3 minute read
gefangen in sich selbst
Rosemarie Trockel im Museum für Moderne Kunst
Sind wir das, wenn wir den großen Raum im Museum für Moderne Kunst betreten? Zwischen den Mauern, die uns mit einem blaumaschigen Strickmuster an den Wänden umgeben? Leichte Wollfäden halten uns in einer vorgeblichen Weiblichkeit gefangen: »Prisoner of Yourself«, von Rosemarie Trockel aus dem Jahr1998. So hebt die umfassende, von den Anfängen in den 70ern bis zur unmittelbaren Gegenwart (einige der Arbeiten sind eigens für die Ausstellung gefertigt) reichende Werkschau der vielseitigen Künstlerin an. Wenn eine Selbst-Befreiung da noch leicht erscheinen mag, so ist der Keramikanhänger von 2016 unter dem selben Titel schon nicht mehr so leicht zu entfernen: eine Kette, die uns fesselt und gefangen hält? Wie auch die an den Füßen aufgehängte Robbe aus Kupfer ein Ausdruck fürs Gefangensein scheinen mag mit blonden Haarkranz, der wohl an Andy Warhol erinnern soll. Und die überdimensionale Haarnadel an der Wand – Unterdrückung oder Waffe eingegrenzter Weiblichkeit?
Advertisement
Die Herdplatten hängen dysfunktional an der Wand, sind verschieden groß, und, ebenso wie die quadratmetergroßen gerahmten Strickbilder – Wollsiegel spricht für Qualität –, präsentieren so-längst nicht mehr eine ausschließlich weibliche Domäne. Stricken, Gestricktes wird Kunst – auch in »Made in Western Germany«. Gleichgültig ist auch die Geschlechteridentität im Tanz der Seepferdchen – die Männchen tragen die befruchteten Eier aus und bringen sie zur Welt (Video). Das »Studio 45: Haus für Läuse« ist – wie kann es anders sein – eine dunkelblonde Perücke und spielt auf Andy Warhol an, der nie ohne Perücke den Club »Studio54« in NY besuchte. Trockel gibt den Läusen mit der Perücke einen Lebens- und Schutzraum –Prisoner? Die Stare, die im Schwarm zur Musik von Jimmy Hendrix fliegen, Titel »Napoli«: Sind sie ein Bild für die sogenannte »Schwarmintelligenz«? Wie Goethe und Affenporträts zusammenhängen können, dass Uhren unser Gefängnis der Zeitlichkeit ausdrücken, zeigt die Serie »Clockowner« – Masken mit recht unterschiedlich gelebten Männergesichtern – gelegentlich auch abnehmbar? Oder bleiben auch die wie wir alle Gefangene?
Blickt man in den Himmel
eine Neugier weckende Ausstellung der Kunststiftung DZ Bank
Was findet man dort? Der Barockmaler Guido Reni, derzeit im Städel zu bewundern, erblickt im Himmel das Göttliche in jeglicher Form, und so etwas Ähnliches könnten jetzt auch die Besucher*innen der Ausstellung »Himmel – die Entdeckung der Weltordnung« erleben, die die Kunststiftung DZ BANK ausgerichtet hat.
Genau 20 Künstler*innen kommen hier mit ihren Arbeiten zur Sichtung des Himmels zu Wort. Himmel und Weltraum als symbolbehafteter Assoziationsspielraum und als fas- zinierendes Erkundungsobjekt der Wissenschaft, dazwischen schillern die Optionen der hier präsentierten Fotografie- und Installationskunst. Diese beiden Pole sind, wenn man so will, in den beiden voneinander entferntesten Ausstellungsräumen zu sehen: Das Rätsel-Wunderbare lässt sich herrlich plakativ in der einleitenden Arbeit des Argentiniers BKH Gutmann nachvollziehen (»The Wish«), der eine Gruppe von asiatischen Touristen dabei aufgenommen hat, wie sie auf eine Erscheinung am Himmel starren, die- se abzulichten versuchen, ja, worauf, was ist es? Darüber lässt uns der Fotograf im Unklaren. In seiner Installation hat er weiße Farbtafeln in die jeweiligen Blickrichtungen der Touristen jenseits der Aufnahme montiert, und sie sind, was sie sind: pure Projektionsfläche. Rosa Barba aus Italien macht da etwas ganz anderes: »Send me Sky, Henrietta« ist eine wunderbare sechsminütige Filmskulptur, die der Astronomin Henrietta Swan Leavitt (1868–1921) gewidmet ist. Gemeinsam mit weiteren Pio-
Dass Küchengeräte wie eine Waffe wirken können zeigt die letzte Abteilung: eine überdimensioniert und metallisch glänzende Küchenreibe mit gewaltigen Zacken – aus Keramik zwar, aber durch ihre Größe gefährlich wirkend. »Grater 2« (ein Kratzgerät?) und Zum schwarzen Ferkel« heißen die zur Waffe verwandelten Haushaltsgeräte: Ausweg aus dem »Gefangen in sich selbst«, dem – »Prisoner of Yourself«? Reingehen ins MMK und für sich selbst überprüfen, lohnt sich jedenfalls. Genau wie eine Stippvisite zum Klaus-Mann-Platz. Wo der ist? Mitten in der Stadt, unmittelbar vor dem EldoradoKino, erinnert Trockels mahnender »Frankfurter Engel« seit 1994 an die Homosexuellenverfolgung in Deutschland.
Bis 18. Juni:
Katrin Swoboda
Di.–So., 11–18 Uhr; mi., 11–19 Uhr www.mmk.art nier- Forscherinnen am Harvard College Observatory wertete sie Fotoplatten mit teleskopischen Aufnahmen aus und entdeckte dabei die periodisch pulsierende Leuchtkraft von Sternen. Rosa Barba verewigt diese Frauen-Arbeit in einer filmischen Verknüpfung der wissenschaftlichen Fotos mit den Aufnahmen der an diesem Projekt beteiligten Wissenschaftlerinnen aus dem Jahr 1912. Den Projektor dazu hat sie selbst gebaut, er ist Teil der Inszenierung. Eine Mischung aus »Hidden Figures« und »Unruh«, wenn man im Film-Bild bleiben will. Johannes Brus dagegen holte ganz einfach sein Geschirr aus dem Küchenschrank und montierte es in einer Fotoserie zu saturn-haften Kompositionen, wunderbar verfremdet, durch die Atmosphäre schwebend, Bewegung und Zeit erzeugend, und obendrein ein Kommentar zu der Wahrhaftigkeit von fotografisch erzeugten Bildern. Wie Himmelsboten tatsächlich aussehen? Meteoriten aus der Sammlung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung liefern – in einer Vitrine platziert – einen beredten Kommentar.
Susanne Asal
Bis zum 20.5.: Di. bis Sa., 11–19 Uhr https://kunststiftungdzbank.de