Bernd Fabritius MdB vertritt Deutschland im Europarat (Seite 3)
Sudetendeutsche Zeitung Neudeker Heimatbrief
Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 73 | Folge 16 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 23. April 2021
VOLKSBOTE
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Tschechien weist 18 russische Diplomaten aus
Neue Eiszeit zwischen Prag und Moskau Am Montag hätte Innenminister, Interims-Außenminister und Vizepremier Jan Hamᘠek nach Moskau fliegen wollen, um mit Rußland über die Lieferung des Anti-Covid-Impfstoffes Sputnik V zu verhandeln, obwohl das Vakzin in der EU noch nicht zugelassen ist. Nachdem selbst Premier Andrej Babiš öffentlich Kritik an den Reiseplänen seines Stellvertreters geübt hatte, mußte Hamᘠek in Prag bleiben – zum Glück auch für ihn selbst, denn nach dem vergangenen Wochenende dürfte Hamᘠek derzeit in Moskau nicht mehr willkommen sein.
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m Samstag, also nur zwei Tage vor der ursprünglich geplanten Moskau-Reise, hatte Hamá° ek an der Seite von Babiš im Fernsehen verkündet, daß 18 Angehörige der russischen Botschaft in Prag innerhalb von 48
Stunden Die Tschechische Republik verlassen müssen. Beobachter sehen darin einen der schwersten Konflikte zwischen Russen und Tschechen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Auslöser dieser Eiszeit ist ein Vorfall aus dem Jahr 2014. Damals war es im Munitionslager im ostmährischen Wirbietitz, tschechisch Vrb˙tic e, rund 330 Kilometer östlich von Prag, im Oktober und Dezember zu Explosionen gekommen. Dabei verloren zwei Menschen ihr Leben, und es entstand enormer Sachschaden. Die langjährigen Ermittlungen einer Sondereinheit für organisierte Kriminalität mündeten – Zufall oder nicht – am Samstag in einem öffentlichen Fahndungsaufruf der Polizei. Demnach suchen die tschechischen Ermittler nach zwei Männern, deren Pässe auf die Na-
„Das Nationale Zentrum gegen organisierte Kriminalität (SKPV) bittet um Unterstützung bei der Suche nach zwei Personen im Zusammenhang mit der Untersuchung einer schweren Straftat“, twittert die tschechische Polizei am Samstag, 17. April. Bild: Polizei men Alexander Petrow und Ruslan Boschirow lauteten – zwei Namen, die 2018 auch im Zusammenhang mit der Vergiftung des ehemaligen Doppel-Agenten Sergei Skripal in Großbritannien eine Rolle gespielt hatten. Britische Behörden hatten seinerzeit
erklärt, dies seien die Pseudonyme zweier russischer Geheimdienstmitarbeiter, die für den versuchten Mord an Skripal verantwortlich seien. Der ehemalige Oberst des sowjetischen, später russischen Militärnachrichtendienstes GRU war 1995 vom bri-
DIESE WOCHE
tischen Auslandsgeheimdienst MI 6 rekrutiert worden und Jahre später aufgeflogen. Nach sechs Jahren in russischer Haft wurde er 2010 im Rahmen eines Agentenaustauschs freigelassen und hatte sich in der englischen Stadt Salisbury niedergelassen. Den Giftanschlag mit dem russischen Nervenkampfstoff Nowitschok hatte Skripal nur knapp überlebt. Moskau reagierte prompt. Prag sei sich sehr bewußt, was auf „solche Tricks“ folge, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Wochenende. Und der russische Abgeordnete und Außenpolitiker Wladimir Dschabarow polterte, die tschechischen Vorwürfe seien absurd und müßten mit einer gleichen Reaktion beantwortet werden. Im Gegensatz dazu twitterte die USA-Botschaft in Prag, die USA stünden fest an der Seite ihres Nato-Ver-
Jakub Kulhánek folgt auf Tomáš Pet˜í°ek
Interview
Europa schaut auf den neuen Außenminister
Torsten Fricke befragt Bernd Fabritius Seite 3
Kolumne
Pater Martin widmet sich dem guten Hirten Seite 5
KURSE
1 CZK = 0,03773 EUR 1 EUR = 26,4774 CZK
„Am Mittwoch, den 21. April, um 14.00 Uhr, werde ich vom Präsidenten der Tschechischen Republik zum Außenminister ernannt. Es ist eine immense Ehre für mich“, hat Jakub Kulhánek, zu diesem Zeitpunkt noch Staatssekretär unter Innenminister Jan Hamᘠek, vergangene Woche getwittert.
Portrait
Ulrich Miksch gedenkt des Ausnahme-Journalisten Hugo Portisch Seite 10
Wunderheiler
Der Neudeker Heimatbrief schildert das Wirken von Baptist Rölz. Seite 12
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Virtueller Lauf
Freunde sammeln für Ronsperg Seite 15 Neuer Außenminister: Jakub Kulhánek war zuvor Staatssekretär im Innenministerium.
Bild: Ministerstvo vnitra ˜R
Neuer Termin: 16. bis 18. Juli 2021 in München
Sudetendeutscher Tag verschoben
Die aktuelle Pandemielage, bei der Hof leider Spitzeninzidenzen aufweist, sowie die damit verbundenen politischen und rechtlichen Unsicherheiten machen es nötig, den für Pfingsten in der oberfränkischen Metropole geplanten Sudetendeutschen Tag auf das Wochenende von 16. bis 18. Juli und nach München zu verschieben.
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er Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, erklärte dazu: „Der geschäftsführende SLBundesvorstand ist nach eingehender Prüfung der Verhältnisse und ausgiebiger Debatte einver-
bündeten und begrüßten dessen Schritte. Sogar der tschechische Staatspräsident Zeman, der für eine prorussische Haltung bekannt ist, habe seine „absolute Unterstützung“ ausgesprochen, sagte Andrej Babiš. Der Premierminister weiter: „Die Tschechische Republik ist ein souveräner Staat und muß auf solch beispiellose Erkenntnisse adäquat reagieren.“ Viel Arbeit also für den neuen Außenminister Jakub Kulhánek (siehe unten), der am Mittwoch von Staatspräsident Zemann vereidigt wurdet. Dessen Vorgänger Tomáš Pet˜í°ek hält den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vorwürfe übrigens nicht für einen Zufall. Er sagte gegenüber den Medien, diese Informationen hätten „bereits seit Wochen in den Sicherheitskreisen“ kursiert. Jaroslav Šonka/Torsten Fricke
Das Sudetendeutsche Museum in München. nehmlich zum Beschluß gelangt, das unkalkulierbare Risiko für ein Pfingsttreffen in Hof auch hybrid nicht eingehen zu können. Dafür bitten wir um Verständnis.
Bild: Torsten Fricke
Da aber nicht wieder ein Jahr ohne Sudetendeutschen Tag vorübergehen soll und der Impfvorgang Gott sei Dank nunmehr erheblich an Tempo gewinnt, wol-
len wir einen – wie für letzten Herbst ins Auge gefaßten, aber zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr möglichen – kleineren Sudetendeutschen Tag in München vorbereiten, und zwar für das Wochenende von 16. bis 18. Juli. Im Mittelpunkt werden thematisch das neue Sudetendeutsche Museum, das voll in das Programm einbezogen werden soll, sowie die bevorstehenden Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Tschechischen Parlament stehen. Diese Faktoren machen neben den besseren klimatischen Bedingungen, die Außenaktivitäten ermöglichen, den Juli-Termin sinnvoll.“
uvor hatte der pro-europäische Tomáš Pet˜í°ek (SdZ berichtete) nach einem verlorenen Machtkampf mit Hamá° ek um die Parteiführung der tschechischen Sozialdemokraten ˛SSD seinen Stuhl räumen müssen. Jetzt fragen sich Beobachter, ob sich mit der Personalie auch die außenpolitische Ausrichtung der Tschechischen Republik ändert, zumal diese weitgehend von Staatspräsident Miloš Zeman mitbestimmt wird, dem ein enges Verhältnis zu Rußland und China nachgesagt wird. Fakt ist, Kulhánek ist nur die zweite Wahl. Ursprünglich war geplant gewesen, daß Lubomír Zaorálek (˛SSD) vom Kultur- ins Außenministerium wechselt. Doch Zaorálek, der von 2014 bis 2017 bereits Außenminister war, lehnte ab. Seine Begründung: Die Einmischung von Staatspräsident Zeman und Premierminister Babiš sei ihm zu groß. „Jakub Kulhánek wird ein guter Außenminister sein. Er studierte an einer angesehenen amerikanischen Uni-
versität, arbeitete als Stellvertretender Leiter des Außenministeriums, des Verteidigungsministeriums und des Innenministeriums“, lobt Hamá° ek öffentlich seinen neuen Kabinettskollegen. Kritik kommt dagegen von Pavel Fischer, dem Vorsitzenden des Senatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten. „Wir brauchen einen Außenminister, der internem und externem Druck standhält und kein Werkzeug von Einflußgruppen ist“, sagt Fischer und spielt damit auf Kulháneks Tätigkeit von 2016 bis 2018 als externer Berater für den damaligen chinesischen Investment-Giganten CEFC an. Dessen Gründer Ye Jianming wurde 2017 sogar zum Berater des Präsidenten Miloš Zeman ernannt, aber ein Jahr später in China wegen des Vorwurfs der Bestechung verhaftet. CEFC wurde daraufhin vom Staat übernommen. Unterdessen versucht Kulhánek, der vor seinem CEFCEngagement als, so Ex-Botschafter Petr Kolá˜, „moderner, prowestlicher Sozialdemokrat europäischen Zuschnitts“ galt, die Zweifel zu zerstreuen. So äußerte sich Kulhánek am Sonntag via Twitter kritisch zur möglichen Auftragsvergabe für den Ausbau des Atomkraftwerks Dukowan an den russischen Konzern Rosatom – eigentlich ein Herzensprojekt des tschechischen Präsidenten Zeman. JS/TF
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AKTUELL ˜ MEINUNG AKW in Dukowan
AUS DEM PRAGER GÄSTEBUCH
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as russische Unternehmen Rosatom sei von einer möglichen Auftragsvergabe für den Ausbau des Atomkraftwerks im südmährsichen Dukowan mit einem weiteren Reaktorblock ausgenommen worden, erklärte Karel Havlí˜ek, Minister für Industrie und Handel. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen zwischen Prag und Moskau ( Seite 1.) Havlí˜ek: „Von uns werden nur die Bewerber aus Frankreich, Südkorea und den Vereinigten Staaten angeschrieben.“ Bei den vier seit 1985 im Betrieb befindlichen Blöcken handelt es sich um Druckwasserreaktoren russischer Bauart.
Vor 250 Jahren wurde Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg geboren
Der böhmische Heeresführer, den seine Heimat vergaß marschall verdient habe, auch in der tschechischen Betrachtung der böhmischen Geschichte entsprechend gewürdigt zu werden. Hinzu kommt, daß mit Fürst Karl Schwarzenberg, ein direkter Nachfahre in der Tschechischen Republik von 2007 bis 2009 sowie von 2010 bis 2013 sogar Außenminister war. Schwarzenberg war bereits in sehr jungen Jahren als Leutnant in die österreichische Armee eingetreten und mit 19 Jahren zum Major befördert worden. Mit 23 Jahren war er bereits Oberst und
zug eine verheerende Niederlage hatte erleiden müssen, wurde Fürst von Schwarzenberg von den Verbündeten Österreich, Preußen, Rußland und Schweden zum Oberkommandierenden der 225 000 Mann starken Armee ernannt. Bei einem ersten Aufeinandertreffen der feindlichen Kräfte im August 1813 bei Dresden hatten Schwarzenbergs Truppen noch das Nachsehen und mußten sich zurückziehen. Doch dann wendete sich das Blatt. Am 16. Oktober 1813 lagen sich Schwarzenbergs Trup-
Schwarzenberg dem Gegner schwere Verluste zuzufügen. Mit bis zu 600 000 beteiligten Soldaten aus mehr als einem Dutzend Länder war dieser Kampf bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich die größte Schlacht der Weltgeschichte. 92 000 Soldaten wurden dabei getötet oder schwer verletzt. Auch in der Schlacht von Arcis sur Aube während des Feld-zugs ährend insbesondere in von 1814 konnte Schwarzenberg Österreich die ErinnerunNapoleon Paroli bieten. Tage gen an den großen Feldmarschall später siegten Schwarzenbergs hochgehalten werden, erinnert Truppen bei der Schlacht um Paman sich in der Tscheris und zogen am 31. März chischen Republik kaum 1814 als Sieger in der frannoch an Fürst zu Schwarzösischen Hauptstand ein. zenberg. Doch das könnte Napoleon mußte abdansich ändern. ken und die französische Anläßlich des 250. GeMetropole mit Richtung burtstages hat die 1893 Elba verlassen. in Brünn gegründete TaVon den drei Bündgeszeitung „Lidové novinis-Monarchen wurde ny“ jetzt dem erfolgreiSchwarzenberg mehrfach chen Strategen eine ganausgezeichnet und von ze Seite gewidmet und Kaiser Franz I. zum Präsidabei auch die Frage aufdenten des Hofkriegsrageworfen, ob jemand, der tes ernannt. Einen Monat Deutsch sprach, in der später legte der HeeresGeschichte der heutigen führer das OberkommanTschechischen Republik do nieder und zog sich auf eine Rolle spielen könne. seine Güter in Böhmen Der dazu befragte Historizurück. ker Karel Sá˜ek sagte, daß Im Januar 1817 erlitt die Sprache selbst keinesder Fürst einen Schlaganwegs als eine Art Maß- Johann Peter Kra˜ t: „Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg meldet den verbündeten Mon- fall und verbrachte einige stab dazu dienen könne, archen den Sieg in der Völkerschlacht bei Leipzig“ (1817). Heeresgeschichtliches Museum Zeit in Karlsbad zur Kur. ob jemand ein Böhme ge- Wien. Weitere Anfälle schwächwesen sei oder nicht. „Eiten ihn aber so sehr, daß ne Natio-nalität, so wie wir sie Ritter des Maria-Theresien-Or- pen und Napoleon zwischen der er am 15. Oktober 1820 in Leipzig heute kennen, hat damals de fac- dens, sechs Jahre später, mit nur Wachau und Liebertwolkwitz bei verstarb. Sein Sarkophag wurde to nicht existiert“, so Sá˜ek. Der 29 Jahren, Feldmarschall. Leipzig gegenüber. In der dar- in die Schwarzenberg GrabkapelHistoriker kam deshalb zu dem Im Krieg gegen Napoleon, der auffolgenden Völkerschlacht le im Orliker Schloßpark im böhSchluß, daß es der große Feld- zuvor bei seinem Rußland-Feld- bei Leipzig gelang es Fürst zu mischen Koschla überführt.
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Liederbücher neu aufgelegt
Die Patenschaft der Stadt Wetzlar für das Ostdeutsche Lied hat die von Edgar Hobinka 1964 und 1987 konzipierten Liederbücher „Brücke zur Heimat“ (320 Seiten) und „Ostdeutsches Liederbuch“(175 Seiten) neu aufgelegt. Inhalt und Gestaltung der beiden Liederbücher blieben bis auf geringe redaktionelle Korrekturen unverändert. Alle Lieder sind mit Melodie und Textstrophen versehen. Die Liederbücher können zum Einzelpreis von 5,00 Euro erworben werden bei:
STADT WETZLAR
PRAGER SPITZEN
Außenminister Rosatom protestiert nicht von V der Partie
ie stammte aus einer deutschtschechischen Ehe und hat bereits viele Weltereignisse selbst erlebt, trotzdem wird Tatjana Matoušková nicht müde, als engagierte Brückenbauerin mit großem Elan für die Prager Gruppe des Kulturverbandes der Deutschen in der Tschechischen Republik zu arbeiten. Seit mehr als einem halben Jahrhundert wirkt diese Vereinigung der deutschen Sprache und Kultur in der Hauptstadt. Für Tatjana Matoušková, die alle nur die „liebe Tatjana“ nennen, ist es nach wie vor unvorstellbar, auf die allmonatlichen Tre˜ en im Haus der nationalen Minderheiten zu verzichten. Die Epidemie hat zwar vieles verändert, aber Tatjana Matoušková kam trotzdem ins Prager Sudetendeutsche Büro, um Büroleiter Peter Barton zu schildern, wie die Zusammenarbeit zwischen ihrer Ortsgruppe und den Sudetendeutschen noch intensiviert werden kann.
Vor 250 Jahren, am 15. April 1771, wurde Karl Philipp zu Schwarzenberg, Sohn eines in Südböhmen weiterverzweigten Adelsgeschlechts, in Wien geboren. Historischen Ruhm erlangte Fürst zu Schwarzenberg erstmal 1813 als Oberbefehlshaber der verbündeten Streitkräfte gegen Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig.
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23.4. 2021
Patenschaft der Stadt Wetzlar für das Ostdeutsche Lied Hauser Gasse 17 · 35578 Wetzlar Telefon (0 64 41) 99 10 31 Telefax (0 64 41) 99 10 34 eMail ostdeutscheslied@wetzlar.de
BERICHTIGUNG
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um Artikel „Im Exil kämpfte Ida Roland für ein besseres Europa“ zum 70. Geburtstag der Frau von Richard Graf Coudenhove-Kalergie, einer jüdischen Schauspielerin mit sudetendeutschen Wurzel ( SdZ 14+15/2021). Das den Beitrag begleitende Bild zeigt nicht „Ida Roland und Ehemann Richard Graf Coudenhove-Kalergi“, wie bedauerlicherweise in der Bildunterschrift steht,
sondern Thomas Mann und Ida Roland. Die Redaktion
izepremier Jan Hamá˜ek (˛SSD), der momentan kommissarisch auch das Außenministerium führt, lud den russischen Botschafter Alexandr Zmejevský für Mittwoch vor, um gegen das Vorgehen Rußlands in Reaktion auf die Ausweisung von 18 russischen Diplomaten aus Prag ( Seite 1) zu protestieren.
Piraten fordern frühere Wahlen
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ach Billigung des neuen Wahlgesetzes wird sich die Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus für vorgezogene Neuwahlen einsetzen. Parteichef Ivan Bartoš kündigte am Dienstag an, diesbezüglich Verhandlungen mit allen im Parlament vertretenen Parteien einschließlich der regierenden Bewegung ANO führen zu wollen. Zudem wolle Bartoš Staatspräsident Miloš Zeman um eine Unterredung bitten. Die Auflösung des Abgeordnetenhauses halte er für die bessere Variante als eine Vertrauensabstimmung, die die konservative Oppositionskoalition SPOLU fordere, so der Parteivorsitzende.
„Hochverrat“ leuchtet an der Burg
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ienstagnacht leuchtete das Wort „Hochverrat“ an der Burg. Das untersucht die Polizei nun als möglichen Gesetzesverstoß. Zudem veröffentlichte die Organisation „Zastavme velezradu“ („Stoppen wir den Hochverrat“) in der Nacht einen Aufruf an das Parlament, gegen Präsident Miloš Zeman Verfassungsklage wegen Hochverrats einzureichen. Parallel veröffentlichte sie Fotos von der Leuchtschrift. Laut Polizeisprecher Jan Rybanský tauchte die blaue Schrift an den Mauern der Burg zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens auf. Präsidentensprecher Ji˙í Ov˜á˜ek kommentierte dies als beschämenden Ausdruck dafür, daß die Opposition schon seit mehr als einem Jahr systematisch lüge und Haß verbreite.
Corona blockiert Pressefreiheit
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orona wirkt sich weltweit negativ auf die Pressefreiheit aus. In mehr als 130 Ländern
wird die journalistische Berufsausübung blockiert. Das steht im aktuellen Jahresbericht der Organisation Reporter ohne Grenzen. Die Tschechische Republik liegt bei 180 beobachteten Ländern auf Platz 40. Die größte Pressefreiheit herrscht weiterhin in den skandinavischen Ländern, am schlechtesten ist die Lage in Eritrea, Nordkorea, Turkmenistan und der Volksrepublik China. Zu den größten Herausforderungen hierzulande zählen die Bedrohung öffentlich-rechtlicher Medien durch staatlich kontrollierte Aufsichtsorgane, Haßkampagnen im Internet oder die Verbreitung sogenannter alternativer Medien. Das umfassende Mißtrauen in journalistische Arbeit bestärkten die verbalen Ausfälle des Staatspräsidenten Miloš Zeman und anderer hoher Staatsvertreter, schreibt die Organisation. Problematisch sei außerdem die Konzentration medialer Macht in den Händen von Oligarchen..
Neuinfektionen werden weniger
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eit März 2020 infizierten sich mehr als 1,6 Millionen Tschechen mit dem Coronavirus infiziert. 28 532 Menschen starben im Zusammenhang mit der Covid-19-Erkrankung. Gegenwärtig geht die Zahl der CoronaNeuinfektionen immer weiter zurück. Am Sonntag kamen 823 neue Fälle hinzu. Dies bedeutete den niedrigsten Wert seit dem 13. September, wie aus den Daten des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Die Reproduktionszahl liegt bei 0,73. Ebenso ist die Zahl der Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern gesunken. Am Sonntag waren es 3913.
Judoka gewinnt EM-Bronze
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udoka Lukáš Krpálek kann sich nach drei Jahren über eine Medaille bei den EuropaMeisterschaften freuen. Der Olympiasieger von Rio de Janeiro gewann Bronze bei der Europameisterschaft in Lissabon, nachdem er am Sonntag Or Sasson aus Israel besiegt hatte. Für Krpálek ist dies die sechste EMMedaille. Einen Medaillenerfolg feierte er zuletzt mit dem Gold 2018 in Tel Aviv. Dann belegte er zwei fünfte Plätze, darunter bei der Europa-Meisterschaft im November letzten Jahres in Prag.“
Sudetendeutsche Zeitung ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß: Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in Teplitz-Schönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Herbert Ring, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel, Dr. Hans-Roland Zitka. Verlagsassistentin: Birte Rudzki. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Publikumsverkehr nur nach Vereinbarung. Jahres-Abonnement 2021 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2021 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten dazu im Internet unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Herbert Fischer. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
Bernd Fabritius MdB, BdV-Präsident und Bundesbeauftragter für Aussiedler und nationale Minderheiten, ist erneut als Vertreter Deutschlands in die Parlamentarische Versammlung des Europarates entsandt worden. Über seine Erwartungen und Ziele sprach die Sudetendeutsche Zeitung mit ihm.
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AKTUELL
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
� Interview mit MdB Dr. Bernd Fabritius, neues Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
„Vertreibung muß weltweit verboten und bestraft werden“
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err Dr. Fabritius, Sie sind 1965 in Agnetheln in Rumänien zur Welt gekommen, aber nach Ihrem Abitur in Hermannstadt 1984 mit Ihren Eltern und Ihren beiden Geschwistern nach Deutschland ausgewandert. Was waren die Gründe dafür? Bernd Fabritius: Deutsche sind in den Ländern des ehemaligen Ostblocks nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem vernichtenden Vorwurf der Kollektivschuld für die Verbrechen Nazideutschlands konfrontiert worden, der ihnen in ihrer seit Jahrhunderten angestammten Heimat das Leben zunehmend unmöglich gemacht hat. Auch wenn die Grenzen durch den Eisernen Vorhang dicht waren, wurde gleichwohl ein Vertreibungsdruck aufgebaut, durch kollektive Entrechtung, Verschleppung zur Zwangsarbeit, gesellschaftliche Ächtung, eine stetig zunehmende Negierung der eigenen kulturellen Identität und letztlich eine Verdrängung in eine hundertprozentige Assimilierung. Ich habe zwei Geschwister. Meine Eltern wollten nicht, daß wir irgendwann im Rumänischen untergehen, sondern sie wollten für uns eine Zukunft als Deutsche. Daß irgendwann im Ostblock die Wende kommen und damit eine Zukunft für die deutsche Minderheit dort weiterbestehen würde, war damals nicht absehbar. Auch war mein Opa im Januar 1945 mit weiteren zigtausend arbeitsfähigen deutschen Zivilpersonen aus Rumänien als „menschliche Kriegsreparation“ zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden und nach jahrelanger Schufterei in russischen Bergwerken und den Wirren der Nachkriegszeit in Bayern angekommen und dort geblieben. Das war dann der Anlaß für meine Mutter, unsere Ausreisegenehmigung zu erkämpfen, was nach 16 Jahren Kampf 1984 erfolgreich war. Was ist Heimat für Sie? Fabritius: Heimat ist sehr vielschichtig, für mich vor allem ein Gefühl. Es ist zuerst der Ort, wo ich hingehöre oder hingehört habe. Heimat ist dort, wo ich jeden Baum und jeden Strauch kenne, wo ich nicht fremd bin. Heimat habe ich aber auch in einer Gemeinschaft, ich bin „zu Hause“, wo Siebenbürgisch-Sächsisch gesprochen, gekocht, gelacht und geweint wird; Heimat habe ich auch im christlichen Glauben. Heimat ist die ganz besondere Topografie des Herzens. Wie haben Sie die erste Zeit in Deutschland erlebt? Haben Sie Ausgrenzung erfahren? Fabritius: Deutschland war für mich – trotz einiger auch verwunderlicher Begebenheiten – eine rundherum positive Erfahrung. Ich habe ein unbeschreibliches Freiheitsgefühl empfunden, als plötzlich um mich herum überall Deutsch gesprochen wur-
Zur Person
Professor Dr. Bernd Fabritius MdB vertritt Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Bild: BMI de. Das Gefühl, plötzlich Teil der be schnell gemerkt, daß man in Gesellschaft zu sein, ohne sich einer Gesellschaft nur zwei Varirechtfertigen oder „in Acht neh- anten leben kann: Entweder man men“ zu müssen, war großar- übernimmt selbst Verantwortung tig. Verwunderlich waren einzel- und versucht nach eigenen Überne Erlebnisse. So wurde gefragt, zeugungen und auf Basis der wieso ich so gut Deutsch spre- ganz eigenen Lebenserfahrung chen würde. Darauf habe ich mit mitzugestalten, oder andere tun gleicher Verwunderung nur ge- das für einen. Ich habe mich für antwortet, ja weil ich Deutscher das Erstere entschieden und versei. Das war meist der Beginn suche meine Erfahrung und Präsehr interessanter und freundli- gung in meine politische Arbeit cher Gespräche. – gerade auch für deutsche HeiSie haben eine eindrucksvol- matvertriebene, Aussiedler und le Ausbildung: Diplom-Verwal- Spätaussiedler – einzubringen, tungswirt, Politik- und Jura-Stu- und dabei gerade auch junge dium, Promotion mit Magna Menschen zum Mitwirken zu becum laude, Professor in Her- geistern. mannstadt. Neben Ihrer akadeWelche Beziehungen haben Sie mischen und politischen Tätigkeit heute noch zu Ihrer Geburtsregiarbeiten Sie auch noch als Rechts- on? anwalt in München. Wie schafft Fabritius: Das ist und bleibt man das? ebenfalls meine Heimat und beFabritius: Nun, wenn eine Tä- stimmt nicht nur eine „Geburtstigkeit Freude macht, empfindet region“. Dort leben viele meiman das nicht als Belastung, eher ner Landsleute, Siebenbürger im Gegenteil. Das erste Studium Sachsen verstehen sich längst als im Beamtenverhältnis war eher grenzüberschreitende Gemeinein Ergebnis schaft, damaligen Si- „Ich habe ein unbeschreibliches und SieFreiheitsgefühl empfunden.“ cherheitsbebenbürdürfnisses: gen ist Ich wollte unbedingt einen si- deren Wiege. Das überzeugcheren Arbeitsplatz, auf eigenen te Ausleben der BrückenfunkBeinen stehen und etwas fürs Le- tion als natürliche Bestimmung ben schaffen. So kam ich in Kon- solcher Gemeinschaften führt takt mit einem auf Demokratie zwangsläufig dazu, daß die Beund bürgerlichen Freiheiten be- ziehungen zu der ersten Heimat ruhenden Staatssystem. Politik- keinesfalls nachlassen, sondern wissenschaften und Jura waren nur anders werden. Dazu kommt dann die beiden Studien, die sich noch, daß ich als Beauftragter der nach meinem Dafürhalten ideal Bundesregierung für Aussiedlerergänzten und mir viel Spaß und fragen und Nationale MinderFreude bereitet haben. Zu meiner heiten einen sehr engen Konpolitischen Tätigkeit bin ich über takt zu den Selbstorganisationen die Gemeinschaft der Siebenbür- der Minderheit dort und auch zu ger Sachsen gekommen. Ich ha- den staatlichen Strukturen pfl -
� Studium
der Sozialverwaltung an der Bayerischen Beamtenfachhochschule, der Politikwissenschaften an der Hochschule für Politik und der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität. Ab 1997 Rechtsanwalt in München. � 2003 Promotion zum Dr. iur. in Hermannstadt und Tübingen. � Seit 2000 Professor der Universität Asoc in Hermanstadt. � Mitglied des Deutschen Bundestages in der CDU/CSU-Fraktion von 2013 bis 2017 und seit März 2021. � Präsident des BdV, Ehrenvorsitzender des Verbandes der Siebenbürgen Sachsen in Deutschland, Vizepräsident der Stiftung Bavaria-Romania für Soziale Assistenz. � Träger der Europa-Medaille des Freistaates Bayern. � Träger des Nationalen Verdienstordens Rumäniens im Rang Kommandeur. ge. Als Vertreter der Bundesregierung obliegt mir die Leitung der bilateralen Regierungskommissionen für die Angelegenheiten der deutschen Minderheiten mit den Ländern, in welchen solche Kommissionen bestehen, dazu gehört auch Rumänien. Wenn man in die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland zurückdenkt, dann waren damals die Vertriebenen bei der Bevölkerung zunächst nicht immer willkommen, aber sie wurden später zum Motor des Wirtschaftsaufschwungs. Gerade die Sudentendeutschen haben zahlreiche Unternehmen gegründet und Arbeitsplätze geschaffen. Ist dieses eigene Trauma, die Heimat zu verlassen oder verlassen zu müssen, eine zusätzliche Motivation, etwas Neues zu schaffen? Fabritius: Genau so ist das! Wenn jemand seine Heimat gezwungen verliert, dann hat er ein natürliches Bestreben, sich wieder eine Heimat zu erschaffen. Diese besondere „Sehnsucht nach Heimat“ war und ist als Motor nicht zu unterschätzen. Deutschland hätte ohne dieses
Wirken der Heimatvertriebenen, der Aussiedler und Spätaussiedler nicht die Entwicklung genommen, über die wir uns heute alle erfreuen können. Bereits 1950 hat der Europarat die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verabschiedet. Auch wenn wir in Deutschland daraus ein Menschenrecht auf Heimat ableiten, wird es nicht explizit aufgeführt. Angefangen bei der Vertreibung der Sudetendeutschen über die BenešDekrete kommt es noch heute immer wieder zu völkerrechtswidrigen Vertreibungen. Wäre es nicht an der Zeit, die Konvention entsprechend zu ergänzen und das Menschenrecht auf Heimat unmißverständlich aufzuführen? Fabritius: Die staatsrechtliche Frage nach einem „Recht auf Heimat“ ist vielschichtig, wie auch die Frage, welchen konkreten Inhalt dieses Recht hat. Nach meiner festen Überzeugung ergibt sich ein solches Recht bereits aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Auch
die Charta des Bundes der Vertriebenen spricht sich in sehr vorausschauender und konstruktiver Weise für ein solches Recht aus. Ergänzend fordern der Bund der Vertriebenen und ich als dessen Präsident bereits seit Jahren ein weltweites strafbewehrtes Vertreibungsverbot als korrespondierenden Ausdruck des Heimatrechtes. Dieses muß breiter aufgestellt sein als nur in den Mitgliedsstaaten des Europarates. Daher fordern wir sehr deutlich eine globale Regelung: Vertreibung muß weltweit verboten und bestraft werden! Welche weiteren Themen haben Sie sich für Ihre Arbeit im Europarat vorgenommen? Fabritius: Der Europarat ist Hüter von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie in besonderem Maße der Menschenrechte. Auch ist hier der Schutz nationaler Minderheiten angesiedelt, der durch zwei Regelwerke sichergestellt wird. Das sind das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und die Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen. Diese Regelwerke wurden in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich ratifiziert, und sie werden unterschiedlich angewendet. Hier besteht durchaus Handlunsgbedarf. Rußland droht, den Europarat zu verlassen. Wie bewerten Sie das? Fabritius: Ich halte es für sehr wichtig, daß Rußland Mitglied im Europarat bleibt. Gerade Länder, in denen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Bedrängnis sind – dazu zähle ich in Teilen auch die Russische Föderation – sollten die Mitgliedschaft im Europarat mit seinen Instrumenten – etwa dem Gerichtshof für Menschenrechte oder der Venedig-Kommission – als Chance sehen. Nur so lassen sich offene Fragen in einem Dialog lösen. Das Abbrechen bestehender Dialogformate ist für eine Verbesserung unbefriedigender Situationen noch nie von Vorteil gewesen. Die Corona-Pandemie gilt in vielen Bereichen als Brand-Beschleuniger. Beobachten Sie mit Sorge, daß in vielen Ländern populistische Politiker die Führung übernehmen? Fabritius: Die Zunahme nationalistischer Entwicklungen – gerade auch in einigen Mitgliedsstaaten der EU – beobachte ich mit großer Sorge. Diesen Entwicklungen müssen wir, muss Europa, entgegentreten. Gerade nationale Minderheiten können dabei einen wertvollen Beitrag leisten und klar machen, daß Vielfalt und Zusammenhalt mehr Chancen bietet als ausgrenzende Nationalismen. In diesem Kontext sehe ich gerade die Heimatvertriebenen und die Heimatverbliebenen als einmalige Chance für Europa. Eine solche Brücke will und muß genutzt werden. Diese Erkenntnis wünsche ich mir auch bei einigen unserer Nachbarn. Ich bin überzeugt davon, daß Zusammenhalt und Partnerschaft in Europa gerade in einer zunehmend globalisierteren Welt das langfristig erfolgreichere Prinzip sind. Torsten Fricke
� Margarete Ziegler-Raschdorf, Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler
Spätaussiedler dürfen trotz Corona weiter einreisen Auch in Zeiten der CoronaPandemie ist es Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern möglich, nach Deutschland einzureisen.
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Margarete Ziegler-Raschdorf, Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spät aussiedler Bild: LBHS
ie Aufnahme von Spätaussiedlern bleibt, unabhängig vom Infektionsgeschehen, weiterhin erlaubt. Um die Gesundheit der Bürger zu schützen und eine zusätzliche Verbreitung des Virus zu verhindern, sind dabei spezielle Vorkehrungen zu
treffen. Dazu gehören insbesondere die Quarantäne nach Ankunft in Deutschland, eine zeitliche Steuerung der Einreise, eine verkürzte Visadauer und die Verpfli htung zum Corona-Test“, erklärte Margarete Ziegler-Raschdorf, Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler. Bereits seit dem Jahr 2013 steigen die Einreisezahlen der Spätaussiedler aufgrund der im Herbst 2013 erfolgten Gesetzes-
änderung im Bundesvertriebenengesetz mit Erleichterungen bei der Familienzusammenführung langsam aber kontinuierlich an. Lagen die Einreisezahlen im Jahr 2013 noch bei 2.427 Personen, so kamen im 2019 mit 7.155 Personen fast dreimal soviele Aussiedler nach Deutschland. „Im Jahr 2020 haben sich die Einreisezahlen der Spätaussiedler in der Bundesrepublik Deutschland erstmals wieder
rückläufig entwickelt. Der Rückgang hängt mit der Corona-Pandemie zusammen und ist nicht als allgemeine Trendwende im Spätaussiedler-Zuzug zu werten“, macht Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler deutlich. Im Jahr 2020 kamen insgesamt 4.309 Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland Nach wie vor besteht ein großes Interesse am Aufnahmeverfahren. Dies belegen die An-
tragszahlen: so stellten im vergangenen Jahr 21.532 Personen einen Antrag auf Aufnahme nach dem Bundevertriebenengesetz. Dies sind 8.335 Anträge mehr als im Vorjahr 2019. „Ich freue mich, dass die Bundesregierung auch in schwierigen Zeiten ihre Zusagen erfüllt und den Weg nach Deutschland offenhält. Trotz Corona-Pandemie ist und bleibt die Einreise für Spätaussiedler weiterhin möglich“, so Margarete Ziegler-Raschdorf.
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TERMINE ˜ AKTUELL
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4.2021
˜oj° Theaternetzwerk Böhmen Bayern
Grenzenloses Kulturprojekt für die Jugend Um die deutsch-tschechischen Beziehungen unter jungen Menschen trotz der Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie zu stärken, hat das ˜ oj° Theaternetzwerk Böhmen Bayern ein Online-TheaterProjekt unter dem Titel „2084: humán radikál“ gestartet.
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as Nachbarland, das eigentlich so nah ist, scheint in diesen Tagen so fern. Die deutschtschechische Grenze ist seit Monaten schwierig zu passieren, was neben wirtschaftlichen auch kulturelle Wunden in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit reißt. Mit Online-Theater sollen Jugendliche und junge Erwachsene aus Bayern und Böhmen sich gegenseitig und das Grenzland kennenlernen, zu verschiedenen Themen forschen und selbst Aufführungen entwickeln. Schwandorf setzt sich als Kulturstadt Böhmen-Bayern erfolgreich für den Kontakt zum Nachbarland ein. Das ˜ oj°* Theater-
netzwerk (*sprich: tscheutsch = tschechisch + deutsch) ist einer der Kooperationspartner, die sich im Kulturstadtprojekt engagieren. Als Träger der außerschulischen Jugendarbeit in Bayern führt das Netzwerk Theaterprojekte für Jugendliche ab 14 und Studierende durch. In diesen Tagen können junge Menschen aus der Grenzregion ohne zu reisen mit anderen jungen Leuten aus dem Nachbarland kreativ werden und ein Theaterstück zu soziokulturellen Themen erarbeiten. So schließt das ˜ oj° Theaternetzwerk in den Pfingstferien an ein Projekt an, das in den Pfingstferien 2020 in der Schwandorfer Spitalkirche hätte stattfinden sollen. Das Theaterprojekt wurde zu einem Online-Sprachkurs. Und weil die Nachfrage nach Kontakten zum Nachbarland weiterhin groß ist, wird ˜ oj° Pfingsten 2021 den Versuch wagen, in der Online-Welt ein Theaterstück mit Jugendlichen zu erarbeiten. „Das Thema ist die Radikali-
Mit einem Online-Theaterprojekt will das ˜ oj° Theaternetzwerk Böhmen Bayern auch in Pandemiezeiten den kulturellen Austausch fördern sierung unserer Gesellschaft, die wir in diesen Tagen vermehrt erleben“, sagen die Organisatoren Valentina Eimer und Adéla Horáková und erklären, wie das Projekt thematisch aufgebaut ist: „Wir wollen uns fragen, wofür unsere Gesellschaft Feindbilder braucht, worin der Reiz des Radikalseins liegt, welche Rolle soziale Netzwerke spielen und wie Radikalisierungsprozesse ablaufen. Wir wollen es wirklich verstehen. Der Weg dahin wird abenteuerlich, denn wir beginnen unsere Recherche nicht in
Büchern, sondern in der Gruppe: Welche Erfahrungen haben wir mit Radikalisierung? Wie beeinflußt das unser Umfeld?“ Jugendliche können sich ab sofort anmelden und spielerischkreativ das Thema erforschen. Im Rahmen von 90-minütigen Videotelefonaten und Kreativaufgaben zum Erledigen im Freien bekommen sie die Möglichkeit, selbst einen Beitrag zum Titel Kulturstadt Böhmen-Bayern zu leisten und trotz der schwierigen Zeit den Kontakt zum Nachbarland nicht abbrechen zu lassen.
Das erfahrene pädagogische Team wird dolmetschen. Da das Projekt aus öffentlichen Geldern (deutsch-tschechischer Zukunftsfonds, KJP und Tandem) gefördert wird, fallen keine hohen Teilnahmegebühren an. Das ˜ oj° Land Netzwerk wurde 2002 vom Theaterpädagogischen Institut DAS Ei (Nürnberg) und dem Kulturverein A BASTA! (Pilsen und Prag) ins Leben gerufen, um gemeinsam deutschtschechische Jugend-Theaterbegegnungen durchzuführen. Im Juni 2011 gründeten die Part-
Bild: ˜ oj°
ner dafür gemeinsam die cojc gGmbH – das Theaternetzwerk Böhmen Bayern. Geographisch befindet sich das ˜ oj° Theaternetzwerk Böhmen Bayern im Grenzgebiet von Bayern und Böhmen: von Hof und Asch im Norden über Weiden und Tachau bis Budweis und Passau im Süden und in WestOst-Richtung von Pilsen bis Regensburg. Für Interessierte gibt es weitere Informationen unter www.cojc.eu. Für die Teilnahme werden keine Vorkenntnisse benötigt.
VERANSTALTUNGSKALENDER Montag, 26. April, 19 Uhr, Premiere auf www.youtube. com/DieSudetendeutschen: „Böhmen und seine Nachbarn – 1000 Jahre Kulturaustausch“, Beginn der Vortragsreihe mit Professor Dr. Stefan Samerski, Teil I. „Raute und Kreuz“. Veranstalter: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Bundesverband e.V., Sudetendeutsche Heimatpflege, Ackermann-Gemeinde in der Erzdiözese München und Freising, Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste. Donnerstag, 6. Mai 19 Uhr, Online auf Zoom: „Von der Kuhmagd zur Professorin“, Lesung und Gespräch mit der Autorin Christa Olbrich. Christa Olbrich, die 1945 in Mährisch Schönberg geboren wurde, schildert in ihrer Autobiographie ihren spannenden und keineswegs geraden Lebensweg von der Vertreibung im Jahr 1946 mit ihren Eltern, den schweren Start als Vertriebenenkind in Franken bis ins „Hier und Jetzt“. Veranstalter: Christina Meinusch, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen. Anmeldung per eMail: schmitzer@sudeten. de Samstag, 8. Mai, 14.30 Uhr, SL-Kreisgruppe AugsburgLand: „Wir feiern die Mütter … und die Väter“ mit Festrede von Schirmherrschaftsministerin Carolina Trautner, Filmvortrag „Sudetenland, mein Heimatland!“ von Kreisobmann Kurt Aue sowie Musik von Wolfgang Friedrich (Bobingen) in Wehringen, Fischerheim, In der Aue 5. Anmeldung: Telefon (08 21) 8 85 37 56, eMail sudetenaue@koenigsau. de Samstag, 8. Mai, 15.00 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Muttertagsfeier im Gasthaus Lohgarten, Hilpoltsteiner Straße 28. Samstag, 8. Mai, 17.00 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Maiandacht am Vogelbeerbaum im Stadtpark, Otto-Schrimpff-Straße 17. Sonntag, 16. Mai, Ackermann-Gemeinde Bistum Bamberg: 15.00 Uhr Nepomukfeier mit Vorträgen von Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Professor Dr. Tomáš Petrá° ek und Generalkonsulin Kristina Larischová in Bamberg, Diözesanhaus Sankt Otto, Heinrichsdamm 32. 19.00
HEILIGENHOF-TERMINE Samstag, 24. April, 10.00 bis 13.00 Uhr: Südmährische Kulturtagung: Kooperationsveranstaltung des Heiligenhofs mit dem Südmährerbund e.V. auf Zoom. Die traditionelle Kulturtagung dient dem Erfahrungsaustausch der Kulturschaffenden untereinander und soll neue Impulse für die südmährische Kulturarbeit geben. Sie findet dieses Jahr zum 59. Mal statt, normalerweise Mitte März, coronabedingt dieses Jahr im April und daher auch als Online-Veranstaltung. Programm Ab 9.45 Uhr 10.00 Uhr 10.15 Uhr
11.15 Uhr
Uhr Festgottesdienst in Sankt Martin, Grüner Markt 19; und Andacht mit Lichterschwimmen auf der Oberen Brücke. Samstag, 29. Mai, 14.30 Uhr, SL-Kreisgruppe RothSchwabach: Kreishauptversammlung in Roth, Restaurant-Café Waldblick, Ostring 28. Montag, 31. Mai, 19.00 Uhr, Adalbert-Stifter-Verein, Volkshochschule Linz und Institut für Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz: „Zum transkulturellen Charakter böhmischer Literatur“ – Vortrag von Dr. Peter Becher, Vorsitzender des Adalbert-Stifter-Vereins, in Linz, Wissensturm (Saal E 09), Kärntner Straße 26. Samstag, 19. Juni, 9.00 Uhr, Ackermann-Gemeinde Bistum Bamberg: „Verfolgte Christen in der Welt –Herausforderung für uns?“ – Studientag mit Bischof Bertram Meier (Augsburg), Zeit-Redakteur Ulrich Ladurner und weiteren Referenten in Nürnberg, Caritas-Pirckheimer-Haus, Königstraße 64. Anmeldung: Akademie CPH, Königstraße 64, 90402 Nürnberg, Telefon (09 11) 2 34 61 45, eMail akademie@cph-nuernberg.de Samstag, 19. Juni, 10.30 Uhr, SL-Landesgruppe Bayern: Landesfrauentagung 2021 in Regensburg, Kolpinghaus, Adolph-
HDOnline direkt: 27. April 2021, 19 Uhr. Cine Bridges / „In meinen Adern fließt kasachischer Tee“ (Foto Filmszene) Referent: Jurij Diez Über einen Zeitraum von vier Jahren porträtiert der Film die achtköpfige russlanddeutsche Aussiedlerfamilie Diez in ihrer neuen Heimat, dem oberbayrischen Freilassing, unmittelbar an der österreichischen Grenze. 15 Prozent der rund 18.000 Einwohner sind Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion. Online-Veranstalung auf dem YouTube-Kanal Haus des Ostens (https://www.youtube.com/channel/UCfcSbJn5v6OFqZF0UHNngQA/videos)
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Kolping-Straße 1. Samstag, 19. Juni, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen im Restaurant-Café Waldblick, Ostring 28. Sonntag, 4. Juli, 13.30 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Platzkonzert mit böhmischer Blasmusik am Vogelbeerbaum im Stadtpark, Otto-Schrimpff-Straße 7; anschließend Festzug und 70-Jahr-Feier am Gasthaus Lohgarten, Hilpoltsteiner Straße 28. Freitag, 16. bis Sonntag, 18. Juli, SL-Bundesverband:
Sudetendeutscher Tag 2021 in München (siehe Artikel auf Seite 1 in dieser Ausgabe der Sudetendeutschen Zeitung).. Samstag, 18. September, 9.00 Uhr, SL-Kreisgruppe RothSchwabach: Ab Thalmässing, Hilpoltstein, Roth-Eckersmühlen, Roth und Schwabach-Vogelherd Denkmalfahrt zu sieben Vertriebenendenkmalen im Kreis Roth und in Schwabach. Auskunft und Anmeldung: Dieter Heller, Telefon (0 9171) 6 00 85, eMail heller_dieter@ t-online.de
ca. 13.00 Uhr
Virtuelles Ankommen Begrüßung: Sprecher Franz Longin Grußwort: Oberbürgermeister Frank Dehmer, Geislingen/Steige Prof. Dr. Matthias Stickler, Institut für Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg: „Die Sudetendeutschen - Historische Anmerkungen zu ih rer Geschichte, Gegenwart und Zukunft“ Im Anschluß Diskussion Dr. Michael Henker, Leiter des Planungsstabes für das Sudetendeutsche Museum: „Sicherung und Wah rung des Kulturerbes – das Sudetendeutsche Muse um in München“ Im Anschluß Diskussion Schlusswort: Franz Longin Ende der Veranstaltung
Das Seminar wird von Franz Longin und Volker App moderiert. Bitte melden Sie sich für diese Veranstaltung per Mail bis zum 23.04.2021 direkt beim Südmährerbund e.V. unter slr@suedmaehren.de an.
Samstag, 24. April, 16.00 Uhr: „Lüge, Geschwurbel oder doch ,die‘ Wahrheit? Was tun mit Corona, Fake News und Verschwörungsglauben?“ Onlineseminar für Multiplikatoren und politisch Interessierte Nichts geschieht durch Zufall. Nichts ist, wie es scheint und alles ist miteinander verbunden. In Krisenzeiten, wie aktuell in der Corona-Pandemie, verbreiten sich Verschwörungserzählungen besonders leicht. Das Coronavirus stellt Politik, Wissenschaft und Gesellschaft vor Aufgaben, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Verschwörungserzählungen bieten häufig so abstruse wie spannende Erklärungen für aktuelles Weltgeschehen und liefern einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte. Doch die Grenzen zu diskriminierenden, antisemitischen und rechtsextremen Inhalten sind dabei schnell überschritten und machen Verschwörungserzählungen somit zu einer Gefahr für die Demokratie. Im OnlineSeminar erfahren Sie, welche Mechanismen und Ideologien hinter diesen Erzählungen stecken, welche Auswirkungen diese auf unser demokratisches Zusammenleben haben und wie man einen reflektierten Umgang dazu fördert . Die Teilnahme ist kostenfrei. Die Veranstaltungen werden nicht aufgezeichnet. Melden Sie sich bis jeweils Freitag, 15.00 Uhr per eMail bei hoertler@ heiligenhof.de an. Am Vorabend erhalten Sie eine Einladungsmail von der eMail-Adresse webinar@heiligenhof.de mit den Zugangsdaten zur Veranstaltung. Wenn Sie keine eMail von uns erhalten, schauen Sie bitte im Spam-/JunkOrdner nach. Diese Adresse dient nur dem Versenden der Begrüßungsmail. Bitte antworten Sie nicht darauf. Weitere Hinweise auf www.heiligenhof.de
Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
5 � Mut tut gut
Der gute Hirte D
� Zum Tod des österreichischen Ausnahme-Journalisten Hugo Portisch mit Wurzeln in Nordböhmen
Kosmopolit, Humanist und überzeugter Europäer Er ist also immer wieder für die Rech- ren. Aber die BBC wurde in allen Spra- raden wird er per Bahn nach Wien gete der Slowaken eingetreten, die Rech- chen abgehört. Bei mir zu Hause immer. schickt, um sich bei der SS zu melden. te der Ungarn, und natürlich ist er auch Also hat das dazugehört, es war das norDurch Bestechung bekommt er mit eingetreten für die Rechte der Deut- male Geschäft eines Journalisten, das drei seiner Freunde einen undatierten schen. Und ist manchmal recht hart ge- abzuhören. Und der Geschichtsprofes- Marschbefehl nach Prag, den sie zu vergen die Prager angegangen in seinen sor, Kratzer hieß der, ein aufrechter De- schiedenen Fahrten durch NiederösterLeitartikeln: Bitte macht nicht den glei- mokrat, der uns also unentwegt beige- reich, das Protektorat und das Sudetenugo Portisch machte mit anderen chen Fehler wie die Habsburger, daß sie bracht hat, was Demokratie heißt, wie land nutzen. In ständiger Bedrohung, als Presseleuten in einem Volksbegeh- den Minderheiten nicht dieselben Rech- Demokratie zu sein hat. Und daß das ei- Deserteur verhaftet und getötet zu werren in den sechziger Jahren den öffent- te gaben wie der Mehrheit. Werdet kein ne geschichtlich wichtige Sache ist, daß den, landet er schließlich in Brüx, bei lich-rechtlichen Rundfunk, den ORF, Völkerkerker! Eure große Chance ist man das weiß. Und man muß unterschei- den Großeltern, wo er den Einmarsch parteiunabhängiger. Seit den achtzi- eben die Demokratie und die Gleichbe- den können zwider Roten Armee „Ich mußte mich nackert ger Jahren erklärte er als zeithistori- rechtigung.“ schen autoritären am Ende des Kriescher Dokumentarist das Werden ÖsterAus seiner Schulzeit schildert er Sze- Staaten und Deges erlebt. ausziehen.“ reichs ab 1945 in der Zweiten Republik nen seiner liberal gesinnten Lehrer. „In mokratien und was „Die Tschechen („Österreich II“) und später dann auch der Schule, wie die Atlantikkonferenz das bedeutet. Und wir haben das alles haben sich sofort aufgespielt als Partisanoch ab dem Tode Kaiser Franz Josephs war, zwischen Roosevelt und Churchill als selbstverständlich hingenommen. nen. Nach Kriegsende waren sie alle Pardas Werden Österreichs in der Ersten (1941, Vorläufer der UNO-Charta) ist be- Das war unser Geschichtsunterricht.“ tisanen. Und meinem Großvater haben Republik („Österreich I“). Was bei allem richtet worden: Und die beiden Staats- „Im Religionsunterricht, wenn der Pater sie eine Watschen gegeben, weil er ein Erklären nicht so im Vordergrund stand, männer haben auf diesem Kriegsschiff Kletzka – ein aus Breslau vor den Na- Steirerhütlein aufgehabt hat. Das haben waren Portischs Herkunft aus Preßburg gemeinsam mit den Matrosen gesun- zis geflü hteter katholischer Priester – sie ihm runtergeschlagen. Das galt naund seine Erfahrungen in Kindheit und gen die große Hymne: ,Onward Christi- hereinkam, sagte er immer: ,Heil Hitler, türlich als Zeichen, daß er kein Tscheche Jugend in der Ersten Tschechoslowaki- an Soldiers‘. Und wir hatten das natür- im Namen des Sohnes und des Heiligen war. Und ich mußte mich nackert ausschen Republik und dem slowakischen lich in der Schule schon gelesen gehabt. Geistes, Vater unser der du bist im Him- ziehen, ob ich nicht eine SS-Rune habe. Staat unter Jozef Tiso zwischen 1939 Und es kam unser Englischprofessor mel und auf Erden.‘ So ist das gelaufen.“ Die SS hat ja Runen gehabt. Und mußund 1945. Das war, herein. Poikovsky Im September 1944 verschärft sich die te mich hinstellen und hab‘ Gottseidank „Werdet keine Völkerkerker.“ bevor er nach Niehieß der. Ein un- Lage, als die Deutsche Wehrmacht ein- keine Rune gehabt. Und dann kam ich derösterreich und geheuer gemüt- marschiert und die Slowakei faktisch vor den Nationalausschuß, das waren so Wien ging, um seine journalistische licher Bursche, auch ein Musikant, der übernimmt. Als Volksdeutschem blüht die Partisanen, die sich die Macht arronKarriere, die er ursprünglich gar nicht hat Harmonika gespielt, Schifferklavier Hugo Portisch der Einzug in die Waffen- diert hatten. angestrebt hatte, zu befeuern. gespielt. Und war uns immer geneigt, SS, nicht in die Wehrmacht. Dahin will Hier sind meine slowakischen PapieIm Sommer 2010 gab er in seinem jede zweite Stunde irgendein englisches er aber unter keinen Umständen wie die re, ich möchte nach Hause. Und da hat Haus in der Toskana seinem Verleger Lied beizubringen. Alle englischen wirk- meisten seiner Klassenkameraden. Erst man gesagt: Selbstverständlich, KameHannes Steiner eine insgesamt 30stün- lichen Volkslieder haben wir bei ihm ge- ist die Rettungsinsel der freiwillige Ein- rad! Dann wurde auf tschechisch draufdige Erzählung seines Lebens, die dieser lernt. Und Liebeslieder und was weiß zug bei der Feuerwehr, die ihn vor dem geschrieben: Zur Rückkehr in die Heiim Laufe einer Woche aufzeichnete. Erst Gott noch alles. Und der kam herein: Einzug in den Krieg bewahrt, denn in matstadt erlaubt, oder so. Hab‘ ich jetzt vor wenigen Wochen, zum 94. Geburts- Bitte ,Onward Christian Soldiers‘! Al- Preßburg steht die größte Ölraffinerie noch. So, und da hab ich mir gesagt, jetzt tag Hugo Portischs am 19. Feber, hatte so machts die Fenster zu! Und dann ha- Mitteleuropas, und die mußte geschützt fahr ich weg, aber nicht direkt nach Braein erster Teil einer auf drei Teile ange- ben wir die Fenster zugemacht. Und werden. Dann – nach dem 18. Geburts- tislava, da weiß ich ja nicht, wie ich da legten Radioerzählung im Österreichi- dann hat er uns gelehrt: ,Onward Chri- tag am 19. Feber und der Notmatura im durch komme, notabene da ich der Spraschen Rundfunk Ö1 Premiere, die mit stian Soldiers‘. (…) Und die BBC, offiziell März – soll Portisch doch noch einge- che nicht gut genug mächtig war. Die erdiesem Material gestaltet wurde. Hu- hat‘s geheißen, man soll sie nicht abhö- zogen werden. Mit allen Klassenkame- kennen mich ja sofort als Deutschen, go Portisch hatte diesen erund wenn du als Deutscher sten Teil noch gehört und, durch Böhmen fahrst, das wie sein Verleger berichtete, wird nicht gut sein. erleichtert und hocherfreut Dann habe ich mir eindarauf reagiert. gebildet, daß ich mich vielWenige Passagen der Oleicht berufen kann, daß ich Töne über seinen Vater Emil zu meinen Großeltern väterPortisch, der seit 1919 Relicherseits nach Sankt Pölten dakteur und ab 1924 Chefkomme. Gibt es vielleicht redakteur der „Preßburger schon eine österreichische Zeitung“ war, über seine ErVertretung in Prag? Blöd lebnisse in der Deutschen wie die Nacht! Steig aus in Evangelischen GrundschuPrag auf dem Wilson-Bahnle und dem katholisch gehof. Komm aus dem Wilsonprägten Deutschen GymnaBahnhof vorne raus, war eisium und schließlich über ne kleine Parkanlage. An die Zeit des Kriegsendes, den Bäumen hingen fünf SSdie Portisch bei den GroßMänner mit den Füßen aufeltern mütterlicherseits im gehängt und ganz verbrannt, nordböhmischen Brüx erlebdie haben sie angezündet te, sollen hier ein Zeugnis von unten. Also die Partisaablegen für einige verbornen haben die SS dort aufgene Aspekte eines rastlogehängt, also Rache genomsen Journalistenlebens, das men. Da bin ich nicht in die seine demokratische GesinStadt gegangen, sondern nung und Freiheitsliebe erwieder eingestiegen in einen klären hilft, die ganz ÖsterZug nach Böhmisch Budreich prägte. weis. Das gab‘s. Die Haltung seines VaBin auch kontrolliert ters Emil Portisch als Chefworden, aber ohne Probleredakteur der liberal-deme mit den Papieren. Böhmokratisch ausgerichteten misch Budweis ausgestie„Preßburger Zeitung“ forgen, gibt’s noch einen andemuliert sein Sohn Hugo so: ren Zug nach Österreich, nur „Also republikanisch, repubis zur Grenze. Jedenfalls bliktreu, froh, daß wir in eibin ich zu Fuß über die Grenner Demokratie leben. Und ze ohne Kontrolle und war in wir bekennen uns zu diesem Gmünd. In einer Heerschar Staat. Aber natürlich fordern von Flüchtlingen, sowohl wir, und auch darin war er von Tschechen vertriebene natürlich ganz groß in dieDeutsch-Böhmen als auch sen Forderungen, daß die KZ-Überlebende.“ Volksgruppen gleichberechSo kommt Hugo Portisch tigt behandelt werden. Und mit 18 Jahren nach Österdaß da von Prag nicht ein Außen- und Medienminister Alexander Schallenberg zeichnet Hugo Portisch 2019 in Wien mit dem Goldenen Ehren- reich, um zu bleiben. Bild: Dragan Tatic unerlaubter Druck ausgeht. zeichen der Republik Österreich aus. Ulrich Miksch Der gebürtige Preßburger Hugo Portisch ist am 1. April mit 94 Jahren in Wien gestorben. Der Österreich prägende Journalist hat in seiner Zeit als weltweit Reisender den Österreichern die Welt erklärt.
H
en vierten Sonntag in der Osterzeit nennt die Katholische Kirche traditionell „Sonntag vom guten Hirten“. An diesem Tag wird als Evangelium ein Abschnitt aus der „Hirtenrede“ des Johannesevangeliums vorgelesen. Darin sagt Jesus: „Ich bin der gute Hirt, ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich; wie mich der Vater kennt, und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.“ Ganz in der Nähe von meinem derzeitigen Wohn- und Wirkungsort, dem Schönenberg bei Ellwangen, gibt es einen Bildstock und darin eine große Nische, in welcher fast lebensgroß eine Sandsteinfi ur von Jesus als gutem Hirten steht. Er hat ein kleines Schaf um die Schultern, welches er links und rechts an jeweils zwei Beinen faßt und trägt. Immer, wenn ich daran vorbeigehe, bleibe ich für einen Moment stehen, um diese Darstellung zu betrachten und sie mir einzuprägen. Eine alte Weisheit sagt: „Du bist, was du schaust.“ Wir leben aufgrund der Medienvielfalt unserer Gegenwart in einer äußerst bilderreichen Zeit. Da gilt es, besonders bedächtig zu sein, welche Bilder wir bewußt in uns aufnehmen wollen und welche nicht. Das Bild vom guten Hirten möchte ich in mich aufnehmen und mich davon leiten lassen. Ein guter Hirte achtet darauf, daß es seinen Schafen gut geht, und zwar in jeder Wetterlage. Das ist mir gerade in unserer Corona-Zeit gegenüber den mir anvertrauten Menschen wichtig. Nicht immer kann dies in zufriedenstellender Weise geschehen, aber ich möchte mich wenigstens darum bemühen. Doch ich schaue nicht nur auf die Figur des Hirten, wenn ich vor dem Bildstock stehe. Ich nehme bewußt auch das Schaf in den Blick. Auch hier gilt: „Du bist, was du schaust.“ Ich bin also auch ein solches Schaf. Mit anderen Worten: ein hilfsbedürftiges Geschöpf, das nach erfülltem Leben sucht, sich manchmal verirrt oder im Gestrüpp des Alltags verheddert, das ab und zu müde oder verwundet ist und deswegen getragen werden muß. Mein Glaube sagt mir: Jesus kennt mich besser als ich mich selbst. Er fordert mich durchaus heraus und mutet mir manches zu, aber er trägt mich auch. Hier fällt mir ein Wort aus dem Matthäusevangelium ein: „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“ Und zugleich kommt mir der Melodie- und Textabschnitt einer Kantate von Johann Sebastian Bach in den Sinn: „Schafe können sicher weiden, wo ein guter Hirte wacht. Wo Regenten wohl regieren, kann man Ruh und Frieden spüren, und was Länder glücklich macht.“ Der Barockkomponist hatte diese Kantate zwar für einen irdischen Regenten geschrieben, nämlich für Prinz Christian von Sachsen-Weißenfels. Doch immer, wenn ich die Sopran-Arie höre, denke ich an den einen wahren guten Hirten aller Menschenseelen. Wo Jesus Christus wacht, dürfen wir sicher weiden. Deswegen ist es sinnvoll, sich immer wieder neu mit seiner Botschaft zu beschäftigen, im Gebet mit ihm Beziehung zu pflegen und etwas von seiner Liebe und seinem Frieden in die Welt hineinzutragen. Dr. Martin Leitgöb CSsR Seelsorger der katholischen Pfarrei Ellwangen-Schönenberg
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FORUM
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
PERSONALIEN SLÖ-Bundesvizeobmann aus dem Schönhengstgau
Gemälde von und mit Willi Sitte ERGÄNZUNG
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um Artikel „Versuch einer Annäherung“ zum 100. Geburtstag des gebürtigen Kratzauer Malers Willi Sitte von Ulrich Miksch ( SdZ 14+15/2021). In meinen Artikel schlich sich beim Redigieren eine Ungenauigkeit ein. In dem 1972 erschienen Interview Willi Sittes, das der Schriftsteller Erik Neutsch führte und unter Zensurbedingungen publiziert wurde, sprach Sitte von der „Schukow-Aktion“, die die Übersiedlung seiner Familie in die SBZ ausgelöst habe. Dies war eine Propagandalüge und der kommunistischen Sprachregelung in der „DDR“ geschuldet. In Wahrheit waren es die von der Tschechoslowakischen Republik ausgehenden Antifa-Transporte,
die Kommunisten in die SBZ und Sozialdemokraten in die westlichen Besatzungszonen abschoben unter Mitnahme ihres beweglichen Eigentums. Vertrieben wurden letztlich auch sie. Und Sozialdemokraten gehörten im Denken der „DDR“ nicht zu den Antifaschisten. Wenzel Jaksch, den letzten Vorsitzenden der DSAP, der sich ins britische Exil retten konnte, machte die „DDR“-Propaganda zum obersten Revanchisten. Sie unterstellte unterschwellig, er sei ein verkappter Nationalsozialist gewesen. Noch immer steht das verklausuliert im WikipediaEintrag über Jaksch, eine späte Frucht unablässiger Lügerei. Ulrich Miksch
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Helge Schwab 80 Am 30. April feiert Helge Schwab, SLÖ-Bundesvizeobmann aus dem Schönhengstgau, in Graz 80. Geburtstag.
S
LÖ-Bundesobmann Gerhard Zeihsel: „Alles begann in der Spielschar der Schönhengster. Dort wurden wir Freunde und sind es bis heute. Von Herzen gratuliere ich meinem Stellvertreter und Weggefährten und wünsche uns eine gute Zukunft!“ Zur Welt kam Helge Schwab in Zwittau. Seine Eltern sind Emil und Maria Schwab, verheiratet ist er mit Ursula SchwabHarich 1945 vertrieben die Tschechen ihn und seine Familie. Über die Sowjetische Besatzungszone in Deutschland, dort absolvierte er sein erstes Schuljahr, gelangte die Familie 1947 nach Graz. Dort ging Helge Schwab auf das Pestalozzi-Gymnasium. Acht Sommer verbrachte er bei Gasteltern in Dänemark. Seitdem hat er eine enge Bindung zu Sprache und Kultur Dänemarks. Schwab studierte Germanistik und Klassischen Philologie in Graz. Anschließend lehrte er dort
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am Gymnasium Köflach und am Lichtenfelsgymnasium. Drei Monate lang lehrte er in den USA, 30 Jahre lang war er Administrator am Lichtenfelsgymnasium. Daneben war er Lektor am germanistischen Institut der Universität, an der Pädagogischen Akademie, an der BerufsPädagogischen Akademie und am Vorstudienlehrgang der Grazer Universitäten. Lehrbeauftragter war er an der Bildungsinstitution WIFI und 20 Jahre lang Mitglied der Landespersonalvertretung der Lehrer an Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS). Am 1. Januar 2002 ging er in Pension. Ehrenamtlich war Schwab bis 1987 Landessekretär des Österreichischen Akademikerbundes. Er ist Gründungs- und Präsidialmitglied der Solidaritätsaktion für arbeitslose Lehrer Steiermark (SALE) und Obmannstellvertreter des Alpenländischen Kulturverbandes Südmark. Vor allem aber ist er Stadtgruppenobmann und Landesobmann-
stellvertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Für sein berufliches und ehrenamtliches Wirken verlieh ihm die Republik Österreich ihr Goldenes Ehrenzeichen. Als Sudetendeutscher mit einer steirischen Mutter gratuliert Volksgruppensprecher Bernd Posselt diesem „Landsmann in doppelter Hinsicht“ herzlich zum Geburtstag: „Helge Schwab ist ein vornehmer und gebildeter Mensch, der mit leisen Tönen, aber wenn nötig sehr deutlicher Stimme seine und unsere Anliegen zu vertreten weiß. Eine beeindruckende diplomatische Begabung wurde ihm offenbar schon in die Wiege gelegt. So versteht er es, auf kluge und respektvolle Weise immer wieder Brücken zu bauen und die Kräfte zusammenzuführen. Ich danke ihm für seinen Einsatz für unsere Volksgruppe und wünsche ihm von Herzen weiterhin viel Glück, Erfolg, Gesundheit und Gottes Segen.“ Nadira Hurnaus
Ein Tüftler und Forscher aus dem Altvatergebiet
Eduard Otto Schnaubelt †
Ich/wir bestelle/n zum Bezug per Postzustellung die Sudetendeutsche Zeitung mit Reichenberger Zeitung · Heimatbote · Heimatruf Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft wöchentlich (125,00 EUR im Jahr) Reichenberger Zeitung Nordböhmische Umschau 24 Ausgaben (62,50 EUR im Jahr) Neudeker Heimatbrief für die Heimatfreunde aus Stadt und Landkreis Neudek 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr)
Pfarrkirche von Wachtl.
Am 29. März starb der aus dem Altvatergebiet stammende Eduard Otto Schnaubelt mit 96 Jahren in Augsburg. Margaretha Michel gedenkt seiner.
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eine Bekannte Christiane Müller/Bittner aus Bergstadt im nordmährischen Kreis Römerstadt strebte am Sudetendeutschen Tag immer zum Tisch ihres Landsmannes Eduard Schnaubelt. Auch ich lernte diesen liebenswerten Mann kennen. Er kam am 22. Oktober 1924 als Sohn des örtlichen Schmieds in Bergstadt zur Welt. Die Mutter Theresia, geborene Negratschker, stammte aus einer Weberfamilie und war vor der Heirat bei verschiedenen Familien im Dienst. Nach einiger Zeit in Wien kam sie zum Fürsten Ferdinand Harrach in Janowitz. Beider Sohn Eduard war anfangs von schwächlicher Natur. Er erlernte das Tischlerhandwerk. 1943 wurde er – gerade 18 Jahre alt – von der Deutschen Wehrmacht eingezogen. Sein Einsatzort lag am Dukla-Paß zwischen Polen, der Slowakei und der Ukraine. In Geschichtsbüchern heißt es über dieses Gebiet: „Ein Vernichtungsplatz für die eingeschlossenen deutschen Streitkräfte.“ In seinen Erinnerungen schreibt Schnaubelt darüber und bezeichnet seine Zeit dort als einen Wechsel zwischen Durchschlagen und Verstekken. Ein Kampfgeschehen finde kaum statt. Er kam schließlich in Kriegsgefangenschaft und überlebte wie durch ein Wunder die ärgste Zeit seines Lebens. Schließlich wurde er in das Lager Ausschwitz gebracht, das nach dem Krieg von den Russen weiterbetrieben wurde. Aufgrund einer Amnestie der Russen konnte er zu Fuß in seine Heimat Bergstadt zurückkehren. Dort wurde er sofort wieder zu Zwangsarbeit für die Tschechen verurteilt. Er arbeitete in Römerstadt in einer Tischlerei. 1946 vertrieben die Tschechen ihn mit seinen Eltern. Die Familie strandete im bayerisch-schwäbischen Augsburg. Dort arbeitete er zehn
Jahre lang in einer Schreinerei. In seiner Firma herrschten ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Mitte der fünfziger Jahre begann er, Transistorradios in Deutschland zu bauen, die mit Batterien betrieben werden konnten. 1957 machte er einen Elektrotechnik-Fernkurs und konnte als Elektromechaniker zu Osram wechseln. Er konnte bis 1984 sehr erfolgreich seine Fähigkeiten in dieser Firma einbringen. Einige elektrotechnische Patente bis hin zu Fernsehauftritten waren die Höhepunkte seiner Karriere als Tüftler und auch Forscher für weitere Anwendungen, die das Leben der Menschen erleichtern sollten. Nach dem Tod seiner Mutter ging er aufgrund gesundheitlicher Probleme im Alter von 60 Jahren vorzeitig in den Ruhestand. In den Folgejahren widmete er viel Zeit der Erforschung und Aufarbeitung der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg im Sudetenland und insbesondere in seiner Heimat Bergstadt im Kreis Römerstadt. Zahlreiche Reisen führten ihn in die alte Heimat. Er organisierte auch Treffen von früheren Bergstädtern und Fahrten nach Andechs in Oberbayern sowie zu den Stammtischen auf den Sudetendeutschen Tagen, wenn sie auf dem Augsburger Messegelände stattfanden. Geistig immer rege und wach blieb er stets interessiert und offen für neue Entwicklungen, den Fortschritt und technische Neuerungen. Sein Leben lang war er aber auch geprägt von einer tiefen Spiritualität und dem Glauben an Wahrheiten jenseits des Offensichtlichen. Gedankenübertragung, Mitgefühl und die Überzeugung, daß die Seele nach dem Tod weiterleben werde, gaben ihm immer wieder das Vertrauen auf einen Sinn in seinem sonst so bescheidenen und oft wenig freudvollen Leben. Er glaubte fest daran, daß im Leben letztlich eine ausgleichende Gerechtigkeit herrscht und jedes Glück und jedes Unglück am Ende in Einklang gebracht werden.
Am liebsten hätte er eine Maschine konstruiert, mit der er das hätte messen und seine Theorie bestätigen können. Seine liebevollen Nachbarn betreuten und begleiteten ihn bis zum Ende. Aber auch Christiane Müllers Sohn Peter, der in Augsburg wohnt, hatte sich mit dem Landsmann angefreundet. Er wurde sein Betreuer. Darüber sagte er: „Ich bin sehr dankbar, daß ich ihn auf seinen letzten Schritten begleiten, seinen Geschichten zuhören und nicht selten seine Selbstzweifel zerstreuen durfte. In seinem 97. Lebensjahr begann sich der Lebenskreis zu schließen. Seine körperlichen Kräfte begannen ihn so weit zu verlassen, daß er nun alte Kameraden beneidete, die schon vor ihm diesen Weg gegangen waren. Menschen, die diese enge Schleuse, wie er sagte, bereits passiert hätten. Auch ohne eine eigene Familie gegründet zu haben, auch ohne eigene Kinder, fand er Menschen, die ihn gerne mit Liebe und Fürsorge bis zum Schluß begleiteten. Zur rechten Zeit hatte er dafür gesorgt, daß auch über den Tod hinaus die notwendigen Dinge geordnet sind. Nach diesem Leben, in dem er sich die Selbstbestimmtheit hart hatte erkämpfen müssen, bedurfte es großen Mutes und Vertrauens, diese Selbständigkeit auch wieder loszulassen und sich dem Lauf des Lebens und Sterbens hinzugeben – zuweilen ein Kampf mit Dämonen, Ängsten und großer Hilflosigkeit. Dennoch wollte er stets die Geduld aufbringen, sich dem göttlichen Terminkalender zu fügen. Am Montag, den 29. März, konnte sein Herz endlich Ruhe finden, nachdem es 96 Jahre lang geschlagen hatte.“ Magdalenenkirche in Bergstadt.
Mährisches Urgestein
Josef Dostal 80 Am 9. April feierte Josef „Josi“ Dostal, ein mährisches Urgestein, seinen 80. Geburtstag im oberfränkischen Creußen.
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osi Dostal stammt aus Wachtl südlich von Olmütz. Der Ort gehört als Sprachinsel Wachtl/ Brodek zum Schönhengster Kreis Mährisch Trübau in Mähren. Zu seinem Heimatort hat er eine enge Beziehung. Im Internet stellt sich seine Schreinerei so vor: „1920 wurde die Firma Alois Dostal in Wachtl gegründet. Nach der Vertreibung richtete Alois Dostal 1947 die Werkstatt in einer Flüchtlingsbaracke in Creußen ein. Der erste Schwerpunkt der Fertigung waren Einrichtungsgegenstände wie Küchen-, Schlaf- und Wohnzimmerschränke. Ab 1950 wurde die Produktion um Fenster, Zimmer- und Haustüren erweitert. 1962 wurde ein neues Wohnhaus mit Werkstatt gebaut. Diese Räumlichkeiten werden bis heute genutzt. Nach der Meisterprüfung übernahm Josef Dostal 1970 den Betrieb. Seitdem waren statt bisher zwei vier Gesellen beschäftigt. 1972 kam die Fertigung von Industrieprodukten aus Holz hinzu. Die Werkstatt wurde um einen weiteren Maschinen- und Lagerraum erweitert. Für die 1988 begonnene Produktion von Luftbrettern für die Druckindustrie kam ein neuer Lackierraum hinzu. Mittlerweile wird der Betrieb in dritter Generation geführt. Christian Dostal übernahm nach bestandener Meisterprüfung in Ebern 2005 den Betrieb. Dieser ist auch Ausbildungsbetrieb und Mitglied in der Schreinerinnung in Bayreuth. Aktuell beschäftigen wir zwei Gesellen in Vollzeit, zwei Teilzeitkräfte sowie in der Regel einen Auszubildenden oder eine Auszubildende.“ Die erste Zeit in Creußen verbrachte Josi Dostal wie sein Freund Rudolf Grulich im großen Lager. Er war früh am Gemeinschaftsleben der Sudetendeutschen beteiligt und engagierte sich besonders bei der Ackermann-Gemeinde, wo er Diözesansprecher für das Bistum Bamberg war. 1972 wurde er erstmals in den Creußener Stadtrat gewählt. Josi war 18 Jahre lang Mitglied des Bayreuther Kreistages, 36 Jahre lang Mitglied des Creußener Stadtrates und 24 Jahre lang Zweiter Bürgermeister von Creußen. Eng war er auch mit der neuen Kirchengemeinde verbunden und der Errichtung der Kirche und des Kindergartens. Die SL dankt ebenfalls für sein langjähriges Mitwirken im Orts- und Kreisvorstand. Josi erfreut sich an Kindern und Enkeln. Er ist jedoch durch die Betreuung seiner Ehefrau Maria gebunden. Seine Landsleute und Freunde wünschen ihm dafür viel Kraft und Gesundheit. Margaretha Michel
Wegen der Corona-Pandemie muß die Gaststätte Zum Alten Bezirksamt im Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München weiter geschlossen bleiben. Stattdessen zeigt das HDO auf seinem Internet-Kanal Videos mit der Anleitung zum Selberkochen. Im neuesten Film bereiten HDO-Direktor Andreas Otto Weber und der Musiker Mulo Francel böhmische Knödel nach einem Rezept aus dem HDO-Kochbuch „Kann Spuren von Heimat enthalten“ mit veganem Gulasch zu. Umrahmt wird der kleine Kochkurs von Saxophonist Francel mit Musik der Band „Quadro Nuevo“.
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ir sind heute in der Küche von meinem Freund Mulo Francel im schönen Oberbayern“, so Andreas Otto Weber. „Der aus Böhmen stammende Musiker hat schon unser HDOJubiläumskonzert im letzten Jahr wunderbar musikalisch gestaltet“, erzählt Weber. „Und Mulo wollte endlich wieder einmal böhmische Knödel wie bei seiner Oma Ada essen.“ Das Rezept habe Francels Großmutter aus der Gegend von Teplitz-Schönau mitgebracht, wo sie zur Welt gekommen sei. Die Zubereitung finde sich jedoch auch im HDO-Kochbuch „Kann Spuren von Heimat enthalten“ mit Rezepten aus dem deutschen Osten. Auf mehr als 150 Seiten habe das Herausgeberteam vom HDO typische Rezepte der Deutschen aus dem östlichen Europa erstmals versammelt. Böhmische Knödel allein seien jedoch noch kein Gericht, sondern würden meist serviert mit Fleisch wie Schweinebraten oder Svíčková, dem böhmischen Rinderlendenbraten. „Wir wollen dazu heu-
te ein Veggie-Gu- � HDO-Online: Kochkurs im Netz Francel. Weber liefert lasch machen, das ich dazu einen besondeschon öfter gekocht ren Clou. Der HDOhabe“, ergänzt FranDirektor hat einen cel. Beide Köche stelböhmischen Originallen die Zutaten zu ihKnödelschneider aus ren Gerichten vor, den fünfziger Jahren die sie mengenmäßig mitgebracht, mit dem dem heutigen Appetit er die beiden Rollen angepaßt haben. in Scheiben zerteilt. Mulo Francel präDie beliebten böhsentiert die Zubereimischen Knödel wertung der fleis hloden so hergestellt: sen Gulasch-Variante: Man schneidet Sem„Die tags zuvor würmeln in kleine Würzig marinierten Sofel, röstet sie in Butter jaschnetzel scharf angoldbraun an und läßt braten, viele Zwiesie auskühlen. Dann beln schneiden und griffiges Mehl in eirundum glasig anner Schüssel mit einer dünsten.“ Die angeguten Prise Salz und bratenen SojaschnetBackpulver vermenzel und Zwiebeln wergen. „Eier mit Wasser den in einem großen und Milch verrühren, Topf zusammengeüber das Mehl gießen fügt, mit Gemüsebrüund gut zu einem weihe und Rotwein abchen Teig verkneten gelöscht. Alles solle und eine halbe Stunde rasten lassen“, Mulo Francel und HDO-Direktor Professor Dr. Andreas Otto Weber mit den Zutaten für die Knödel, die man schmoren lassen zeigt Weber. (unten) mit dem Soja-Gulasch auf dem Teller landen: www.youtube.com/watch?v=V1TOZEWSDWg und mit viel Paprika edelsüß, Thymian Die ausgekühlten und Majoran würzen Semmelwürfel wersowie eine gute Portiden in den Teig einon Tomatenmark und gearbeitet, der dann Knoblauch zugeben. auf einer bemehl„Alles andere ist ten Arbeitsflä he zu Improvisation“, so der einer Rolle geformt Musiker. „Man kann wird, die man in der nach Belieben und Mitte teilt. In einem Verfügbarkeit diverausreichend großen ses kleingeschnitteTopf wird reichlich nes Gemüse zugeben Salzwasser zum Kowie Gemüsepaprichen gebracht, in den ka, Bohnen, Tomaten, man die Teigrollen Mais, Frühlingszwielegt und in dem man beln, Lauch, Chili die Rollen zugedeckt oder Pilze.“ Dazu hat 30 Minuten köcheln Weber selbstgesamläßt. Nach der Hälfte der Zeit sollte man die Rollen werden, etwa mit einem Elektro- ein Bindfaden eignet sich“, er- melte und gedörrte Steinpilze wenden. Zum Servieren sollen messer oder scharfem Brotmes- läutert Weber. „So hat das mei- mitgebracht, über die sich Fransie in dicke Scheiben geschnitten ser mit Wellenschliff. „Aber auch ne Oma gemacht“, erinnert sich cel besonders freut.
Knödel mit Musik
Francel zeigt Zutaten wie die eingeweichten Sojaschnetzel in der Mitte. Aufgrund der Maßnahmen der Regierungen zur Eindämmung einer weiteren Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 bleibt das Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München weiterhin geschlossen. Das HDOTeam setzt jedoch sein digitales Kultur- und Bildungsprogramm HDOnline fort. So liest die Schriftstellerin Iris Wolff in einem Video im Netz aus ihrem jüngsten Buch „Die Unschärfe der Welt“. Bei der Begleitveranstaltung zur aktuellen HDOAusstellung „Wer bin Ich? Wer sind Wir? Zu Identitäten der Deutschen aus dem östlichen Europa“ unterhielt sich HDOKulturreferentin Patricia Erkenberg mit der Autorin, die HDODirektor Andreas Otto Weber vorstellte.
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ris Wolff hat schon alle ihre Bücher bei uns vorgestellt“, freute sich Andreas Otto Weber. „Ich freue mich, daß es trotz Corona jetzt möglich ist, sie wieder zu Gast zu haben“, betonte der HDO-Direktor. Die 1977 in Hermannstadt in Siebenbürgen geborene Autorin sei schon 2013 mit ihrem ersten Roman „Halber Stein“ im HDO gewesen. Später habe sie dort auch „Leuchtende Schatten“ (2015) und „So tun, als ob es regnet“ vorgestellt (Ý SdZ 37/2017). „Nun ist sie mit ihrem neuesten Werk bei uns, um daraus zu lesen und darüber zu sprechen.“
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
Mulo Francel mit Saxophon und Andreas Hinterseher mit Akkordeon.
Da beide Köche parallel arbeiten, aber ständig wegen Corona Abstand halten müssen, dauert es, bis sie sich über den gefüllten Tellern mit Bier zuprosten können. „Die Knödel sind fluffi und schmecken wie bei Oma Ada“, befindet Francel. Und Weber meint: „Das Gulasch wirkt tatsächlich wie gut gewürztes Rindfleis h.“ Das leckere Essen wird auch musikalisch gewürzt: Mit seinem Saxophon stimmt Francel „Ada‘s Song“, benannt nach Oma Ada, und „Ein Sommertag“ an, die aus seinem Album „Crossing Life L ines“ stammen. Passend erklingt auch „Paprika“ aus dem Album „Mulo Francel & Evelyn Huber: Songs of Spices“. Bei der Musik begleitet Francels BandKollege Andreas Hinterseher auf dem Akkordeon. Dem Tastenkünstler ist ebenfalls das Video zu verdanken. Wie so oft bei den Auftritten von „Quadro Nuevo“ wirkt Hinterseher als Kameramann und Schnittmeister. Susanne Habel
Weber zeigt das Kochbuch „Kann Spuren von Heimat enthalten“. (Volk-Verlag, München 2017; 156 Seiten, 19,90 Euro. ISBN 978-386222-217-9)
Der original böhmische Knödelschneider kommt zum Einsatz.
Für das neue- � Buchvorstellung im Netz sagt sie dazu. Man ste Buch „Die Unkönne ja alles schärfe der Welt“ leicht nachschlahabe Wolff den gen und auf einer Marieluise-FleiKarte nachsehen. ßer-Preis erhal„Die Leser sollen ten. Darin erzähle voll eintauchen in sie die Geschichte diese Welt und in einer Familie aus die Figuren, für dem Banat, deren die das alles AllBande so eng seitag ist.“ Die Handen, daß sie selbst lung wird aus sieüber Grenzen hinben verschiedenen weg nicht hätten Perspektiven darzerrissen werden gestellt. In jedem können. der sechs Kapitel Der HDO-Dispielt einer andere rektor, der die Figur die HauptSchriftstellerin zurolle, und dennoch vor durch die Aussind alle andestellung „Wer ren Protagonisten bin Ich? Wer sind auch präsent. AlWir? “ führte, ist le Personen hätten dann nur Zuhösich beim Schreirer, als Iris Wolff ben erst entwicvon der HDO-Kulkelt, erinnert sich turreferentin Pa- Iris Wolff, HDO-Direktor Professor Dr. Andreas Otto Weber und seine Mitarbeiterin Patricia Erkenberg. die Autorin. Diese tricia Erkenberg Multi-Perspektive, über ihr Buch befragt wird und guren. Als es später im Buch ein- lak im Kreis Arad aufgewachsen die sie anwende, zeige auch, wie daraus liest. Zunächst bietet Iris mal schneit, wird der kleine Sa- und erst mit acht Jahren nach wandelbar letztlich Identität sei, Wolff Auszüge aus dem Roman muel sein erstes Wort sprechen: Deutschland gekommen“, erläu- meint Iris Wolff. anfang. Hier geht es darum, wie „Zăpadă“, das heißt „Schnee“ tert Wolff auf die Frage von MoLetztlich seien jedoch die Fidie schwangere Florentine, Ehe- auf Rumänisch. deratorin Erkenberg. Viele der guren Kinder ihrer Zeit, die in befrau des evangelischen Pastors Schon in dieses Szenen erlebt Sprachen spreche sie nicht mehr stimmten gesellschaftlichen und Hannes, im Pferdeschlitten ei- der Zuhörer die Sprachgewalt aktiv, aber die Mehrsprachigkeit politischen Systemen aufwüchnes Fischhändlers zur Bahn ge- der Autorin und die Vielschich- habe sie geprägt. sen und damit zu kämpfen hätbracht wird. Da sie Blutungen tigkeit einer multinationalen Begriffe wie „Banat“ habe sie ten. Es solle aber auch immer ethatte, will Florentine nach Arad Welt zwischen Rumänen, Deut- im Buch auch nicht weiter erklä- was in ihrem Kern konstant sein: in ein Krankenhaus, um ihr un- schen und Siebenbürgern, aber ren wollen, wie sie es noch in ih- „Etwas, das eigentlich unbegeborenes Kind zu retten. Dies auch Ungarn, Slowaken und Ser- rem ersten Roman „Halber Stein“ rührt bleibt von den Schicksalsgelingt, und das Baby, Sohn Sa- ben. „Ich bin mit vielen Sprachen getan habe. „Ich habe mich ge- schlägen eines Lebens, von der muel, wird zu einer der Hauptfi- in Hermannstadt und in Sem- gen ein Glossar entschieden“, Wechselhaftigkeit der Geschich-
Wandelbare Identität
te, vor allem des letzten Jahrhunderts.“ Denn der Roman beginnt im Rumänien der siebziger Jahre und spiegelt die Geschichte von der Ceaușescu-Ära bis zur Wende- und Nachwendezeit. Und einen guten Einstieg in das Werk bietet dieses Video im Rahmen des HDOnline-Projektes „Autorinnen lesen“, einem Forum für Schriftstellerinnen aus Deutschland und dem östlichen Europa. Susanne Habel Video im Netz: www.youtube. com/watch?v=tOot__yOX6I
Iris Wolff: „Die Unschärfe der Welt“. Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2020; 216 Seiten, 20 Euro. (ISBN 978-3-608-98326-5)
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
� Buchvorstellung des Adalbert-Stifter-Vereins im Netz
Tachau, Pilsen und Prag als Schauplätze Der Adalbert-Stifter-Verein (ASV) stellte im Netz „Geschichte in indirekter Rede“ von Alena Zemančíková vor. Anna Knechtel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des ASV, sprach mit der tschechischen Autorin über ihr autobiographisches Buch und übersetzte ihre Aussagen in Untertiteln im Video. Die Schauspielerin Katja Amberger las Passagen aus der deutschen Übersetzung von Daniela Pusch. Die Begrüßung übernahm Sonja Hefele, die Vorsitzende der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft Augsburg als Mitveranstalterin. Die Internetpräsentation fand in Kooperation mit dem Tschechischen Zentrum München und mit freundlicher Unterstützung des Tschechischen Literaturzentrums statt.
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lena Zemančíková wurde 1955 in Prag geboren, wuchs jedoch in Tachau auf. Sie schaffte es schließlich, Dramaturgie an der Prager Fakultät für Theaterwissenschaften (DAMU) zu studieren. 1988 begann sie als Dramaturgin im Westböhmischen Theater in Eger und arbeitete ab 1997 beim Rundfunk als Kulturredakteurin und Dramaturgin. Alena Zemančíková verfaßte Theaterstücke und Hörspiele, Reportagen, Feuilletons, Essays, ein Kinderbuch und Prosatexte. Für die Hörspielfassung ihrer Erzählung „Lukava“ erhielt sie 2004 den Prix Bohemia Radio. Ihr Erzählband „Bez otce“ (Ohne Vater, 2008) wurde mehrfach ausgezeichnet. Da sie sich künstlerisch besonders mit der Vergangenheit im deutsch-tschechischen Grenzgebiet auseinandersetzt, verlieh ihr das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren ein Hamburg-Stipendium. Alena Zemančíková lebt und schreibt in Prag. Und aus Prag ist die Autorin im Video zugeschaltet, um über ihr Buch „Geschichte in indirekter Rede“ zu sprechen. Ihre Gesprächspartnerin ist Anna Knechtel, die in der ASVBibliothek in München am Stehpult Fragen an die Autorin stellt. Zunächst liest Katja Amberger eine Passage vom Anfang des Romans, dessen Inhalt sich über Jahrzehnte hinzieht und der zwischen Prag und Westböhmen spielt. Darin geht es um den Bruder der Erzählerin, mit dem sie eine komplexe Beziehung hat. Denn in „Geschichte in inIn Corona-Zeiten bleiben als Kulturangebote vor allem Präsentationen im Netz und Bücher, ob alt oder neu. Neu erschienen ist kürzlich das „Stifter-Jahrbuch“ des Adalbert-Stifter-Vereins (ASV), das eine Fülle von interessanten Texten enthält.
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as für ein Jahr“, stöhnen im Geleitwort ASV-Geschäftsführerin Zuzana Jürgens und ihre Mitarbeiterin Franziska Mayer. Das Jahr 2020 ist in der Rückschau von der Corona-Pandemie und ihren vielfältigen Einschränkungen geprägt, die jedoch nicht alle kulturellen und literarischen Leistungen verhindern konnten. Und so findensich in der neuen Publikation viele abwechslungsreiche Betrachtungen. Einen „Sprachenstreit“ gab es auch einmal in der Musik: Jozo Džambo rekonstruiert – passend zum Beethoven-Gedenkjahr anläßlich des 250. Geburtstags des Komponisten – einen Konzertskandal um dessen „Neunte“ in Prag. Außerdem rezensiert der frühere ASV-Mitarbeiter Džambo eine Biographie von Riccardo Concetti über Robert Michel, einen österreichischen „Dichter-Offizier zwischen Halbmond und
Schriftstellerin Alena Zemančíková, Schauspielerin Katja Amberger, Moderatorin Anna Knechtel und Sonja Hefele, die Vorsitzende der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft Augsburg, im Video, das noch im Netz ist: www.youtube.com/watch?v=N8q6cgNYldA direkter Rede“ schildert Alena Zemančíková – sicher oft autobiographisch – die Geschichte einer Familie während der kommunistischen Zeit im westböhmischen Grenzgebiet. Zu Beginn des Romans erfährt Anna, die Ich-Erzählerin, vom Selbstmord ihres Bruders. Das stürzt sie in einen Strom von Erinnerungen an die Kindheit der in den Fünfzigern geborenen Geschwister, vor allem in Pilsen und in der Grenzstadt Chodov, im Buch der fi tive Name für das westböhmische Tachau. Nach der frühen Trennung der Eltern wird Anna, die Ich-Erzählerin des Romans, von ihrem Bruder Vítek getrennt: Sie bleibt bei der Mutter, zunächst in der Villa eines vertriebenen sudetendeutschen Unternehmers in Chodov, später in Pilsen. Bruder Vítek landet bei Vater Richard, der in Prag Karriere beim Rundfunk macht und früh stirbt, so daß der Bruder teils im Internat, teils bei der Oma in Pilsen leben muß. Anna berichtet nun – mit vielen Zeitsprüngen über mehrere Jahrzehnte – über das Schicksal ihrer Familie vor dem Hintergrund der kommunistischen Tschechoslowakei, besonders nach dem Ende des Prager Frühlings und dem Einmarsch der Sowjettruppen und während der traumatischen Phase der Normalisierung in den Siebzigern und Achtzigern. Und sie erinnert sich an die „Dinge, über die nicht geredet wurde“ während der Kindheit im westböhmischen Grenzgebiet, wo sie nach der Vertreibung der Deutschen von den früheren Bewohnern immer wieder Spuren findet. Die Lebenspläne aller werden durch die politischen Umstände weitgehend zerstört: Vítek wird zum für
ihn qualvollen Militärdienst ge- geredet wurde“ im westböhmizwungen. Die schöngeistige, ge- schen Grenzgebiet, wo sie nach bildete Mutter verliert aus po- der Vertreibung der Deutschen litischen Gründen ihre Stelle in von den früheren Bewohnern imeiner Bibliothek und wird La- mer wieder Spuren findet geristin auf dem Güterbahnhof Mit dem Selbstmord des BruPrag-Žižkov. Ihr neuer Lebensge- ders beginnt für Anna die Aufarfährte, der Regisseur und Lehrer beitung: Sie akzeptiert Víteks ErSaul, kommt ebenfalls nicht gut be, bezahlt seine Schulden und mit dem Rebeerdigt ihn im gime klar, paßt Pilsener Famisich bis zur liengrab. Als Frühpensioauch ihre Mutnierung jedoch ter stirbt, ist an. Und AnAnna soweit. nas Wunsch, Sie verschafft Dramaturgie der Mutter gezu studieren, nau dort eine scheitert ebenletzte Ruhefalls an der stätte, wo diese Reglementieals junge Frau rung, denn sie am glücklichgehört nicht sten war: im der ArbeiterGrenzgebiet klasse an und bei Tachau am gilt als poliFluß Mies. tisch und soziÜber dieal untragbar. ses Buch führt Nach zwei Anna Knechtel gescheiterim Internet mit ten Beziehun- Alena Zemančíková: „Geschichte in der Autorin ein gen rätselt An- indirekter Rede“. Klak-Verlag, Berlin tiefgehendes na auch über 2016; 232 Seiten, 16,90 Euro. (ISBN Gespräch, das die Beziehun- 978-3-948156-10-7) Lesungen dargen zwischen aus unterbreMann und Frau oder Eltern und chen. Als erstes fragt Knechtel Kindern. Auch der Bruder hat nach der zerrissenen Familie, in mehrere Ehen hinter sich, als der die Erzählerin – und auch er sich dem Alkohol ergibt und die Autorin – ohne Vater aufschließlich umbringt. wachsen mußte. Zemančíková: Da die Protagonisten alle ir- „In unserem Kulturkreis ist das gendwie „sprachlos“ sind und doch nicht unüblich.“ Über Gesich nicht offen äußern können, nerationen seien die Väter fortist das Buch auch weitgehend in gegangen, zur Arbeit oder in den indirekter Rede geschrieben – Krieg, und oft hätten sie auch eidaher der Titel. Allerdings wird ne Anstellung weit weg von der wörtlich aus Briefen zitiert. Was Familie gehabt. Schlimmer sei nicht gesagt werden kann, wird ein Aufwachsen ohne Mutter, eben geschrieben. wie es Vítek, der Bruder der ErDie Erzählerin erinnert sich zählerin in „Geschichte in indiauch an „Dinge, über die nicht rekter Rede“ erlebe. Sein Leid
und sein Selbstmord hätten ihren Ursprung darin, daß die Eltern der Kinder den katastrophalen Entschluß gefaßt hätten, ihre Kinder bei der Trennung in sehr frühem Alter unter sich aufzuteilen, so daß jeder von ihnen ein Kind aufgezogen habe. Befragt zum historischen Hintergrund, also der „Normalisierung“ nach dem Prager Frühling und dessen Niederschlagung durch die Truppen des Warschauer Pakts im August 1968, sagt die Autorin: „Die ,Normalisierung‘ war überhaupt kein Normal-Werden. Man wollte damit ausdrücken, daß die Verhältnisse im Frühjahr 1968 oder in den gesamten späten Sechzigern irgendwie nicht normal waren und man jetzt eben wieder zu ,normalen‘ Verhältnissen zurückkehren werde. Aber genau das Gegenteil traf zu: Dieses Wort war wirklich widerlich und extrem verlogen!“ Von dieser „Normalisierung“ sei ihre Mutter besonders stark betroffen gewesen. „Meine Mutter war überhaupt kein bedeutender Mensch, aber wohl dank ihrer ausdruckstarken, auffälligen Persönlichkeit fiel sie dem Neid der kommunistischen Funktionäre zum Opfer.“ Die Mutter sei aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen worden, habe ihre Arbeit verloren, und mehrere Anstellungen gehabt, aus denen man sie am Ende immer hinausgeworfen habe. Auch sie als Tochter habe darunter gelitten, da sie nicht habe studieren dürfen. Die im Buch geschilderte Geschichte einer ungewöhnlichen und zerbrochenen Familie, in der man gar nicht oder nur indirekt über sein Leid gesprochen habe, habe nicht direkt mit dem Schauplatz zu tun, wo sie spiele. „Wo-
Doppeladler“, wie der Un- � Neues Jahrbuch des Adalbert-Stifter-Vereins erschienen gang Schmidt einen recht tertitel verrät. unbekannten Autor aus Mit Sprachgrenzen sind Krummau wieder, der späkulturelle Grenzen jedoch ter in Kanada nach seiner auch in den habsburgischEmigration nur noch als böhmischen Ländern nicht Naturwissenschaftler tätig immer identisch. Sie verwar. Wolfgang Schmidts laufen zwischen RegioKrummau-Romane aus nen und gesellschaftlichen den dreißiger Jahren sind Schichten, wie Jan Budňák wirklich eine Wiederentam Beispiel von Brünn deckung wert, um so mehr, zeigt. In „Brünner Text als sie weiterhin verlegt nach 1890“ untersucht der werden. Germanist aus Brünn unDas Jahrbuch bietet ter anderem die Naturalisauch den ASV-Jahresmusdiskurse unter Dichbericht 2020, der dieses tern wie Josef Merhaut „Annus horribile“ spieund Philipp Langmann. gelt, und eine ZeitschrifÜber eine ähnliche Thetenschau. Hier finden sich matik referierte Budňák auch Einblicke in aktuschon im Haus des Deutelle Ausgaben von Perischen Ostens in München odika wie „Brücken“, die bei einer öffentlichen ASVZeitschrift für Sprach-, LiBild: Susanne Habel teratur- und KulturwissenVeranstaltung im Jahr Dr. Franziska Mayer, Dr. Jan Budňák und Dr. Zuzana Jürgens. 2019, als solche Vorträge schaft, „Germanoslavica“ noch stattfinden onnten. Eher grenzüberschreitend ist wenn sie bis nach Polen wirk- die Zeitschrift für germano-slaGrenzen zwischen den Ge- eine mythische Figur, die zum mächtig ist. Wie der Tschechi- wische Studien, und das „Jahrschlechtern werden in Zeiten Kulturaustausch und -transfer sche Rundfunk in der jüngsten buch vom Adalbert-Stifter-Instivon „Me too“ und Genderwahn diente. Ladislav Futtera stellt Gegenwart Erstaunliches bei der tut des Landes Oberösterreich“. gern diskutiert, tauchten jedoch unter dem Motto „Rübezahl! Vermittlung deutschsprachiger Ebenfalls Interesse am Leschon früher auf. Ein Beispiel Rübezahl! Wenn‘s dich gibt, mährischer Literatur leistet, be- sen wecken die Rezensionen von ist die Rezeption von Texten der dann zeig dich mal!“ die Rübe- schreiben Lukáš Motyčka und Neuerscheinungen. Der Germaböhmischen Schriftstellerin Os- zahl-Figur im deutschen und Veronika Opletalová. nist Peter Becher, ein renommiersip Schubin, über die Alexandra tschechischen Kontext des 19. Der Kulturjournalist Ralf Höl- ter Stifter-Biograph, beschäftigt Millner im Jahrbuch berichtet. und 20. Jahrhunderts dar, auch ler entdeckt schließlich in Wolf- sich mit „Adalbert Stifter oder
Kultur trotzt Corona
mit sie allerdings zusammenhängt, ist sicher diese gewaltige politische Veränderung in der Tschechoslowakei nach dem Umsturz 1948, und mit der Tatsache, daß die Leute keine erklärten Werte und keine klares Weltbild hatten.“ Die politischen Ideale und theoretischen Vorstellungen hätten nicht gepaßt zu den Anforderungen des praktischen Lebens und den Ansprüchen an eine geordneten Familie sowie den Bedürfnissen, die Kinder in einer Familie immer hätten. Zum Grenzgebiet, der Gegenden um Tachau und Eger, wo das Buch vielfach spielt, sagte die in Autorin, die sich dort auch heimatkundlich betätigte: „Ich weiß darüber zunehmend mehr.“ Am wenigsten habe sie darüber gewußt, als sie noch in der Gegend gelebt habe. „Ein bißchen änderte sich mit den Jahren auch meine Einstellung dazu.“ Dies sei auch bewirkt worden durch ihre Begegnung mit dem Werk der oberschlesischen Schriftstellerin Joanna Bator, die in Waldenburg/Walbrzych aufgewachsen sei. Die oberschlesischen und polnischen Familien in Walbrzych seien ebenso zerrüttet wie die tschechischen. „Ich glaube nicht, daß das so sehr am Ort liegt, sondern eher an einem Bruch in der Zeit.“ Daß dieser „Zeitenbruch“ besonders schwer für die Menschen unter kommunistischen Regimes im Osten war, geht aus Zemančíkovás Aussagen deutlich hervor. Schließlich geht es im Gespräch noch um das Echo auf die Veröffentlichung. Der Erfolg ihres Buches freue sie, und besonders auch der Einsatz des KlakVerlags unter Verleger Jörg Becken und der Übersetzerin Daniela Pusch, betont die Schriftstellerin. Möglicherweise würde es auch eine Übersetzung in das Ukrainische geben, worum man bei ihr angesucht habe, aber sie wisse nicht, ob es dazu kommen werde. „Wir haben schwere Zeiten, und wer weiß, wie es jetzt in der Ukraine steht.“ Sie bedanke sich für die Buchvorstellung und die schönen Lesungen aus ihrem Buch im Video, schließt Alena Zemančíková. „Ich hoffe, daß ich später auch real beim Adalbert-Stifter-Verein auftreten kann“, sagt sie zu Anna Knechtel, die das Interview fabelhaft geführt hatte. Susanne Habel diese fürchterliche Wendung der Dinge“ von Wolfgang Matz. Und der Literaturwissenschaftler Franz Adam stellt die Biographie „Bernard Bolzano (1781–1848). Ein böhmischer Aufklärer“ von Kurt F. Strasser vor. Susanne Habel
Adalbert-Stifter-Verein (Hrsg.): „Stifter Jahrbuch. Neue Folge Band 34/2020.“ München 2021; 208 Seiten, 10 Euro. (978-3-940098-20-7). Bestellung bei Adalbert-Stifter-Verein, Hochstraße 8, 81669 München, eMail sekretariat@stifterverein.de, Internet www.stifterverein.de
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VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
� Brosdorf/Kreis Wagstadt im Kuhländchen
Alte Gemeinschaft in neuer Form Der kanadische Barde Leonard Cohen (1934–2016) brachte 1974 sein viertes Album heraus. Er nannte es „New Skin for the Old Ceremony“, deutsch „Eine neue Hül-
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urz bevor 2020 die CoronaBeschränkungen in Deutschland und der Tschechischen Republik in Kraft traten, hatten einige Kuhländler persönlich an der traditionellen Brosdorfer Valentinswallfahrt teilgenommen. Heuer durfte keine Präsenzveranstaltung stattfinden. Damit dennoch möglichst viele dieses Ereignis verfolgen konnten, führten der Pfarrgemeinderat und die Gemeindevertretung mit wenigen Wallfahrern in der Pfarrkirche und vielen Pilgern im Internet die Veranstaltung durch. Věra Šustková, Stellvertretende Bürgermeisterin von Brosdorf, berichtet über die Geschichte der Traditionswallfahrt: „Jedes Jahr feiert die Brosdorfer Kirchengemeinde am 14. Februar Sankt Valentin, den Schutzheiligen ihrer Kirche. Aus dem Gedenkbuch der früheren deutschen Bewohner erfahren wir, daß die Wallfahrt zu Ehren des heiligen Valentin, des Schutzpatrons der Kranken, Schwachen und Niedergeschlagenen, seit mehr als 200 Jahren weithin im Kuhländchen und darüber hinaus bekannt war. Die Feierlichkeiten begannen immer am Festtag des Heiligen mit einem Hochamt in der Kirche und endeten eine Woche später am 21. Februar. Am Sonntag dazwischen wurde nach alter Tradition und Sitte die ,große Wallfahrt‘ gefeiert. Es gab kaum einen Haushalt, der nicht Besuch von Verwandten und Bekannten aus dem Umland hatte. Die waren gekommen, um für das kommende Jahr um Gesundheit und Erfolg zu bitten. Außerdem wollte niemand auf die feiertäglichen Köstlichkeiten und Genüsse verzichten. Damals wurde nämlich fast überall zu Hause geschlachtet, so daß ausgezeichnete Bratwürste und Schinken angeboten wurden. Ebenso durften wohlschmeckende Festtagskuchen nicht fehlen, bei denen an Butter und anderen üppigen Zutaten nicht gespart wurde. Da der Valentinssegen jeden Nachmittag erteilt wurde, kamen bei guten Schneebedingungen täglich auch Pferdeschlitten nach Brosdorf. Für die Kinder waren Stände mit Süßigkeiten und Spielzeug sowie Attraktionen aller Art die Höhepunkte auf dem
le für alte Rituale“. „Die Form ändert sich, die Gemeinschaft bleibt“, lautet das Motto der Kuhländler aus Brosdorf für ihre diesjährige Valentinswallfahrt. Das Brosdorfer
Leitmotiv ist so harmonisch umarmend wie vor einem halben Jahrhundert die gefeierte Musik des Leonard Cohen. Möge sie unsere Völker noch enger zusammenschweißen.
Festgelände. Onkel und Tanten dorf teil. So viele Menschen hätgriffen dann großzügig in ihre ten in der Kirche keinen Platz geBrieftaschen, wenn das vom Va- funden. Vor Beginn des Hochamtes ter gespendete Taschengeld ausbegrüßte Pfarrgemeinderatsvorgegangen war. Nach den Erinnerungen der sitzender Pavel Šustek alle Gläuheutigen tschechischen Brosdor- bigen in der Kirche sowie alle fer bestand diese Tradition bis Gläubigen an den zugeschaltein die 1960er Jahre. In der letz- ten Rechnern. Er berichtete über ten Zeit versuchte die Gemeinde, die Renovierung des Glockenden Brauch der Valentinswall- stuhls und bedankte sich für die fahrt und der Gastfreundschaft eingegangenen Spenden. Zufortzusetzen. Dafür verkürzte sie sammen mit dem Gemeindepfardie Feier auf einen Tag und lud rer, und unterstützt von drei Midie Pilger nach dem Hochamt in nistranten, zelebrierte Pater Jiří Ramík, Vikar das Kulturhaus der Konkatheein.“ drale Mariä Heuer verHimmelfahrt in eitelte CoroTroppau, den na auch dies. Gottesdienst. Deshalb nutzIn seiner Preten die Brosdigt ging er auf dorfer die neudas Evangelien Medien, um um nach Marmit deren Hilkus (Mk 1,40fe den Sankt45). ein, das Valentin-Sevon der Heigen für alle lung des AusKranken und sätzigen hanSchwachen delt. Er sprach hinauszusenden Zuhörern den und BrücMut zu, daß es ken der Geauch in der gemeinschaft, genwärtigen des HeimatgePandemie eine fühls sowie der Rettung gebe. Freundschaft Věra über den Äther Šustková trug zu schlagen. Trotz der Wahre Abbildung des heiligen Bi- die Fürbitten schofs und Märtyrers Valentin, so vor und beCorona-Beden 14. Februar zu Brosdorf an- dachte dabei schränkunauch die Ungen erlebten dächtig verehret wird. terstützer der die Gläubigen vor Ort und über YouTube in der Kirche, die Corona-Kranken soblumengeschmückten Kirche ein wie die verstorbenen und lewürdevolles Hochamt. Im Got- benden deutschen Landsleuteshaus waren wenige Sitzplät- te. In deutscher Sprache bat sie ze belegt. Nur der Chor durfte ebenfalls um den Segen „für alsingen. Mundschutz, Desinfek- le, die mit uns jetzt über irdische tion der Hände sowie Abstand und geistliche Drähte verbunden zwischen den Personen waren sind“. Pfli ht. Um diese Meßfeier zu EhMusikalisch umrahmten Marren des heiligen Valentin in die cela Šprlová aus Brosdorf auf der ganze Welt zu übertragen, lei- Orgel sowie der Chor und die Gisteten vier tüchtige Männer vom tarrenspieler aus Stará Bělá die Verein Xvize, drei hinter den Ka- Messe. Nach dem Gottesdienst meras und einer im Übertra- war diesmal wegen der Coronagungswagen, wichtige Dienste. Beschränkungen kein gemütliEs handelt sich um eine Gruppe ches Beisammensein im Kulturvon begeisterten jungen Fach- haus möglich, dennoch brauchleuten, die in christlichen Krei- ten die Mitwirkenden nicht sen verschiedene Veranstaltun- hungrig nach Hause zu gehen. gen per YouTube übermitteln. So Familie Šustek hatte sie zum Esnahmen rund 400 Gläubige vir- sen in „Schichten mit Abstand“ tuell am Gottesdienst in Bros- eingeladen.
Für alle anderen gab es eine Bewirtung per Internet. Mit der Einladung zur Messe konnte jeder das Rezept vom Sankt-Valentins-Eintopf herunterladen, um ihn daheim zu kochen und in der Familie den Ehrentag in Gemeinschaft zu begehen. Allen Mitwirkenden bei der Wallfahrt zu Ehren des heiligen Valentin gebührt ein herzliches Vergelt‘s Gott für die erfolgreiche Organisation und Durchführung der Traditionswallfahrt. Dem Pfarrgemeinderat und der Gemeindevertretung gelang damit, eine Pilger-Gemeinschaft aus ganz Europa im virtuellen Raum zusammenzuführen und ein praktikables, bemerkenswertes Beispiel für die Zukunft zu schaffen. Nicht nur in dieser zermürbenden, ungewissen Corona-Zeit sind Veranstaltungen, aber auch Verständigungs- und Projektarbeiten, die von persönlichen Kontakten und Präsenz zwischen Sudetendeutschen und Tschechen leben, oft behindert, eingeschränkt oder manchmal undurchführbar geworden. So zeigen Online-Verbindungen und Internet-Plattformen hervorragende Alternativen, denn Digitalisierung ist in solchen Fällen unabdingbar und alternativlos geworden. Sie bieten ein virtuelles Zusammenkommen und Zusammenarbeiten über große Entfernungen hinweg. Selbst wenn man wieder die erstrebenswerten Präsenztreffen durchführen darf, sollten diese künftig kombiniert werden mit einer Online-Anwesenheit, um so persönlich Teilnehmende und Ferngebliebene zusammenzuführen. Besucher, die verhindert sind oder nicht mehr anreisen können, sind damit in die Veranstaltungen eingebunden und können teilhaben. Internet-Plattformen bieten zusätzlich die Möglichkeit, die durch den Vertreibungsprozeß weltweit zerstreuten Sudetendeutschen untereinander, aber auch mit Tschechen in Freundschaft zusammenzuführen sowie neue, jüngere Mitglieder für die Heimatlandschaften zu finden und zu werben. Das Brosdorfer Wallfahrts-Leitwort „Die Form ändert sich, die Gemeinschaft bleibt“ zeigt den Weg in eine gute Zukunft. Ulf Broßmann
Valentin-Wallfahrt in der Brosdorfer Valentin-Kirche: Ein vor der Pandemie geschützter Kameramann filmt den Präsenz-Gottesdienst. Rechts oben sehen wir die Zelebranten in Großaufnahme.
Christian Schmidt MdB beim EVP-Kongress 2019 in Zagreb.
� Ackermann-Gemeinde
Ab und zu stottert der Motor Auf 78 Bildschirmen in mehreren Ländern verfolgt das Publikum am Osterdienstag das Gespräch der Ackermann-Gemeinde (AG) mit Christian Schmidt MdB. Dieser sprach über „Neue und alte Fragen für die deutsche Außenpolitik. Deutschland in Europa und die Großmächte?“
M
oderator Rainer Karlitschek sagte, daß es den Themenund Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde nun ein gutes Jahr gebe. Die Begegnungen mit Schmidt gingen bis 1998 zurück. Er sei Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und Ko-Vorsitzender des Beirates des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums. Neben europäischen Fragen widme er sich der transatlantischen Entwicklung. Sicherheits- und Europapolitik seien seine Schwerpunkte. 2004 bis 2014 sei er Vorsitzender des Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik (ASP) der CSU, 2014 bis 2018 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft gewesen. Schmidt meldete sich aus dem mittelfränkischen Fürth und sagte, die AG habe großen Anteil an der Entwicklung der letzten 30 Jahre. „Wir leben außenpolitisch in bewegten Zeiten und in einer Zeit, die man sich vor 30 Jahren nicht vorstellen konnte.“ Oft habe man damals in der Politik gemeint, alles sei geklärt und ewiger Frieden herrsche. Schmidt verwies auf Diskussionen mit dem späteren französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, der ungarischer Herkunft sei, und auf dessen europapolitischen Ansatz sowie auf den Grundsatz von Helmut Kohl, daß Europa funktioniere, wenn alle die gleiche Stimme hätten. Schmidt: „Deutschland muß sich immer um die mittleren und kleinen Staaten kümmern und mit ihnen austauschen.“ Dieses Konzept funktioniere gut, sei manchmal aber auch schwierig. Bei der vieldiskutierten Verteilung der Impfdosen auf europäischer Ebene zeige sich aktuell, daß man auch die kleinen Mitgliedstaaten mitkommen lassen müsse. Der Gegensatz seien die USA, wo auch unter Präsident Joe Biden zumindest bei der Corona-Impfung das Prinzip „America first“ weiter gelte. Ebenso nannte Schmidt eine anfangs der Pandemie auf Europaebene mißlungene Versorgung der italienischen Stadt Bergamo mit Schutzmasken, was Rußland und China als Lieferanten ausgenutzt hätten. Angesichts der jüngsten weltpolitischen Entwicklungen wie aufstrebendes China, Rückzug der USA, drohendes Rußland, Klimawandel oder ethnische Konfli te stelle sich die Frage,
wohin sich Deutschland orientieren solle. Man müsse ein sinozentrisches Weltsystem verhindern. Die USA hätten wieder engeren Kontakt zu Europa, zur NATO und zu den Partnern, was Deutschland unterstützen solle. Deutschland müsse mehr in die transatlantischen Beziehungen investieren, auch in gemeinsame Handelsbeziehungen. Das Verhältnis Großbritanniens zur EU sei halb drinnen, halb draußen. Die Briten müßten sich weiter stark an der EU orientieren. Afrika sei wichtig, nicht zuletzt wegen seiner Rohstoffe. Die Krisenherde werden für Schmidt in den nächsten Jahren vor allem in Asien liegen – im Zusammenhang mit China. Da Hongkong im Prinzip bereits in die Volksrepublik China inkorporiert sei, werde sich Taiwan nicht schiedlich-friedlich in das kommunistische System Chinas einordnen. Hier sei eine kluge, abgestimmte Politik nötig. Bestätigen konnte Schmidt, daß die diplomatischen Verbindungen in die USA nun wieder besser seien, speziell bei den Republikanern schätzt er diese auf 50:50 ein. Trumps Bestreben, weiter eine wichtige Rolle in der USA-Politik zu spielen, sieht Schmidt zwar, „im Augenblick gehen ihm aber die Argumente aus“, relativierte der Außenpolitiker. Er betonte zudem, daß angesichts des Brexits Irland alleine dank der Geschlossenheit der übrigen EU-Länder seine Position habe behalten können. „Wir brauchen in Fragen der Außenpolitik und des Handels eine schnellere Gemeinsamkeit. Sonst habe ich die Sorge, daß wir in gewisser Weise eine Aufteilung Europas erleben.“ Damit kam er bei den Fragen der Zuhörer zu Mittel- und Osteuropa, das etwas anders ticke und andere Erfahrungswerte habe. Grundsätzlich sei er ein Anhänger von Visegrád plus, also von dem Zusammenschluß von Tschechischer Republik, Slowakei, Polen, Ungarn und – je nach Thema – einem oder mehreren weiteren Staaten. Dennoch sei Vorsicht geboten, daß keine Teilung entstehe. „Wir müssen auch sehen, daß die EU von heute keine erweiterte westeuropäische Union ist.“ Sie müsse sich anders aufstellen. Schmidt verwies auf Fälle westeuropäischer Arroganz, die Interessen lägen unterschiedlich. Deutschland müsse mit den kleinen und mittleren Staaten zusammenarbeiten. „Ich sehe keine echte Spaltungsgefahr.“ Die Funktion des Motors in der EU weist Schmidt nach wie vor Deutschland und Frankreich zu, auch wenn ihre geostrategischen Vorstellungen unterschiedlich seien und der Motor ab und zu stottere. Markus Bauer
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VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
SL-Bezirksgruppe Mittelfranken
Mittelfranken hat gewählt
Bubenreuths neue Kirche Maria Heimsuchung im Erzbistum Bamberg.
Mitte April fand die Wahlversammlung der SL-Bezirksgruppe Mittelfranken zur XVII. Sudetendeutschen Bundesversammlung im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg statt.
B Erster Seelsorger von Bubenreuth/Mittelfranken
Besonderer Draht zu Petrus zum Priesteramt als Hirte seiner Gemeinde. Sein größtes Bemühen war, für die ständig wachsende Gemeinde Bubenreuth ein Gotteshaus zu schaffen, welches der Einwohnerzahl genüge tut. Die 1927, zu einer Zeit als Bubenreuth rund 300 Bürger verzeichnete, eingeweihte Josefskirche konnte wegen der Ansiedlung der aus dem Egerland vertriebeer in Dörfel bei Reichen- nen Schönbacher Instrumenberg geborene Handwer- tenbauer die Gläubigen nicht kersohn studierte zuerst im mehr fassen. nordböhmischen Mariaschein Pfarrer Pilz war ein unerund nach Schließung dieser müdlicher Motor. Zu seiner Lehranstalt durch die Natio- neuen Kirche, welche er in Annalsozialisten später in Rei- lehnung an die Schönbacher chenberg. Vom Priesterse- Tradition Maria Heimsuchung minar Leitmeritz aus wurde taufte, schuf er ein Pfarrzender angehende Theologe zur trum, Gruppenräume, einen Wehrmacht eingezogen, wo Kindergarten. Und ein Gotteser fünf Jahre, die längste Zeit haus ohne Turm mit geweihdavon in Rußland, verbrach- ten Glocken wäre für Pfarrer te. Im Juni 1945 wurde seine Pilz nicht vollständig geweFamilie aus sen. der Heimat Er war vertrieben, nicht nur ein und Pilz kam Mann Gotnach Bamtes, er war berg. Dortnebenbei hin hatte ein UnternehKriegskamemer, Baurad den Prieherr, Planer, steranwärter Organisator, mitgenomJugendbemen, und treuer und, dort konnte wenn es sein er seine Stumußte, auch dien beenArchitekt. den. Auch kultuVom Bamrell war der berger ErzbiGeistliche schof Joseph Wilhelm Pilz und seine Kirche Ma- Rat nicht unOtto Kolb ria Heimsuchung auf einer Zeich- tätig. Als die zum Prie- nung von Gerd Leiser. Kulturgrupster geweiht, Bilder: Heinz Reiß pe einen wirkte er zuneuen Platz erst in der Universitätsstadt für das Spitalfest suchte, stellErlangen. Auf Weisung des te er den Vorplatz der Kirche Erzbischofs wurde dem dama- zur Verfügung. So verband er ligen Kaplan der Pfarrgemein- das Fest noch enger mit seiner de Herz Jesu Erlangen am 15. Pfarrgemeinde Maria HeimAugust 1953 die seelsorgliche suchung. Daß er einen besonTätigkeit für die Filiale Buben- deren Draht zu Petrus haben reuth übertragen. Seine Be- muß, sagten ihm einige Gläumühungen um eine eigenstän- bige nach, denn der Wetterbedige Pfarrei hatten Erfolg, und richt konnte an Fronleichnam nach elfjähriger Tätigkeit als Regen ansagen, während seiPfarradministrator wurde Wil- ner Prozessionen durch den helm Pilz am 10. Januar 1965 Ort schien immer die Sonne. von Dekan Ambros NeundörDie Würden eines Erzbifer zum Pfarrer von Buben- schöflichen Geistlichen Rareuth ernannt. tes wurden ihm 1982 zuteil. Im Laufe seiner 38jährigen Er bekleidete auch das Amt Tätigkeit wurde er zu einer des Kämmerers im Dekanat echten Persönlichkeit in Bu- Erlangen. Die Gemeinde Bubenreuth. Er baute die Pfarr- benreuth zeichnete ihn bereits gemeinde auf, prägte ganze 1974 mit der Goldenen BürGenerationen in ihrem Glau- germedaille aus. ben und beeindruckte durch Auf dem Waldfriedhof in eine vorbildliche Einstellung Bubenreuth wurde Wilhelm Pilz zur letzten Ruhe gebettet. Über seinem Grab beim Friedhofseingang wurde seinem Wunsch entsprechendein großes Granitkreuz errichtet. Im Eingangsbereich der Pfarrkirche erinnert eine bronzene Gedenkplatte an den Gedenktafel im Eingang der Pfarrkirche. Erbauer. Heinz Reiß Eigentlich wäre er Ehrenbürger der mittelfränkischen Gemeinde Bubenreuth. Doch kurz vor der Ernennungsfeier starb Bubenreuths Pfarrer Wilhelm Pilz im Alter von 70 Jahren am Lichtmeßtag, 2. Februar, 1991 nach schwerer Krankheit. Am 25. April wäre er 100 Jahre alt geworden.
ezirksobmann Eberhard Heiser und der Vorsitzende des Wahlausschusses, Christoph Lippert, begrüßten neben den Delegierten der Kreisgruppen auch einige Wahlbewerber. Besonders erfreut waren alle über die überraschende Teilnahme von Steffen Hörtler, Landesobmann und Stellvertretender SL-Bundesvorsitzender.
Lippert, Obmann der Kreisgruppe Erlangen und früherer Bundesgeschäftsführer, eröffnete die Wahlversammlung und gab das vom Ordnungsamt der Stadt Nürnberg angeordnete Hygiene-Konzept nach dem Infektionsschutzgesetz – das Tragen von FFB2-Masken – bekannt. Die Einhaltung bereitete keine Schwierigkeiten. Ihm gilt für die sorgfältig vorbereitete und exzellent durchgeführte Wahl ein ganz besonderer Dank. Bei der Stimmauszählung unterstützten die Mitglieder des Wahlausschusses Rüdiger Hein, Dieter Heller, Wilhelm Rubick
und Reinhard Schmutzer Wahlleiter Lippert. Die Wahlen konnten ohne jegliche Probleme durchgeführt werden. Es bestanden keine Einwendungen gegen den Wahlvorgang. Steffen Hörtler dankte der Bezirksgruppe, besonders Christoph Lippert, daß die Bezirksgruppe trotz Pandemie-Einschränkungen diese Präsenz-Wahl durchgeführt habe. Nach der Wahl stellte sich Landesobmann Hörtler den Fragen der Landsleute. Bezirksobmann Heiser hoffte auf ein baldiges Wiedersehen der Landsleute unter normalen Bedingungen und daß alle gesund blieben.
Feier mit Bier und Käse
A
G-Kulturreferentin Marie Smolkova hatte eine Anleitung zum Käseeinlegen auf Youtube gestellt, damit das Publikum Käse für den Kultur-Zoom einlegen konnte. 247 Mal wurde das Familienrezept angeklickt. Bei den meisten Zoom-Sehern standen dann Nakládaný Hermelín und Pilsner Urquell auf dem Tisch. Moderatorin Sandra Uhlich stellte den Mälzermeister Petr Tomek vor. Seit vielen Jahren ist er mit der Jungen Aktion (JA) und der AG in Kontakt. Der 41jährige stammt aus Mährisch Schönberg im Altvatergebiet. In seiner Jugend prägten ihn die Begegnungen des Vereins Rytmika Šumperk mit der JA Würzburg. Bis heute ist er mit JA und AG verbunden. Beruflich wollte er die tschechische Bierkultur mitgestalten, diese Tradition weiterentwickeln und bekannter machen. Vor 25 Jahren begann er mit Schwerpunkt Brauereiwesen an der Universität für Chemie und Technologie in Prag zu studieren. Danach sammelte er Auslandserfahrungen in der Braue-
rei Beck in Bremen, in den USA und im vietnamesischen Haiphong. In Kremsier brachte er bei der französischen Mälzerei Soufflet als Technologe seine Erfahrungen und Kenntnisse ein. 2008 zog es ihn schließlich nach Pilsen in die Brauerei „Pilsner Urquell“. Dort arbeitete er bei verschiedenen Projekten quer durch alle Brauereiabteilungen mit. Die meiste Zeit war er Produktionsleiter in der Mälzerei. Aktuell ist er für die Herstellung und Qualität des Malzes, mit der wichtigste Rohstoff für Bier, zuständig. Befragt nach den Gemeinsamkeiten beim Bier in den Ländern, in denen er bisher tätig war, meinte Tomek, daß die Rohstoffe variierten. In den USA komme schon mal Mais und in Vietnam Reis beim Brauen dazu. Auch die Struktur des Brauwesens unterscheide sich. So gebe es in den USA einige große Unternehmen und tausende kleine Brauereien. In Vietnam sei das Bier leichter. In einem selbstgestalteten Video stellte Petr Tomek die 1842 gegründete Brauerei und das Bierbrauen vor. „70 bis 80 Prozent aller Biere weltweit sind nach Pilsner Art gebraut. Daher ist Pilsen auch zu Recht Welt-Bier-Hauptstadt“, sagt der Mälzermeister in dem Film.
Als Mälzer muß er vor allem Gerste zu Malz verarbeiten. Dazu gehören das Weichen, Keimen und Darren. Im Sudhaus, dem Herzstück der Brauerei, erfolgen das Kochen und die Zugabe des Hopfens aus Saaz. Hier entwickelt sich der Geschmack des Biers. Danach kommt das Bier zum Gären und Reifen in Tanks. Zum Schluß wird es filtriert und in Flaschen, Dosen, Fässer oder andere Tanks gefüllt. Im historischen Gärkeller reifte das Bier einst in riesigen Eichenfässern. Noch heute beschäftigt die Brauerei sechs Böttcher. Zum Mälzerhandwerk gehören die Zusammenarbeit mit den Landwirten, die die Gerste liefern, die Erstellung des Produktionsplans und natürlich das Mischen des Malzes nach den Vorgaben des Braumeisters. Erfinder des Pils‘ sei der Niederbayer Josef Groll, sagte Tomek. Dank Industrialisierung und Verkehrsentwicklung sei das Pilsner Bier schnell nach Prag, schließlich nach Wien und Paris gekommen. Außerhalb von Pilsen trinkt Tomek am liebsten regionales Bier, da dies das frischeste sei. Und aufgrund der überregionalen Bedeutung und Bekanntheit unterstützt Pilsner Urquell eher nationale Sportteams. Mit wässrigem Mund stießen die Zoom-Seher mit Bier auf 75 Jahre Ackermann-Gemeinde an und kosteten den eingelegten Käse. Markus Bauer
SL-Kreisgruppe Augsburg-Land/Bayerisch Schwaben
Corona-Geburtstag Lothar Silbernagel, Ehrenobmann der bayerisch-schwäbischen SL-Kreisgruppe AugsburgLand sowie der Ortsgruppe Königsbrunn/Wehringen mit Klosterlechfeld, wurde 80 Jahre alt.
S
einen Geburtstag mußte er unter Corona-Hygiene-Bedingungen ohne Besuch nur im Kreise seiner Familie in Königsbrunn feiern. Die Glückwünsche der Stadt Königsbrunn übermit-
Wahres Vorbild
H
Ackermann-Gemeinde
Im April nahmen mehr Leute beim Kultur-Zoom als beim Themen-Zoom der AckermannGemeinde (AG) teil. Bei diesem Kultur-Zoom sollte nämlich das 75jährige AG-Jubiläum ein wenig gefeiert werden. Und zwar mit Pilsner Urquell, dem eingelegten Käse Nakládaný Hermelín und einer Führung durch die Braustätte in Pilsen.
SL-KG Regensburg
Am 26. März starb Ferdinand Hausmann, langjähriger VizeObmann der oberpfälzischen SLKreisgruppe Regensburg, mit 97 Jahren. Nun ruht er im Tegernheimer Friedhof neben der Urne seiner 2017 verstorbenen Tochter Ursula. Franz Weschta erinnert an Hausmanns Verdienste.
Wahllokal ist der Innenhof des Caritas-Pirckheimer-Hauses in Nürnberg.
D
Pfarrkirche Mariä Verkündigung zu Tegernheim.
telte postalisch Bürgermeister Franz Feigl mit einem Präsent. Dieselbe Aktion vollzog coronabedingt SL-Kreis- und Lothar Silbernagel, Kurt Aue und Franz Feigl. Ortsobmann Kurt Aue (Augsburg/Königsbrunn). Aue sche bald persönlich übermitteln hofft allerdings, die Glückwün- zu können.
ausmann war wie kaum ein anderer allen Landsleuten in den Belangen der Vertreibung, bei der Integration und im Zusammenleben mit den Einheimischen im neuen Zuhause ein wahres Vorbild. Stets nannte er das Unrecht, das den Vertriebenen angetan worden war, beim rechten Namen. Dennoch ließ er keine Gedanken an Rache und Vergeltung aufkommen. Hausmann kam am 11. September 1923 in Neugarten im Kreis Böhmisch Leipa zur Welt. Nach Abschluß der Mittelschule ging er 1941 freiwillig zum Militär, zur Artillerie. 1942 kam er zur Fronteinheit Wiking und machte den Vormarsch mit bis in den Kaukasus. Nach „Stalingrad“ begann der Rückzug unter schwierigsten Gefahren. Er wurde Ausbilder an der Artillerieschule Beneschau und nach der Offiziersschule in Prag im April 1945 zum Oberfähnrich befördert. Bis 8. Mai blieb er in Prag. Danach setzte er sich nach Pilsen zu den Amerikanern ab. Diese lieferten ihn nach drei Tagen an die Russen aus. Beim Abtransport in Richtung Osten setzte er alles auf eine Karte. Er floh und landete wieder bei den Amerikanern in Pilsen. Über Klattau und Amberg kam er im Frühjahr 1946 ins USA-Internierungslager Regensburg. Im Juli 1947 wurde er entlassen. Abgemagert und ausgelaugt begann er wieder zu arbeiten. Als gelernter Kaufmann fing er bei einer Stuttgarter Firma als Versicherungsvertreter an. 1949 bis 1984 war er bei der Firma Kraft, bekannt für Jakobskaffee und Milka. Im August 1950 heiratete er seine Gertrud, die er 1947 kennen gelernt hatte. Ein Bub und ein Mädel entsprossen ihrer Ehe. 1971 versetzte Kraft Hausmann als Niederlassungsleiter nach Freiburg. Von dort betreute er mit 25 Mitarbeitern das Allgäu, das Bodenseegebiet, den Schwarzwald und den Raum von Basel bis Karlsruhe. 1973 baute die Familie in Tegernheim ein Haus, in das sie 1980 zog. Im selben Jahr schloß sich Ferdinand Hausmann der SL Regensburg als Mitglied an. 1982 wurde er zum Stellvertretenden Kreisobmann gewählt. Er bekleidete dieses Amt 35 Jahre lang bis 2017, zuerst unter den Obleuten Karl Pfluger und Reinhard Kautetzky, dann unter Friedrich Kaunzner. 2008 verlieh ihm unser damaliger Volksgruppensprecher Johann Böhm das SLEhrenzeichen.
Neudeker Heimatbrief
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
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für die Heimatfreunde au+ Stadt und Landkrei+ Neudek Neudek
Abertham
Folge 620 · 4/2021
Bärringen
Frühbuß
Platten
Patenstadt Augsburg
Heimatkreis Neudek – Patenstadt Augsburg. Heimatkreisbetreuer: Heinrich Hegen, Pflugst aße 41, 86179Heimatkreisbetreuer: Augsburg, Telefon (08 21) XXXXXXX. Heimatmuseum Stadt und Kreis Neudek, Von-Cobres-Straße 5, 86199 Besichtigungstermine bei Heimatkreis Neudek in der Sudetendeutschen Landsmannschaft – Patenstadt Augsburg. Josef Grimm, Waxensteinstraße 78c, 86163 Augsburg, Telefon (08 21) 6Augsburg. 41 42, eMail grimm-augsburg@ Josef Grimm, Telefon (08 21) 6 41 42, eMail grimm-augsburg@t-online.de oder Dieter Thurnwald, Telefon (08 21) 88 05 55. Heimatgruppe „Glück auf“ Stadt und Landkreis Neudek – Vorsitzender: Heinrich Hegen. Neudeker Heimatbrief – Verantwortlich von t-online.de. Heimatmuseum Stadt und Landkreis Neudek, von-Cobres-Straße 5, 86199 Augsburg; Besichtigungstermine bei Josef Grimm. Heimatgruppe Glück auf – Freunde des Heimatmuseums Stadt und Landkreis Neuseiten der Heimatgruppe: Dieter Thurnwald. Redaktion: Herbert Fischer, Hochstraße 8, 81669 München, Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail neudeker@sudeten.de. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. dek in Augsburg, eMail heimatgruppe-glueckauf@t-online.de, Internet www.heimatgruppe-glueckauf.de – Vorsitzender und zuständig für den Neudeker Heimatbrief: Josef Grimm. Redaktion: Lexa Wessel, eMail neudeker@ Erscheint achtmal jährlich im Abstand von etwa sechs Wochen. Jahresbezugspreis 25,00 EUR. Redaktionsschluß für die nächste Ausgabe: Mittwoch, 14. März. sudeten.de. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Jahresbezugspreis 31,25 EUR. Konto für Bezugsgebühren und Spenden: Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft, Stadtsparkasse München – IBAN: DE69 7015 0000 0906 2126 00, BIC: SSKMDEMMXXX. Redaktionsschluß für Folge 621 (5/2021): Mittwoch, 12. Mai.
Heimatmuseum Stadt und Landkreis Neudek
Telegenes Heimat-Museum sitzender der Sudetendeutschen Stiftung, in einer Einrichtung mit sudetendeutschem Bezug vorgesehen. Was bot sich dabei besser an als das Heimatmuseum Stadt und Landkreis Neudek? So kam das Filmteam aus Regisseur Hans-Dieter Rutsch, Kamerafrau Johanna Bergmann und Tontechnikerin Eva Thron in unser Museum. Vorstandsvorsitzender Kotzian berichtete über die Vertreibung seiner Eltern aus Hohenelbe im Kreis Trautenau im Riesengebirge über Zwischenstationen nach Illertissen in Bayas Film- und Fernsehstudio erisch-Schwaben. Er selbst kam Havel-Film Babelsberg in im benachbarten Fellheim auf Potsdam produziert zur Zeit im die Welt, weil heimatvertriebene Auftrag des RundMütter nicht funks Berlin-Branim Krankendenburg (rbb) eihaus Illertisne 45minütige Sensen entbinden dung für die ARD durften. Er mit dem Titel „Vertrug aus dem lorene Heimat im Tagebuch seiGepäck“. Sie wird ner Mutter im kommenden Juvor, erzählni im Zusammente über die hang mit der Eröffschrittweise nung der DauerausIntegration in stellung „Flucht, die neue HeiVertreibung und mat und seiVersöhnung“ der nen berufligleichnamigen chen WerdeBundesstiftung in gang. Berlin gesendet. Im AnDer Film begleischluß dartet den Aufbau der an nahm das Ausstellung, erTeam noch zählt einige Schickbesonders sale und zeigt Ankostbare Ausdenken an die verstellungslorene Heimat, die stücke unsein Heimatmuseres Heimaten ausgestellt sind. museums auf, Ein großer Teil der zum Beispiel Sudetendeutschen das „Buckelgelangte im Zubergwerk“ ge der Vertreibung aus dem Jahr nach Bayern. Daher 1840 oder das war ein Interview handgeklöpmit Bernd Posselt, pelte BrautEines der Exponate im Neude- kleid. Volksgruppensprecher und SL-Bun- ker Heimatmuseum in AugsDer Bedesvorsitzender, im burg: die Ehrengalauniform such des Potsvon Adolf Herrmann (1836– damer FilmSudetendeutschen Haus in München 1923), des letzten Postillions teams war für von Bärringen, und sein Origi- uns eine Ehgeplant. Augsburg ist nalsignalhorn. re. Sobald der durch eine StädteTermin für partnerschaft mit Reichenberg die Ausstrahlung des Films festund eine Patenschaft mit Neu- steht, informieren wir die Ledek verbunden. Als Interview- ser im Neudeker Heimatbrief partner waren Augsburgs Ober- und auf unserer Internetseite bürgermeisterin Eva Weber und www.heimatgruppe-glueckauf.de Ortfried Kotzian, VorstandsvorJosef Grimm
Im März 2015 besuchte Edwin Bude unser Heimatmuseum Stadt und Landkreis Neudek in Augsburg-Göggingen, um Aufnahmen für seinen Dokumentarfilm „Abenteuer Heimat“ zu machen. Im November 2017 weilten Jörg-Peter Schilling und Viola Scheler-Eckstein vom Filmstudio Sirius bei uns für Aufnahmen zu ihrem Film „Das Erzgebirge – Grenzgeschichten von Deutschen und Tschechen“. Heuer Anfang März kam nun schon das dritte Filmteam in unser Museum.
Berta R˜ži˛k a (Mitte) übersetzt die Rede des damaligen Neudeker Bürgermeisters Ji˝í Bydžovský (links), neben ihr Helga Röckert, am Tisch sitzen Anita Donderer und Herbert Götz.
Augsburg und Neudek
30 Jahre Freundschaft
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Regisseur Hans-Dieter Rutsch, Tontechnikerin Eva Thron, Kamerafrau Johanna Bergmann und Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung, Dr. Ortfried Kotzian. Bild: Josef Grimm
Grabplatte am Neudeker Friedhof: Am 18. Juli 1919 erschoß ein Wilderer Štefan Jantulík, Infanterist des tschechoslowakischen Schützenregiments Nummer 5 aus der Garnison Breitenbach. Bild: Ji˜í Málek
„Nebenerwerb“ im Erzgebirge – Teil II und Ende
Wilderer und Schmuggler S
olche Verfolgungsjagden gingen aber auch tragischer aus. In Trinksaifen war die Geschichte von zwei Brüdern bekannt, die aus Hirschenstand oder Neuhaus stammten. Einer war ein hochgewachsener Kerl, der zweite war schwach und kränklich. Darüber hinaus hat- Jäger erwischt Wilderer. te er noch die „hiefållette Krånket“, also Epi- schen Schützenregiments Numlepsie. Trotzdem gingen beide mer fünf aus der Garnison Breischmuggeln. tenbach, Štefan Jantulík, von Als sie einmal in den 1930er einem unbekannten Täter, wahrJahren auf der Flucht vor den scheinlich einem Schmuggler, Gendarmen bis nach Trinksaifen unweit dieser Gemeinde erschoskamen, konkret in den kleinen sen und am 21. Juli 1919 auf Sattel zwischen dem „Felsl“ und dem Friedhof in Neudek begradem „Ellersbarch“ über Pochlo- ben.“ witz, hatte der schwächere der Solche Fälle stellten aber nur beiden gerade einen Epilepsie- die Spitze des Eisberges dar. Die Anfall. Der stärkere mußte den Finanzwache hatte ihre Augen Bruder über die Schulter legen, nicht überall. Ab und zu habe sie was ihm zum Verhängnis wurde. angeblich ein Auge zugedrückt. Wegen dieser Last war er deut- Die Ware kam also nur um den lich langsamer, die Gendarmen Preis eines etwas erhöhten Adreholten ihn schnell ein und be- nalinspiegels über die Grenze. gannen zu schießen. Und zwar so Etwa so wie in unseren jüngegut, daß sie den flüchtenden „På- ren Jahren, als wir – in technisch scher“ erschossen. etwas abgewandelter Form – an So viel erzählt also die münd- diese Tradition anknüpften. Vieliche Überlieferung. Nähere le erinnern sich bei uns noch an Details wie den genauen Zeit- die Gardinen aus der „DDR“, die punkt oder den Namen des Op- man in verschiedenen Hohlräufers konnte ich nicht ausfindig men im Auto versteckte, oder an machen. Selbst in der Chronik die Schuhe, die man möglichst der Gendarmeriestation in Neu- früh am Vormittag in Annaberg dek aus den Jahren 1918 bis 1938 kaufte, damit sie dann abends bei fand ich nichts. der Kontrolle in Gottesgab nicht Dort habe ich aber einen kur- mehr ganz so neu aussahen. zen Eintrag über eine andere TraRoman Kloc gödie gefunden, die sich mit umgekehrtem Ausgang abspielte. „Krušnohorský Herzgebirge „Am 18. Juli 1919 wurde der In- Luft“, 5. Jahrgang, Nr. 11, Nofanterist des tschechoslowaki- vember 2016.
Die Augsburger Allgemeine kündigte in einer Ausgabe im April 1991 an: „Reise an eine schicksalhafte Stätte.“ Dabei ging es um eine Fahrt, die Herbert Götz und Anita Donderer, die „Kinder von damals“, nach Neudek, ihren Geburtsort, planten. Die damals 50jährigen wollten den Ort ihrer Wurzeln kennenlernen.
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aß daraus eine erste offizielle, aber auch sehr emotionale Fahrt wurde, lag daran, daß sich unerwartet auch deren Eltern und Verwandte sowie frühere Neudeker, die zum Teil seit 1946 nicht mehr in der Heimat gewesen waren, für diese Reise interessierten. So kam sehr schnell eine große Reisegruppe für einen Bus zusammen. Laut Patenschaftsurkunde von 1954 der damaligen Marktgemeinde Göggingen – im Jahr 1972 im Zuge der Eingemeindung von der Stadt Augsburg übernommen – waren Neudek und Augsburg Patenstädte. So war es für den damaligen Oberbürgermeister Peter Menacher eine Selbstverständlichkeit, nach Neudek/Nejdek ein Grußwort mitzuschicken. Er habe es als positives Zeichen gesehen, daß die Patenschaft mit Leben erfüllt werde, sagte Menacher. Mit Franz Zenker, gebürtiger Aberthamer und Chef des Reisebüros Probst-Zenker, fand man einen kundigen Busfahrer. Man bereitete eine viertägige Fahrt in die Heimat vor, bei der auch markante Orte wie Maria Kulm, Karlsbad sowie eine umfangrei-
che Erzgebirgsfahrt und Neudek auf dem Programm standen. Neudek hatte zu diesem Zeitpunkt in Ji°í Bydžovský einen erstmals demokratisch gewählten Bürgermeister, der sehr aufgeschlossen war, die Reisegruppe als frühere Neudeker zu empfangen. Als der ersehnte Tag des Besuches kam, war im Bus eine aufgeregte, erwartungsvolle Atmosphäre zu spüren, die, je weiter man sich Neudek näherte, immer stärker und emotionaler wurde. Als unser Bus dann vor dem Neudeker Rathaus gegenüber der Kirche ankam, wurde die Gruppe ins Kino-Café gebeten. Zur großen Überraschung empfingen uns dort Bürgermeister Bydžovský, dessen Stellvertreterin Jana Redlová, Abgeordneter Jind°ich Kone˝ný sowie Berta R˙ži˝ ka und Helga Röckert vom Rat der Stadt. Nun begrüßte uns Bürgermeister Bydžovský sehr herzlich als „Neudeker“. R˙ži˝ ka, die sich uns als heimatverbliebene Sudetendeutsche und Schwiegermutter des Bürgermeisters vorstellte, und Röckert übersetzten die Begrüßungsrede. Höhepunkt und Abschluß der Reden war ein gemeinsames Zuprosten mit den Worten des Bürgermeisters Bydžovský: „Auf die Heimat – auf die Freundschaft“. Daß dieser Moment für die Dauer von 30 Jahren Bestand haben sollte, konnte keiner der Teilnehmer ahnen. Der restliche Tag war mit einer Besichtigung der NeudeBitte umblättern
Neudeker Gemeinschaftsstand bei einem Sudetendeutschen Tag in Augsburg. Bilder: Archiv „Kinder von damals“/Heimatgruppe „Glück auf“
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NEUDEKER HEIMATBRIEF
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
� Mühlberg
Vom Dorf zum Stadtteil Das ehemalige Dorf Mühlberg, auf 607 Metern Höhe westlich von Neudek, gehörte immer zur Pfarrei Neudek. Bergleute und Bauern aus Oberfranken und Bayern sollen es in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gegründet haben. Sandhügel als Überreste des Zinnabbaus sah man in der Vergangenheit entlang des Rodisbaches und in der Gegend der heutigen Staatsstraße nach Schindlwald bei Bernau/Hühnerfang. Dieses Gebiet ist heute größtenteils mit Hochwald bewachsen.
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er Name Mühlberg kam von einer Mühle, die sich unterhalb des Berges befand. Sie arbeitete bis 1855, dann wurde der Betrieb eingestellt. Ungefähr in der Mitte des Dorfes befand sich im 16. Jahrhundert ein großer Gutshof namens Tiefenloh, der diesem Ortsteil den Namen gab. Die Umweltbedingungen waren günstig für die Entwicklung des Dorfes und seiner Landwirtschaft, besonders der Tierzucht. Zu den ältesten Familiennamen zählten Kohl, Reitzner, Kunzmann und Heinzl. Die Bevölkerung lebte neben der Landwirtschaft von der Herstellung der Holzkohle, die man zu dem herrschaftlichen Hütten- und Hammerwerk in Neudek transportierte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verbreitete sich wie im ganzen Erzgebirge auch in Mühlberg das Spitzenklöppeln. Zu bestimmten Zeiten war das die einzige Einnahmequelle der Mühlberger. Einige Schmiede lebten auch von der Herstellung von Löffeln. Im 19. Jahrhundert fand die Bevölkerung ihren Lebensunterhalt in den Industriebetrieben der nahen Stadt Neudek. 1716 baute Philipp Götz eine Kapelle zu Ehren des Leidens und Sterbens Jesu Christi, was man auf dem Altar lesen kann. 1841 renovierte Johann Kunzmann die Kapelle. Leider blieb sie nicht erhalten, sie steht na-
Zahlen, Daten, Fakten
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ühlberg verfügt über eine Fläche von 3,09 Quadratkilometern. 1651 gab es 24 Häuser und 100 Einwohner. Die Häuser- und Einwohnerzahl stieg mit der Zeit. Im Jahr 1900 war die Einwohnerzahl bis dahin am höchsten: Es gab 72 Häuser und 405 Einwohner. Danach nahm die Einwohnerzahl wieder ab. 1930 lag die Einwohnerzahl bei 396. Am 17. Mai 1939 betrug sie nur noch 378. Im selben Jahr gab es 114 Haushalte. 1950 gab es die bis dahin höchste Häuserzahl. Auf 84 Häuser kamen 127 Einwohner. 1970 waren 17 Häuser dauerhaft bewohnt, wobei es nur noch 62 Einwohner gab. Die Einwohnerzahl sank weiter. 2001 gab es 17 dauerhaft bewohnte Häuser mit 36 Einwohnern. Bis 2011 stieg die Einwohnerzahl wieder etwas. Nun waren 26 Häuser dauerhaft bewohnt, die Einwohnerzahl bei 62. 1939 gab es in der Landund Forstwirtschaft 93 Beschäftigte. Im selben Jahr waren in Industrie und Handwerk 234 Leute beschäftigt, im Handel 19. Zudem gab es fünf Gewerbetreibende. Schulbildung eingeführt wurde, gibt es keine Quellen. Mit Sicherheit gab es eine Wanderschule in den Häusern Nummer 4 und 24. Das Gebäude einer zweiklassigen Gemeindeschule, in die auch die Schüler aus Oedt gingen, wurde 1876 gebaut. In der Zwischenkriegszeit gewannen die deutschen Sozialdemokraten die Oberhand. Sie stellten bis 1938 den Bürgermeister: Franz Zettl (1919–1931), Adolf Falb (1931–1935) und ab
Die ehemalige Schule ist heute eine Pension. he des Hauses Nummer 30. 1780 baute man in Mühlberg zum ersten Mal Kartoffeln an, die zum Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung wurden. Im Jahr 1863 wurde eine Straße durch Mühlberg gebaut, wozu einige Grundstücke benötigt wurden. Darüber, wann in Mühlberg die
Bilder (2): Pavel Andrš
1935 nochmal Franz Zettl. Mit dem benachbarten Bernau hatte Mühlberg einen überdurchschittlichen Anteil an Sozialdemokraten. Zum Beispiel hatte die Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei im Dorf bei den Wahlen von 1929 zur Abgeordnetenkammer 68,2 Prozent der
Stimmen. Im ganzen Kreis Neudek betrug der Anteil 48,8 Prozent. Sechs Jahre später sank der Anteil in Mühlberg auf 49,8 Prozent, im ganzen Kreis Neudek auf 30,4 Prozent. In den zwanziger Jahren und Anfang der dreißiger Jahre gab es als zweite politische Partei im Dorf den Bund der Landwirte. Er ging in der wachsenden Sudetendeutschen Partei auf, die bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 1938 81,1 Prozent der Stimmen errang. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es durch die Vertreibung der Sudetendeutschen in die alliierten Besatzungszonen zu einem vollständigen Bevölkerungsaustausch. Tschechen aus dem Landesinneren besiedelten Mühlberg. In großer Zahl kamen auch Slowaken und Reemigranten aus Ungarn dorthin. Von den früheren Einwohnern blieben nur wenige. Der Unterricht in der Schule wurde nach dem Krieg wieder aufgenommen, aber es ging ihr wie vielen weiteren Schulen in der Region: Sie wurde geschlossen. Die Kinder mußten in die Bernauer oder Neudeker Schule gehen. Heute dient das Schulbäude als Pension. In der Nachkriegszeit war es wenigstens teilweise gelungen, die Bewohner im Dorf zu halten, in dem anfangs einige privat Landwirtschaft betrieben. Später übernahmen staatliche Güter die Felder. Ab den fünfziger Jahren verlor Mühlberg Einwohner, die in die Städte zogen, besonders nach Neudek. Dort fanden sie Anstellungen in den Fabriken. Dies führte zu einer Welle kommunaler Fusionen. 1960 verlor Mühlberg, tschechisch Lesík, die Selbstständigkeit. Die Gemeinde kam zu Neudek und ist bis heute ein Teil davon. Seit Anfang der neunziger Jahre wächst die Bevölkerung Mühlbergs wieder. Der Volkseigene Betrieb Kammgarnspinnerei Neudek (PČP) brauchte in den sechziger Jahren für die Herstellung von Garnen viel Wasser. Deshalb wurde beschlossen, für industrielle Zwecke einen Stausee zu bauen, den die Bevölkerung auch als Bad benutzen konnte. Der Stausee wurde 1970 im Tal des Rodisbachs angelegt, am ursprünglichen Weg von Bernau nach Mühlberg, den etliche Einfamilienhäuser säumten. Die Krone des Dammes liegt auf einer Höhe von 600,6 Metern, die Höhe des Dammes beträgt neun Meter und die überflu ete Fläche 10,3 Hektar. Ein empfind iches Umweltproblem für die Lage des Stausees stellte die Tatsache dar, daß sich oberhalb die kommunale Mülldeponie befand. Sie wurde in den neunziger Jahren geschlossen. Pavel Andrš „Krušnohorský Herzgebirge Luft“, Januar 2020. Aus dem Tschechischen übersetzt von Josef Grimm.
Fußballklub FK Neudek/Nejdek 2014 zu Besuch im Neudeker Heimatmuseum in Augsburg-Göggingen. Bilder: Archiv „Kinder von damals“/Heimatgruppe „Glück auf“
� Fortsetzung von Seite 11
30 Jahre Freundschaft ker Wollkämmerei, in der etliche Teilnehmer ihre Lehrzeit absolviert hatten und ihren Arbeits-
dek (JoN). Seit 2007 war man am Sudetendeutschen Tag zusammen mit den Freunden aus Neu-
dekern eine Hilfe bei Nachforschungen nach den Wurzeln. Gegenbesuche fanden sowohl in Augsburg als auch in Neudek, teils auf sportlicher, teils auf musikalischer Ebene, statt. Die Mottos „Musik verbindet“ oder „Fußball kennt keine Grenzen“ fanden immer großen Anklang. Die Unterstützung durch die jeweiligen Bürgermeister oder Oberbürgermeister der beiden Städte erleichterte unsere Arbeit. Wichtig ist die gute Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative JoN unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden Pavel Andrš. Inzwischen schreiben wir das Jahr 2021, unser 30jähriges. Schon vor langer Zeit führte man Gespräche über dieses Ereignis. Dann überraschte uns Corona. Einweihung des Gedenksteins „Gegen das Vergessen“ 2016 auf dem Neu- Wir mußten erkennen, daß eine deker Friedhof mit Neudeks damaligem Bürgermeister Lubomir Vítek, Jubiläums-Feier im April – dem Augsburgs damaligem Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl und Dr. Pavel eigentlichen Jubiläumsdatum – Andrš von JoN. in Neudek nicht möglich ist. Inzwischen sind auch Herbert Götz platz wieder erkannten, einem dek – so kann man sie mittler- und Bürgermeister Bydžovský Besuch am Friedhof oder dem weile nennen – mit einem Ge- verstorben. Eine Fahrt mit VerWeg zum früheren Wohnhaus meinschaftsstand präsent. anstaltung ohne Götz ist fast unausgefüllt. Wir waren die mutigen Vor- denkbar. Doch was wäre sein Am Abend erfreute uns die reiter, die gemeinsam – frühe- Wunsch gewesen? Sicher hätte Musikgruppe um Růžička mit re und jetzige Neudeker – in er gewollt, daß wir dieses JubiläErzgebirgsliedern: Růžička mit Freundschaft den Besuchern des um begehen, auf das auch er sich ihrer Zither und ihre beiden Part- Sudetendeutschen Tages, ob in schon gefreut hatte. Mit Freude nerinnen mit Gesang. Auf hatte er noch von einem der Schönen Aussicht Zuschuß vom Deutschwurde es ein unvergeßlich Tschechischen Zukunftsschöner Abend. fonds erfahren. Damals ahnte niemand, Nun ist – vorausgedaß sich aus diesen ersetzt Corona läßt dies zu eignisreichen Tagen in – eine Busfahrt mit Juder Heimat eine derarbiläums-Veranstaltung in tig freundschaftliche VerNeudek für Oktober vorbindung entwickeln würgesehen. Geplant ist eine de. Ausschlaggebend war Drei-Tage-Fahrt mit den sicherlich der herzliche Zielen Franzensbad, MaEmpfang im Kino-Café, ria Kulm, Neudek, Karlswelcher zum Beginn einer bad und Marienbad – so Völkerverständigung und Wiedereinweihung des Neudeker Kreuzweges wie vor 30 Jahren. Die Feieines gegenseitigen Ken- 2008. Pilsens damaliger Bischof František Radkov- er wird in Neudek stattský spricht mit Herbert Götz und Anita Donderer. nenlernens wurde. finden, übernachten wolIn den nächsten Jahlen wir im Neudeker Horen folgten unzählige Besuche, Augsburg, Nürnberg oder Re- tel Anna. teils als Busreise, teils privat. Die gensburg, über unsere AktiviViele treue Busteilnehmer haBusreisen wurden zum festen täten berichteten und sie doku- ben bereits ihre Teilnahme, die Bestandteil: ob nun zu Benefiz mentierten. Vieles konnte aufge- gleichzeitig eine Gedenkfahrt für Fußballspielen der Augsburger klärt und aufgearbeitet werden, Götz und Bydžovský ist, bekunWohltätigkeitsmannschaft Dat- und vielen Nachgeborenen wa- det. Wir hoffen und wünschen, schiburger Kickers gegen eine ren wir mit den jetzigen Neu- daß diese Fahrt wahr wird. ar Neudeker Auswahl oder, zur Adventszeit, Fahrten mit Besuchen im Erzgebirgs-Weihnachts-Wunderland. Höhepunkte waren die Wiederweihe des Neudeker Kreuzweges, die Erstellung eines Gedenksteines gegen das Vergessen auf dem Neudeker Friedhof im Beisein des damaligen Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl, die Foto-Ausstellung über 20 Jahre Freundschaft sowie das zehnjährige Jubiläum der Kreuzweg-Wiederherstellung. Seit dem Jahr 2000 entwickelte sich auch eine intensive Zusammenarbeit mit der 1999 gegründeten Bürgerorganisation Herbert Götz (rechts) überreicht dem damaligen Neudeker Bürgermeister Jde o Nejdek – Es geht um Neu- Jiří Bydžovský ein Gastgeschenk.
WIR GRATULIEREN Heimatkreis, Heimatgruppe „Glück auf“ und Redaktion gratulieren herzlich den treu-
en Abonnenten des Neudeker Heimatbriefs, die vom 23. April bis 21. Mai Geburtstag haben.
n Hengstererben. Friedrich Preis, Sudetenring 38, 91074 Herzogenaurach, 28. April 1940.
Der Stausee ist mehr als 600 Meter lang und an manchen Stellen 250 Meter breit.
Blick auf Mühlberg und Bernau von Süden aus, im Vordergrund das Rodisbachtal, das heute ein Stausee ist. Bild: Heimatmuseum Stadt und Landkreis Neudek/Augsburg
n Trinksaifen. Herta Schilling/Heidler (Günthner Lisl), Lindenstraße 12, 49088 Osnabrück, 28. April 1928.
Wir wünschen von Herzen viele schöne Jahre in Gesundheit und Zufriedenheit.
n Neuhammer. Erika Wilch/Fleischer, Treburer Straße 13, 65451 Kelsterbach, 16. Mai 1941. n Heimatort unbekannt. Ulrich Möckel, Am Birkenwald 8, 09468 Tannenberg, 3. Mai 1964.
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NEUDEKER HEIMATBRIEF
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
Blick auf Schönlind um 1928.
Der Frühbußer Marktplatz um 1925.
� Frühbuß
Der „Wunderheiler“ Johann Baptist Rölz Professor, wer hat Gott Vater rasiert? “ Da der Professor diese Frage nicht beantworten konnte, hatte Rölz Ruhe vor derartigen Anspielungen. Aber die Geistlichen stießen ihn daraufhin aus ihrem Kreis aus. Nachweislich studierte Rölz zwei Jahre Philosophie und ein Jahr Rechtswissenschaft. An der k. k. Josephsakademie in Wien erwarb er sich anschließend medizinisches Wissen, ohne zu promovieren. Nach Hinweisen ist es möglich, daß er zur Promotion nicht zugelassen wurde, weil er sich 1848 an dem Freiheitsaufstand in Wien beteiligt hatte. Nach unbewiesenen Aussagen soll er anschließend in Triest die „Schwarze Kunst“ studiert und das seltene 7. Buch Moses erworben haben. Im Jahr 1859 kam er wieder nach Frühbuß zurück. Wo er in diesem Zeitraum lebte und was er weiter studierte, ist nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls brachte er eine große Kiste voller Bücher mit, die niemand sehen oder lesen durfte. Überliefert ist, daß sein Vater eines Tages diese Kiste öffnete und alle darin befind ichen Bücher und Schriften verbrannte, die sich mit den magischen Künsten, der Alchemie, Astrologie und ähnlichen Bereichen befaßten. Rölz war darüber so verärgert, daß er sich mit seinem Vater entzweite. Um weiterhin Einkünfte zu haben, nahm ihn sein Bruder, Richard Rölz, der auch eine Tüllstickerei hatte, als Arbeiter zu sich. Mit dem dabei erarbeiteten Geld schürfte Rölz in der Nähe der Güntherhäuser. Von seiner Schürfstelle aus wollte er den
hielt er. Dann trennten sich Vater und Sohn im Unfrieden. Mit 53 Jahren, im Jahr 1868, heiratete er Mathilde Reiter aus Schönlind. Dieser Ehe entsproß die Tochter Mathilde. 1869 brannten in Frühbuß 39 Häuser bei dem großen Stadtbrand nieder, darunter vier Häuser von Richard Rölz. Um wieder für sich m Geburtsbuch des Dorfes und seine Familie ein Dach über Schieferhütten für die Jahre dem Kopf zu haben, zog Johann 1809 bis 1838 findet sich der EinBaptist Rölz mit seiner Familie trag seiner Geburt am 2. August für neun Jahre nach Schönlind. 1815. Seine Mutter war die TochZu dieser Zeit war er als „Wundter eines armen Häuslers, und der arzt“ schon in der weiteren UmVater war Lehrer aus Rothau. Da gebung gut bekannt. Dort spielte noch weitere Kinder folgten, erer auch mit dem Gedanken, das öffnete der Lehrer in Frühbuß eiMöschelwirtshaus in Vogeldorf ne Tüllstickerei, um seine Famizu seinem Bergwerksgasthaus lie ernähren zu können. Die Fafür die Güntherhäuser einzurichmilie ließ sich in Frühbuß nieder, ten. Das blieb eine Überlegung. und Johann Baptist ging dort in Rölz, volkstümlich Rölzen die Volksschule. Baptist genannt, war ein hochgeDer Junge war wißbegierig wachsener, furchterregend ausund lernte schnell. So gaben ihm sehender Mann mit einem heiteder damalige Pfarrer und seine ren Gemüt. Sein hohes Ansehen Lehrer eine Empfehlung für den und seine hervorragende KomBesuch einer höheren Schule. munikationsgabe machten ihn zu Sein Vater konnte es sich fina einem Kandidaten für den Landziell leisten, ihn auf das Humanitag. Doch Rölz lehnte ab. Er war stische Gymnasium nach Eger zu gegen allen Standesdünkel. schicken. Dort studierte er von Frei reden konnte er oh1824 bis 1832 und war die gesamne Probleme, und dies strengte te Zeit Primus, also ein sehr guihn auch nicht an. Doch die Ruter Schüler. he und das Schweigen bei seiDie Tüllstickerei seines Vaters ner medizinischen Praxis kostebrachte so viel Geld ein, daß dieten viel Kraft. Entspannung fand ser sich weitere Häuser in Früher bei Musik. Wenn er sonntags buß kaufen und Rölz die Univerdie Orgel in Frühbuß und Schönsität in Prag besuchen konnte. lind spielte, lauschten die KirDen Eltern wäre es recht gewechenbesucher andächtig, bis der sen, wenn er Geistlicher geworletzte Ton verhallt war. So schön den wäre. Dem stand jedoch seikonnte er dieses königliche Inne selbstbewußte Wesensart entstrument spielen. gegen. Bereits zu dieser Zeit Viele Überlieferungen bebegannen die vielfachen Anekschäftigen sich mit seiner Heildoten über ihn, die mündlich kunst. Rölz praktizierte in seiner Stube, in der nur wenige Möbelstücke standen. Seine Kleidung war schlicht, oft etwas abgetragen. Wenn er unterwegs war, aß er nur einige Bissen Brot und trank Wasser. Von seinen Patienten verlangte er niemals einen Lohn, nicht einmal ein Wort des Dankes. Er verbot auch den Leuten zu sagen, wer sie geheilt hatte. Doch er half niemandem, Das Elternhaus des „Wunderheilers“ Johann Baptist Rölz in Schieferhütten. der Medikamente Bilder: Archiv Ulrich Möckel nahm. Die Fähigkeit, sich in den Paweitererzählt wurden, bis man Hartelsberg unterfahren, um die- tienten hineinzuversetzen, war sie zu Beginn des 20. Jahrhun- sen trocken zu legen. Er hoffte, ein Element seiner „Wundertaderts aufschrieb. dabei auf Silberadern zu stoßen. ten“, wobei dieser vollkommen Demnach war es im Studium Anfänglich förderte er jedoch still sein mußte. Die BehandlunVorschrift, immer gut rasiert zum nur Roteisenstein. Der Bergbau gen glichen einer Zeremonie, bei Examen zu kommen. Rölz hielt kostete mehr Geld, als er ver- der die Patienten die Augen fest sich nicht daran. Und auf die Fra- diente. So forderte Rölz von sei- geschlossen lassen mußten. ge des Professors: „Herr Rölz, nem Vater statt des Erbteils eiDie dabei von ihm angewandwer hat Sie heute rasiert?“, stell- ne einmalige Abfindung in Höhe ten Heilverfahren waren nicht mit te er folgende Gegenfrage: „Herr von 1000 Gulden. Dieses Geld er- den damaligen Lehrbüchern und Jede Gemeinde hat ihre Persönlichkeiten, die sich durch außergewöhnliche Begabungen, Fähigkeiten und Leistungen hervorheben. Pater Adalbert Hahn war eine solche Figur in der Bergstadt Platten, und in Frühbuß war dies Johann Baptist Rölz.
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den üblichen ärztlichen Prak- vor Schmerzen. Mein Vater riet nem Gasthaus zwischen Sauertiken identisch. Am häufigs en nun ernstlich, den Rölzen Baptist sack und Frühbuß, herrschte am Nachmittag ein lautes Durcheinblies er auf die Wundstelle oder zu holen. sog mit dem Mund daran. Auch Als der Rölzen Baptist kam ander vom Jägerlatein unzähliumstrich er die Krankheitsstellen und das geschwollene Bein be- ger Schützen und Treiber. Eines schweigend mit der Hand. Lang trachtete, war es schon neun Uhr konnte Rölz, der zufällig dort saß, andauerndes, stilles Betrachten am Abend. ,Das ist keine große immer wieder heraushören: daß der schmerzenden Stelle gehör- Gefahr, das heilt schon wieder‘, die Jagd diesmal ein rätselhafte ebenso zu seiner Therapie wie sagte er in seiner Ruhe, ,das krieg tes Mißgeschick sei. Kein Hirsch, Quark-, Meerrettich- und Kräu- ich schon hin!‘ Dann schickte er kein Reh, nicht einmal ein Hase war im weiten Gefilde zu sehen. terumschläge. Während seiner alle übrigen aus der Stube. Der Kranken befahl er, die Leer, ohne Beute saßen sie nun Therapie durfte, neben ihm, nur der Patient im Raum sein. Oft lin- Augen zu schließen und fest ge- da und ließen laut hören, wie es derte er auch nur die Schmerzen schlossen zu halten, dabei kein früher zugegangen war. „Was, der Kranken vor einer Behand- Wort zu sprechen, auch wenn es keinen Hirsch wollt ihr heute geeine Stunde dauern sollte. Aber sehen haben?“, wandte sich nun lung bei einem „richtigen“ Arzt. Auch ohne die betroffenen es dauerte länger. Drei Stunden Rölz an die Schützen, „Schaut doch einPatienten dimal zum Fenrekt zu sehen, ster hinaus!“ konnte Rölz Die Schützen heilen. War ein schauten, und Schwerkranzu allen Fenker bettlägestern blickrig und konnten prächtige te nicht zu Rölz Hirsche herkommen, ging ein. Dahinter jemand für ihn standen rudelzum „WunIm Geburtsbuch des Dorfes Schieferhütten für die Jahre 1809 bis 1838 weise Rehböcderheiler“ ke. Die Schütund berichte- steht das Geburtsdatum von Johann Baptist Rölz: 2. August 1815. zen waren verte ihm genau, blüfft. Lauthals wo und wie die griffen sie nach Schmerzen waihren Flinten ren. Daraufund stürmten hin ging Rölz allein in sei- Im Sterbebuch der Ortschaft Frühbuß für die Jahre 1869 bis 1909 steht sein hinaus. Als sie zum Schießen nen hinter- Todestag: 24. Mai 1884. anlegten, war sten Raum. Nach geraumer Zeit kehrte er blies er rund um die kranke Stel- keines der Tiere zu sehen. Rölz erschöpft und matt zurück und le, murmelte zwischendurch un- war inzwischen gegangen. Rölz prophezeite seine Todesschickte den Bittsteller heim. verständliche Worte und sog darDaraufhin konnte der Bettlägeri- auf Luft um die Geschwulst und stunde auf die Viertelstunde genau. Als man nach dem Pfarrer ge aufstehen und war nach weni- das Knie bedrängend ab. Während der Verschnaufpau- schicken wollte, wehrte er ab: gen Tagen gesund. Aufdringlichen Menschen er- se versank er in eine innerlich „Ich habe nichts zu bereuen, was wehrte sich Rölz, indem er sie tätige Stille, die ihn ganz in An- ich vor Gott nicht verantworten wegschickte. Oft war den Kran- spruch nahm, das wußte meine könnte.“ Er befahl seiner Frau, ken aber dennoch geholfen. Sei- Großmutter hinterher zu berich- alle seine Bücher zu verbrennen, und fragte anschließend, ne Heilkünste waren so bekannt ten. Sie habe es spüren können. Rölz war stärkstem geistigen ob sie dies auch vollständig erleund begehrt, daß er sich vor dem Ansturm der Patienten schützte, Zwang ausgesetzt, so daß er in digt habe. Als sie es bejahte, lallindem er sich zu bestimmten Zei- heftiges Schwitzen kam und nach te er: „Dann kann meine Ruschel Abschluß sein tropfnasses Hemd (Schlittenfahrt) beginnen“, und ten in sein Zimmer einschloß. Der ehemalige Frühbußer wechseln mußte. Drei Handtü- zog noch einmal an seiner TaStadtsekretär, Josef Schönecker, cher ließ er sich während dieser bakspfeife. Dies war am 24. Mai verbürgt sich in seiner im Jahr Zeit bringen, um seinen Schweiß 1884. Rölz‘ letzter Wunsch war, daß 1956 niedergeschriebenen Orts- abzutrocknen. Anschließend ging er ins sein Grab nicht gepflegt werde, geschichte von Frühbuß für dessen Berichte. „Meine Großmut- Freie, um die Luft auszustoßen, damit die Grabstelle bald vergester“, erzählt er darin, „hatte sich die er eingesogen hatte. Mitter- sen werde. Seine Frau hielt sich durch einen unglücklichen Sturz nacht war schon vorbei, als er daran. Nur seine Tochter wurde von alten Frühbußern, die ich einen Schaden am rechten Knie heimging. Am anderen Morgen nahm noch kennenlernen durfte, dabei zugezogen. Längere Zeit versuchte sie, mit Umschlägen und Großmutters Bein eine gesun- gesehen, wie sie zu Allerseelen Heublumensamen den Schmerz de Farbe an, und nach zwei wei- an seiner Grabstelle betete. Man findet keine Abbildung zu lindern. Doch sie hatte damit teren Tagen hatte sich auch der Schmerz am Knie verloren. Die des „Wunderheilers“ Rölz, da keinen Erfolg. Der Großvater scheute kein Geschwulst wurde ebenfalls klei- er sich standhaft dagegen wehrGeld und fuhr sie auf einem ner und kleiner, bis Großmutter te, gezeichnet oder fotografiert Händlerwagen nach Neudek, bald nicht mehr wahrhaben woll- zu werden. Unzählige Episoden der Bezirksstadt, zu einem Arzt. te, daß sie einmal schmerzhaft sind von dem Wirken des „Wunderarztes“ und „SchwarzkünstDoch dessen Anordnungen wa- gestürzt war.“ Rölz war aber auch der Herr lers“, des Sonderlings aus dem ren wie lauer Abendwind, sie bewirkten nichts. Die Geschwulst über die „Geister“ und konnte böhmischen Erzgebirge, glücklinahm täglich an Umfang zu. Sie so vielen armen und ehrlichen cherweise überliefert worden. So wurde dick wie ein Klöppelsack Menschen helfen. Aber er trieb wissen wir noch heute von seinen und geriet schon hinauf in den auch mancherlei Schabernack unglaublichen Fähigkeiten. Ulrich Möckel Oberschenkel. Und weil sie be- mit seiner Gabe. Hier eine übergann, blau zu werden, fürchte- lieferte Episode. Im Herbst waren immer gro„Der Grenzgänger“, Nr. 97, te Großmutter, daß man das Bein amputieren müsse. Sie wimmerte ße Jagden, und beim Gesell, ei- April 2021.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
Dux
Ladowitz
Klostergrab
Ossegg
für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau
Bilin
Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. Heimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail spacek@ teplitz-schoenau-freunde.org. Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Lexa Wessel, eMail heimatruf@ sudeten.de
Teplitz-Schönau
Graupen
Niklasberg
� Böhmisches Elbtal – Teil I
Elbefahrt durch anmutige Pracht sen. Er bietet dem Betrachter von nach den Hussitenkriegen ent- gebäude, das dem Burgherrn als landschaft gewordene Elbtal mit allen Seiten her einen mächtigen gegen. Wohnung und im unteren Teil weiten Fabrik-, Bahn- und Haund, im schmucken Rahmen seiDer Aussiger Heimatforscher als „feräumige Kemenate“ – das fenanlagen. Aber stromaufwärts ner landschaftlichen Umgebung, führt den Namen Schreckenstein ist ein beheizter Schlafraum – weiten sich, bis weit an den Bergreizvollen Anblick. Zudem mach- auf das mittelhochdeutsche Wort diente. Zudem sieht man den ab- hängen hinauf, stille, freundliche te ihn die Natur als traurig-küh- „Schreck“ zurück, was so viel wie schüssigen, felsigen Burghof, zu Gärten mit unzähligen gepfle ne Felsmasse zum Wächter und „Sprung“ bedeutet. Tatsächlich dem der Weg über eine hölzerne ten Obstbäumen. Beherrscher des Elbestroms. gibt es zwischen der Unter- und Brücke und über den „Schreck“ Der Abschnitt des Böhmischen Trotzdem scheint man den Fel- Oberburg einen Spalt im Felsen. führte, sowie Burgtor und Vor- Elbtals zwischen Wannow und sen erst zu Beginn des 14. Jahr- Ausgeschlossen ist aber auch werk beziehungsweise Meier- Tschernosek gehört wohl zu den hunderts durch eine Burganla- nicht, daß die späteren Raubrit- hof. schönsten und anmutigsten Gege befestigt zu haben, auf Veran- ter auf der Burg „Schrecken unDie Mauern des Schrecken- genden Mitteleuropas. Jede Elblassung des Königs Johann von steins erheben sich bis 114 Me- schleife gewährt uns, so breit der Luxemburg (1296–1346). Er ter über den Normalwasser- Strom auch sein mag, ein neues war der Vater des böhmistand der Elbe. Früher be- bezauberndes Landschaftsbild. wei Kapitel des Heimatbu- schen Königs und deuthinderten dort Strudel, Manchmal erscheint der geches „Aussig Stadt und Land“ schen Kaisers Karl Felsklippen und Un- mächlich dahinfließende, silbern (München 1988) berichten über IV. (1316–1378). tiefen den Schiffs- aufblitzende Strom wie ein stildas Böhmische Elbtal zwischen Die Burg Schrecverkehr. Kaiser ler, rings von Bergen umschlosAussig und Lobositz. Leider sind kenstein sollKarl IV. ließ die sener Bergsee. die dazugehörigen Abbildun- te die königligefährlichsten Aber kaum hat sich die Elbe gen nur in Schwarz-Weiß, so daß chen Güter an Blöcke aus dem erneut gewendet, breitet sich ein ich mich um die entsprechenden der Elbe vor Strombett be- weites Tal aus, um die sonnigen Farbbilder in heimatlichen Bild- den Angriffen seitigen. Hänge der Weingärten freizubänden oder Kalendern bemü- und ÜbergrifSeit 1927 geben, die terrassenförmig herhen mußte. fen des böhspannt sich un- absteigen, um wieder in wohlDas Böhmische Elbtal beginnt, mischen Adels terhalb des Fel- geordnete Obstbaumbestände staatspolitisch genau genom- schützen. sens die gewal- überzugehen. Das Aussehen der men, an der sächsisch-böhmiAls Erbauer der tige Anlage des Uferlandschaft erinnert oftmals schen Landesgrenze bei Herrns- Burg wird ein geStauwehr, Masa- an ein südliches Gestade. Und kretschen. Aber gemeinhin wisser Peschek gerykschleuse genannt, es ist gewiß nicht verwunderlich, verstehen wir unter dem Böh- nannt, der Besitzer hinüber zum anderen daß der Ort Salesel das Böhmimischen Elbtal jene Flußstrec- des Schlosses und Gutes Ufer. Dort erhebt sich der sche Meran genannt wird. ke, die sich im gewundenen Lauf Schwaden an WorkotschNun verengt sich das Tal, und Ernst Gustav Doerell: „Blick auf das Böhmische Mittelgebirge“(um 1874). durch das Böhmische Mittelge- der Elbe, zu Felsen, ein die Elbe zwängt sich an Steilbirge zieht: von der an der El- dem damals aufgebrochehängen vorbei, die sie sich in be gelegenen Doppelstadt Tet- auch die Besitzungen der späte- ter den Ortsbewohnern verbrei- ner Basaltblock mit einem mehr grauer Vorzeit selbst geschafschen-Bodenbach stromaufwärts ren Herrschaft Schreckenstein teten“. als 300 Meter langen Felsen- fen hatte, als sie den Ausweg über Aussig-Schreckenstein bis mit dem gleichnamigen Dorf am Der Ritter Peschek von Schrec- kamm. Wegen seiner strahlen- durch das bergige Umland suchin das Hügelvorland Böhmische Fuß des Felsens gehörten. Die- kenstein befand sich nur weni- förmig auslaufenden Basaltsäu- te. Dann steht die Böhmische Pforte/Porta Bohemica am Aus- ser urkundlich erstmals 1319 ge- ge Monate im Besitz der Burg. len weckt er immer wieder das Pforte, immer noch dunkel und gang in die mittelböhmische nannte Peschek erhielt die Burg Bereits am 10. September 1319 Interesse der Geologen. drohend, wie ein offener RieEbene bei Leitmeritz und Lobo- als königliches Lehen und ver- übertrug der böhmische König Stromabwärts des Schrec- gel da, und der Doppelkegel des sitz. pfli htete sich und auch seine Johann Burg und Gut an das Ge- kensteins und des Workotsch- Lobosch blickt unverwandt herDer Schreckenstein, das Wahr- Nachkommen zu unbedingter schlecht der Wartenberger, die Felsens liegt das zur Industrie- über. Fortsetzung folgt zeichen Aussigs und die mögli- Gefolgstreue. Herren von Tetschen und Burg cherweise schönste Burgruine im Schon bei der Belehnung wird Blankenstein. Die Umbelehnung Böhmischen Elbtal, ist ein durch der Name „Schreckenstein“ in sollte ein Akt der Versöhnung die Senkung von den Elbevorber- seiner deutschen Form genannt. sein, denn drei Söhne des Burggen losgelöster und zum Elbefluß Die tschechische Bezeichnung herren waren bei einem Adelsschroff abfallender Klingsteinfel- Střekov tritt uns erst im Jahr 1454 aufstand umgekommen. Im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) wechselten mehrmals die Besitzer. Einmal waren die Sachsen die Besitzer, dann wiederum die Schweden, welche die Burg bei den Kampfhandlungen eroberten und auch plünderten. Im Jahr 1660 gab es angeblich nur ein einziges brauchbares Zimmer. Erst die Fürsten von Lobkowitz, damals die Herren von Raudnitz und Bilin, restaurierten die halb verfallene Burg wieder. Während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) und zur Zeit der Napoleonischen Kriege (1803–1815) eroberten Letzte Schiffs ühle an der Elbe in Lobositz. feindliche Truppen die Burg. Selbst als Ruine wirkt Burg Schreckenstein noch großartig und malerisch, vor allem auch durch seine romantische Umgebung. Man könne sie, laut Dichtern und Malern, darunter auch Theodor Körner, Richard Wagner, Caspar David Friedrich und Ludwig Richter, den berühmten Burgen des Rheintals ebenbürtig zur Seite stellen. Das Richtersche Gemälde „Überfahrt am Schreckenstein bei Aussig“ (1837) kann man als eines seiner Meisterwerke bezeichnen. Man bekommt noch heute eine gute Vorstellung von der Größe und Bedeutung der Burg und der gesamten Anlage. Man sieht das erhaltene Gemäuer der oberen Burg mit dem runden WartZwischen 1900 und 1920 endete eine Fahrt durch das mittlere Elbtal in Böh- turm, der Kapelle, dem Pallas men zum Beispiel bei dem Prebischtor mit Besuchergaststätte. und einem einstöckigen Turm- Die Aussiger Burgruine Schreckenstein ist heute ein Touristenmagnet. Bis zum Jahr 1938 wurde eine jährliche Fahrt im Frühjahr in das nahe gelegene Elbtal zur Gewohnheit. Fand dieser Ausflug am 1. Mai statt, war in der Regel das Wopparner Tal im damaligen Bezirk Lobositz das Ausflugsziel. Man konnte es mit der Eisenbahn vom Bahnhof TeplitzSchloßgarten erreichen. Weiter nördlich gelegene Ziele erreichte man vom Hauptbahnhof Teplitz-Schönau. Diese Bahnstrecke endete in Aussig.
Z
Frühe Telefone wie dieser Skelettapparat von 1892 hatten keine Wählscheibe, sondern einen Kurbelinduktor, um sich beim „Fräulein vom Amt“ bemerkbar zu machen.
� Kreis Dux
Hallo, Fräulein Das erste Telefonat auf böhmischem Boden wurde vor 140 Jahren im Kreis Dux geführt.
W
ie Radio Prag berichtet, habe im Jahr 1881 auf dem Gebiet Böhmens das erste Mal ein Telefon geklingelt. Das Gespräch über 2,5 Kilometer Entfernung sei zwischen dem Verwaltungsgebäude der Kohlegrube Hartmann in Ladowitz und dem Bahnhof in Dux geführt worden. Diese Telefonverbindung hatte der sächsische Unternehmer Richard Hartmann eingerichtet. Die Entdeckung großer Braunkohlevorkommen veränderte den Ort seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Um Ladowitz begann, zunächst in kleinen Schächten, eine rege Bergbautätigkeit. Die Prag-Duxer Eisenbahngesellschaft errichtete eine Kohlenbahn von Osseg nach Liptitz, mit deren Verlängerung wurde Ladowitz 1879 an die Bahnstrecke Ossegg–Dux angeschlossen. Drei Jahre später begann die Telefoniererei. Ein Jahr nach dem ersten Telefonat zwischen Ladowitz und Dux wurde die erste Fernsprechvermittlungsstelle in den Böhmischen Ländern eingerichtet. Sie war im Richter-Haus auf dem Kleinen Ring in der Prager Altstadt untergebracht. Noch 1882 gab das Prager Telefonunternehmen das erste Telefonbuch heraus, das mehrere Dutzend Kontakte aufführte. Die zweite Aufl ge vom 1. Januar 1883 wird heute im Prager Postmuseum aufbewahrt. 1911 wurden die ersten Telefonzellen in Prag aufgestellt.
WIR GRATULIEREN Unseren treuen HeimatrufAbonnenten herzliche Glückund Segenswünsche zum Geburtstag im April: n Fleyh/Kreis Dux. Anneliese Moritz/Liebscher, Hutzelofenweg 4, 97717 Sulzthal, 24. April 1936. n Loosch/Kreis Dux. Rosemarie Endisch, Georg-RückertStraße 2, 65812 Bad Soden, 30. April 1928. n Moldau/Kreis TeplitzSchönau. Irmgard Heymann (Nr. 120, Lochfranz), Breitscheidstraße 21, 06842 Dessau-Roßlau, 1. April 1939.
HEIMATBOTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
Bischofteinitz
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
Ronsperg
19 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterÿ ng, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Rai° eisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
Amplatz
Süßer Ferienbeginn Es war im Jahr 1922. Wir gingen den letzten Tag in die Schule in Schüttarschen.
E
Werbe- und Ankündigungsplakat für den Spendenlauf.
Ronsperg
Virtueller Lauf für analoges Schloß Vergangene Woche berichteten wir über Aktionen, mit der die Schloß-Kommission in Ronsperg zur Finanzierung der Sanierung des dortigen Schlosses beitragen will. Den virtuellen Benefizlauf hat sie verlängert.
B
is zum 25. April verlängerte die Kommission unter Eva Vondrašová den Lauf. Zu dem sind natürlich auch Deutsche eingeladen. Die Teilnehmer helfen damit, das Schloß zu sanieren, in dem der Begründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi aufwuchs. Wie sich inzwischen herausstellte, war die Konto-Nummer des transparenten Kontos der Schloß-Kommission, die von Bürgermeister Martin Kopecký großartig unterstützt wird, falsch. Um die Startgebühr in Höhe von 100 Kronen, umgerechnet vier Euro, entrichten zu können, kann eine ganz normale SEPA-Überweisung auf die Konto-Nummer CZ49 0800 0000 0030 3030 3399 vorgenommen werden. Bei diesem Benefizlauf laufen die Teilnehmer nicht wirklich virtuell, sondern tatsächlich draußen in der Natur auf ihrer Lieb-
Die Internetseite der Schloß-Kommission. lingsstrecke – gerne auch mit Hund – oder zu Hause auf einem Laufband. Mitmachen können alle. Jeder läuft in seinem eigenen Tempo. Alles, was die Teilnehmer tun müssen, ist sich für das Rennen auf der Internetseite der Schloß-Kommission unter www.zamekpobezovice.cz anzumelden und die Teilnehmer-Gebühr zu entrichten. Danach muß man nur noch joggen und das Ergebnis des Laufes an das Infozentrum von Ronsperg melden. Weitere Informationen über Registrierung, über Zahlungs-
weise des Startgeldes, über Länge der einzelnen Strecken und über eine Aufzeichnung des Laufs sind auf der neuen Webseite der Schloß-Kommission unter www.zamekpobezovice.cz oder auf Facebook unter dem Namen „Hrad a zámek Pob°žo vice“ zu finden. Auf der Homepage oben rechts auf ein kleines Emblem gehen, das bei der Berührung „Diese Seite übersetzen“ anzeigt. Das anklicken und danach erscheint das Feld „Deutsch“, das nun angeklickt werden muß. Auf Facebook nur den Hinweis
„Übersetzung anzeigen“ drükken. Hinweise für das Registrierungsformular: Jméno a p˝íjmení heißt Vor- und Familienname, Pohlaví heißt Geschlecht, Muž heißt Mann, Žena heißt Frau, Rok narození heißt Geburtsdatum, Adresa heißt Adresse und Výb°r trat° heißt Kategorie-Auswahl. Alles andere muß nicht ausgefüllt werden. Das überwiesene Startgeld kommt sofort auf das Sammelkonto für die Restaurierung des Schlosses. Die Starter erhalten später ein Teilnahmediplom, das elektronisch zugesandt wird. Ferner werden alle Teilnehmer auf einer Spenderliste aufgeführt. In der Nachricht für den Empfänger „RUN-SURNAME“ muß man auf jeden Fall den Familienund Vornamen eintragen. Das Ergebnis des Laufes ist per eMail an info@pobezovice.cz zu senden. Übrigens können auch mehrere Läufe absolviert werden. Für jeden Lauf sind dann jedoch eine neue Registrierung und das Startgeld erforderlich. Natürlich ist es auch möglich, ohne den virtuellen Lauf zu absolvieren, eine Spende auf das Konto zu überwiesen. Karl Reitmeier
inen Tag zuvor hatte uns unser Lehrer Josef Fleischmann gesagt: „Nehmt euch morgen noch einmal ein großes Stück Brot mit. Wenn es möglich ist, mit etwas Butter darauf.“ Diesen Rat befolgten wir. Mit einem Vaterunser begann bei uns die Schule. An der Wand hingen ein großes Kreuz, ein Bild vom Präsidenten Tomáš Masaryk und noch einige hübsche, kleinere Bilder. Es war ein sehr schöner, großer heller Raum. Vom Fenster aus sah man den Laurenziberg mit der Kirche. Gearbeitet wurde am letzten Tag nicht mehr viel. Die Bücher wurden abgegeben und im Schrank aufbewahrt. Wir gingen damals alle mit Holzpantoffeln zur Schule. Die wurden im Vorraum aufgestellt. Zwei lange Reihen waren es. Wenn die Schule aus war, gab es da immer ein Gedränge, denn jeder wollte der Erste sein. Es kam auch öfter vor, daß zum Schluß nur noch zwei linke Pantoffel da waren. So mußte das letzte Kind mit zwei linken Pantoffeln heimgehen, genauso am anderen Tag diesen Weg wieder zurück. Die Pantoffeln wurden umgetauscht, und alles war wieder in Ordnung. Am letzten Schultag gingen wir in die Messe. Wir bekamen unsere Zeichnungen und Hefte, die durften wir mit heim nehmen. Auf einmal hieß es „Pause“. Wir nahmen alle unser Brot heraus und gingen in den Schulhof. Es dauerte nicht lange, da kam Fleischmann mit einer großen Schüssel voll Honig. Jedes Kind bekam einen großen Löffel voll Honig auf das Brot. Das war eine Leckerei! Ach, wie freuten wir uns! Der Herr Lehrer und seine Frau standen dabei und lachten. Wir aßen unser Brot und lach-
ten mit. Die meisten Kinder hatten sonst nur trockenes Brot, und viele kannten Honig gar nicht. Zu kaufen gab es bei uns nur Kunsthonig. Alles wurde aufgegessen und aufgeleckt. Ja, so waren sie halt, unser Lehrer Fleischmann und seine Frau. Wir hatten gegessen, aber unsere Finger klebten. Jetzt hieß es Tintengläser auswaschen. Wir hatten immer zu zweit ein Glas. Im Sturm ging es hinunter zur Radbusa. Mit ein wenig Sand wurden Finger und Tintengläser sauber. Ach, wie schön war das Wasser. Jedes Steinchen konnte man im Boden liegen sehen. Während der Mittagspause setzten wir Mädchen uns auf die Steinplatten des Steges und „stuindln“, das heißt wir spielten ein Wurfspiel mit kleinen Steinen und unseren Händen. Die Buben spielten „Patschek“. Sie hatten sich aus Holz ein längliches Wurfstück geschnitzt. Wenn man mit einem Stock auf die Enden schlug, konnte man es weit werfen. Das war unser ganzes Spielzeug. Einen Ball hatten wir in der Turnstunde. Mit gewaschenen Gläsern gingen wir in die Klasse zurück. Nun wurden noch die Zeugnisse verteilt. Jedes Kind wurde aufgerufen und mußte es beim Pult in Empfang nehmen und dann im Ranzen verstauen. Dann bekamen wir etliche gute Ratschläge und sangen das Lied: „Die Schul‘ ist aus, wir geh‘n nach Haus. Freudig ist‘s im Vaterhaus. Wollen brave Kinder sein und uns nur am Guten freu‘n.“ Dann öffnete unser Lehrer die Türe, und mit Hallo ging es hinunter über die Stiegen und auf den Schulhof. Ein letzter Gruß und ab nach Hause. Viele Kinder mußten zu Hause mitarbeiten, denn es war Erntezeit. Aber trotzdem freute sich jedes Kind auf die Ferien. Marie Dietl/Krippner
WIR BETRAUERN Ronsperg. Am 1. März starb meine Schwester Franziska „Fanni“ Maihöfer/Landkammer im baden-württembergischen Mutlangen mit 95 Jahren. Ihr Sohn, ihre Tochter und ihre fünf Enkel hatten sie zuvor liebevoll umsorgt. Gesundheitlich ging es ihr gut, bis sie sich bei einem Sturz die Schulter und den Oberschenkel brach. Das konnte sie leider nicht mehr verkraften und starb zehn Tage nach der Operation. Ihr Mann war bereits 2016 verstorben. Am 17. Ja-
nuar 1926 war sie in Ronspberg zur Welt gekommen. Nach der Volksschule absolvierte sie die Mittelschule und die Frauenfachschule. Anschließend begann sie ihre Ausbildung zur Erzieherin. Danach wurde sie zum Arbeitsdienst und als Erntehelferin verpflichtet, erst dann konnte sie ihren geliebten Beruf bis zum Kriegsende ausüben. Die Zeit danach wurde schwie-
rig. Fanni wurde zu einem tschechischen Ehepaar als Haushaltshilfe verpflichtet. Da der Ehemann sehr aufdringlich wurde, weigerte sie sich, dort zu arbeiten. Bevor es zu einer weiteren Verpflichtung ins Tschechische kam, floh sie nach Bayern zu der Familie eines Kriegskameraden unseres Vaters. Nach unserer Vertreibung kam auch sie zu uns nach Mutlangen. Ihre
Ausbildung zur Erzieherin wurde hier leider nicht anerkannt. Sie begann als Näherin, wechselte dann in einen Schmuckgroßhandel und landete schließlich bei der Genossenschaftsbank in Mutlangen. Sie war eine treue Besucherin unserer Heimattreffen und konnte es immer kaum erwarten, bis das nächsten Treffen in Schwäbisch Gmünd-Wetzgau stattfand. „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist die Erlösung Gnade“, steht auf ihrer Parte. Mizzi Hinderberger
Die Schule in Schüttarschen. Amplatz war nicht nur nach Schüttarschen eingepfarrt, sondern gehörte auch zum Schulverband Schüttarschen. Bild: Heimatkreisarchiv
TERMINE Freitag, 4. Juni, 14.00 Uhr, Heiligenkreuz: Gottesdienst mit Bischof Monsignore Tomáš Holub von Pilsen in der Pfarrkirche Zum Heiligen Kreuz. Gäste will-
kommen. Auskunft: Peter Gaag, Fridinger Straße 8, 70619 Stuttgart, Telefon (07 11) 4 76 07 25, Telefax 4 76 07 26, eMail peter. gaag@t-online.de
HEIMATBOTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
Bischofteinitz
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
Ronsperg
15 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterÿ ng, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Rai° eisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
Amplatz
Süßer Ferienbeginn Es war im Jahr 1922. Wir gingen den letzten Tag in die Schule in Schüttarschen.
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Werbe- und Ankündigungsplakat für den Spendenlauf.
Ronsperg
Virtueller Lauf für analoges Schloß Vergangene Woche berichteten wir über Aktionen, mit der die Schloß-Kommission in Ronsperg zur Finanzierung der Sanierung des dortigen Schlosses beitragen will. Den virtuellen Benefizlauf hat sie verlängert.
B
is zum 25. April verlängerte die Kommission unter Eva Vondrašová den Lauf. Zu dem sind natürlich auch Deutsche eingeladen. Die Teilnehmer helfen damit, das Schloß zu sanieren, in dem der Begründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi aufwuchs. Wie sich inzwischen herausstellte, war die Konto-Nummer des transparenten Kontos der Schloß-Kommission, die von Bürgermeister Martin Kopecký großartig unterstützt wird, falsch. Um die Startgebühr in Höhe von 100 Kronen, umgerechnet vier Euro, entrichten zu können, kann eine ganz normale SEPA-Überweisung auf die Konto-Nummer CZ49 0800 0000 0030 3030 3399 vorgenommen werden. Bei diesem Benefizlauf laufen die Teilnehmer nicht wirklich virtuell, sondern tatsächlich draußen in der Natur auf ihrer Lieb-
Die Internetseite der Schloß-Kommission. lingsstrecke – gerne auch mit Hund – oder zu Hause auf einem Laufband. Mitmachen können alle. Jeder läuft in seinem eigenen Tempo. Alles, was die Teilnehmer tun müssen, ist sich für das Rennen auf der Internetseite der Schloß-Kommission unter www.zamekpobezovice.cz anzumelden und die Teilnehmer-Gebühr zu entrichten. Danach muß man nur noch joggen und das Ergebnis des Laufes an das Infozentrum von Ronsperg melden. Weitere Informationen über Registrierung, über Zahlungs-
weise des Startgeldes, über Länge der einzelnen Strecken und über eine Aufzeichnung des Laufs sind auf der neuen Webseite der Schloß-Kommission unter www.zamekpobezovice.cz oder auf Facebook unter dem Namen „Hrad a zámek Pob°žo vice“ zu finden. Auf der Homepage oben rechts auf ein kleines Emblem gehen, das bei der Berührung „Diese Seite übersetzen“ anzeigt. Das anklicken und danach erscheint das Feld „Deutsch“, das nun angeklickt werden muß. Auf Facebook nur den Hinweis
„Übersetzung anzeigen“ drükken. Hinweise für das Registrierungsformular: Jméno a p˝íjmení heißt Vor- und Familienname, Pohlaví heißt Geschlecht, Muž heißt Mann, Žena heißt Frau, Rok narození heißt Geburtsdatum, Adresa heißt Adresse und Výb°r trat° heißt Kategorie-Auswahl. Alles andere muß nicht ausgefüllt werden. Das überwiesene Startgeld kommt sofort auf das Sammelkonto für die Restaurierung des Schlosses. Die Starter erhalten später ein Teilnahmediplom, das elektronisch zugesandt wird. Ferner werden alle Teilnehmer auf einer Spenderliste aufgeführt. In der Nachricht für den Empfänger „RUN-SURNAME“ muß man auf jeden Fall den Familienund Vornamen eintragen. Das Ergebnis des Laufes ist per eMail an info@pobezovice.cz zu senden. Übrigens können auch mehrere Läufe absolviert werden. Für jeden Lauf sind dann jedoch eine neue Registrierung und das Startgeld erforderlich. Natürlich ist es auch möglich, ohne den virtuellen Lauf zu absolvieren, eine Spende auf das Konto zu überwiesen. Karl Reitmeier
inen Tag zuvor hatte uns unser Lehrer Josef Fleischmann gesagt: „Nehmt euch morgen noch einmal ein großes Stück Brot mit. Wenn es möglich ist, mit etwas Butter darauf.“ Diesen Rat befolgten wir. Mit einem Vaterunser begann bei uns die Schule. An der Wand hingen ein großes Kreuz, ein Bild vom Präsidenten Tomáš Masaryk und noch einige hübsche, kleinere Bilder. Es war ein sehr schöner, großer heller Raum. Vom Fenster aus sah man den Laurenziberg mit der Kirche. Gearbeitet wurde am letzten Tag nicht mehr viel. Die Bücher wurden abgegeben und im Schrank aufbewahrt. Wir gingen damals alle mit Holzpantoffeln zur Schule. Die wurden im Vorraum aufgestellt. Zwei lange Reihen waren es. Wenn die Schule aus war, gab es da immer ein Gedränge, denn jeder wollte der Erste sein. Es kam auch öfter vor, daß zum Schluß nur noch zwei linke Pantoffel da waren. So mußte das letzte Kind mit zwei linken Pantoffeln heimgehen, genauso am anderen Tag diesen Weg wieder zurück. Die Pantoffeln wurden umgetauscht, und alles war wieder in Ordnung. Am letzten Schultag gingen wir in die Messe. Wir bekamen unsere Zeichnungen und Hefte, die durften wir mit heim nehmen. Auf einmal hieß es „Pause“. Wir nahmen alle unser Brot heraus und gingen in den Schulhof. Es dauerte nicht lange, da kam Fleischmann mit einer großen Schüssel voll Honig. Jedes Kind bekam einen großen Löffel voll Honig auf das Brot. Das war eine Leckerei! Ach, wie freuten wir uns! Der Herr Lehrer und seine Frau standen dabei und lachten. Wir aßen unser Brot und lach-
ten mit. Die meisten Kinder hatten sonst nur trockenes Brot, und viele kannten Honig gar nicht. Zu kaufen gab es bei uns nur Kunsthonig. Alles wurde aufgegessen und aufgeleckt. Ja, so waren sie halt, unser Lehrer Fleischmann und seine Frau. Wir hatten gegessen, aber unsere Finger klebten. Jetzt hieß es Tintengläser auswaschen. Wir hatten immer zu zweit ein Glas. Im Sturm ging es hinunter zur Radbusa. Mit ein wenig Sand wurden Finger und Tintengläser sauber. Ach, wie schön war das Wasser. Jedes Steinchen konnte man im Boden liegen sehen. Während der Mittagspause setzten wir Mädchen uns auf die Steinplatten des Steges und „stuindln“, das heißt wir spielten ein Wurfspiel mit kleinen Steinen und unseren Händen. Die Buben spielten „Patschek“. Sie hatten sich aus Holz ein längliches Wurfstück geschnitzt. Wenn man mit einem Stock auf die Enden schlug, konnte man es weit werfen. Das war unser ganzes Spielzeug. Einen Ball hatten wir in der Turnstunde. Mit gewaschenen Gläsern gingen wir in die Klasse zurück. Nun wurden noch die Zeugnisse verteilt. Jedes Kind wurde aufgerufen und mußte es beim Pult in Empfang nehmen und dann im Ranzen verstauen. Dann bekamen wir etliche gute Ratschläge und sangen das Lied: „Die Schul‘ ist aus, wir geh‘n nach Haus. Freudig ist‘s im Vaterhaus. Wollen brave Kinder sein und uns nur am Guten freu‘n.“ Dann öffnete unser Lehrer die Türe, und mit Hallo ging es hinunter über die Stiegen und auf den Schulhof. Ein letzter Gruß und ab nach Hause. Viele Kinder mußten zu Hause mitarbeiten, denn es war Erntezeit. Aber trotzdem freute sich jedes Kind auf die Ferien. Marie Dietl/Krippner
WIR BETRAUERN Ronsperg. Am 1. März starb meine Schwester Franziska „Fanni“ Maihöfer/Landkammer im baden-württembergischen Mutlangen mit 95 Jahren. Ihr Sohn, ihre Tochter und ihre fünf Enkel hatten sie zuvor liebevoll umsorgt. Gesundheitlich ging es ihr gut, bis sie sich bei einem Sturz die Schulter und den Oberschenkel brach. Das konnte sie leider nicht mehr verkraften und starb zehn Tage nach der Operation. Ihr Mann war bereits 2016 verstorben. Am 17. Ja-
nuar 1926 war sie in Ronspberg zur Welt gekommen. Nach der Volksschule absolvierte sie die Mittelschule und die Frauenfachschule. Anschließend begann sie ihre Ausbildung zur Erzieherin. Danach wurde sie zum Arbeitsdienst und als Erntehelferin verpflichtet, erst dann konnte sie ihren geliebten Beruf bis zum Kriegsende ausüben. Die Zeit danach wurde schwie-
rig. Fanni wurde zu einem tschechischen Ehepaar als Haushaltshilfe verpflichtet. Da der Ehemann sehr aufdringlich wurde, weigerte sie sich, dort zu arbeiten. Bevor es zu einer weiteren Verpflichtung ins Tschechische kam, floh sie nach Bayern zu der Familie eines Kriegskameraden unseres Vaters. Nach unserer Vertreibung kam auch sie zu uns nach Mutlangen. Ihre
Ausbildung zur Erzieherin wurde hier leider nicht anerkannt. Sie begann als Näherin, wechselte dann in einen Schmuckgroßhandel und landete schließlich bei der Genossenschaftsbank in Mutlangen. Sie war eine treue Besucherin unserer Heimattreffen und konnte es immer kaum erwarten, bis das nächsten Treffen in Schwäbisch Gmünd-Wetzgau stattfand. „Wenn die Kraft zu Ende geht, ist die Erlösung Gnade“, steht auf ihrer Parte. Mizzi Hinderberger
Die Schule in Schüttarschen. Amplatz war nicht nur nach Schüttarschen eingepfarrt, sondern gehörte auch zum Schulverband Schüttarschen. Bild: Heimatkreisarchiv
TERMINE Freitag, 4. Juni, 14.00 Uhr, Heiligenkreuz: Gottesdienst mit Bischof Monsignore Tomáš Holub von Pilsen in der Pfarrkirche Zum Heiligen Kreuz. Gäste will-
kommen. Auskunft: Peter Gaag, Fridinger Straße 8, 70619 Stuttgart, Telefon (07 11) 4 76 07 25, Telefax 4 76 07 26, eMail peter. gaag@t-online.de
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 16 | 23. 4. 2021
Heimatbote für den Kreis Ta<au
Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
Die Harpyie ist eine sehr große, kräftig gebaute Greifvogelart in den tropischen Wäldern Mittel- und Südamerikas.
Altzedlisch
Manfred Kraus † Konvikt …
… und Gymnasium in Mies.
Pfraumberger Schüler in Mieser Konvikt und Gymnasium – Teil I
Geladen, geschossen, geladen, geschossen … uns, sprach über Sinn und Zweck des Knabenseminars und betonte: „Wir wollen hier im Konvikt den Priesternachwuchs fördern. Will denn Ihr Enkel Priester werden? “ Prompt trat mein Großvater in das vom Direktor aufgestellte Fettnäpfchen und erwiderte: „Ich möchte, daß mein Enkel Jurist wird, weil ich in meinem Haus in Pfraumberg 138 die Rechtsanwaltskanzlei an Dr. Pollak vermietet habe, die mein Enkel später übernehmen soll.“ Sichtlich enttäuscht stellte Direktor Schrott die Frage an mich: „Was willst Du denn werden? “ Eingeschüchtert gab ich zu: „Priester will ich nicht werden“. Damit trat auch ich in das besagte Fettnäpfchen des Direktors. Um die etwas peinliche Situation zu entschärfen, meinte Herr Schrott: „Nun, wir werden ja sehen, was aus Ihrem Enkel wird.“ Das Fazit: Ich war im Gymnasium und im Konvikt aufgenommen. Damit begann 1938 meine gymnasiale Ausbildung. Meine Mutter bereitete in Pfraumberg, Bettwäsche, Hemden und die vorgeschriebenen Kleidungsstücke vor und kennzeichnete sie mit meiner Nummer 80. Am 2. September 1938 im Konvikt angekommen, war der Aufenthalt für mich eine große Umstellung gegenüber dem freien Leben zu Hause in Pfraumberg. Der Tagesablauf war streng
klösterlich reglementiert. Pfarrer und Präfekt Viktor Kaspar, von uns „Spitz“ genannt, weil er überall dort auftauchte, wo wir ihn nicht vermuteten, weckte uns um sechs Uhr morgens. Nach dem Waschen versammelten wir uns um 6.20 Uhr zum Frühgottesdienst in der Kapelle des Konm 28. Juni 1938 fuhr mein vikts. Großvater Karl Haibach mit Das Frühstück um sieben Uhr mir zur Aufnahmeprüfung an das bestand meist aus zwei Scheiben Gymnasium in Mies. Meine ElBrot und Kornkaffee mit Milch. tern, im Geschäftsbetrieb sehr Gegen 7.45 Uhr erfolgte der Abengagiert, waren froh, daß der im marsch in die etwa fünf GehmiRuhestand lebende und noch aknuten entfernten Unterrichtsräutive Großvater diese Aufgabe für me des Gymnasiums. sie übernahm. Um 13.15 Uhr gab es im KonIm Direktorat des Mieser Gymvikt Mittagessen und von 14.15 nasiums angekommen, überbis 16.00 Uhr Studium, wobei raschte uns die erste gute NachSchüler der Abiturklasse die Aufricht. Aufgrund meines sehr gusicht führten. Nach dem Nachten Schulzeugnisses war mir die mittagskaffee konnten wir bis Aufnahmeprüfung erlassen. So17.00 Uhr Sport treiben oder die gleich gingen wir in das nahegeFreizeit anderweitig verbringen. legene Konvikt, das für die nächFür den Sport standen Fußballsten Jahre meine Unterkunft sein platz, Kegelbahn, Reck, Barren sollte. Pfarrer und Direktor Jound andere Sportgeräte zur Verhann Schrott empfing uns mit fügung. freundlicher Höflichkeit, machte Die Zeit von 17.00 bis 19.00 uns mit dem Sinn des KnabenseUhr war wieder mit dem Studium minars vertraut und besprach mit ausgefüllt. Das Abendessen wurmeinem Großvater die Kosten de um 19.00 Uhr eingenommen. des Aufenthaltes sowie die geistDie Unterklassen mußten um liche Ausrichtung des Konvikts. 21.00 Uhr noch eine AbendanDann erfolgte die Aufnahme, dacht in der Kapelle besuchen. und ich bekam die Nummer 80, Natürlich sollten wir auch jedie jedes Kleidungs- und Wäden Tag zur Kommunion geschestück zu tragen hatte. Dihen, denn wir sollten ja katholirektor Schrott unterhielt sich mit sche Priester werden. Leider entpuppten wir uns in dieser Hinsicht ausnahmslos als Windeier. Diese religiöse Erziehung legte aber das Fundament für unser weiteres Leben. In der ersten Klasse des Gymnasiums führte uns der Klassenvorstand Karl Weps, ein guter und belesener Professor, in Diese alte Postkarte mit dem Konvikt als Motiv erschien im Mieser Verlag Victor Reindl. die MethoPfraumberger Schüler, die eine höhere Schule besuchen wollten, wählten meist das Gymnasium in Mies, tschechisch St˜íbro, weil sie im dortigen Konvikt gut untergebracht waren. Ein Bericht von Josef Hüttl in zwei Folgen.
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der Greifvogel-Zuchtvolieren mit zahlreichen Pionierleistungen der Tierhaltung wie der Zucht von Großen Tümmlern, Rundschwanz-Seekühen, WeißkopfSeeadlern und Harpyien. Seine anfred war der Sohn mei- große entomologische Sammnes Onkels Friedrich Kraus lung vermachte er schon vor Jah(Sochaboda Friedl) aus Altzed- ren der Zoologischen Staatslisch Nr. 210, der mit Hermi- sammlung München. ne Meixner aus Neuhäusl Nr. Fünfzehn Jahre lang lehrte 38 verheiratet war. Dort wurde er an der Universität Erlangen. Manfred am 4. August 1928 als Seit 1991 war er Ehrenmitglied jüngster von drei Söhnen gebo- des Internationalen Verbandes ren, denn sein Vater der Direktoren Zoolowar für einige Zeit Lehgischer Gärten und des rer in Neuhäusl. Er beVerbandes Deutscher suchte das GymnasiZoodirektoren. um in Eger und machte Er machte seinen Zoo 1949 das Abitur in Heimit großem Engagedelberg, wohin es seiment und persönlicher nen Vater als Lehrer in Begeisterung zu einem der Nachkriegszeit vervorbildlichen Tiergarschlagen hatte. Dazwiten. Aber allein der Poschen hatte er ab Jasten des Direktors füllnuar 1944 als 15jähriger für den te ihn seinerzeit nicht aus. Auf Endsieg kämpfen müssen. Sein seinen häufigen Exkursionen Bruder Reinhard fiel im Januar forschte er über Vögel, Kleinsäu1945, sein Bruder Herbert blieb ger und Fledermäuse. Er samseit April 1945 vermißt. Manf- melte im In- und Ausland zahlred überlebte Krieg und Kriegs- reiche Tiere und Informatiogefangenschaft unbeschadet und nen über deren Biologie. Dieser hatte die Chance, seinen Kind- Fundus ist deshalb so wertvoll, heitstraum zu verwirklichen. weil es ansonsten aus zurücklieEr studierte in Erlangen Zoo- genden Jahrzehnten kaum Dalogie, Botanik, Geographie und ten gibt, die heute im Rahmen Chemie. Bereits als Kind hatte von Untersuchungen zur Popuihn die Natur mit ihren vielfäl- lationsdynamik oder für Rote Litigen Beziehungsgefügen faszi- sten verwendet werden können. niert und geprägt. So schwänz- Naturschutz war für ihn ein grote er schon ßes Anlieden ergen, für das sten Volkser bei jeschultag, der mögum stattdeslichen Gesen in den legenheit Wald zu geenergisch hen. Die eintrat. 1982 Mitbringerhielt er sel seiner hierfür die Streifzüge UmweltmeHarpyien fressen Faultiere und A˜ en. begeisterdaille des ten allerFreistaates dings seine Eltern nicht immer. Bayern. Er arbeitete eng mit dem Schon sehr früh begannen diese Landesamt für Umweltschutz zuExkursionen systematische For- sammen, dem er umfangreiche men anzunehmen. Gewissenhaft Daten zur Verfügung stellte. führte er Buch über seine BeobManfred war bodenständig achtungen, und so gibt es heute und weltoffen, er durfte auf ein noch ein mehrbändiges ornitho- reiches Leben und ein vielseitilogisches Tagebuch, das er mit ges und gelungenes Werk zuzwölf Jahren begann und über rückblicken. Immer wieder zeigviele Jahre fortführte. Unter die- te er, daß man Wissenschaft mit sen Voraussetzungen war klar, einem ordentlichen Schuß Hudaß für ihn nur ein Biologiestu- mor und Selbstironie betreiben dium in Frage kam. Im Zoologi- kann. Am Ende trifft zu, was Konschen Institut in Erlangen lernte rad Lorenz einmal sagte: „Alt zu er die wissenschaftliche Zeichne- werden ist die einzige Möglichrin Helga Bachmeier kennen. Sie keit, lang zu leben!“ Manfred heirateten 1958. hatte seine Heimat im Egerland, Nach der Promotion 1955 und sein Zuhause war Nürnberg und einer Assistententätigkeit am die Welt sein Wirkungsfeld. MöZoologischen Institut der Uni- ge er nun eine bleibende Heimat versität Erlangen-Nürnberg trat im Himmel haben und uns durch er 1960 in den Dienst des Nürn- sein umfangreiches Wirken und berger Tiergartens. Von 1970 bis Werk präsent bleiben. zu seiner Pensionierung 1990 Vize-Heimatkreisbetreuerin war er dessen Direktor. Heraus- Sieglinde Wolf: „Unsere Anteilragend in seiner Amtszeit wa- nahme gilt seiner Ehefrau und alren der Neubau des Delphinari- len Angehörigen. Möge Manfred ums und des Tropenhauses sowie Kraus in Gottes Frieden ruhen.“
Am 13. März starb Manfred Kraus mit 92 Jahren in Nürnberg, nachdem er einige Wochen zuvor gestürzt war. Günter Kraus gedenkt seiner.
dik des Lernens ein. Er unterrichtete die Fächer Deutsch und später in der dritten Klasse Geschichte. Er war es auch, der mit seinem interessanten Unterricht die Grundlagen für meine spätere Berufswahl legte. Für mich war er ein Vorbild. Nach dem Umsturz 1945 wurde er von den Tschechen in das Landesinnere der Tschechoslowakei verschleppt und mußte unter den schwierigsten Bedingungen Zwangsarbeit leisten, bis er 1946 nach Hessen vertrieben wurde. Professor Andreas Pittrof, von uns „Tschaul“ genannt, unterrichtete Mathematik. Er hatte ein ausgeglichenes Wesen, ihn konnte nichts aus der Ruhe bringen. Leider hatte er 1945 fast das gleiche Schicksal wie Professor Weps. Erdkunde unterrichtete Professor Dr. Weschta, ein ehemaliger Offizier des Ersten Weltkriegs. Er würzte seinen Unterricht, wenn er auf Rußland zu sprechen kam, oft mit persönlichen Kriegserlebnissen. Dabei kam er, wenn er von der russischen Front erzählte, so in Fahrt, daß er den Überblick verlor. Hier eine seiner Darstellungen: „Wir lagen im Schützengraben, die Russen griffen uns an. Wir haben die Gewehre geladen, dann geschossen, wieder geladen und geschossen, erneut geladen und geschossen. Zum Schluß haben wir nur noch geschossen.“ Selbst als kleine Schüler erkannten wir seine Fehlinformation und lachten über die Geschichte, in die er sich hineingesteigert hatte. Im Fach Biologie unterrichtete ein sehr engagierter und sachkundiger Lehrer: Professor Dr. Adolf Enders. Er verstand es, uns einerseits für die Pflanzen- und anderseits für die Tierwelt zu begeistern. Im Jahr 1943 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, nach harten Kriegseinsätzen in Rußland folgten vier Jahre Gefangenschaft in Sibirien. Zurück im Jahr 1938 vergingen meine ersten Wochen in der neuen Schule und im Konvikt, bis die Sudetenkrise im September ihren Höhepunkt erreichte. Kurz vor dem Münchener Abkommen schloß man das Mieser Gymnasium. Fortsetzung folgt
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