Strandgut 3/2022

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Klassik

Klassikhighlights im März

»Der Antichrist« © Martin Pudenz

Eine Auswahl von Bernd Havenstein persona« auf – »ein beschnittener Knabe wird dem Papst und dem Chor der sixtinischen Kapelle von seiner Mutter Maria angeboten, doch er findet keine Aufnahme mehr« – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und dass die Uraufführung in der sog. Weihehalle der Unitarier-Kirche in der Fischerfeldstraße stattfinden soll, ist gewollt, so ist anzunehmen: fühlt sich doch diese Religionsgemeinschaft den »geistesgeschichtlichen Traditionen des freien Denkens und Glaubens verbunden« (Homepage der Gemeinde). Flankiert wird die Uraufführung, wie es heißt, von einem jungen Symposium »Der Antichrist« am Sonntag, 20.3. um 20 Uhr. Termine: 19. März, 20 Uhr (Premiere), 22., 24., 26., 28., 31. März und 2. April, Fischerfeldstr. 16 (unweit Konstabler Wache) Karten bei Frankfurt Ticket, Tel.: 069/13 40 400 oder unter www.frankfurtticket.de

2 x Hören

Der Antichrist in der Kirche Weit vor den prophetischen Ankündigungen des Apostels Paulus an seine erste Gemeinde in Thessaloniki beschwört der alttestamentarische Moses bereits das baldige Erscheinen eines Anti-Propheten, der Verwirrung unter den Menschen stiften und Handlanger des Teufels sein wird. Der Anti-Christ, der Zerstörer von Moral, der sich in unterschiedlichsten Gestalten unter das Volk mischt und, so Paulus, der »seinen Thron im Tempel Gottes aufstellen wird und behaupten, er sei Gott« (2. Thess.2). Die Furcht vor dem »Bösen« zieht sich in den unterschiedlichsten Formen durch die Geschichte, Philosophie, Literatur und endet nicht bei Friedrich Nietzsche, dessen riesiges, polemisches Pamphlet »Der Antichrist. Fluch auf das Christentum« einigen Bearbeitungen für das Theater oder die Oper zugrundeliegen. Die scheinbar ewige Faszination der Unterwanderung des »Guten« durch das »Böse«. So liegt in unserer Zeit der vielfältigen Überforderungen

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wohl in der Luft, dass das »opus maleficum« Nietzsches in vielen Tonarten eine Art Wiederbelebung erfährt. Eine Oper des Dänen Ruud Langgaard aus dem Jahr 1930, »Antikrist«, war lange vergessen und erlebte 2018 in Mainz seine bemerkenswerte deutsche Erstaufführung. Jetzt gibt es sie in der Berliner Staatsoper, der »Antikrist« wird gefeiert. Und nun bereitet die Frankfurter Kammeroper eine Version des Komponisten Andrea Cavallari (Libretto von Bert Bresgen) vor, beide in ihrer Zusammenarbeit mit Urgestein Rainer Pudenz keine Unbekannten in der Frankfurter Musikzene. In der Ankündigung heisst es, dass diese Oper weder auf billige Aktualisierungen, noch auf die Darstellung der Biographie des späten Nietzsche setze. »Sie weigert sich auch, Nietzsches Text als Oratorium zu präsentieren ( ... ). Diese Oper beschreitet einen anderen Weg, einen sich krümmenden, der die Paradoxien und den mitunter höllischen Humor des Originals in sich aufnimmt.« Im siebenteiligen Projekt taucht nicht nur Jesus »in

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Unter den musikalischen Veranstaltungen der Alten Oper, die der Pandemie nicht geopfert wurden, fallen wenige Projekte aus dem alltäglichen Rahmen. So am 11. März um 20 Uhr im Mozartsaal das junge holländische Trio Amatis mit dem selten zu hörenden Klaviertrio von Charles Ives als letztes Konzert der Reihe » 2 x Hören«. Ein Konzept, das Laune macht. Denn nach zunächst »unvoreingenommenem« Hören des Werkes wird Dr. Markus Fein, Intendant des Hauses, Einblicke in die kompositorische Werkstatt des Komponisten geben, bevor das gesamte Werk dann noch einmal zu hören ist. Selbst schuld, wem danach die Komposition so »enigmatisch« erscheint, wie es fachlich gedeutet wird. Termin: 11. März, 20 Uhr, Alte Oper (Mozartsaal) Karten: www.alteoper.de

Imposante Gemälde Musikalische Ansichtskarten aus Italien bringt, ebenfalls am 11. März um 20 Uhr der junge Chef des renommierten Teatro San Carlo di Napoli mit, die imposanten Tongemälde der »Fontane« und »Pini di Roma« des Neo-Romantikers Ottorino Respighi. Das hr-Sinfonieorchester gestaltet Programm-Musik,

die – versprochen! – für jeden Hörer nachvollziehbar ist: vom Sonnenaufgang über einen Spaziergang zum Trevibrunnen bis hin zur Abenddämmerung am Brunnen der Villa Medici (Vogelgezwitscher inklusive) wird ein ganztägiger Spaziergang durch Rom nachvollziehbar. Als hochromantische Ergänzung wird sich der fabelhafte Norweger Truls Mørk in das CelloKonzert von Robert Schumann vertiefen. Termin: 11. März, 20 Uhr, Alte Oper Frankfurt (Großer Saal) Karten: hr-Ticketcenter, Tel.: 069/1552000 oder www.hr-ticketcenter.de

Hochspannung aus Birmingham Das mittlerweile in den Olymp englischer Orchester aufgestiegene City of Birmingham Symphony Orchestra der Frankfurter Partnerstadt gibt sich am 19. März die Ehre. Am Pult die erst 36-jährige lettische Chefdirigentin mit dem schier unaussprechlichen Namen Mirga Gražinyte-Tyla (»in England nennt man mich Mirga ...«), die seit Jahren schon eine bemerkenswerte, weltweite Karriere gemacht hat. Sie bringt den noch jüngeren Cellisten Sheku Kanneh-Mason mit – spätestens 2018 bekannt geworden durch ein weltweit übertragenes Konzert zur Hochzeit von Prinz Harry mit Meghan Markle in Schloss Windsor. Nach der TschaikowskiOuvertüre »Romeo und Julia« haben sich die Musiker das melancholische, fast weltenferne 2. Cellokonzert von Dimitri Schostakowitsch vorgenommen. Nach der Pause ein Schlachtross, die 4. Sinfonie, nochmals von Tschaikowski. Mit einem »Fatum«-Motiv hat der Komponist eine Art monothematisches Selbstbekenntnis hinterlassen, an dem er allerdings gelegentlich selbst zweifelte. Termin: 19. März, 20 Uhr, Alte Oper Karten: Alte Oper, Tel.: 069/13 40 – 400 oder www.frankfurtticket.de


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