22
Erbrecht
Das Erbrecht enthält Vorschriften zur Frage, was mit dem Nachlass einer verstorbenen Person passiert. Im dritten Teil des ZGB wird eindeutig bestimmt, was mit dem Eigentum des Verstorbenen zu geschehen hat, d. h., wie eine Erbschaft aufgeteilt werden muss, falls ein Erblasser keine Vorkehrungen getroffen hat. Zum andern bestimmt das Erbrecht, wie jemand seine Hinterlassenschaft auf Nachkommen und weitere Personen aufteilen kann.
Theorie 22.1 22.2 22.3 22.4 22.5
Übungen
Die gesetzliche Erbfolge ..................................................................................... Pflichtteile müssen berücksichtigt werden .......................................................... Verfügung von Todes wegen ............................................................................. Erbschaft annehmen oder ausschlagen? ............................................................ Die Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen ........................................... Das haben Sie gelernt ....................................................................................... Diese Begriffe können Sie erklären .....................................................................
2 4 6 8 8 10 11
1 2 3 4
Grundbegriffe des Erbrechts ................................................................................ Pflichtteile ........................................................................................................... Erbteilung konkret ............................................................................................... Erbschaft, Anfechtung, Enterbung .......................................................................
12 12 13 14
Aufgaben 1 2 3 4 5 6
Erbberechtigung der Nachkommen ...................................................................... Erbberechtigung des elterlichen Stammes ............................................................ Pflichtteilsberechnungen ...................................................................................... Bei Bürgis wird dreimal geerbt ............................................................................. Erbgang und Anfechtung .................................................................................... Erbrechtlicher Anspruch nach Auflösung einer Ehe ...............................................
15 16 17 18 20 21
Erbrecht 1
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht 2
22.1
Die gesetzliche Erbfolge
Das Erbrecht regelt die Rechtsfragen rund um die Vermögens- und Schuldverhältnisse im Todesfall eines Menschen. ■ Eine verstorbene Person wird im Erbrecht als Erblasser bezeichnet. ■ Die Erben treten in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein, d. h., sie werden Eigentümer und Besitzer aller Vermögensteile – und übernehmen auch alle Schulden. Mit dem Tod erlöschen lediglich diejenigen Verpflichtungen, die mit einer Person untrennbar verbunden sind, also z. B. ihre Verpflichtungen aus einem Arbeitsvertrag. ■ Die von einem Erblasser hinterlassenen Vermögensteile und Schulden heissen Erbschaft oder Nachlass. Bei Auflösung einer Ehe durch den Tod eines Ehepartners werden zuerst die Vermögensteile von Mann und Frau ausgeschieden. Der überlebende Ehegatte erhält – je nach Güterstand – einen mehr oder weniger grossen Teil des Vermögens aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung (Aufteilung des ehelichen Vermögens). Das verbleibende Vermögen (bei der Errungenschaftsbeteiligung also das Eigengut des verstorbenen Ehepartners sowie die Hälfte der Errungenschaften) wird unter den Erben aufgeteilt. Zu diesen Erben gehört auch der überlebende Ehegatte. Partnerinnen und Partner einer eingetragenen Partnerschaft werden wie Ehepaare ohne gemeinsame Kinder behandelt. Das Verwandtschaftssystem ist Grundlage für die Erbberechtigung; zudem erhält der überlebende Ehegatte, der ja nicht zu diesem Verwandtschaftssystem gehört, Teile des Nachlasses zugesprochen. Es besteht somit ein enger inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Familienrecht (vgl. Kap. 15), das Fragen der Verwandtschaft und des ehelichen Güterstandes regelt, und dem Erbrecht, das die Verteilung des Vermögens einer verstorbenen Person festlegt. Das Gesetz bestimmt die Verwandten des Erblassers und seinen allfällig überlebenden Ehegatten als Erben. Wenn ein Erblasser davon abweichen und andere Personen als Erben einsetzen will, muss er eine «Verfügung von Todes wegen» aufstellen; darunter verstehen wir ein Testament oder einen Erbvertrag. Durch eine solche Verfügung dürfen allerdings nicht alle gesetzlichen Erben übergangen werden. Je näher die gesetzlichen Erben in verwandtschaftlicher Beziehung zum Erblasser stehen, desto stärker werden ihre erbrechtlichen Ansprüche geschützt. Ihr Minimalanspruch wird Pflichtteil genannt. Gibt es weder erbberechtigte Verwandte noch einen überlebenden Ehegatten und liegt auch keine Verfügung von Todes wegen vor, fällt der Nachlass an das Gemeinwesen. Das kantonale Recht sieht vor, ob der Kanton oder die letzte Wohnsitzgemeinde als erbberechtigt gilt. Meistens werden solche Erbschaften für Fürsorge- oder Ausbildungszwecke verwendet.
■ Grundsätze der gesetzlichen Erbberechtigung Die Verwandtschaftsgliederung nach Stämmen gilt als Grundlage für die Erbberechtigung. Dabei sind folgende Regeln massgebend: ■ Angehörige des näheren Stammes schliessen einen Anspruch des nachfolgenden Stammes aus. Solange auch nur ein einziger Erbe aus dem näheren Stamm vorhanden ist, werden alle Angehörigen der entfernteren Stämme von jedem gesetzlichen Erbanspruch ausgeschlossen. ■ Innerhalb des erbberechtigten Stammes erben zuerst die «Stammträger»: – Wenn der 1. Stamm erbberechtigt ist, sind dies die Kinder (Nachkommen) des Erblassers. – Wenn der 2. Stamm erbberechtigt ist, sind dies die Eltern des Erblassers. – Wenn der 3. Stamm erbberechtigt ist, sind dies die Grosseltern des Erblassers. Das Erbe wird dabei gleichmässig unter den Stammträgern aufgeteilt. ■ Fällt eine Person als Erbe ausser Betracht, weil sie vor dem Erblasser gestorben ist, so fällt ihr Erbanteil an ihre Nachkommen, die zu gleichen Teilen erbberechtigt sind. Angeheiratete und damit verschwägerte Personen kommen in der gesetzlichen Erbfolge nicht vor; sie können aber in einer Verfügung von Todes wegen bedacht werden. ■ Überlebender Ehegatte Der überlebende Ehegatte ist die einzige Person, die mit dem Erblasser nicht verwandt ist und trotzdem in der Stellung eines gesetzlichen Erben steht. Sein Erbanspruch richtet sich danach, aus welchem Stamm weitere gesetzliche Erben erbberechtigt sind. Falls durch eine Verfügung von Todes wegen nichts anderes vereinbart wurde, gelten für den überlebenden Ehegatten die folgenden Ansprüche: ■ Teilt die überlebende Ehepartnerin den Nachlass mit Nachkommen des Erblassers, erhält sie die Hälfte.
Ehefrau 1 2
Erblasser
1 2
Kinder
■ Sind Erben aus dem elterlichen Stamm neben dem überlebenden Ehepartner erbberechtigt, so erhält er drei Viertel des Nachlasses.
1 4
Eltern
3 4
Ehepartner Erblasserin
15
■ Wenn schliesslich keine Erben des elterlichen Stammes mehr vorhanden sind, erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft. Für geschiedene Ehegatten bestehen keinerlei Erbansprüche mehr. Das Scheidungsurteil beendet die gegenseitigen finanziellen Forderungen gesetzlicher oder vertraglicher Natur zwischen den Eheleuten. So fällt z. B. eine Begünstigungsklausel «zugunsten des Ehepartners» aus einer Lebensversicherungspolice automatisch dahin. Diese gesetzliche Erbfolgeordnung tritt «automatisch» in Kraft. Es wird damit verhindert, dass Unklarheiten über das Schicksal eines Nachlasses entstehen, wenn jemand keine Vorkehrungen für den Fall seines Ablebens getroffen hat. ■ Die gesetzlichen Erben nach Stämmen 3.Stamm: Grosseltern Grosseltern
Grosseltern
mütterlicherseits
Onkel
väterlicherseits
2.Stamm: Eltern
Tante
Eltern Geschwister
Schwägerin
Bruder
Ehefrau
Erblasser
Schwester
1.Stamm: Nachkommen Nachkommen: Kinder
Aufgabe 1 Aufgabe 2 Übung 1
Kinder der Nachkommen: Enkelinnen und Enkel
Erbrecht 3
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht 4
22.2 Pflichtteile müssen berücksichtigt werden
■ Eltern als Alleinerben
Wenn eine Erblasserin über einen Teil ihres Nachlasses individuell verfügen will, muss sie dazu nach bestimmten Regeln eine Verfügung von Todes wegen aufstellen. Dadurch können irgendwelche Personen als Erben eingesetzt werden. In der Verteilung ihres Nachlasses ist sie jedoch nicht vollständig frei. Die gesetzlichen Erben dürfen – sofern sie pflichtteilsgeschützt sind – nicht vollständig übergangen werden. Je näher die gesetzlichen Erben in verwandtschaftlicher Beziehung zum Erblasser stehen, desto stärker werden ihre erbrechtlichen Ansprüche geschützt.
Auch die Eltern sind bezüglich des Pflichtteilsschutzes gegenüber den Nachkommen schlechter gestellt. Eltern sind zur Hälfte ihres gesetzlichen Anspruchs pflichtteilsgeschützt. Der Erblasser oder die Erblasserin kann über die Hälfte des Nachlasses frei verfügen.
■ Nachkommen und Ehepartner erben gemeinsam
Unter dem Pflichtteil verstehen wir den Mindestanspruch der nächsten Angehörigen, den ein Erblasser diesen Erben nicht vorenthalten darf. Der Pflichtteilsschutz betrifft Nachkommen, Eltern und Ehepartner; alle übrigen Verwandten sind nicht pflichtteilsgeschützt. Ein Erblasser kann einzelne Erben auf den Pflichtteil setzen und mit dem so frei gewordenen Anteil andere Erben begünstigen. Dieser Anteil, über den der Erblasser frei verfügen kann, heisst freie Quote. Die Höhe des Pflichtteils ist im Gesetz festgelegt als Bruchteil des gesetzlichen Anspruchs, der einem Erben zusteht. Diese Bruchteile betragen für die Nachkommen _34 und für Ehegatten und Eltern je _12 des jeweiligen gesetzlichen Anspruchs. Je nach Verwandtschaftsbeziehungen ergeben sich daher fünf Möglichkeiten.
Ein überlebender Ehepartner hat, falls er die Erbschaft mit Nachkommen teilen muss, einen gesetzlichen Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses. Von dieser Hälfte ist die Hälfte pflichtteilsgeschützt, d. h., vom gesamten Nachlass ist dem Ehepartner in einem solchen Fall ein Viertel garantiert. Die Nachkommen haben im vorliegenden Fall ebenfalls einen gesetzlichen Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses. Sie sind in ihrem gesetzlichen Anspruch zu drei Vierteln geschützt, erhalten also mindestens drei Achtel vom gesamten Nachlass.
■ Nachkommen als Alleinerben
■ Ehepartner und Eltern erben gemeinsam
Wer Nachkommen hinterlässt, muss diesen mindestens drei Viertel vom gesetzlichen Erbanspruch zukommen lassen. Zu den Nachkommen zählen alle Angehörigen des ersten Stammes, also Kinder und allenfalls auch Enkel oder Urenkel.
Freie Quote Mindestanspruch
■ Ehepartner als Alleinerben Falls in einem Erbfall «nur» der überlebende Ehepartner vorhanden ist, so sind dessen gesetzliche Ansprüche bis zur Hälfte pflichtteilsgeschützt.
Mindestanspruch
Freie Quote
Der überlebende Ehepartner hat neben den Eltern des Erblassers einen gesetzlichen Anspruch auf drei Viertel des Nachlasses. Von diesen drei Vierteln ist wiederum die Hälfte pflichtteilsgeschützt. Die Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch auf das restliche Viertel des Nachlasses. Dieser elterliche Anteil ist zur Hälfte pflichtteilsgeschützt. Der Erblasser könnte in diesem Fall insgesamt über die Hälfte seines Nachlasses frei verfügen.
Mindestanspruch
Freie Quote
Gesetzlicher Anspruch Ehepartner
Nachkommen
( 12 )
( 12 )
Mindest- Mindestanspruch anspruch Freie Quote
Gesetzlicher Anspruch Ehepartner
Eltern
( 34 )
( 14 )
Mindestanspruch Freie Quote
Wenn einem pflichtteilsberechtigten Erben sein Erbanspruch entzogen wird, so spricht man von einer Enterbung. Eine solch schwerwiegende Massnahme ist nur dann gültig, wenn sie in Form einer letztwilligen Verfügung unter ausdrücklicher Angabe der Gründe erfolgt. Gemäss Gesetz gibt es zwei Enterbungsgründe (Art. 477 ZGB): schweres Verbrechen (z. B. ein Mordversuch) oder schwere Verletzung familienrechtlicher Pflichten gegenüber dem Erblasser bzw. dessen Angehörigen.
15
■ Übersicht über die Pflichtteilsregeln Gesetzlicher Anspruch
Pflichtteil
Mindestanspruch
Freie Quote
1. Nachkommen als Alleinerben
1 _ 1
mal
3 _ 4
=
3 _ 4
1 _ 4
2. Ehepartner als Alleinerbe
1 _ 1
mal
1 _ 2
=
1 _ 2
1 _ 2
3. Eltern als Alleinerben
1 _ 1
mal
1 _ 2
=
1 _ 2
1 _ 2
4. Nachkommen und Ehepartner erben gemeinsam Nachkommen gemeinsam
1 _ 2
mal
3 _ 4
=
3 _ 8
Ehepartner
1 _ 2
mal
1 _ 2
=
1 _ 4 5 _ 8
gesamt
3 _ 8
5. Ehepartner und Eltern erben gemeinsam Aufgabe 3 Aufgabe 4 Übung 2 Übung 3
Eltern gemeinsam
1 _ 4
mal
1 _ 2
=
1 _ 8
Ehepartner
3 _ 4
mal
1 _ 2
=
3 _ 8 4 _ 8
gesamt
=
1 _ 2
1 _ 2
Erbrecht 5
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht 6
22.3 Verfügung von Todes wegen Unter der Verfügung von Todes wegen verstehen wir ein Testament ( = letztwillige Verfügung) oder einen Erbvertrag. Ein Testament kann immer nur von einer Person für sich selber abgefasst werden. Ein Erbvertrag ist die gemeinsame Vereinbarung von zwei oder mehreren Personen über die Erbfolge. Weil es sich bei beiden Formen um wichtige Vorkehrungen im Leben einer Person handelt, gelten strenge Formvorschriften, ohne deren Beachtung die aufgesetzten Dokumente ungültig sind. Auch der Inhalt eines Testamentes muss mit dem Gesetz in Einklang stehen. Es ist z. B. nicht zulässig, die Pflichtteilsregelungen des Gesetzes durch persönliche Erklärungen zu übergehen. ■ Eigenhändiges Testament Die eigenhändige letztwillige Verfügung (= eigenhändiges Testament) ist die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, eine letztwillige Verfügung zu erstellen. Wer urteilsfähig ist und das 18. Altersjahr zurückgelegt hat, kann selbstständig ein solches Dokument erstellen. Dabei sind die strengen Formvorschriften zu beachten, die das Gesetz an diese Art von letztwilliger Verfügung stellt: So muss unbedingt das gesamte Dokument einschliesslich Datum und Unterschrift vollständig von Hand geschrieben werden. Ein computergeschriebener Text, der nachher handschriftlich unterzeichnet wird, ist beispielsweise ungültig. Eigenhändige Testamente geben oft Anlass zu Erbstreitigkeiten. Dies vor allem dann, wenn solche Testamente ohne rechtliche Beratung (durch einen Rechtsanwalt oder einen Notar) abgefasst wurden. Leicht können Formfehler oder inhaltliche Fehler passieren, was dazu führt, dass das Testament anfechtbar oder gar ungültig wird. Die Gerichtspraxis ist ausserordentlich streng, was die Form der Testamente betrifft. Zwar ist die Angabe des Ortes bereits seit einiger Zeit kein zwingendes Formerfordernis mehr, trotzdem ist eine Ortsangabe nach wie vor zu empfehlen. ■ Öffentliches Testament Eine öffentliche letztwillige Verfügung (= öffentliches Testament) wird von einer kantonalen Urkundsperson – einer Notarin oder einem Rechtsanwalt – aufgesetzt. Die Vorstellungen des Erblassers über die Aufteilung seines Vermögens nach dem Tod werden von der Urkundsperson in rechtlich korrekter Form festgehalten. Die Urkunde muss vom Erblasser unterschrieben und von der Urkundsperson datiert und unterzeichnet werden. Zwei Zeugen, die vom Inhalt der Urkunde keine Kenntnis haben müssen, bezeugen unmittelbar danach, dass der Erblasser urteilsfähig ist und das Dokument tatsächlich seinen Willen enthält. Der Begriff «öffentlich» ist aus der Formvorschrift für das Dokument abgeleitet und bedeutet nicht, dass der Inhalt der Urkunde «öffentlich», d. h. für die Öffentlichkeit bestimmt ist.
■ Beispiel eines eigenhändigen Testaments
Testament Ich, Andrea Zäch, geb. am 27. August 1976, von Schaffhausen, wohnhaft in Winterthur, verfüge als meinen letzten Willen wie folgt: 1. Aus meinem Nachlass sind vorab die laufenden Verbindlichkeiten und die Todesfallkosten zu bezahlen. 2. Meine Kinder René, Markus und Eliane setze ich auf den gesetzlichen Pflichtteil. 3. Aus dem frei verfügbaren Anteil vermache ich meinen Enkelkindern Lea, Sandro, Sarah und Beatrice je CHF 10 000.–. 4. Meinem Sohn René sind Ausbildungskosten im Betrag von CHF 24 000.– an seinem Erbanspruch anzurechnen. 5. Meine Stute «Fair Lady» soll meinem Sohn Markus unter Anrechnung von CHF 15 000.– zugesprochen werden. 6. Das Schweizerische Rote Kreuz erhält ein Vermächtnis von CHF 5000.–. 7. Weiter frei verfügbare Vermögensteile sollen meinem Ehemann Roger Bürgi zugesprochen werden. 8. Als Willensvollstreckerin ernenne ich die für Erbschaftsangelegenheiten zuständige Fachperson in der Filiale Winterthur der Zürcher Kantonalbank am Untertor 30. Winterthur, 1. August 2016
Andrea Zäch
Durch ein Testament kann der Erblasser einzelne Erben ohne Angabe von Gründen auf den Pflichtteil setzen. Es ist in gleicher Weise möglich, alle (nicht pflichtteilsgeschützten) gesetzlichen Erben zu übergehen und eine nicht verwandte Person als Alleinerben einzusetzen. Bei Erbeinsetzungen sollte aber auch daran gedacht werden, dass der oder die Begünstigte vor dem Erblasser sterben könnte. Für solche Fälle müsste in einer Ersatzverfügung bestimmt werden, wem bei einem vorzeitigen Tod des eingesetzten Erben der Nachlass zukommen soll. Fehlt eine Ersatzverfügung, so tritt im Fall eines vorverstorbenen eingesetzten Erben automatisch wieder die gesetzliche Erbfolgeordnung in Kraft.
15
Die Erben haben gemäss Gesetz alle die gleichen Ansprüche an allen Vermögensbestandteilen des Nachlasses. Durch ein Testament (oder einen Erbvertrag) kann diese Regel aufgehoben werden. Mit einer Teilungsvorschrift kann der Erblasser einzelne Vermögensteile ganz bestimmten Personen zuweisen, was unter Umständen beachtliche Begünstigungen einzelner Erben zur Folge hat. Deshalb müssen die verschiedenen Zuteilungen bewertet werden, und ein allfälliger Unterschied muss in Form von Geld ausgeglichen werden. Solche Teilungsvorschriften sind für die Erben bindend. Dadurch kann verhindert werden, dass ein einzelner Vermögensbestandteil, den der Erblasser nicht aufgeteilt sehen möchte, unter mehrere Erben aufgeteilt wird. Der Erblasser kann schliesslich jemandem einen Vermögensvorteil zuwenden, ohne ihn als Erben einzusetzen. Dies wird als Vermächtnis bezeichnet. ■ Beispiele für Ersatzverfügung, Vermächtnis und Teilungsvorschrift
– Ich setze meine beiden Kinder zugunsten meines Lebenspartners, Yves Friedli, oder bei dessen Vorversterben zugunsten seiner Tochter Corinne, auf den Pflichtteil. – Meiner Nachbarin Heidi Gyger vermache ich meine 10 Swiss-Aktien sowie CHF 10 000.– in bar. – Im Sinne einer Teilungsvorschrift verfüge ich, dass die Liegenschaft Gerbergässli meinem ältesten Sohn Andreas, unter Anrechnung des Schätzungswertes der Kantonalbank, zukommen soll.
Erbrecht 7
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
Erbrecht 8
■ Bestimmung eines Willensvollstreckers Wenn Erben selber den letzten Willen des Erblassers ausführen, kann dies leicht zu Problemen führen. Um dies zu verhindern, kann man einen Willensvollstrecker bestimmen. Diese Person übernimmt die Aufgabe eines Erbschaftsverwalters, der bis zur Teilung des Nachlasses dafür besorgt ist, dass die Vermögenswerte korrekt aufbewahrt und – etwa im Fall von Liegenschaften – auch instand gehalten werden. Als Willensvollstrecker sollte eine neutrale, aussenstehende Person eingesetzt werden, z. B. eine Rechtsanwältin oder ein Notar, die selber gemäss Testament nichts erhalten sollten, ausser einer Entschädigung für ihre Umtriebe. Ein Testament sollte sicher aufbewahrt werden. Keine Probleme ergeben sich beim öffentlichen Testament. Das Original bleibt in diesem Fall in den Händen der Urkundsperson, während der Verfasser des Testaments eine Kopie zur sicheren Aufbewahrung erhält. Eigenhändige Testamente sollten aus Sicherheitsgründen bei einer zur Verwahrung von Testamenten beauftragten Amtsstelle hinterlegt werden. In vielen Kantonen ist diese Aufgabe dem Notar übertragen. ■ Erbvertrag Ein Erbvertrag ist die zweite Möglichkeit, die das Gesetz für eine Verfügung von Todes wegen vorsieht. Dabei müssen mindestens zwei Personen mitwirken; es ist aber auch möglich, dass drei oder mehrere Personen gemeinsam einen Erbvertrag abschliessen. Hauptzweck eines solchen Vertrages ist die Aufhebung der gesetzlichen Erbfolge und die Aufstellung eigener Bestimmungen. Für den Abschluss eines Erbvertrages müssen die Vertragspartner urteilsfähig sein und das 18. Altersjahr zurückgelegt haben, und das Dokument muss öffentlich beurkundet werden.
schiedlich. Es können dies sein: das Erbschaftsamt, das Gemeindeammann-Amt, der Bezirksgerichtspräsident oder das Notariat. Die Erben bilden miteinander von Gesetzes wegen eine Erbengemeinschaft. Sie erwerben alle Aktiven und Passiven gemeinsam, d. h., sie werden sogenannte Gesamteigentümer und können nur gemeinsam (= einstimmig) über das Erbe verfügen. Sie haften ferner für allfällige Schulden des Verstorbenen solidarisch, d. h., jede und jeder kann für die gesamte Schuld belangt werden. Die Erben müssen allerdings eine Erbschaft nicht unbedingt antreten. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass eine Erbschaft ausgeschlagen werden kann. Die Ausschlagung wird vom Gesetz sogar vermutet, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers offenkundig ist. Wer eine Erbschaft ausschlägt, gilt rechtlich als vorverstorben und wird behandelt, als ob er oder sie den Erbfall nicht erlebt hätte. Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft beträgt drei Monate ab dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Erbfall. Wenn die Vermögens- und vor allem die Schuldverhältnisse des Erblassers unklar sind, so können die Erben innerhalb eines Monats seit dem Todesfall ein öffentliches Inventar verlangen. Damit ist ein Schuldenruf verbunden, in welchem die Gläubiger und Schuldner des Erblassers öffentlich aufgefordert werden, ihre Forderungen und Guthaben innert einer bestimmten Frist anzumelden. Nach Ablauf der Frist stellt die beauftragte Amtsperson die Aktiven und Passiven zusammen. Dadurch erhalten die Erben eine Entscheidungsgrundlage für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft. Schliesslich haben die Erben auch noch die Möglichkeit, eine amtliche Liquidation zu verlangen. Die Erbschaftsbehörde verwertet die Aktiven und bezahlt alle Schulden des Erblassers. Nur ein allfälliger Überschuss wird den Erben ausbezahlt; für eine eventuelle Restschuld haften die Erben jedoch nicht.
22.5 Die Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen 22.4 Erbschaft annehmen oder ausschlagen? In einem Todesfall muss neben den nächsten Angehörigen auch das Zivilstandsamt benachrichtigt werden. Es wird abgeklärt, ob ein Testament oder ein Erbvertrag vorliegt, und die Behörden nehmen das Nachlassinventar (oder Erbschaftsinventar) auf. Dies ist eine Aufstellung sämtlicher Aktiven und Passiven am Todestag des Erblassers. In diese Rechnung werden auch alle zu Lebzeiten des Erblassers geleisteten Zuwendungen (Erbvorbezüge) miteinbezogen. Ferner sind die Schulden zu ermitteln; dazu gehören auch die Todesfallkosten (Beerdigung). Findet der Beamte bei der Inventaraufnahme Unterlagen, die darauf hinweisen, dass der oder die Verstorbene über nicht versteuertes Vermögen (= Schwarzgeld) verfügt hat, so müssen die Erben dafür Nachsteuern – aber keine Strafsteuer – entrichten. Innert Monatsfrist nach dem Ableben des Erblassers wird die letztwillige Verfügung amtlich eröffnet. Die dafür zuständige Behörde ist wiederum von Kanton zu Kanton unter-
Wenn sich ein Erbe in seinen Rechten verletzt fühlt, stehen ihm verschiedene Klagemöglichkeiten offen. Mit der Ungültigkeitsklage (Art. 519 – 521 ZGB) können Erben oder Vermächtnisnehmer eine letztwillige Verfügung anfechten, wenn sie bezweifeln, dass der Erblasser bei Erstellung der letztwilligen Verfügung urteilsfähig gewesen sei. Auch rechts- oder sittenwidrige Inhalte einer letztwilligen Verfügung oder Formmängel eines Testamentes sind Gründe für eine Ungültigkeitsklage. Ein Pflichtteilsberechtigter hat grundsätzlich Anspruch auf die Ausrichtung des auf ihn entfallenden Erbanteils bis zur Höhe seines Pflichtteils. Mit der Herabsetzungsklage (Art. 522– 533 ZGB) kann ein Erbe die Korrektur einer Pflichtteilsverletzung erwirken. Die Frist zur Einreichung einer Herabsetzungsklage beträgt ein Jahr vom Zeitpunkt an, an dem der Erbe von Aufgabe 5 der Verletzung seiner Rechte Kenntnis erhalten hat. Auf Teilung der Erbschaft kann zudem mit der Teilungsklage und auf Herausgabe der Erb- Aufgabe 6 schaft mit der Erbschaftsklage gedrängt werden. Übung 4
Erbrecht 9
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht
Das haben Sie gelernt Die gesetzliche Erbfolgeregelung erklären und die gesetzlich vorgesehenen Erben nennen Die Grundsätze der Anteilsberechnung erklären In Beispielen die gesetzlichen Erben bestimmen und deren Anteile in Bruchteilen oder Franken berechnen Die Möglichkeiten nennen, die Erbfolge gemäss eigenem Willen zu gestalten Den Unterschied zwischen einer Erbschaft und einem Vermächtnis beschreiben Pflichtteilsvorschriften mithilfe des Gesetzes auf konkrete Beispiele anwenden und Mindestansprüche von pflichtteilsgeschützten Erben berechnen Die Mindestanforderungen für die rechtsgültige Erstellung einer Verfügung von Todes wegen (= Testament) nennen und die Formvorschriften überprüfen Zwei Arten des Testamentes unterscheiden und die möglichen Inhaltsangaben eines Testamentes unterscheiden Unterscheidung zwischen Testament und Erbvertrag erklären und eine mögliche Anwendung eines Erbvertrages nennen Die Ausschlagungsmöglichkeit für eine Erbschaft begründen Den Zweck eines öffentlichen Inventars nennen Zwei Anfechtungsmöglichkeiten einer Verfügung von Todes wegen unterscheiden Das Gültigkeitserfordernis und zwei Gründe für eine Enterbung nennen
Offene Fragen
15 10
Diese Begriffe können Sie erklären Erbschaft Erblasser Erben Erbengemeinschaft Gesetzliche Erbfolge Stammträger Verfügung von Todes wegen Testament Erbvertrag Pflichtteil Mindestanspruch Freie Quote Ersatzverfügung Teilungsvorschrift Vermächtnis Nachlass Nachlassinventar Öffentliches Inventar Amtliche Liquidation Ungültigkeitsklage Herabsetzungsklage Enterbung
Erbrecht
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
11
15
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht
Übung 1 Grundbegriffe des Erbrechts Ordnen Sie den Formulierungen a) – i) den jeweils zutreffenden Fachbegriff aus der unten aufgeführten Liste zu.
a) Bezeichnung für eine verstorbene Person, die den Erben Vermögenswerte hinterlässt.
a) Der Ehepartner hat als Alleinerbe immer einen Mindestanspruch auf die Hälfte des gesamten Nachlasses.
b) Der Pflichtteilsschutz erstreckt sich auf den Ehepartner und alle Erben des ersten und zweiten Stammes.
c) Wer nur noch Geschwister als nächste Angehörige hinterlässt, kann über drei Viertel seines Nachlasses vollständig frei verfügen.
d ) Bezeichnung für die von der verstorbenen Person hinterlassenen Vermögensteile und Schulden. e) Ist eine erbberechtigte Person bereits vor dem Erblasser verstorben, so fällt der Erbanteil zu gleichen Teilen an deren …
d) Jener Anteil, über den der Erblasser frei verfügen kann, heisst freie oder frei verfügbare Quote.
f) Innerhalb eines erbberechtigten Stammes erben zuerst die … g) Diese Regelung tritt automatisch in Kraft, falls die verstorbene Person keine Vorkehrungen für den Fall ihres Ablebens getroffen hat. h ) Bruchteil des Nachlasses, welcher der überlebenden Ehefrau als Erbin neben den gemeinsamen Nachkommen zusteht. (Annahme: Es liegt keine letztwillige Verfügung vor.) i) Diese Personen sind Stammträger des 2. Stammes.
1 2 3 4 5 6 7 8
Blutsverwandtschaft Die Hälfte Ehegattin Ein Viertel Eltern des Erblassers Enkelkinder Erblasser Gesetzliche Erbfolge
9 10 11 12 13 14 15 16
Kinder des Erblassers Nachkommen Nachlass Nachlassvertrag Obligatorische Nachlassteilung Stammträger Testament Verwandtschaftssystem
12
Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien.
b ) Gilt gemäss Gesetz als Grundlage für die gesetzliche Erbfolge, falls keine letztwillige Verfügung vorliegt. c ) Notwendiges Dokument, wenn jemand für die Verteilung seiner Vermögenswerte von der gesetzlichen Erbfolge abweichen will.
15
Übung 2 Pflichtteile Ziffer des zutreffenden Begriffs
31
e) Wenn der Ehepartner zusammen mit den Nachkommen und den Eltern erbberechtigt ist, kann der Erblasser über eine freie Quote verfügen.
f) Wenn ein Erblasser fünf Kinder als einzige gesetzliche Erben hinterlässt, haben diese einen Mindestanspruch auf 15 Hundertstel des Nachlasses.
g) Wenn ein Erblasser fünf Geschwister als einzige gesetzliche Erben hinterlässt, haben diese einen Mindestanspruch von 15 Hundertstel des Nachlasses.
Übung 3 Erbteilung konkret Die folgenden Auswahlaufgaben enthalten immer zwei Teilaussagen zum abgebildeten Verwandtschaftssystem, die miteinander verknüpft sind. Entscheiden Sie sich jeweils für eine der folgenden Antwortmöglichkeiten: A +weil+
B +/+
C +/–
D –/+
E –/–
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft zu
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft nicht zu
Erste Aussage richtig, zweite Aussage falsch
Erste Aussage falsch, zweite Aussage richtig
Beide Aussagen falsch
Begründen Sie falsche Verknüpfungen oder die falsche Teilaussage in wenigen Worten. a) F und G erhalten nach gesetzlicher Erbfolge je einen Sechstel des Nachlasses, weil sie Angehörige des elterlichen Stammes sind.
b) A könnte bei einem Nachlass von CHF 160 000.– maximal CHF 120 000.– erhalten, weil der Pflichtteil der Nachkommen drei Viertel beträgt.
c) E hat Anspruch auf einen Sechstel des Nachlasses, weil der Anteil von D auf F und G aufgeteilt wird. A Erblasserin
d) Beim Tode von D vor zwei Jahren waren B und C nicht pflichtteilsgeschützt, weil sie mit E nicht verwandt sind. B
D
C
E
F
e) Bei einem allfälligen Tod von F wäre G nicht pflichtteilsgeschützt, weil nur Nachkommen, Eltern und der überlebende Ehegatte pflichtteilsgeschützt sind.
G
f) G ist beim Tod der Erblasserin nicht pflichtteilsgeschützt, weil sie als adoptiertes Kind rechtlich nicht zum Verwandtschaftssystem gehört.
g) Bei einem allfälligen Tod von C hätte B einen gesetzlichen Anspruch von einem Viertel des Nachlasses, weil E, F und G ebenfalls erbberechtigt wären.
Erbrecht
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
13
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht 14
Übung 4 Erbgang, Anfechtung, Enterbung Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien.
a ) Ein Nachlassinventar ist die private Aufstellung sämtlicher Aktiven und Passiven des Erblassers.
h) Das Instrument, mit dem sich ein pflichtteilsverletzter Erbe gerichtlich zur Wehr setzen kann, ist die Herabsetzungsklage.
b) Wird bei der Inventaraufnahme Schwarzgeld gefunden, müssen die Erben dafür eine Strafsteuer entrichten.
i) Eine Enterbung ist nur unter ausdrücklicher Angabe der Gründe in Form eines öffentlichen Testamentes möglich.
c ) Die Erben können als Erbengemeinschaft nur einstimmig über das Erbe verfügen und haften solidarisch für allfällige Schulden.
d ) Eine Erbschaft kann von einem einzelnen Erben ausgeschlagen werden, auch wenn die anderen Erben die Erbschaft antreten.
e ) Nach Art. 567 OR beträgt die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft drei Monate ab dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Erbfall.
f) Bei offenkundiger Zahlungsunfähigkeit des Erblassers wird von Amtes wegen ein öffentliches Inventar erstellt.
g ) Ein Testament, das offensichtlich Formmängel enthält, kann mit der Herabsetzungsklage angefochten werden.
15
Aufgabe 1 Erbberechtigung der Nachkommen Der Erblasser hinterlässt seine Tochter und zwei Enkel des vorverstorbenen Sohnes sowie weitere Angehörige gemäss folgender Skizze. Die Ehefrau und der Vater des Erblassers sind ebenfalls vorverstorben. Beantworten Sie folgende Fragen mithilfe von Art. 457 ZGB.
a) Wie viel erhalten die Tochter und der Sohn als Stammträger des 1. Stammes?
b) Wer erhält den Erbanteil des vorverstorbenen Sohnes? Vater
Mutter
c) Nennen Sie die Anteile der Erben am Nachlass in Brüchen? Ehefrau
Erblasser
Bruder
1.Stamm: Nachkommen
d) Nennen Sie die Anteile der Erben am Nachlass in Brüchen unter der Annahme, dass die Ehefrau des Erblassers noch nicht verstorben ist. Konsultieren Sie zur Beantwortung dieser Frage Art. 462 ZGB.
Tochter
Sohn
Schwiegertochter
Bedeutung der Symbole: Männer
Enkelin
Vorverstorbener Mann
Enkel
Männlicher Erblasser Frauen Vorverstorbene Frau
Erbrecht
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht
Aufgabe 2 Erbberechtigung des elterlichen Stammes Eine ledige Erblasserin hinterlässt ihre Mutter, einen verheirateten Bruder mit Ehefrau und zwei Kindern sowie zwei Kinder eines vorverstorbenen Bruders gemäss Abbildung. Beantworten Sie folgende Fragen mithilfe von Art. 458 ZGB:
a ) Welche der aufgeführten Personen sind nicht mit der Erblasserin verwandt?
b ) Wie heissen die Verwandtschaftsbeziehungen der Kinder von Geschwistern? 2. Stamm: Eltern
c ) Wie viel erhalten die Stammträger des 2. Stammes? Vater
Mutter
d) Wer erhält den Erbanteil des vorverstorbenen Vaters?
Schwägerin
Bruder
Erblasserin
Bruder
Schwägerin
e) Wer würde den Erbanteil des vorverstorbenen Vater erhalten, wenn die Erblasserin keine Geschwister hätte?
f ) Nennen Sie die Anteile der Erben am Nachlass in Brüchen.
1.Stamm fehlt: keine Nachkommen
Bedeutung der Symbole: Männer
Frauen
Vorverstorbener Mann
Weibliche Erblasserin
g) Nennen Sie die Anteile der Erben am Nachlass in Brüchen unter der Annahme, dass die Erblasserin auch noch einen Ehemann hinterlässt. Konsultieren Sie zur Beantwortung dieser Frage Art. 462 ZGB.
15 16
Aufgabe 3 Pflichtteilsberechnungen Berechnen Sie für einen Nachlass von CHF 120 000.– jeweils die Mindestansprüche der erbberechtigten Angehörigen des Erblassers sowie den frei verfügbaren Anteil in Bruchteilen und in Franken. Füllen Sie dazu die folgende Tabelle aus. Bestimmen Sie die massgebenden Pflichtteile aus dem Gesetzestext in Art. 471 ZGB. Gesetzlicher Anspruch a ) Nachkommen als Alleinerben
Pflichtteil
Mindestanspruch
Freie Quote
als Bruch in CHF
b ) Ehepartner als Alleinerben
als Bruch in CHF
c) Eltern als Alleinerben
als Bruch in CHF
d ) Nachkommen und Ehepartner erben gemeinsam Nachkommen gemeinsam
als Bruch in CHF
Ehepartner
als Bruch in CHF gesamt als Bruch in CHF
e ) Ehepartner und Eltern erben gemeinsam Eltern gemeinsam
als Bruch in CHF
Ehepartner
als Bruch in CHF
gesamt
als Bruch in CHF
Erbrecht 17
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht
Aufgabe 4 Bei Bürgis wird dreimal geerbt Das Ehepaar Andrea Zäch und Roger Bürgi hat drei Kinder: René, Markus und Eliane. Roger hat zwei Schwestern: Jacqueline und Fränzi. Für diese Aufgabe gilt die Annahme, dass Roger noch lebt, Fränzi ledig ist und dass Jacqueline, die vor einigen Jahren gestorben ist, mit Koni Liener verheiratet war. Koni Liener lebt seither unverheiratet mit seinen zwei Töchtern Laura und Sandra. Die Mutter von Roger (Maria Bürgi-Scherrer) ist verwitwet, d. h., Rogers Vater Joseph ist bereits verstorben. Roger hat einen Onkel (Gottlieb) väterlicherseits und eine vorverstorbene Tante (Sophie Gmür-Scherrer) mütterlicherseits. Die Grosseltern von Roger (Alfons und Cäcilia Bürgi, Konrad und Gertruth Scherrer) leben nicht mehr. a ) Zeichnen Sie das beschriebene Verwandtschaftssystem auf der gegenüberliegenden Spalte übersichtlich auf. Lösen Sie die folgenden Teilaufgaben in der nachstehenden Tabelle auf Seite 19. b) Variante I: Bestimmen Sie die gesetzlichen Erben in der beschriebenen Situation im Todesfall von Rogers Mutter, wenn keine letztwillige Verfügung vorliegt. Welche Bruchteile vom Nachlass erhalten die Erben, und wie viel macht dies bei einem Nachlass von CHF 240 000.– in Franken aus? c ) Variante II: Wer würde wie viel erben, wenn die Mutter testamentarisch alle Erben auf den Pflichtteil gesetzt hätte, um den freien Anteil zu gleichen Teilen ihrem Schwiegersohn Koni und den Enkelkindern René, Markus und Eliane zukommen zu lassen? d) Variante III: Wer würde wie viel erben, wenn Roger Bürgi an einem Autounfall sterben würde und kein Testament verfasst hätte? Der Nachlass beträgt CHF 300 000.–. e ) Variante IV: Wer würde wie viel erben, wenn Roger Bürgi seine Kinder auf den Pflichtteil gesetzt und die freie Quote seiner Ehefrau zugewiesen hätte?
15 18
Erben
Lösung b)
Lösung c)
Gesetzlicher Anspruch
Pflichtteil
Lösung d)
Lösung e)
Gesetzlicher Anspruch
Pflichtteil
Mindestanspruch
Freie Quote
Mindestanspruch
Freie Quote
als Bruch in CHF als Bruch in CHF zur Kontrolle gesamt
als Bruch in CHF
Koni, René, Markus, Eliane je
in CHF
Erben als Bruch in CHF als Bruch in CHF zur Kontrolle gesamt
als Bruch in CHF
Freie Quote insgesamt
in CHF
Gesetzlicher Anspruch von Andrea
in CHF
Gesamter Anteil von Andrea
in CHF
Erbrecht
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
19
15
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16 Erbrecht 20
Aufgabe 5 Erbgang und Anfechtung Der Witwer Georg Künzli lebt zusammen mit der ebenfalls verwitweten Annabelle Goldinger in einem gemeinsamen Haushalt im Konkubinat. Die Ehefrau von G. Künzli ist bereits vor einigen Jahren gestorben. Aus seiner Ehe hat G. Künzli zwei Nachkommen, Beatrice und Laurent. Beide Kinder sind bereits erwachsen und verheiratet. Annabelle Goldinger hat aus einer früheren Ehe einen Sohn, der sich noch in der Ausbildung an der ZHAW befindet. Nach dem Tod von Georg Künzli erfahren die Angehörigen, dass Herr Künzli seine eigenen Kinder, seine Lebensgefährtin und deren Sohn Patrick zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hat. Die Vermögensverhältnisse von Georg Künzli sind alles andere als klar. Sein Sohn Laurent vermutet, dass noch einige Schulden zum Vorschein kommen könnten.
a ) Zeichnen Sie die Situation in übersichtlicher Form auf. Welcher Anteil am Nachlass steht jedem Erben gemäss letztwilliger Verfügung zu? Tragen Sie die Bruchteile in Ihre Skizze ein.
b ) Welche Möglichkeiten bietet das Gesetz den Erben, um den exakten Nachlass von Georg Künzli zu ermitteln? Wie lange haben Sie dazu Zeit?
c) Frau Annabelle Goldinger ist ein öffentlicher Schuldenruf im Handelsamtsblatt peinlich. Kann sie die Errichtung des öffentlichen Inventars verhindern? Begründen Sie mithilfe des Gesetzes.
d) Beatrice und Laurent sind mit der Teilung des Erbes nicht einverstanden. Sie klagen auf der Basis von Art. 522 ZGB. Welches Ziel wollen sie damit erreichen? Welche Konsequenzen hätte eine erfolgreiche Klage auf den Anteil von Annabelle und Patrick Goldinger?
15
Aufgabe 6 Erbrechtlicher Anspruch nach Auflösung einer Ehe Die Aufgabe 4 im Kapitel 7 Familienrecht behandelt die sogenannte «güterrechtliche Aufteilung» des Vermögens bei Auflösung einer Ehe durch den Tod eines Partners.
Der Nachlass von Silvano muss im Anschluss an die güterrechtliche Aufteilung gemäss den Regeln des Erbrechts auf die Erben aufgeteilt werden.
Als Silvano und Elsbeth heirateten, hatte Silvano aus seinem Arbeitsverdienst CHF 10 000.– auf einem Anlagesparkonto angelegt. Elsbeth hatte gerade ihre Ausbildung abgeschlossen und besass zu jenem Zeitpunkt keine Ersparnisse. Im Laufe der Jahre brachte Silvano weitere CHF 10 000.– auf die Seite. Elsbeth konnte durch ihren Arbeitserwerb bis zur Geburt des ersten Kindes CHF 6 000.– ansparen. Silvano arbeitete nach der Geburt des Kindes temporär zu etwa 20 %; er besorgte den Haushalt und war auch später für die Betreuung der insgesamt drei Kinder zuständig. Elsbeth sicherte durch ihre Tätigkeit in einer Werbeagentur den finanziellen Unterhalt der Familie. Als später die Eltern von Silvano starben, erbte er deren Reiheneinfamilienhaus, in das die Familie einzog. Elsbeth konnte beim Tod ihrer Eltern CHF 70 000.– erben, die sie in Wertschriften anlegte. Silvano stirbt bei einem Unfall in den Bergen. Zuerst kommt es nun zur güterrechtlichen Aufteilung des Vermögens. Die Liegenschaft hat einen Wert von CHF 600 000.–, sie ist mit einer Hypothek von CHF 350 000.– belastet. Das Lohnkonto von Silvano enthält CHF 14 000.–, dasjenige von Elsbeth CHF 40 000.–; die Wertschriften von Elsbeth sind nach wie vor CHF 70 000.– wert. Das gemeinsam angeschaffte Auto besitzt einen Wert von CHF 24 000.–. Die güterrechtliche Abrechnung erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungen der Errungenschaftsbeteiligung und führt zu folgendem Resultat: Elsbeth Eigengut Liegenschaft – Hypothek Auto Anlagesparkonto Silvano Lohnkonto Elsbeth Wertschriften Total 398 000 Vorschlag Elsbeth Vorschlag Silvano Anspruch Elsbeth Nachlass Silvano
Errungenschaft
12 000
Elsbeth
Silvano
Weil Silvano kein Testament erstellt und das Ehepaar auch keinen Erbvertrag abgeschlossen hatte, gelten die gesetzlichen Teilungsvorschriften. Bestimmen Sie, wie der Nachlass von Silvano aufgeteilt wird und welcher Gesamtbetrag Elsbeth zusteht.
Silvano Errungen- Eigengut schaft 600 000 – 350 000 12 000 4 000 10 000
40 000 70 000 70 000 26 000 8 000 104 000
52 000
16 000
260 000 26 000 8 000
Im vorliegenden Fall müssen sich Elsbeth und die Nachkommen einigen, wer das Haus von Silvano (im Wert von CHF 250 000.–) übernimmt und die andern Erben auszahlt. Elsbeth kann nach Art. 612a Abs. 2 ZGB ein Wohnrecht an der Familienwohnung verlangen.
294 000
Erbrecht
31
30
29
28
27
26
25
24
23
22
21
20
19
18
17
16
21
15