehen ... … und ich kann unser Glück immer noch nicht fassen! Schließlich war es keine leichte Aufgabe, die Erfolge unseres geschätzten Chefdirigenten Matthias Foremny mit neuer Perspektive weiterzuentwickeln. Wohin soll sich das Stuttgarter Kammer­ orchester unter Eurer gemeinsamen Führung entwickeln? Wir haben speziell einen Dirigenten gesucht, der auch durch herausragende instrumentale Fähigkeiten das Orchester weiterentwickelt und von seinem Musikverständnis zum SKO passt. Gemeinsam mit Thomas Zehetmair wollen wir an unserer spezifischen Klangsprache arbeiten, so dass man im Idealfall das Radio anmacht und sich denkt: „Moment mal, das ist doch das SKO!“ Bei der Pressekonferenz zitierte Thomas Zehet­mair seinen Lehrer Nikolaus Harnon­ court, der gesagt hat, eine gelungene Auffüh­ rung sei immer am Rande des Abgrunds. Wo ist dieser Abgrund für Dich persönlich? [überlegt] Ich glaube, es ist das entscheidende Quäntchen mehr: mehr Dynamik, mehr Explosivität, mehr Mut zum Risiko, eine unglaubliche Genauigkeit in Artikulation und Stilistik. Und genau dorthin wollen wir gehen – aber keine Angst: abstürzen werden wir nicht! – Interview: Margret Findeisen –


Der Tanz der Welt / Mi. 21. März 2018 / Theaterhaus Stuttgart, T1 / 20 Uhr / Einführung: 19.15 Uhr

„… ABSEITS VON ALLEN KLISCHEES­…“ ?

Fragen an Thomas Zehetmair

Thomas Zehetmair

SIEBZEHN: Zunächst zum Konzert im März. Drei Stücke stehen auf dem Programm, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben, außer dass es sich um Stücke der Wiener Klassik handelt – die frühe SchubertOuvertüre kann man da wohl auch noch da­ zurechnen. Aber ich schätze, Sie haben sich dabei etwas gedacht. THOMAS ZEHETMAIR: Stimmt, ein übliches Konzertprogramm wie Rachmaninow-Klavierkonzert plus Eroica ist viel mehr

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Der Tanz der Welt / Mi. 21. März 2018 / Theaterhaus Stuttgart, T1 / 20 Uhr / Einführung: 19.15 Uhr

ausgeklügelt – aber Spaß beiseite, unsere Stücke zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie völlig abseits von allen­ Klischees sind: Schuberts Ouvertüre ist ein Kleinod, der Geniestreich eines 14-jährigen­­ – sehr persönlich, hochdramatisch, in Substanz und Fantasie absolut fern von klassischen Vorbildern. Fast versöhnlich wirkt Mozarts warme, opernhafte Concertante danach, nur ist sie ihrer Entstehungszeit weit voraus, für mich klingt sie eher im Bereich seiner Da Ponte-­ Opern oder der Zauberflöte. Neuerdings werden sogar Zweifel an der Authentizität der Concertante gesät, die ich allerdings nicht ernst nehme. Das Drama wird im 2. Teil fortgesetzt: Beethovens spätes op. 131 ist wie ein in Musik­­­ gesetztes Theaterstück. Ein klassisches­ Quartett in sieben Sätzen? Natürlich sprengt Beethoven in einigen seiner späten Quartette alle Formen und Konventionen. Mozarts herrliche „Concertante“ haben Sie oft gespielt und auch aufgenommen. Die Bratscherin Ruth Killius ist eine Ihrer Lieblings­ partnerinnen am Konzertpodium. Die Concertante ist unser Leib- und Herzstück. Die Zusammenarbeit mit Frans Brüggen – mit der daraus resultierenden

„Mozarts Concertante ist unser Herzstück. Die Zusammenarbeit mit Frans Brüggen ist eine unserer tiefsten ­Erinnerungen.“ – Thomas Zehetmair –

CD-Aufnahme – ist eine unserer tiefsten Erinnerungen. Frans hatte das schöne Bild der Legende von Philemon­und Baucis vor Augen. Wagners Meinungen muss man oft mit Vorsicht genießen, aber er war ein gro­ ßer Beethoven-Liebhaber und hat über das Streichquartett op. 131 geschrieben: „Das ist der Tanz der Welt selbst …“ und dann folgt eine

Aufzählung menschlicher Leidenschaften und Gefühle von „Wilder Lust“ bis „Leid“. Können Sie mit dieser sehr romantischen Sichtweise etwas anfangen? Romantisch auf jeden Fall, nur als Interpret bemüht man sich um eine differenziertere­­­­­ Betrachtungsweise. Die Idee, ein literarisches Vorbild in dieser Musik zu finden – durch Beethovens Konversationshefte weiß man sehr viel über seine Lektüre­­­in der Zeit – interessiert mich viel mehr, natürlich ist es wichtig, den passenden Ausdruck in jeder Stelle zu finden, um eben nicht alles über einen Kamm zu scheren. Chorische Aufführungen von Kammermu­ sik haben eine lange Tradition. Sie sind selber Primarius eines berühmten Streichquartetts. Welche Fassung wählen Sie und was sind die Unterschiede zwischen Original und Arrange­ ment? Die musikalische Substanz wird nicht angetastet, keine Note wird verändert. Die „Fassung­­­“ entsteht durch Entscheidungen wie wann der Kontrabass die Celli verstärkt. Die Möglichkeiten zu „tutti­­­“ und „solo“ in allen Stimmen können Kontraste­­­und Dynamik enorm steigern. Sie waren zunächst Geiger, sind seit einiger­­­ Zeit aber auch als Dirigent, meist im Kammer­ orchester-Bereich erfolgreich. In den letzten Jahren lag mein Repertoireschwerpunkt eher bei größer besetzten Symphonien, z. B. von Bruckner, Sibelius, Schumann­­­und Brahms. Das Stuttgarter Kammerorchester hat ein lange Geschichte und wurde sehr vom sehr traditionsverbundenen Karl Münchinger ge­prägt, ehe jüngere Maestri wie Dennis­ Russell­­­ Davies oder Michael Hofstetter für vom Publikum­­­ nicht immer geliebten frischen­­­ Wind sorgten. Wohin wird die Reise unter ihrer Leitung gehen? Es ist ein tolles Team, und wir sind gerade dabei, eine – wie ich meine – wirklich spannende­­ erste gemeinsame Saison zu planen. Ich spüre sehr viel Enthusiasmus und ein enormes gemeinsames Potential! Ich nehme an, die Moderne, die schon klas­ sische und die heutige, wird sicher eine große Rolle spielen? Spezialisierung auf bestimmte Perioden war nie mein Fall, es geht uns um stilistische Vielfalt und eine weite Palette von Repertoire­­­. Es ist ja gar nicht so einfach, für ein im Grunde reines Streicherensemble spannende Programm zu entwickeln. Man kann nicht im­ mer Dvorˇák und Tschaikowski spielen. Es gibt natürlich interessante Nischen im Repertoire. Freuen Sie sich auf Entdeckungen? Zum Glück hat sich jeder große Kompo–5–

nist für die Klangvielfalt und Farbenmöglichkeiten des Streicherklangs interessiert, an Meisterwerken ist kein Mangel. Außerdem wollen wir natürlich weiterhin mit Bläsern zusammenarbeiten.

„Zum Glück hat sich jeder große Komponist für die Klangvielfalt und Farbenmöglich­keiten des Streicherklangs interessiert ...“ – Thomas Zehetmair –

Und Mozart wird beim gebürtigen Salz­ burger Thomas Zehetmair wohl stets eine ge­ wichtige Rolle spielen … Natürlich, Mozart hat zwar seine größten Werke erst geschrieben, nachdem er alles, was ihn mit Salzburg verbunden hat, hinter sich gelassen hat – mit ein paar Ausnahmen, eine davon ist Teil unseres Programms. Die Concertante ist einmalig und unübertroffen genial. – Interview: Gottfried Franz Kasparek –

THOMAS ZEHETMAIR Violine und Leitung RUTH KILLIUS Viola STUTTGARTER KAMMERORCHESTER

FRANZ SCHUBERT Ouvertüre in c-Moll für Streicher D 8a WOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonia concertante in Es-Dur KV 364 für Violine, Viola und Orchester LUDWIG VAN BEETHOVEN Streichquartett in cis-Moll op. 131 (Fassung für Streichorchester)


Clori, Dorino e Amore / Do. 19. April 2018 / Liederhalle Stuttgart, Mozart-Saal / 19.30 Uhr / Einführung: 18.45 Uhr

EIN KLEINES BAROCKES WUNDER ?

Interview mit Fabio Biondi

SIEBZEHN: Herr Biondi, am 19. April führen Sie mit dem Stuttgarter Kammerorchester eine Ihrer Entdeckungen der italienischen Barock­ musik auf: die Serenata „Clori, Dorino e Amo­ re“ von Alessandro Scarlatti (1660–1725). Sie sind ein wahrer Scarlatti-Kenner, haben schon mehrere CDs mit seinen Werken aufgenom­ men und betonen immer wieder, dass er einer der größten italienischen Komponisten ist und zu Unrecht unterschätzt wird. Woran liegt es, dass dieser von Fürsten und Kardinälen ver­ ehrte, von Händel bewunderte und enorm produktive Komponist so schnell von den Spielplänen verschwunden ist? FABIO BIONDI: Ja, das liegt wohl an mehreren Dingen: Scarlatti war ein Komponist mit einer ganz besonderen Sensibilität und einem hohen Anspruch. Ihm ging es bei der Textvertonung immer darum, die Worte in ihrer ganzen Tiefe mit seiner Musik zu erfassen. So hat er z. B. nie Werke von sich selbst oder anderen übernommen und sie einfach umgearbeitet, wie es zu der Zeit üblich war. Nach seinem Tod hat man ihn für seine geistliche Musik schon hoch geschätzt. Aber im Bereich der Oper oder der Instrumentalmusik wurden seine Werke irgendwann beiseite gelegt, weil er als zu streng und zu kompliziert galt. Und das stimmt: seine Musik ist nicht leicht zu spielen. Außerdem schien er wohl ein ziemlich melancholischer, fast misanthropischer Mensch zu sein, der nicht viel lächelte, glaube ich, und dem es die Leute nicht so schnell recht machen konnten. Und das italienische Publikum von damals wollte auch lieber eine fröhliche und oberflächliche Musik hören. Es gibt in Scarlattis Briefwechsel mit seinem Förderer Ferdinando de' Me-

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dici einen ganz bemerkenswerten Brief. Ferdinando hatte ihm zuvor geschrieben, dass er ihn ja sehr verehre, aber dass seine Musik doch zu schwer sei und ob er ihm für sein Theater in Florenz nicht besser eine etwas leichtgängigere Oper komponieren könne. Und Scarlatti antwortete: „Ich habe mich bemüht, für Sie etwas Gefälliges zu schreiben.

„Scarlatti war ein Komponist mit einer ganz besonderen Sensibilität und einem hohen Anspruch.“ – Fabio Biondi –

Aber die Schönheit des Textes hat mich tief berührt, und ich verhehle Ihnen nicht, dass ich mehrmals darüber geweint habe.“ Das ist schon erstaunlich, wieviel er in die Musik für ein Stück legte, das in der Regel nicht mehr als eine Spielzeit überdauerte. Und wegen dieses Anspruchs und dieser Reinheit, ähnlich wie bei Bach, mag ich seine Musik so sehr. Sie sind neben Ihren Konzerten in aller Welt auch als unermüdlicher Schatzgräber in Bib­ liotheken und Archiven unterwegs. Wie sind Sie dieser Serenata auf die Spur gekommen? Das ist schon etwas länger her, und wissen Sie, wie das kam? Ich war auf der „Jagd“ nach einer Partitur, die Francesco Geminiani in Bezug auf Arcangelo Corelli in Neapel erwähnte. Corelli hatte 1702 beim Staatsbesuch Philipps V., des spanischen Königs, eine „Masque“ unter Scarlattis Leitung gespielt und später erzählt, er hätte mit den Noten zu kämpfen gehabt, wohingegen der neapolitanische Geiger am ersten Pult alles mühelos vom Blatt gespielt hätte. Ich hatte also zwei Fährten zu Scarlatti: die Oper „Tiberio Imperatore d'Oriente“ und die Serenata „Clori, Dorino e Amore“, die habe ich in Münster in der Santini-Bibliothek vor ungefähr 25 Jahren gefunden. Nun ist in beiden Werken die erste –6–

Violine eigentlich nicht so schwer zu spielen. Man weiß also nicht, was Corelli genau meinte. Aber ich dachte sofort, diese Serenata ist ein tolles Stück, nicht zu streng, wunderbar komponiert und auch nicht zu lang, um dem Publikum Alessandro Scarlatti mal wieder vorzustellen. Scarlatti hatte es für die Feierlichkeiten rund um den Besuch Philipps V. Anfang Mai 1702 komponiert. Dessen Thronbesteigung 1701 zog den Spanischen Erbfolgekrieg nach sich, der in ganz Europa für große Unruhe sorgte. Der Nachwelt ist Philipp V. v. a. wegen seiner Liebesabenteuer und seiner heftigen Schwermut im Gedächtnis geblieben, die der Kastrat Farinelli später dann ein wenig lindern konnte, aber das ist eine andere Geschichte. Neapel zählte damals also zum spanischen Territorium, dieser Besuch war daher eine große Sache. Wie haben wir uns eine solche barocke Aufführung im Königspalast vorzu­ stellen?

FABIO BIONDI Violine und Leitung FRANCESCA LOMBARDI MAZZULLI Sopran SUNHAE IM Sopran MARIANNE BEATE KIELLAND Mezzosopran STUTTGARTER KAMMERORCHESTER

ALESSANDRO SCARLATTI Serenata für 2 Soprane, Alt und Orchester­­­„Clori, Dorino e Amore“


Clori, Dorino e Amore / Do. 19. April 2018 / Liederhalle Stuttgart, Mozart-Saal / 19.30 Uhr / Einführung: 18.45 Uhr

Nun kommt also das ganze Stück zur Auffüh­ rung. Worauf kann sich das Stuttgarter Publi­ kum besonders freuen? „Clori“ ist ein Werk zwischen zwei Jahrhunderten. Sie hören es schon in der Sinfonia am Anfang: der erste Satz klingt noch ganz wie die 1670er Jahre, etwa wie ein reifer Francesco Cavalli, der zweite Satz ist schon typisch 18. Jahrhundert und das Minuetto ist ganz französisch, sozusagen ein neuer, europäischer Duft. Die Serenata lebt von diesem

Wechsel zwischen alt und neu. Und was sie zum echten Kunstwerk macht, ist die perfekte Proportion von Schönheit und Entwicklung der Musik selbst. In so manchen Opern des 19. Jahrhunderts vermisst man genau diese Balance: die Musik ist schön, keine Frage, sie entwickelt sich aber kaum im rechten Maß. Bei „Clori, Dorino e Amore“ haben wir in dieser Hinsicht ein kleines barockes Wunder gefunden. – Interview, a. d. Frz. übers.: Anne Sophie Meine –

Fabio Biondi

Ja, richtig, die Stadt war tagelang in Feierstimmung, überall gab es Festivitäten und Konzerte, Opern und Serenaden. Die Aufführungsart bei „Clori“ würden wir heute als „single stage“ bezeichnen: die Dekoration war prachtvoll und üppig, veränderte sich aber kaum. Die Sänger trugen als Kostüm eine ihrer vier oder fünf Roben. Da sie auswendig sangen, konnten sie die Bühne bis zu einem gewissen Maß für ihr Repertoire an Mimik und Gestik nutzen. Es war so eine Mischung zwischen einer kleinen Oper und einer Kantate und daher kurz genug, um vorher noch einen Aperitif zu reichen. Für die drei Rollen haben Sie hervorragende Sängerinnen ausgesucht, nämlich Francesca Lombardi Mazzulli (Sopran), Sunhae Im (So­ pran) und Marianne Beate Kielland (Mezzo). Wovon handelt „Clori, Dorino e Amore“? Und wurde das Stück tatsächlich nur an diesem einen Abend aufgeführt? Diese Serenata hat wie so oft ein einfaches pastorales, bukolisches Thema: es geht um den Streit und die Versöhnung von Clori und Dorino mit Hilfe der Liebe. Stilistisch folgt das Werk den Idealen der Accademia dell'Arcadia. D. h. ohne eine weitverzweigte Dramaturgie tritt zur anspruchsvollen Dichtung die Schönheit der musikalischen Emp-

„Ein kleines barockes Wunder: die perfekte Proportion von Schönheit und Entwicklung der Musik.“ – Fabio Biondi –

findung, die Arie für Arie und Wort für Wort ihre Farbe wechselt. Die Allegorie zu Ehren eines Königs steht hier im Vordergrund. Ja, solche Stücke wurden meist nur einmal gespielt und verschwanden dann wieder. Übrigens hat Scarlatti ganz zum Schluss einen verflixt schwierigen punktierten Rhythmus eingebaut – ich kann mir denken, dass die Musiker diese Stelle dem Meister schon übel genommen haben. Dabei wissen wir, dass die königliche Kapelle in Neapel z. B. die Concerti grossi von Corelli besser vom Blatt spielen konnte als die römischen Orchester nach mehreren Proben! Sie hatten im Jahr 2001 mit Ihrem Ensem­ ble Europa Galante eine CD u. a. mit der Sin­ fonia aus „Clori, Dorino e Amore“ eingespielt. –7–


Wiener Delight / Do. 10. Mai 2018 / Theaterhaus Stuttgart, T1 / 19.30 Uhr / Einführung: 18.45 Uhr

„DAS KLINGT EINFACH GUT“ ?

Im Gespräc­h­mit Georg Breinschmid

Georg Breinschmid

Georg Breinschmid wurde 1973 geboren und lebt in Wien. Er ist einer der führenden österreichischen Jazzmusiker auf internationalem Parkett. Breinschmid studierte klassischen Kontrabass an der Wiener Musikhochschule und war während des Studiums als Substitut in verschiedenen Wiener Orchestern sowie auch kammermusikalisch, etwa beim Amadeus-Ensemble, dem Ensemble Kontrapunkte und dem Ensemble „die reihe“ tätig. Gleichzeitig betätigte er sich bereits als Jazzmusiker und arbeitete unter anderem mit dem Geiger Zipflo Weinrich zusammen. Von 1994 bis 1996 war er im NÖ Tonkünstlerorchester engagiert, von 1996 bis 1998 bei den Wiener Philharmonikern. Er entschloss sich bald, der Orchesterlaufbahn den Rücken zu kehren und sich verstärkt seiner Leidenschaft für den

Jazz zu widmen. Seit 1999 ist Georg Breinschmid freiberuflicher Jazzmusiker und tritt als einer der vielseitigsten und virtuosesten Bassisten der internationalen Jazzszene hervor. Er arbeitete u. a. mit Archie Shepp, Charlie Mariano, Kenny Drew jr., Biréli Lagrène­­, Wolfgang Muthspiel, Triology, Megablast u. v. a. zusammen. Von 1999 bis 2006 war er ständiger Kontrabassist des Vienna Art Orchestra.

„Der Künstler mengt große Portionen ­Bauchgefühl bereits beim Prozess des ­Komponieren bei.“ – Georg Breinschmid –

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Seit ca. 2005 tritt Georg Breinschmid verstärkt als Komponist hervor, wobei seine besondere Affinität auch der Wiener Musik und dem Wienerlied gilt. Seine Kompositionen werden von vielen anderen Formationen, z. B. dem Ensemble Amarcord Wien, dem Duo „Bach & Bosnisch“ oder dem Ensemble Bass Instinct aufgeführt und auf CD eingespielt. Mit dem Stargeiger Benjamin Schmid, der in der Klassik wie im Jazz daheim ist, verbindet Breinschmid eine langjährige Zusammenarbeit. Iris Mochar-Kircher beschrieb die mittlerweile unverwechselbare Eigenart Breinschmids 2009 für das „Wiener Volksliedwerk“ so: „Seine Werke sind kompositorisch in einem Stück gegossen, genau strukturiert und operieren trickreich, gefinkelt und souverän mit dem Einmaleins der Ton- und Textkunst. Mit Leichtigkeit paraphrasiert und parodiert er etwa die gesamte (Wiener) Geschichte der Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik. Vie-


Wiener Delight / Do. 10. Mai 2018 / Theaterhaus Stuttgart, T1 / 19.30 Uhr / Einführung: 18.45 Uhr

les täuscht eine große Nähe zur goldenen Ära der Operette und zur Schrammelmusik vor, erinnert an die Familie Strauss und deren Nachkommen. Und doch wird durch den Einsatz von einschmeichelnder ‚Kakophonie‘ und wohltuend pointierten Dissonanzen eine völlig neue, nämlich Breinschmidsche Wien-Welt geschaffen, die aus dem Titel ‚Wien bleibt Wien‘ die Nummer ‚Wien bleibt Krk‘ zaubert. Der Künstler mengt große Portionen Bauchgefühl bereits beim Prozess des Komponierens bei. Wehmütiges Schmalz, Melancholie und Sentimentalität dürfen ebenso wenig fehlen wie aberwitzige Dosen an Humor, Parodie, Ironie und Mut.“ Wer die Titel von Georg Breinschmids Stücken allzu wörtlich nimmt, gerät leicht in die Irre. Denn der Komponist hat eine Affinität zum Dadaismus und zum lustvoll Skurrilen. So erzählt er über „Brein’s Knights“: „Der Titel kam nach der Musik. Die Idee zur dem Folk verwandten Musik kam mir 2006 beim Einsteigen in einen Zug in Einsiedeln in der Schweiz. Erst später dachte ich dann an die Knights, also die Ritter – die Melodie mit ihren Quinten hat Bezüge zum Mittelalter. Das Ganze ist aber ebenso groovig und rhythmisch und lässt viel Platz zum Improvisieren, was in vielen meiner Stücke wichtig ist.“ Den Familiennamen Skubek gibt es zwar

„Ich bin im Frühling auf die Welt gekommen­­. Er ist meine liebste Jahreszeit – dieses Aufkeimen von etwas Neuem …“ – Georg Breinschmid –

tatsächlich, vor allem in Polen, aber das stellte sich erst nachträglich heraus, denn Breinschmid erfand ihn „wie einen dadaistischen Namen“ für ein Stück mit einer „gypsyartigen Melodie“ und „delight, Freude, kommt häufig in amerikanischen Jazzstandards vor“. Bei „5/4“ handelt es sich um Breinschmids „allererste richtige Komposition aus dem Jahr 2002. Sie wurde zum Dauerbrenner, obwohl sie etwas untypisch für mich ist. Das Stück ist sehr getragen, fast ätherisch und melancholisch. Die fünf Viertel haben übrigens nur eine metrische Bedeutung.“ Sedlacek, ein in Wien häufiger Familienname, bezieht sich auf keine konkrete ­Person­

und grauen Novembertag. Es gehört zu meinen persönlichen Favoriten, ist eine Jazzballade im Dreivierteltakt mit vielen Soli und ist sehr verträumt. Ich bin im Frühling auf die Welt gekommen. Er ist meine liebste Jahreszeit – dieses Aufkeimen von etwas Neuem …“ Und dann kommt noch das zum Klassiker gewordene Breinschmid-Opus „Wien bleibt Krk“, eine frühe Komposition, die sich schnell durchgesetzt hat. „Im 7/8 tel-Takt, Melodieblöcke treffen auf Groove und Soli. In der Eröffnung zitiere ich den berühmten Marsch ‚Wien bleibt Wien‘ von Johann Schrammel, später taucht der Weibermarsch aus Lehárs Operette ‚Die lustige Witwe‘ auf und Fritz Kreislers ‚Liebesleid‘“. Die lustige Witwe hat, auch musikalisch, viel mit dem Balkan zu tun, aber das war Breinschmid beim Komponieren gar nicht so bewusst, denn: „Wien bleibt Krk – das klingt einfach gut!“ Mitreißend gut wie seine erfrischende Musik. – Interview: Gottfried Franz Kasparek –

und „Mood“, wörtlich Stimmung, nimmt wieder einen Parameter des Jazz auf. Der Komponist: „Das ist eine typische Jazznummer, die auch den Kontrast zwischen Wien und den USA zum Thema hat. Ich halte es für eines meiner besten Stücke. Es beginnt im Latin-Rhythmus und wird zu einer Art ‚Call and response‘, Frage und Antwort, wie es im Jazz und Blues häufig vorkommt. Immer wieder erklingt eine Melodie ohne Rhythmus, bleibt gleichsam liegen und dann erscheint darunter der Rhythmus.“ Die nächste Dada-­ Wortschöpfung ist „Schnabulescu Bandini“, ein rumänisch-italienischer Mix, im von Breinschmid geliebten 7/4 tel-Takt. „Die Viertel liegen auf einem Bassriff und wandern durch verschiedene Tonarten. Das Stück klingt irgendwie besonders gut und ist in vielen Besetzungen spielbar.“ Und nun ein Titel, der wirklich etwas mit dem Stück zu tun hat. „Spring“, so Breinschmid, „das ist der Frühling. Geschrieben habe ich das Stück jedoch an einem kalten

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BENJAMIN SCHMID Leitung TRIO BREIN, SCHMID & CO. Benjamin Schmid – Violine Georg Breinschmid – Kontrabass Antoni Donchev – Klavier STUTTGARTER KAMMERORCHESTER

BELÁ BARTÓK Divertimento für Streichorchester Sz 113 JOSEPH LANNER Die Romantiker op. 167 (Fassung für Streichorchester) FRIEDRICH GULDA Wings. Ein Konzertstück für Solovioline, Streichorchester und Rhythmusinstrumente GEORG BREINSCHMID Brein’s Knights | Skubek’s Delight 5/4 | Sedlacek’s Mood (im Trio) Schnabulescu Bandini Spring (im Trio) | Wien bleibt Krk


Die Sinnlichkeit des Klangs / So. 8. Juli 2018 / Liederhalle Stuttgart, Hegel-Saal / 20 Uhr / Einführung: 19.15 Uhr

„WAS DU HAST, KANN MAN NICHT LERNEN …“ ?

François Leleux über seinen Weg als Oboist und Dirigent

François Leleux

SIEBZEHN: Herr Leleux, beim Abokonzert am 8. Juli unter Ihrer Leitung werden Sie auch als Solist mit sechs Arien aus Mozarts „Zauber­ flöte“ und „Don Giovanni“ in einer Fassung für Oboe und Kammerorchester zu hören sein. Sie interpretieren damit also gleich fünf verschie­ dene Rollen: Papageno, Tamino, Monostatos, Don Giovanni und Donna Anna. Denken Sie beim Spielen der Gesangsstimme instrumen­ tal oder vokal? FRANÇOIS LELEUX: Ich denke beim Spielen vokal. Mozart hat hier eine Musik geschrieben, die die Worte besingt. Den Text beim Spielen mitzulesen, ist daher eine Bereicherung, weil man den Ausdruck des Komponisten quasi direkt an der Quelle verstehen kann. Manchmal ändert sich wegen des Textes auch die Betonung, die würde man als Instrumentalist sonst vielleicht anders spielen. Das habe ich auch bei der Arie „Erbarme dich“ aus Bachs Matthäuspassion erlebt, die ich mit meiner Frau, der Geigerin Lisa Batiashvili, aufgenommen habe: es ist sehr interessant, auf welche Stellen der Phrase Bach das Wort „Gott“ gesetzt hat. Oboisten tauschen ihre Instrumente viel häufiger aus als etwa Geiger, deren Violinen

manchmal dreihundert Jahre alt sind. Woran liegt das und welche Art von Oboe werden Sie zum Stuttgarter Konzert mitbringen? Ich spiele eine Oboe von Marigaux, einer Werkstatt in Paris, und zwar ein einzigartiges Modell, das M2 heißt. Oboen halten nicht länger als fünf bis sechs Jahre, da die warme, feuchte Atemluft die Bohrungen nach und nach weiter werden lässt. Und weil die Bohrungen der Schlüssel für eine schöne Intonation sind, hat man dann irgendwann leider nicht mehr

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Die Sinnlichkeit des Klangs / So. 8. Juli 2018 / Liederhalle Stuttgart, Hegel-Saal / 20 Uhr / Einführung: 19.15 Uhr

die perfekte Balance und muss das Instrument wechseln. Sie waren bereits mit 15 Jahren Mitglied des Orchestre national de France, mit 18 Jahren Solo-Oboist an der Opéra Bastille, drei Jahre später beim BR-Symphonieorchester und ha­ ben 10 Jahre lang beim Chamber Orchestra of Europe mitgespielt. Zahlreiche Komponis­ ten haben Stücke für Sie geschrieben, Sie sind Professor an der Münchener Musikhochschule und darüber hinaus ein weltweit gastierender Dirigent. Wie haben Sie als vielbeschäftigter Star-Oboist den Wechsel ans Dirigentenpult geschafft?

„... die Musik ist seit unserer Kindheit eine Verlängerung unseres Geistes, unseres Körpers, unserer Seele ...“ – François Leleux –

Ja, in der Tat habe ich sehr früh angefangen und habe 30 Jahre lang Solo-Oboe im Bereich Oper, Sinfonie- und Kammerorchester gespielt. Als ich 1991 den ARD-Wettbewerb gewann (da war ich 19), sagte die damalige Präsidentin Renate Ronnefeld: „Ich wette, Sie werden in 30 Jahren viel dirigieren.“ Und dann passierte es oft, dass die Orchester, bei denen ich gastierte, mich als Dirigent haben wollten. Angefangen habe ich als Generalmusikdirektor beim Ensemble del Arte des Kammerorchesters Neuburg an der Donau. Vor vier Jahren fragte mich Daniel Barenboim nach meinem Konzert bei den Salzburger Festspielen: „François, du bist ein geborener Dirigent. Was du hast, kann man nicht lernen. Das ist ein Geschenk. Willst Du an der Staatsoper Berlin dirigieren?“ Und so hat es sich bisher entwickelt. Ich gastiere u. a. bei den Sinfonieorchestern von Sydney, Birmingham, Oslo, der Ungarischen Nationalphilharmonie, beim Tonkünstler-Orchester im Wiener Musikverein, dem Scottish Chamber Orchestra ... Das ist für mich eine große Freude! Welche Dirigenten haben Sie auf Ihrem Weg besonders geprägt? Natürlich habe ich sehr viel von Lorin Maazel in meiner Zeit beim BR-Symphonieorchester gelernt, er hatte eine Schlagtechnik wie kein anderer. Ich habe ihm viele Fragen gestellt und wir hatten wahnsinnig span-

nende Gespräche über Themen wie Dirigat, Konzentration, Struktur eines Stücks, wie man einen guten Auftakt schlägt usw. Von Alan Gilbert habe ich auch viel gelernt. Und demnächst gehe ich wieder nach Berlin, um bei Barenboim ein wenig weiterzulernen. Das Leben ist kurz: ich möchte nie aufhören zu lernen. Worauf kommt es Ihnen an, wenn Sie als Dirigent mit dem Stuttgarter Kammerorches­ ter, das ja über einen immensen spezifischen Erfahrungsschatz gerade bei Joseph Haydn verfügt, eine Sinfonie wie die Nr. 49 „La Pass­ ione“ in f-Moll gestalten? Also eine „Sturm und Drang“-Musik, die mit ihrer ungewöhn­ lich suggestiven und kontrastreichen Drama­ tik ein Ausnahmewerk unter Haydns Sinfonik darstellt und von der es viele wirklich konträre Interpretationen gibt. Interpretation ist ein persönlicher Begriff, den jeder auf seine Weise gestalten darf. Das Wichtigste ist, dass sie beim Publikum in aller Schlüssigkeit und Klarheit rüberkommt und dass ich dem Kammerorchester, das diese Haydn-Sinfonie auswendig kennt, durch eindeutige Farb- und Tempohinweise und die Balance meine Ideen zu eben diesem „Sturm und Drang“ vermittle und ihm sozusagen neue „Erleuchtungen“ bringe. Meine Aufgabe ist es, mit dem Orchester gemeinsam in die Richtung eines genau definierten Gesamtklangbilds zu gehen und daraus ein Ereignis sowohl für die Musiker als auch für das Publikum zu machen. Erst dann wird es ein voller Erfolg. Auf dem Programm steht auch das Adagio für Streichorchester von Eric Tanguy (geboren 1968 in Caen). Er ist einer der meistgespielten französischen Komponisten seiner Generati­ on, dessen Kunst mit der von Claude Debussy, Maurice Ravel, Albert Roussel und Henri Dutil­ leux gleichgesetzt wird. Für Sie hat er auch ein Concertino für Oboe und Orchester geschrie­ ben. Woher kennen Sie sich? Eric und ich haben zusammen studiert und gemeinsam viel musiziert und erlebt. Ich bin ein großer Unterstützer zeitgenössischer Musik. Sein Oboenkonzert habe ich z. B. mit meinem Preisgeld des ARD-Wettbewerbs bezahlt. Ich bin der Meinung, dass man für die Nachfolgemusiker immer etwas Neues anbieten muss. Ich arbeite mit Nicolas Bacri, Thomas Adès, Giya Kancheli, James MacMillan und anderen, und es ist mir sehr wichtig, dass man die lange Kette von Guillaume de Machaut über Mozart, Wagner, Debussy, Henze, Boulez usw. fortsetzen kann. Durch die Beschäftigung mit zeitgenössischen Werken versteht man auch wiederum Mozart besser. – 11 –

Was an Tanguys Musik schätzen Sie beson­ ders? Seine Musik hat präzise Konturen, einen ganz bestimmten Duft und eine sehr vielschichtige lyrische Dimension, die einem ein Gefühl von Frische und Luftigkeit gibt. Sie ist leicht zu verstehen und doch sehr komplex. Beim Dirigieren muss man versuchen, die großen Bögen, die Kantilene, gut zu vermitteln. Sie und Lisa Batiashvili sind als Stars auf allen Bühnen der Welt zuhause und strahlen beide eine enorme Vitalität und Lebensfreude aus. Mit Ihren zwei Kindern leben Sie in Mün­ chen. Gab es auch Momente, wo Sie dachten, die Musik kostet Sie vielleicht doch zuviel? Oder ist für Sie ein solches Leben gerade wegen der Musik erst möglich? Musik ist eine Leidenschaft, die nicht immer so einfach zu managen ist, besonders nicht, wenn man mit einer der größten heutigen Solistinnen verheiratet ist. Trotzdem hat bei uns beiden die Familie oberste Priorität. Aber die Musik ist seit unserer Kindheit eine Verlängerung unseres Geistes, unseres Körpers und unserer Seele und wird es immer bleiben. – Interview: Anne Sophie Meine –

FRANÇOIS LELEUX Oboe und Dirigent STUTTGARTER KAMMERORCHESTER

JOSEPH HAYDN Symphonie Nr. 49 f-Moll Hob. I:49 „La Passione“ WOLFGANG AMADEUS MOZART Arien aus der „Zauberflöte“ und „Don Giovanni“ für Oboe und Kammerorchester ERIC TANGUY Adagio pour orchestre á cordes HUGO WOLF Italienische Serenade (Fassung für Streichorchester) WOLFGANG AMADEUS MOZART Symphonie Nr. 28 C-Dur KV 200


KONZERTE Datum / Uhrzeit

Veranstaltungsort

Stuttgarter Kammerorchester +

Komponisten

20. März / 20 Uhr

St. Matthäuskirche Gastspiel in Erlangen

Thomas Zehetmair – Violine und Leitung Ruth Killius – Viola

Franz Schubert, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven

21. März / 20 Uhr

Theaterhaus Stuttgart, T1 Abokonzert: Der Tanz der Welt

Thomas Zehetmair – Violine und Leitung Ruth Killius – Viola

Franz Schubert, Wolfgang Amadeus­Mozart, Ludwig van Beethoven

1. April / 20 Uhr

Theater Erfurt Gastspiel in Erfurt (Thüringer Bachwochen)

Alexandre Tharaud – Klavier Bogdan Bozˇovic´ – Leitung

Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn, Belá Bartók u. a.

14. April / 20 Uhr

Residenz, Herkulessaal Gastspiel in München

Angela Hewitt – Klavier

Johann Sebastian Bach

19. April / 19.30 Uhr

Liederhalle Stuttgart, Mozart-Saal SKO-Sternstunden: Clori, Dorino e Amore

Fabio Biondi – Violine und Leitung Francesca Lombardi Mazzulli – Sopran Sunhae Im – Sopran Marianne Beate Kielland – Mezzosopran

Alessandro Scarlatti

28. April / 19.30 Uhr

republic Theater Gastspiel in Salzburg

Johannes Kalitzke – Komposition

Johannes Kalitzke

2. Mai / 19.30 Uhr

Theaterhaus Stuttgart, T1 SKO-Sternstunden: Orlacs Hände

Johannes Kalitzke – Komposition

Johannes Kalitzke

6. Mai / 19 Uhr

Donauhallen, Strawinsky-Saal Gastspiel in Donaueschingen

Lydia Teuscher – Sopran Susanne von Gutzeit – Leitung

Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart

10. Mai / 19.30 Uhr

Theaterhaus Stuttgart, T1 SKO-Sternstunden: Wiener Delight

Benjamin Schmid – Leitung Trio Brein, Schmid & Co.

Belá Bartók, Joseph Lanner, Friedrich Gulda, Georg Breinschmid

18. Mai – 1. Juni

Bejing, Shanghai, Wuxi, Hefei u. a. Konzertreise nach China

Bogdan Bozˇovic´ – Violine und Leitung Yu Zhuang – Violine

Franz Schubert, Felix Mendelssohn, Johannes Brahms

7. Juni / 19.30 Uhr

Lessingtheater Gastspiel in Wolfenbüttel

Alexandre Tharaud – Klavier

Max Reger, Johann Sebastian Bach

13. Juni / 20 Uhr

Theaterhaus Stuttgart, T1 Abokonzert: Philosophie und Musik

Matthias Foremny – Leitung Alexandra Conunova – Violine

Carl Philipp Emanuel Bach, Pe¯teris Vasks, Leonard­Bernstein

24. Juni / 20 Uhr

Liederhalle Stuttgart, Hegel-Saal Abokonzert: Ein Mozart-Fest

Richard Egarr – Hammerklavier und Leitung

Wolfgang Amadeus Mozart

8. Juli / 20 Uhr

Liederhalle Stuttgart, Hegel-Saal Abokonzert: Die Sinnlichkeit des Klangs

François Leleux – Oboe und Dirigent

Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Eric Tanguy, Hugo Wolf

17. Juli / 20 Uhr

Marktplatz Gastspiel in Herrenberg

Bogdan Bozˇovic´ – Leitung

Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Antonín Dvorˇák, Georg Breinschmid

19. Juli / 19.30 Uhr

Tenne von Gut Kaltenbrunn Gastspiel in Gmund

Alexandre Tharaud – Klavier

Carl Philipp Emanuel Bach, Johann Sebastian Bach, Antonín Dvorˇák

22. Juli / 20 Uhr

Musikhochschule, Konzertsaal im Turm Festival „Sommer in Stuttgart“

N.N. – Leitung

Adriana Hölszky

26. Juli / 20 Uhr

Kurhaus Gastspiel in Oberstdorf

Lionel Martin – Violoncello

Joseph Haydn, Franz Schubert, Wolfgang Amadeus Mozart

1. August / 20 Uhr

Kloster Eberbach Gastspiel beim Rheingau Musik Festival

Simon Höfele – Trompete Matthias Foremny – Leitung

Ludwig van Beethoven, Johann Nepomuk­Hummel, Joseph Haydn

2. August / 20 Uhr

Kloster Eberbach Gastspiel beim Rheingau Musik Festival

Sheku Kanneh-Mason – Violoncello Matthias Foremny – Leitung

Joseph Haydn, Franz Schubert

März

April

und Leitung

Mai und Leitung

Juni

Juli

August

Karten für alle Konzerte des Stuttgarter Kammerorchesters in Stuttgart

Abokonzerte der Kulturgemeinschaft / Kulturgemeinschaft Stuttgart e. V. / www.kulturgemeinschaft.de / Tel.: 0711 /22 477 20 SKO-Sternstunden / reservix / www.reservix.de / Tel.: 01806 / 700 733 / und an allen bekannten reservix-Vorverkaufsstellen

Impressum: Stuttgarter Kammerorchester e. V., Johann-Sebastian-Bach-Platz, 70178 Stuttgart, Telefon 0711 / 619 21 21, Telefax 0711 / 619 21 22, E-Mail: office@sko-stuttgart.com; Für den Inhalt verantwortlich: Markus Korselt; Redaktion: Kristin Kretzschmar; Texte: Anne Sophie Meine, Gottfried Franz Kasparek, Margret Findeisen; © Fotos: Reiner Pfisterer (S. 1–3), Julien Mignot (S. 4–5), Emile Ashley (S. 7), Julia Wesely (S. 8, 9), Uwe Arens/Sony Classical (S. 10–11); Konzeption & Design: Citygrafic­ Designoffice­, citygrafic.at; Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, 71522 Backnang; Rechte, Druck- und Satzfehler sowie Besetzungs- und Programmänderungen vorbehalten.


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