7
Erbrecht
Das Erbrecht enthält Vorschriften zur Frage, was mit dem Nachlass einer verstorbenen Person passiert. Im dritten Teil des ZGB wird eindeutig bestimmt, was mit dem Eigentum des Verstorbenen zu geschehen hat, d. h., wie eine Erbschaft aufgeteilt werden muss, falls ein Erblasser keine Vorkehrungen getroffen hat. Zum andern bestimmt das Erbrecht, wie jemand seine Hinterlassenschaft auf Nachkommen und weitere Personen aufteilen kann.
Theorie 1 2 3 4 5
Übungen
Die gesetzliche Erbfolge ........................................................................................ Pflichtteile müssen berücksichtigt werden ............................................................. Verfügung von Todes wegen ................................................................................ Erbschaft annehmen oder ausschlagen? ................................................................ Die Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen ............................................... Das haben Sie gelernt ........................................................................................... Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................
2 4 6 8 8 10 11
1 2 3 4
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
12 12 13 14
Aufgaben 1 2 3 4 5 6
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
Grundbegriffe des Erbrechts ................................................................................. Pflichtteile ............................................................................................................ Erbteilung konkret ................................................................................................ Erbschaft, Anfechtung, Enterbung ........................................................................
Erbberechtigung der Nachkommen ...................................................................... Erbberechtigung des elterlichen Stammes ............................................................. Pflichtteilsberechnungen ...................................................................................... Bei Bürgis wird dreimal geerbt .............................................................................. Erbgang und Anfechtung ..................................................................................... Erbrechtlicher Anspruch nach Auflösung einer Ehe ................................................
15 16 17 18 20 21
Seite 1
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
1 Die gesetzliche Erbfolge Das Erbrecht regelt die Rechtsfragen rund um die Vermögens- und Schuldverhältnisse im Todesfall eines Menschen. ■ Eine verstorbene Person wird im Erbrecht als Erblasser bezeichnet. ■ Die Erben treten in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein, d. h., sie werden Eigentümer und Besitzer aller Vermögensteile – und übernehmen auch alle Schulden. Mit dem Tod erlöschen lediglich diejenigen Verpflichtungen, die mit einer Person untrennbar verbunden sind, also z. B. ihre Verpflichtungen aus einem Arbeitsvertrag. ■ Die von einer Erblasserin hinterlassenen Vermögensteile und Schulden heissen Erbschaft oder Nachlass. Bei Auflösung einer Ehe durch den Tod eines Ehepartners werden zuerst die Vermögensteile von Mann und Frau ausgeschieden. Der überlebende Ehegatte erhält – je nach Güterstand – einen mehr oder weniger grossen Teil des Vermögens aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung (Aufteilung des ehelichen Vermögens). Das verbleibende Vermögen (bei der Errungenschaftsbeteiligung also das Eigengut des verstorbenen Ehepartners sowie die Hälfte der Errungenschaften) wird unter den Erben aufgeteilt. Zu diesen Erben gehört auch der überlebende Ehegatte. Partnerinnen und Partner einer eingetragenen Partnerschaft werden wie Ehepaare ohne gemeinsame Kinder behandelt. Das Verwandtschaftssystem ist Grundlage für die Erbberechtigung; zudem erhält der überlebende Ehegatte, der ja nicht zu diesem Verwandtschaftssystem gehört, Teile des Nachlasses zugesprochen. Es besteht somit ein enger inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Familienrecht (vgl. Recht / Gesellschaft Kapitel 6), das Fragen der Verwandtschaft und des ehelichen Güterstandes regelt, und dem Erbrecht, das die Verteilung des Vermögens einer verstorbenen Person festlegt. Das Gesetz bestimmt die Verwandten des Erblassers und seinen allfällig überlebenden Ehegatten als Erben. Wenn ein Erblasser davon abweichen und andere Personen als Erben einsetzen will, muss er eine « Verfügung von Todes wegen» aufstellen; darunter verstehen wir ein Testament oder einen Erbvertrag Erbvertrag. Durch eine solche Verfügung dürfen allerdings nicht alle gesetzlichen Erben übergangen werden. Je näher die gesetzlichen Erben in verwandtschaftlicher Beziehung zum Erblasser stehen, desto stärker werden ihre erbrechtlichen Ansprüche geschützt. Ihr Minimalanspruch wird Pflichtteil genannt. Gibt es weder erbberechtigte Verwandte noch einen überlebenden Ehegatten und liegt auch keine Verfügung von Todes wegen vor, fällt der Nachlass an das Gemeinwesen. Das kantonale Recht sieht vor, ob der Kanton oder die letzte Wohnsitzgemeinde als erbberechtigt gilt. Meistens werden solche Erbschaften für Fürsorge- oder Ausbildungszwecke verwendet.
Seite 2
■ Grundsätze der gesetzlichen Erbberechtigung Die Verwandtschaftsgliederung nach Stämmen gilt als Grundlage für die Erbberechtigung. Dabei sind folgende Regeln massgebend: ■ Angehörige des näheren Stammes schliessen einen Anspruch des nachfolgenden Stammes aus. Solange auch nur ein einziger Erbe aus dem näheren Stamm vorhanden ist, werden alle Angehörigen der entfernteren Stämme von jedem gesetzlichen Erbanspruch ausgeschlossen. ■ Innerhalb des erbberechtigten Stammes erben zuerst die «Stammträger»: – Wenn der 1. Stamm erbberechtigt ist, sind dies die Kinder (Nachkommen) des Erblassers. – Wenn der 2. Stamm erbberechtigt ist, sind dies die Eltern des Erblassers. – Wenn der 3. Stamm erbberechtigt ist, sind dies die Grosseltern des Erblassers. Das Erbe wird dabei gleichmässig unter den Stammträgern aufgeteilt. ■ Fällt eine Person als Erbe ausser Betracht, weil sie vor der Erblasserin gestorben ist, so fällt ihr Erbanteil an ihre Nachkommen, die zu gleichen Teilen erbberechtigt sind. ■ Überlebender Ehegatte Der überlebende Ehegatte ist die einzige Person, die mit dem Erblasser nicht verwandt ist und trotzdem in der Stellung eines gesetzlichen Erben steht. Sein Erbanspruch richtet sich danach, aus welchem Stamm weitere gesetzliche Erben erbberechtigt sind. ■ Teilt die überlebende Ehepartnerin den Nachlass mit Nachkommen des Erblassers, erhält sie die Hälfte.
1 2
Ehefrau
Erblasser
1 2
Kinder
■ Sind Erben aus dem elterlichen Stamm neben dem überlebenden Ehepartner erbberechtigt, so erhält er drei Viertel des Nachlasses.
1 4
Eltern
3 4
Ehepartner Erblasserin
■ Wenn schliesslich keine Erben des elterlichen Stammes mehr vorhanden sind, erhält der überlebende Ehegatte die ganze Erbschaft.
Für geschiedene Ehegatten bestehen keinerlei Erbansprüche mehr. Das Scheidungsurteil beendet die gegenseitigen finanziellen Forderungen gesetzlicher oder vertraglicher Natur zwischen den Eheleuten. So fällt z. B. eine Begünstigungsklausel «zugunsten des Ehepartners» aus einer Lebensversicherungspolice automatisch dahin. Diese gesetzliche Erbfolgeordnung tritt «automatisch» in Kraft. Es wird damit verhindert, dass Unklarheiten über das Schicksal eines Nachlasses entstehen, wenn jemand keine Vorkehrungen für den Fall seines Ablebens getroffen hat. ■ Die gesetzlichen Erben nach Stämmen
Hinweis für Lehrpersonen ▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 2 / 3 (animiert) Erbrecht - Grundbegriffe hinterlässt ...
Erblasser
Betroffene Personen?
3.Stamm: Grosseltern Grosseltern
fehlt
Grosseltern
mütterlicherseits
Testament, Erbvertrag
väterlicherseits
Gesetzliche Erben
2.Stamm: Eltern
Tante
Eltern
vorhanden
Schulden
Treten in alle Rechte und Pflichten der verstorbenen Person
Eingesetzte Erben Vermächtnisnehmer
Geschwister
Vermögenswerte
à ZGB
(Verfügung von Todes wegen)
Onkel
Erbschaft/Nachlass
Müssen also evtl. auch Schulden übernehmen Anspruch auf einen bestimmten Vermögenswert
▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folie 4 Schwägerin
Bruder
Ehefrau
Erblasser
Schwester Grundsätze der Erbberechtigung
1.Stamm: Nachkommen Nachkommen: Kinder Aufgabe 1 Aufgabe 2 Übung 1
Erben sind …
§ die (Bluts-)Verwandten des Erblassers, der Erblasserin § Die überlebende Ehepartnerin bzw. der Ehepartner
Kinder der Nachkommen: Enkelinnen und Enkel
Nur Personen, die biologisch voneinander abstammen oder gemeinsame Vorfahren haben (Blutsverwandte), besitzen einen gesetzlichen Erbanspruch. Von diesem Prinzip ausgenommen sind der überlebende Ehepartner sowie adoptierte Kinder, diese werden im Erbrecht wie leibliche Kinder behandelt. Durch Heirat verbundene Personen (Angeheiratete, Verschwägerte) sind in diesem Sinne nicht verwandt. Schwiegersohn, Schwägerin und Stiefkinder kommen in der gesetzlichen Erbfolge nicht vor; sie können aber in einem Testament berücksichtigt werden.
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
§ Die Verwandten werden gemäss ihrem Verwandtschaftsgrad begünstigt. 1. Stamm: Nachkommen (Kinder und Enkel) 2. Stamm: Elterlicher Stamm (Eltern, Geschwister) 3. Stamm: Grosseltern und deren Nachkommen
§ Angehörige des näheren Stammes schliessen die Angehörigen eines nachfolgenden Stammes (vollständig) aus. § Innerhalb des erbberechtigten Stammes erben zuerst die Stammträger. § Ist ein Erbe vorverstorben, erben seine Nachkommen zu gleichen Teilen.
Seite 3
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
2
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Pflichtteile müssen berücksichtigt werden
Wer über einen Teil seines Nachlasses individuell verfügen will, muss dazu nach bestimmten Regeln eine Verfügung von Todes wegen aufstellen. Damit können irgendwelche Personen als Erben eingesetzt werden. In der Verteilung seines Nachlasses ist man jedoch nicht vollständig frei. Die gesetzlichen Erben dürfen – sofern sie pflichtteilsgeschützt sind – nicht vollständig übergangen werden. Je näher die gesetzlichen Erben in verwandtschaftlicher Beziehung zum Erblasser stehen, desto stärker werden ihre erbrechtlichen Ansprüche geschützt. Der «Pflichtteil» ist jener Teil des gesetzlich vorgesehenen Erbanspruches, der bestimmten Erben mindestens zusteht. In der Schweiz sind nur die Nachkommen und der überlebende Ehepartner der Erblasserin «pflichtteilsgeschützt». Ab 2023 beträgt ihr Pflichtteil die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruches. Diesen Mindestanspruch muss ein Erblasser bei der Formulierung seines Testaments zwingend berücksichtigen. Erbrecht 7 ■ Übersicht über die über Pflichtteilsregeln geltend bis 31.12.2022 (altes Erbrecht) Übersicht die Pflichtteilsregeln geltend bis 2022
Seite 4
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seit der ursprünglichen Schaffung des Erbrecht Anfang des 20. Jahrhunderts grundlegend verändert. Die Ehe gilt nicht mehr als alleinige und «auf ewig» ausgerichtet Form des Zusammenlebens; Zweit- und Drittbeziehungen sind häufiger und die familiären Lebensformen vielfältiger geworden. Im revidierten Erbrecht (gültig ab 1.1.2023) wurde deshalb der Pflichtteil der Nachkommen reduziert und der Pflichtteil der Eltern vollständig aufgehoben. Dadurch wird die Verfügungsfreiheit für die Erblasserin vergrössert. So können etwa in einer Patchworkfamilie weitere, ausserhalb der gesetzlichen Erbfolgeregelung nahestehende Personen begünstigt werden.
7
Erbrecht
■ Übersicht über die Pflichtteilsregeln geltend ab 01.01.2023 Erbrecht) Übersicht über die Pflichtteilsregeln geltend(neues ab 2023
1/2
1/2
1/2
0
0
1/1
1/2
1/4 1/2
1/2
Ab 2023 entfällt der Pflichtteil für die Eltern; für «Ehepartner und Eltern erben gemeinsam» gilt alleine die Pflichtteilsregelung für Ehepartner.
Wirtschaft und Gesellschaft
Brennpunkt Recht / Gesellschaft @ by STR Teachware: Urs Saxer, Thomas Tobler, Heinz Rüfenacht
1 Werden einzelne Erben auf den Pflichtteil gesetzt, so wird ein Anteil des Erbes für die Begünstigung weiterer Erben – ausserhalb der gesetzlichen Erbfolge – frei. Dieser Anteil, über den der Erblasser frei verfügen kann, heisst freie Quote.
Wenn einem pflichtteilsberechtigten Erben sein Erbanspruch vollständig entzogen wird, so spricht man von einer Enterbung. Eine solch schwerwiegende Massnahme ist nur dann gültig, wenn sie in Form einer letztwilligen Verfügung unter ausdrücklicher Angabe der Brennpunkt Recht @ by STR Teachware: Urs Saxer,(Art. Thomas Tobler, Rüfenacht Wirtschaft und Gesellschaft Gründe erfolgt. Gemäss Gesetz gibt es/ Gesellschaft zwei Enterbungsgründe 477 Heinz ZGB): schweres Ver- 2 brechen (z. B. ein Mordversuch) oder schwere Verletzung familienrechtlicher Pflichten gegenüber dem Erblasser bzw. deren Angehörigen.
Durch die Reduktion des Pflichtteils der Nachkommen und die Aufhebung des Pflichtteils der Eltern erhöht sich die frei verfügbare Quote, wie die folgenden drei Beispiele zeigen:
Hinweis für Lehrpersonen ▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folie 5
Die verstorbene Person hinterlässt: 7
Erbrecht
Begriffe zu den Pflichtteilsregeln
■ 1. Nachkommen als Alleinerben 1. Nachkommen als Alleinerben
Gesetzlicher Erbanteil Gesetzlicher Anspruch (ohne Testament)
Pflichtteilsregelung bis 2022 Pflichtteil als Anteil vom gesetzlichen Anspruch
Gesetzlicher Anspruch (auch gesetzliche Quote)
Pflichtteilsregelung ab 2023
Mindestanspruch
Pflichtteil als Anteil vom gesetzlichen Anspruch
entspricht dem im Gesetz (à ZGB) festgelegten Anspruch eines Erben
Mindestanspruch
Pflichtteil
¾
Nachkommen = 1/1
¾ von 1/1 = ¾ Keine Änderung ab 2023
7
¼
½
Nachkommen = 1/1
¾
½
Bruchteil der gesetzlichen Quote, der einem Erben nicht entzogen werden kann
½
Mindestanspruch
½ von 1/1 = ½
Freie Quote
Gesetzliche Quote mal Pflichtteil; zeigt an, welcher Anteil einem Erben von Gesetzes wegen mindestens zusteht
Freie Quote
Erbrecht
Freie Quote
■ 2. Ehepartner als Alleinerben
Anteil, über den der Erblasser frei verfügen kann
2. Ehepartner als Alleinerben
Gesetzlicher Erbanteil Gesetzlicher Anspruch (ohne Testament)
Pflichtteilsregelung bis 2022 Pflichtteil als Anteil vom gesetzlichen Anspruch
Pflichtteilsregelung ab 2023
Mindestanspruch
Pflichtteil als Anteil vom gesetzlichen Anspruch
Mindestanspruch
▼ Hinweis für Lehrpersonen Ehepartner = 1/1 Wirtschaft und Gesellschaft
½
Keine Änderung ab 2023
7
½
½
½
Ehepartner = 1/1
½
½
1/ = 1/ Rüfenacht Brennpunkt Recht @ by STR Teachware: Urs Saxer, Thomas Tobler, Heinz ½ von ½ ½ von 1 / Gesellschaft 1=½
Freie Quote
3
Freie Quote
Erbrecht
■ 3. Nachkommen und Ehepartner, die gemeinsam erben 3. Nachkommen und Ehepartner erben gemeinsam
Gesetzliche Erbanteile Gesetzlicher Anspruch (ohne Testament)
½
Pflichtteilsregelung bis 2022 Pflichtteil als Anteil vom gesetzlichen Anspruch
Ehepartner = ½
½ ½ von ½ = ¼
Pflichtteilsregelung ab 2023
Mindestanspruch
¼
Pflichtteil als Anteil vom gesetzlichen Anspruch
Ehepartner = ½
3/
8
½ ½ von ½ = ¼
Mindestanspruch
¼
3/ Nachkommen = ½ Nachkommen = ½ ¾ ½ ¼ ½ 8 Brennpunkt Recht / Gesellschaft @ by STR Teachware: Urs Saxer, Thomas Tobler, Heinz Rüfenacht Wirtschaft und Gesellschaft ¾ von ½ = 3/8
Keine Änderung ab 2023
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
½
½ von ½ = ¼
Freie Quote
7
Die Website der Zeitschrift «Beobachter» (www.beobachter.ch) bietet unter dem Register «Testament und Nachlass» aktuelle Beiträge zu verschiedensten Fragestellungen im Bereich des Erbrechts an. Auch auf der Website des Schweizerischen Notarenverbandes (SNV) (www.snv-fsn.ch) gibt es ein Register «Ratgeber», das den Lernenden zur Erkundung empfohlen werden kann. Auch die Website der LawMedia AG (www.lawmedia.ch) enthält fundierte Informationen zu vielen erbrechtlichen Fragestellungen und Begriffen. Die Website des Schweizerischen Roten Kreuzes bietet im Bereich «Über Ihr Leben hinaus» u.a. allgmeine Informationen zum Testament (mit einem Mustertestament zum Download) sowie einen «Online-Pflichtteilsrechner» für individuelle Situationen (www.vorsorge.redcross.ch/de/)
4
Freie Quote
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Seite 5
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Das haben Sie gelernt Die gesetzliche Erbfolgeregelung erklären und die gesetzlich vorgesehenen Erben nennen Die Grundsätze der Anteilsberechnung erklären In Beispielen die gesetzlichen Erben bestimmen und deren Anteile in Bruchteilen oder Franken berechnen Die Möglichkeiten nennen, die Erbfolge gemäss eigenem Willen zu gestalten Den Unterschied zwischen einer Erbschaft und einem Vermächtnis beschreiben Pflichtteilsvorschriften mithilfe des Gesetzes auf konkrete Beispiele anwenden und Mindestansprüche von pflichtteilsgeschützten Erben berechnen Die Mindestanforderungen für die rechtsgültige Erstellung einer Verfügung von Todes wegen (= Testament) nennen und die Formvorschriften überprüfen Zwei Arten des Testamentes unterscheiden und die möglichen Inhaltsangaben eines Testamentes unterscheiden Unterscheidung zwischen Testament und Erbvertrag erklären und eine mögliche Anwendung eines Erbvertrages nennen Die Ausschlagungsmöglichkeit für eine Erbschaft begründen Den Zweck eines öffentlichen Inventars nennen Zwei Anfechtungsmöglichkeiten einer Verfügung von Todes wegen unterscheiden Das Gültigkeitserfordernis und zwei Gründe für eine Enterbung nennen
Seite 10
Offene Fragen
Diese Begriffe können Sie erklären Erbschaft Erblasser/Erblasserin Erben Erbengemeinschaft Gesetzliche Erbfolge Stammträger Verfügung von Todes wegen Testament Erbvertrag Pflichtteil Mindestanspruch Freie Quote Ersatzverfügung Teilungsvorschrift Vermächtnis Nachlass Nachlassinventar Öffentliches Inventar Amtliche Liquidation Ungültigkeitsklage Herabsetzungsklage Enterbung
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Seite 11
Übung 3 Erbteilung konkret Die folgenden Auswahlaufgaben enthalten immer zwei Teilaussagen zum abgebildeten Verwandtschaftssystem, die miteinander verknüpft sind. Entscheiden Sie sich jeweils für eine der folgenden Antwortmöglichkeiten und begründen Sie falsche Teilaussagen in wenigen Worten. Wenden Sie für Ihre Antworten die Bestimmungen des neuen Erbrechts (ab 2023) an. Es liegen keine Testamente vor. A +weil+
B +/+
C +/–
D –/+
E –/–
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft zu
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft nicht zu
Erste Aussage richtig, zweite Aussage falsch
Erste Aussage falsch, zweite Aussage richtig
Beide Aussagen falsch
a) F und G erhalten nach gesetzlicher Erbfolge je einen Sechstel des Nachlasses, weil sie Angehörige des elterlichen Stammes sind. – (A = 1/2 , B, C, D = 1/6, aufgeteilt auf F und G = 1/12)
E
/– (sind Nachkommen) b) A könnte bei einem Nachlass von CHF 160 000.– maximal CHF 100 000.– erhalten, weil der Pflichtteil der Nachkommen ein Zweitel des gesetzlichen Erbanspruches beträgt. 1 1 – ( _4 Mindestanspruch + _ 2 freie Quote = 3/4 = CHF 120'000)
D
/+ (stimmt) c) E hat Anspruch auf einen Sechstel des Nachlasses, weil der Anteil von D auf F und G aufgeteilt wird. – (E ist Schwiegertochter, nicht blutsverwandt, nicht erbberechtigt)
D
/ + (stimmt).
A
d) Beim Tode von D vor zwei Jahren waren B und C nicht pflichtteilsgeschützt, weil sie mit E nicht verwandt sind. + (Geschwister nicht pflichtteilsgeschützt)
Erblasserin
B
/+ (E ist Schwiegertochter) B
C
D
E
F
G
e) Bei einem allfälligen Tod von F wäre G nicht pflichtteilsgeschützt, weil nur Nachkommen und der überlebende Ehegatte pflichtteilsgeschützt sind. + (Geschwister nicht pflichtteilsgeschützt)
A
weil + (Eltern nicht pflichtteilsgeschützt) f ) G ist beim Tod der Erblasserin nicht pflichtteilsgeschützt, weil sie als adoptiertes Kind im Erbrecht nicht die gleichen Rechte wie leibliche Kinder hat. – (Nachkommen sind pflichtteilsgeschützt)
E
/– (Adoptivkinder im Erbrecht wie leibliche Kinder behandelt) g) Bei einem allfälligen Tod von C hätte B einen gesetzlichen Anspruch von einem Viertel des Nachlasses, weil E, F und G ebenfalls erbberechtigt wären. 1 1 + (Erbanteil _ 2 des verstorbenen Elternteils geht an B und D, je _ 4 )
C
/– (Schwiegertochter E ist nicht blutsverwandt, «nur angeheiratet»).
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Seite 13
Aufgabe 3 Pflichtteilsberechnungen a) Auf Anfang 2023 wurde im Erbrecht eine neue Pflichtteilsregelung in Kraft gesetzt. Vergleichen Sie die beiden massgebenden Artikel. Welcher Vorteil ergibt sich für eine Erblasserin daraus und was war wohl der Grund für diese Anpassung?
Vergleich: Pflichtteil der Nachkommen reduziert, Pflichteil für Eltern fällt ganz weg, Pflichtteil für Nachkommen und überlebenden Ehepartner gleich (_ 2 ). 1
Vorteil Erblasserin: Geringere Pflichtteile ergeben grössere freie Quote (grössere Verfügungsfreiheit). Grund für Anpassung: Zusammenleben in der Gesellschaft hat sich verändert, nicht blutsverwandte Personen können stärker berücksichtigt werden.
7
Erbrecht
b) Berechnen Sie für einen Nachlass von CHF 120‘000.– jeweils die Mindestansprüche der erbberechtigten Angehörigen des Erblassers sowie den frei verfügbaren Anteil in Bruchteilen und Aufgabe in Franken. Füllen3Sie Pflichtteilsberechnung dazu die folgende Tabelle aus. Bestimmen Sie die massgebenden Pflichtteile aus dem Gesetzestext geltend ab 2023.
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
7
Erbrecht (Ausgabe für Lehrperson)
Seite 17