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Kultur im Spiegel

Werden aufgelegt: Die Navajo-Police-Romane von Tony hillerman

18 Fälle für die Navajo-Police wurden es zwischen 1970 und 2006. Es ist eine der großen Serien der Kriminalliteratur, und die gute Nachricht ist: Die Bücher werden jetzt im Zürcher Unionsverlag neu aufgelegt und wieder zugänglich gemacht. Zwei der Bände sind bereits erschienen: »Tanzplatz der Toten« (Dance Hall of the Dead, 1973, auch einst als »Schüsse aus der Steinzeit« auf dem Markt) und »Blinde Augen« (Listening Woman, 1978). Weitere folgen in monatlichem Abstand.

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1970, als der erste dieser NavajoKriminalromane erschien, war es natürlich eine andere Welt. Heute würde ein solcher Roman, von einem Weißen geschrieben, automatisch unter den Generalverdacht der kulturellen Aneignung gestellt, wäre Shitstorm oder gar Einstampfen wahrscheinlich. Umso verdienstvoller, dass ausgerechnet der Unionsverlag nun den Autor Tony Hillerman unter seine Fittiche nimmt, ist dieser tatsächlich allen Literaturen der Welt gewidmete Verlag des Kulturchauvinismus gewiss gänzlich unverdächtig.

Der Blick auf Tony Hillerman zeigt zudem, dass Pauschalurteile wenig taugen, dass näheres Hinschauen lohnt. So, wie uns Daniel Defoes im Jahr 1719, also vor 300 Jahren erschienener Diskurs zwischen dem gestrandeten »weißen« Robinson und dem »wilden« Freitag immer noch Spiegel ist, so unsinnig wäre es zum Beispiel, die 29 australi- schen Romane mit dem Halbblut Napoleon »Bony« Bonaparte zu verdammen. Der Engländer Arthur W. Upfield war mit seinen zwischen 1928 und 1966 erschienenen Romanen mit dem Buschpolizisten Bony, halb Europäer, halb Aborigine, ein Vorbild für Tony Hillerman.

Der – ja, ein weißer Amerikaner –wuchs bettelarm im hintersten Oklahoma auf, die nächste Schule ein indianisches Mädchen-Internat. Er dann dort einer der wenigen Jungs. »Growing up Indian«, nannte Hillerman seine Kindheit, »wir hatten kein ›Wir‹ und ›Die‹« (»We did not have an ›us and them‹«).

Aus dem Zweiten Weltkrieg kam er mit dem »Bronze« und dem »Silver Star« und einem »Purple Heart« zurück, wurde Journalist, war auch Polizeireporter. Und dann begann er über die Welt, die er kannte, zu schreiben. »Land mit Raum und Zeit genug« nennen die Diné das ihnen von den Weißen zugewiesene Reservat, so groß wie die Schweiz oder die Niederlande, hauptsächlich Wüste, mittendrin die Tafelberge der Hopis. Und noch ikonischer: das Monument Valley, wo der beste Aussichtspunkt nach einem Filmregisseur benannt ist, der dort neun Western drehte: John Ford Point.

In diese in tausenden Filmen bereits durchdeklinierte Landschaft also setzt Tony Hillerman seine Romane. Und er macht daraus etwas, was nur die allerwenigsten Western wirklich unternahmen: nämlich einen Dialog der Kulturen. Sein Blick ist der eines Weißen, der die Roten kennt, fast selbst einer ist. Seine Hauptfigur Joe Leaphorn ist ein Roter, der die Weißen kennt, aber nie einer werden könnte, selbst wenn er es wollte. Hillermans Urbild für den Indianer-Cop Joe Leaphorn war ein alter Sheriff in Hutchinson County, Texas, den er bei seinem ersten Job als Polizeireporter kennenlernte, »einen feinen Kerl, der eine ganz eigene Art hatte, über Dinge nachzudenken«, so Hillerman selbst. Leaphorn wurde für ihn auch »zu einer Art Spiegelung von mir, er gehört meiner Generation an und teilt viele meiner Einstellungen«. Ein Weißer also blickt auf einen Navajo, der auf Weiße blickt, auf deren und seine eigene Kultur. Je mehr Hillerman von und mit Joe Leaphorn erzählte, desto mehr stieß er aber auch an Grenzen.

Hillerman dazu selbst: »Ich merkte, dass Joe mich in mancher Hinsicht einschränkte. Er war schon in fortgeschrittenem Alter, eher intellektuell und gebildet. Die Kultur der Weißen war ihm vertraut. Nicht, dass er sie besonders schätzte, aber nichts daran schien ihn mehr zu überraschen, er begegnete ihr nicht mehr mit Neugier. – Ich brauchte also einen jungen Ermittler, der schärfer und neugieriger auf die Kultur der Weißen reagieren und das Thema Assimilation neu ausleuchten konnte. Also schuf ich die Figur des Jim Chee, auch er ein Navajo, aber jünger, weniger assi-

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