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Caroline Creutzburg
15. – 19. 3 . 2023
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03.03.–23.07.2023
MuSeuM WI eSBADeN
Weltflucht und Moderne – Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900 www.museum-wiesbaden.de
08.03.–10.09.2023
LI eBI eGhAuS
SKuLPTuReNSAMMLuNG
Maschinenraum der Götter – Wie unsere Zukunft erfunden wurde www.liebieghaus.de
19.03.–13.08.2023
MuSeuM SINCLAIR-hAuS
Wolken. Von Gerhard Richter bis zur Cloud www.museum-sinclair-haus.de
23.03.–25.06.2023
KLINGSPOR MuSeuM
Fernweh www.klingspormuseum.de
24.03.–30.04.2023
DAM
Bauwelt-Preis. Das erste haus www.dam-online.de
29.03.–12.11.2023
DFF – DeuTSCheS FILMISTITuT & FILMMuSeuM
Weimar weiblich. Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918–1933) www.dff.film
30.03.–11.03.2023
FRANKFuRTeR KuNSTVeReIN
And This is us 2023 – Junge Kunst aus Frankfurt www.fkv.de
31.03.–27.08.2023
MuSeuM GI eRSCh
Spontan & Konstruktiv – ernst Weil (1919–1981) www.mggu.de
geraubt!
Zur Ausstellung »Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild« im Museum für Angewandte Kunst
Julius Harry Böhler war Geschäftsführer der Kunsthandlung des gleichnamigen Aktionshauses in München. Gemeinsam mit Ferdinand Knapp wurde er im Sommer 1938 beauftragt, eine KunstSammlung zu schätzen. Die Sammlung gehörte dem Freiherrn Maximilian von
Goldschmidt-Rothschild, Mitglied der berühmten Frankfurter Bankiersdynastie, der zusammen mit seiner Familie im Palais an der Bockenheimer Landstraße 10 in unmittelbarer der Nähe zur Alten Oper lebte. Er besaß die damals vermutlich kostbarste und umfangreichste Kunstsammlung eines Privatsammlers in Deutschland überhaupt. Böhler schildert in überschwänglichsten Farben die Objekte, die sein Käuferherz vermutlich beben ließen, und ein Jude zu diesen Zeiten, egal, ob von Kaiser Wilhelm II. 1907 als einzige Person jüdischer Herkunft zum Freiherrn geadelt, österreichischungarischer Generalkonsul, assimiliert, Stifter, Mäzen und Unterstützer unzähliger Kultureinrichtungen, was galt der in der Dämmerung der Reichsprogramnacht schon? All das würde ihn vor dem überbordenden Judenhass nicht schützen. Diesen Schatz wollte Böhler, so belegt es die Ausstellung, unbedingt haben. Er bekam ihn nicht. Er ging in den Besitz der Stadt Frankfurt über. Wie das geschah, erzählt in aufwühlenden Bildern die neue Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst. Als erstes Museum überhaupt rekonstruiert es die Biografie des berühmten Frankfurter Philanthropen und Mäzen, der nicht nur seiner gesamten Kunstsammlung beraubt, sondern dessen Wohnsitz als Museum für Kunsthandwerk II. deklariert wurde. Lediglich ein paar schäbige Kammern durfte der 95 Jahre alte Goldschmidt-Rothschild in seinem eigenen Palais gegen eine fürstliche Miete weiter bewohnen.
Altstadt in 64 Teilen
Bevor »Alles verschwindet!« zeigt das hMF das Treuner-Modell
Gut, dass es neben der analogen jetzt auch eine digitale Parallelwelt gibt. Carl Reiffensteins großartige Sammlung von Ansichten und Gebäudeporträts des alten Frankfurt vor 150 Jahren wird zusammen mit seinen umfangreichen Notizen und Beschreibungen weiter zu besuchen sein, wenn die ihr gewidmete Ausstellung »Alles verschwindet!« im Frankfurter Stadtmuseum am 12. März schließt. Ein Highlight haben die Museumsmacher aber noch in petto: Am 8. März zeigt und bespricht die Kuratorin der Schau, Nina Gorgus das in jahrzehntelanger Arbeit (1925–1961) erstellte Altstadt-Modell der Frankfurter Brüder Hermann und Robert Treuner mit sämtlichen Gebäuden, Wohnhäusern und Sakralbauten der alten Innenstadt. Nach der vollständigen Zerstörung der Altstadt 1944 gilt das Modell selbst längst als historisches Dokument.
Termin: 8. märz, 16 Uhr historisches-museum-frankfurt.de
Das Museum spiegelt mit dieser Ausstellung folglich seine eigene Geschichte und die des Städel und des Liebieghauses gleich dazu, denn der damalige stramm nationalsozialistische Oberbürgermeister Friedrich Krebs kaufte nach der Pogromnacht 1938 dem verzweifelten Goldschmidt-Rothschild die Sammlung für einen lächerlich niedrigen Schätzwert von 2.552.030 Reichsmark komplett ab und überwies die Summe auf ein Sperrkonto, auf das die Familie keinen Zugriff hatte. Das Städel erhielt 71 Gemälde, darunter einen Rembrandt, das Liebieghaus bekam 85 Kleinplastiken, und 1350 Objekte behielt das neue Museum für Kunsthandwerk im enteigneten Palais Rothschild, in dem auch weitere geraubte Objekte von Frankfurter Jüdinnen und Juden ausgestellt wurden. Die Geschichte ist damit – man ahnt es schon – noch längst nicht auserzählt. Denn Stadt sowie Museumsdirektoren wehrten sich nach Kriegsende heftigst gegen die Rückgabe der Kunstsammlung, und erst 1949 wurde mit den Erben von Maximilian Goldschmidt-Rothschild eine Vergleichsvereinbarung abgeschlossen, die die Kunstwerke über den Kunsthandel in New York verkau- fen ließen. Im Besitz des heutigen Museums für Angewandte Kunst befinden sich 68 eindeutig identifizierte Objekte, nur in 18 Fällen ist jedoch ein rechtmäßiger Erwerb in der Nachkriegszeit belegt; der Dialog mit den Erben besteht fort. So persönlich wie möglich ist nun der Ausstellungsrundgang konzipiert, der all diese aus Museen und Privatsammlungen zusammen gesuchten Schätze präsentiert. Arkadienhaft sollte die Stimmung zu Beginn sein, so die Kuratorin und Provenienzforscherin Katharina Weiler, ruhig, prachtvoll, würdig. Ein Foto aus dem Rothschildpark, eine kostbare Tapisserie, die Orpheus im Garten darstellt, die Eulenplastik, die als Exlibris fungiert hat, Fotos der Familie im Park vor der Gartenfassade des Palais auf Wandgröße gezogen, der kostbare Schreibtisch: es ist die Rekonstruktion eines emsigen, besonders der Kulturförderung gewidmeten Lebens. In den anschließenden Räumen erlebt man den fotografisch dokumentierten Zerfall und die Inbesitznahme: die akribische Katalogisierung der Kunstobjekte durch die Stadt, die Zerstörung der persönlichen Atmosphäre des nun zum Museum dekorierten Palais. In sanft erleuchteten Vitrinen sind all die exquisiten Kostbarkeiten zusammengestellt, die sich im Familienbesitz befanden, hauptsächlich barocke Kunstschätze, wie es dem Geschmack der Familie entsprach, Majoliken, Porzellanfigurinen und -szenen, silbern ziselierte Trinkgefäße in Tiergestalt, bemalte Glashumpen, Louis XV. Möbel, kunstvolle Schnupftabakdosen aus Porzellan und Silber, und als ältestes Exponat ein reich verziertes Reliquienkästchen aus Limoges aus dem 13. Jahrhundert. Eine ganz besondere Wirkung entfalten die an Wände aufgespannten Teppiche, die nach Kriegsende durch eine Vergleichsvereinbarung im Besitz der Stadt Frankfurt verblieben und später amerikanische Offizierswohnungen und die Dienstwohnung des kommissarischen Oberbürgermeisters Kurt Blaum schmückten.
Man möchte eigentlich nicht fragen, wie sich die neuen »Besitzer« dieser Schätze gefühlt hatten. Im Recht, vermutlich. Auch das ist Teil der Nachkriegsgeschichte, und wie erhellend und aufklärend, dass sich das Museum für Angewandte Kunst in die Akte der Sichtbarmachung dieses unfassbaren Unrechts einreiht!
Bis 4. Juni:
Susanne Asal
Di., Fr.–So., 10–18 Uhr; mi., 10–20 Uhr www.museumangewandtekunst.de