Der ehemalige Europaabgeordnete Martin Kastler im Interview (Seite 3)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 73 | Folge 17 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 30. April 2021
VOLKSBOTE
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Neuinszenierung von „Don Giovanni“ im Ständetheater
Endlich wieder Oper Ohne Publikum im Saal, aber live im TV und weltweit im Internet abrufbar: Am Samstag hat die Neuinszenierung von „Don Giovanni“ im Ständetheater in Prag Premiere gefeiert.
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In der Titelrolle als „Don Giovanni“ brilliert der slowakische Bariton Pavol Kubáň.
Corona-Pandemie
Schwieriger Weg aus dem Lockdown
Die Zahl der Neuinfektionen sinkt, und der Druck nach Öffnungen steigt, dennoch leidet die Tschechische Republik unter einer der höchsten Sterblichkeitsquoten der Welt.
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m 3. Mai sollen alle Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe sowie Galerien, Museen und Sehenswürdigkeiten öffnen, sagt Gesundheitsminister Petr Arenberger – vorausgesetzt, die Zahl der Neuinfizierten sinkt weiter und die Inzidenz bleibt unter 100. In der Tat ist in den vergangenen Wochen die Zahl der Corona-Ansteckungen deutlich zurückgegangen. Während Anfang März noch über 16 000 Fälle pro Tag verzeichnet wurden, sind es aktuell jeweils nur ein paar hundert. Dennoch ist die Öffnungsinitiative nicht ohne Risiko. Derzeit sind nur 9 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, für eine Herdenimmunität wären rund 70 Prozent notwendig. Und noch immer verzeichnet die Tschechische Republik mit 2 711 Todesfällen auf eine Million Einwohner eine der höchsten Sterblichkeitsraten der Welt. Nur in Ungarn (2 799) und Gibraltar (2 791) ist das Risiko noch höher. Zum Vergleich: Deutschland liegt mit 983 Todesfällen pro Million Einwohnern weltweit auf Rang 44. Viele Experten erklären sich die hohe Todesrate in der Tschechischen Republik mit einem schlechten Lebensstil, aber vor allem mit zu frühen Lockerungen, die dann wieder ein exponentielles Wachstum auslösen. „In einer Situation, in der andere Länder einen Lockdown ankündigten, wurde in der Tschechischen Republik gelockert. Das geschah sowohl nach den letzten Sommerferien als auch vor Weihnachten. Und jetzt denkt die Regierung schon wieder darüber nach“, kritisiert Václav Hořejší, Immunologe der Tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Bild: Jan Pohribný, Nationaltheater Prag
as Ständetheater ist ein historischer Ort. Am 29. Oktober 1787 feierte die Prager Gesellschaft die Welturaufführung von „Don Giovanni“. Dirigiert wurde das Werk damals vom Meister selbst. Es habe „lautesten beyfall“ gegeben, schrieb Wolfgang Amadeus Mozart ein paar Tage später in einem Brief. Jetzt, mehr als 200 Jahre später, endete die Oper nach zweieinhalb Stunden ohne Beifall. Pandemiebedingt hatte die Premiere ohne Publikum stattfinden müssen. Dafür wurde die Neuinszenierung live vom tsche-
chischen Fernsehen übertragen und ist weltweit noch bis Samstag in der Mediathek von Česká televize abrufbar (siehe unten). Einstudiert hat die Neuinszenierung der deutsche Dirigent und Mozart-Spezialist Karsten Januschke zusammen mit dem Orchester des Prager Nationaltheaters. „Natürlich fehlt der Applaus. Und ohne Publikum ist es sehr viel emotionsloser. Es ist ein leerer Raum, den wir da bespielen. Dennoch bin ich im Moment der Aufführung so auf das Werk konzentriert, daß ich das ein bißchen ausblenden kann“, beschreibt Januschke die Pandemie-Premiere in Prag. Link zur Mediathek: https://www.ceskatelevize.cz/ ivysilani/13985141535-w-a-mozart-don-giovanni/22154215083
Wegen Verbindungen zu Rußland: Opposition wirft dem tschechischen Staatsoberhaupt Hochverrat vor
Die Wut auf Präsident Zeman wächst Politisch steht die tschechische Regierung am Abgrund. Doch die Chance für die Opposition, Premierminister Andrej Babiš mit einer Zweidrittel-Mehrheit zu stürzen, ist weiterhin gering. Ein Land zerrissen zwischen Ost und West. Und mit einem Präsidenten an der Spitze, dessen Nähe zu Moskau immer mehr Fragen aufwirft.
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m Sonntag holte Präsident Miloš Zeman zum Gegenschlag aus. Über eine Woche hatte das Staatsoberhaupt zu den Vorwürfen geschwiegen, russische Agenten hätten 2014 zwei Bombenattentate auf ein Munitionsdepot im ostmährischen Wirbietitz verübt. Dabei entstand nicht nur erheblicher Sachschaden, sondern es kamen auch zwei Menschen ums Leben. Bei den Tätern soll es sich um dieselben Agenten handeln, denen auch die Vergiftung des ExDoppelagenten Sergei Skripal und seiner Tochter Julija in Salisbury zur Last gelegt wird. Der Kreml bestreitet die Vorwürfe der Prager Regierung vehement. In seiner Fernsehansprache versuchte der rußlandfreundliche Zeman jetzt Zweifel an den Erkenntnissen seiner eigenen Ermittlungsbehörden zu streuen. So gäbe es „keine Beweise oder Zeugenaussagen, daß diese beiden Agenten in der Gegend von Wirbietitz waren“, behauptete Zeman, obwohl bereits tschechische Medien nicht nur gegenteilige Aussagen veröffentlicht, sondern sogar Bilder gezeigt hatten. Das Staatsoberhaupt spekulierte dennoch offen über einen Unfall oder über eine Aktion irgendwelcher Geheimdienste. Zumindest mit dem Verdacht, daß auch westliche Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben könnten, steht Zeman nicht alleine da, denn der Zeitpunkt der Veröffentlichung war aus russischer Sicht verheerend. Am Montag, 19. April, hätte Tschechiens Vize-Premiermi-
Staatspräsident Miloš Zeman am Sonntag im tschechischen Fernsehen.
„Velezrada“ – „Hochverrat“ haben Unbekannte auf die Burg, den Dienstsitz des tschechischen Präsidenten projektziert . nister Jan Hamáček in Moskau sein wollen, um dort über den Kauf des Vakzins Sputnik V zu verhandeln. Außerdem galt Rußland als aussichtsreicher Kandidat für einen Mega-Auftrag, den Ausbau des Kernkraftwerks im südmährischen Dukowan. Am Samstag, 17. April, platzte dann die Bombe. Premierminister Andrej Babiš informierte die Öffentlichkeit und sagte: „Aufgrund eindeutiger Beweise, die durch die Ermittlungen unserer Sicherheitsdienste gewon-
nen wurden, muß ich feststellen, daß es einen begründeten Verdacht auf die Beteiligung von Offizieren des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Einheit 29155, an der Explosion auf dem Munitionsdepot im Gebiet Wirbietitz im Jahr 2014 gibt.“ Die tschechische Regierung warf Rußland in der ersten Erregung sogar „Staatsterrorismus“ vor und alarmierte die NatoPartner. Außerdem wurden umgehend 18 russische Diplomaten des Landes verwiesen – was
Moskau postwendend mit der Das Staatsoberhaupt müßte Ausweisung tschechischer Di- nach einem erfolgreichen Mißplomaten beantwortete. trauensvotum das Unterhaus Der Flug von Jan Hamáček auflösen und Neuwahlen anbenach Moskau wurde abgesagt, raumen, sagen Verfassungsexund Rosatom erneut aus dem Bie- perten. Nur: Zeman sieht das terkreis für das Atomkraftwerk in anders und spricht von einer Dukowan ausgeschlossen. Da- Kann-Bestimmung. Das Worstmit gilt jetzt das US-Unterneh- Case-Szenario sieht dann so aus, men Westinghouse, das sich ne- daß Zeman erneut eine ihm geben dem französischen Konzern treue „Experten-Regierung“ einEDF und dem südkoreanischen beruft und damit bis auf weiteres Unternehmen KHNP bewirbt, als die uneingeschränkte Macht beaussichtsreicher Kandidat. hält. Für die Opposition wäre das Diese wirtschaftlichen Inter- noch schlimmer als die jetzige essen verstärken die Zweifel, ob Lage. Und der Regierung bleibt der zeitliche Ablauf wirklich rei- derweil nichts anderes übrig, als ner Zufall war. Tschechische Me- bis mindestens August durchdien berichten, daß den Sicher- zuhalten. Drei Monate vor der heitskräften schon seit Monaten Wahl, so heißt es in der Verfasdie Hauptverdächtigen bekannt sung, darf das Unterhaus nicht waren. Diese geheimen Ermitt- mehr aufgelöst werden. lungsergebnisse sollen sogar bis Im Oberhaus versucht man zum Staatspräsidenten vorge- derweil, mit einer Verfassungsdrungen sein, der dann, vor einer klage gegen Zeman vorzugehen. Reise nach „Die Das Staatsoberhaupt droht Moskau, Handnach weitelungen mit „ernsten Konsequenzen“ ren Details des Präverlangt hatte – allerdings ver- sidenten in den letzten Tagen geblich. zeigen, daß er nicht im InteresIn seiner TV-Ansprache droh- se der Tschechischen Republik te Zeman jetzt mit Konsequen- handelt. Dies kann nicht länger zen, sollte es den Ermittlungs- ignoriert werden“, erklären die behörden nicht gelingen, die Tä- Initiatoren. Allerdings kann das terschaft der beiden russischen Oberhaus eine Verfassungsklage Agenten zweifelsfrei zu bele- nur vorschlagen, entscheidend gen. Denn daraus folge, so Ze- ist das Votum im Unterhaus. Und man, „daß es sich um ein nach- dort ist im vergangenen Jahr ein richtendienstliches Spiel handel- ähnlicher Vorstoß gescheitert. te, das ernsthafte Konsequenzen Mittlerweile gibt es auch eifür unser innenpolitisches Leben ne Petition gegen Zemann, die haben könnte“. Wie diese Konse- bereits tausende Bürger unterquenzen aussehen könnten, ließ zeichnet haben. Darin fordern der Staatspräsident offen. die Initiatoren, der ehemaliDerweil wächst die Kritik der ge Menschenrechtsminister Mitschechischen Öffentlichkeit an chael Kocáb, die Anwältin Hader Regierung und dem Präsi- na Kordová Marvanová und der denten ein halbes Jahr vor den Philosoph Václav Němec, das Parlamentswahlen ins Uferlose. Oberhaus auf, eine Klage gegen Bereits vor zwei Wochen ent- Zeman einzureichen – wegen zogen die Kommunisten der Hochverrats, was auf tschechisch Minderheitsregierung ihre pas- „velezrada“ heißt. Und genau sive Unterstützung. Doch ein dieses Wort wurde vor wenigen Mißtrauensvotum ist trotzdem Tagen von Unbekannten auf die in weiter Ferne – auch weil nie- Prager Burg, den Amtssitz des mand vorhersagen kann, wie Prä- Präsidenten, projiziert. sident Zeman reagiert. Jaroslav Šonka/Torsten Fricke
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AKTUELL · MEINUNG Hochtaunuskreis
AUS DEM PRAGER GÄSTEBUCH
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itte in Prag, aber nur fünf Minuten von unserem Büro in der Thomasgasse entfernt, befindet sich ein Gebäude, das gleich mehrere Geschichten erzählen kann, die in diesem Fall in entgegengesetzte Richtungen gehen. Jedes Jahr pilgert der ungarische Botschafter zur Gedenktafel, die in tschechischer und ungarischer Sprache an die Prager Studienjahre von Ferenc II. Rákóczi erinnert. Dieses Gebäude auf der Kleinseite war einst ein Jesuitenkolleg. Rákóczi kämpfte gegen die kaiserliche Macht der Habsburger, deren Wappen sich über dem Haustor, nur zwanzig Meter von der Gedenktafel, befindet. Und so werden heute die beiden Protagonisten, obwohl unwissentlich, vereint: Rákóczi und Habsburg an einem Gebäude in der Landeshauptstadt Böhmens. Alte Feinde werden, wenn nicht gerade versöhnt, so doch zu einer „alten Geschichte“ zusammengeschmolzen und kaum einer der Vorübergehenden denkt noch darüber nach. Der Tod und die Zeit versöhnten sie und uns alle langsam, aber sicher.
Endstation Hochtaunuskreis: Eingepfercht in 40 Viehwaggons trafen die ersten 1200 Vertriebenen aus dem Egerland im Februar 1946 im hessischen Gräwenwiesbach ein. Zum 75jährigen Gedenken sucht die Taunus Zeitung jetzt Zeitzeugen.
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Die Inschrift erinnert an Ferenc II. Rákoczi.
Das kaiserliche Wappen der Habsburger.
Bilder: Barton
ach dem Transport im Februar 1946 folgten weitere 409 Eisenbahnfahrten mit diversen Endstationen in Hessen. So kamen im Mai 1946 die ersten Heimatvertriebenen aus dem Kreis Luditz nach Hundstadt. „Wir möchten diese Geschichte lebendig halten und suchen Zeitzeugen, also Heimatvertriebene, die damals als Kind in den Hochtaunuskreis gekommen sind und uns von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichten“, erklärt Matthias Pieren von der Taunus Zeitung und bittet um telefonische Kontaktaufnahme unter (0 60 81) 58 51 34.
Kaiserin Auguste, Prinz Philip und das sudetendeutsche Schicksal Von Bernd Posselt Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe
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ie Corona-Pandemie hat weiter massive Auswirkungen auch auf den Flughafen Prag. Im ersten Quartal 2021 wurden nur noch 251 000 Reisende gezählt – ein Rückgang von rund 90 Prozent. Derzeit wird der Prager Flughafen von 20 Fluglinien angesteuert, die über 30 Destinationen anfliegen. Die Zahl der Starts und Landungen im ersten Quartal ging um rund 74 Prozent auf etwa 44 100 zurück.
eneral Robert Brieger und General Aleš Opata, die Generalstabschefs von Österreich und der Tschechischen Republik, haben eine bessere Zusammenarbeit bei der Luftraumüberwachung angeregt. Die Einzelheiten sollen jetzt im Rahmen von bilateralen Verhandlungen definiert werden, gab das Bundesheer bekannt.
Chem-Trend gründet Tochter-Gesellschaft
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Kaiserin Auguste verstarb am 11. April 1921. Der Streit zwischen diesen verschiedenen Linien hatte 1863 zur Auseinandersetzung um die Frage geführt, ob Schleswig Teil des Königreiches Dänemark oder gemeinsam mit Holstein ein eigenständiges Land im Deutschen Bund werden solle. Österreich und Preußen befreiten es gemeinsam vom Zugriff Kopenhagens, wobei anschließend das südlichere Holstein von Wien aus und das nördlichere Schleswig von Berlin aus verwaltet wurde. Bismarck sabotierte die Pläne zur Errichtung eines demo-
Prinz Philip verstarb am 9. April 2021
kratischen und föderalistischen Schleswig-Holstein unter der Augustenburger Linie und annektierte letztlich beide Herzogtümer. Daraus entzündete sich der Flächenbrand des Krieges von 1866 mit der Schlacht bei Königgrätz als dramatischem Schlußpunkt, was durch Herausdrängung der deutschsprachigen und nicht-deutschsprachigen Altösterreicher aus dem übernationalen Kontext des Deutschen Bundes zu dessen Auflösung führte. Kardinalstaatssekretär Giaco-
mo Antonielli quittierte dies mit dem Ausruf „Il mondo casca!“ „Die Welt bricht zusammen!“, wie auch das zweibändige Meisterwerk des sudetendeutschen Geschichtsschreibers Emil Franzel über diese Zeit heißt. Im Bündnis mit dem soeben entstandenen Italien setzte Bismarck die Nationalstaatsidee durch, die schließlich das KleinEuropa der Habsburgermonarchie zerstören sollte. Erst in der heutigen Zeit versuchen wir diese verhängnisvolle Entwicklung mittels der Vision eines Europa der Regionen zu
Landtag fördert „Grenzen in der Kunst“
90 Prozent weniger Flugpassagiere
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Vertriebenenbeauftragte Syliva Stierstorfer: „Großartige Entscheidung und besondere Wertschätzung“
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inen Zahlungsstopp für EUGelder an die Tschechische Republik hat die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament gefordert, nachdem EU-Rechnungsprüfer am Freitag dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš einen Interessenskonflikt vorgeworfen hatten. Hintergrund ist ein Streit um die von Babiš einst gegründete Agrofert-Holding. Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten hatte Babiš Ende 2017 die Unternehmensanteile an einen Treuhandfonds übertragen, um weiterhin EU-Förderungen zu erhalten. Die EVP rief jetzt die EU-Kommission auf, den neuen Rechtsstaatsmechanismus anzuwenden. Der Mechanismus sieht die Möglichkeit vor, bei bestimmten Verstößen gegen demokratische Prinzipien EU-Gelder zu kürzen.
Wien und Prag wollen kooperieren
Zwei recht unterschiedliche Vorgänge erinnerten neulich an ein längst vergessenes historisches Ereignis im Norden Europas, das in letzter Konsequenz gewaltige Auswirkungen auf die österreichische und europäische Geschichte und damit auch auf uns Sudetendeutsche haben sollte. Das eine war der 100. Todestag von Kaiserin Auguste, der ersten Frau des unglückseligen Wilhelm II., des letzten preußischkleindeutschen Herrschers. Das andere war die Beisetzung von Prinz Philip, die ein weltweites Milliardenpublikum vor den Bildschirmen in den Bann zog. er Gatte der Queen wurde korrekt auch als Prinz von Dänemark und von Griechenland tituliert - Länder, die man normalerweise nicht in einem Zusammenhang sieht. Selbst Hamlet kam nie nach Hellas. In Griechenland regierte aber bis zum Sturz König Konstantins II. 1973 das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, das in Dänemark heute noch auf dem Thron sitzt und dessen Sproß eben auch der nunmehr verstorbene Herzog von Edinburgh war. Die 1921 im niederländischen Exil verschiedene Kaiserin Auguste wiederum entstammte dem Familienzweig Schleswig-Holstein-SonderburgAugustenburg.
PRAGER SPITZEN
EVP fordert Zeitung Agrofert: Konsequenzen sucht E Zeitzeugen
Hamlet und Hellas
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30.4. 2021
Die Sonderausstellung „Grenzen in der Kunst – Tschechische Kunst in drei Generationen“ im Kulturforum Ostdeutsche Galerie Regensburg wird im Rahmen des Kulturfonds 2021 gefördert, hat der Haushaltsausschusses des Bayerischen Landtags vergangene Woche beschlossen.
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as ist eine großartige Entscheidung und auch ein Zeichen der ganz besonderen Wertschätzung“, sagt dazu die Aussiedler- und Vertriebenenbeauftragte der Bayerischen Staats-
regierung, Sylvia Stierstorfer. Die Ausstellung soll vom 21. Mai bis 15. August gezeigt werden und beinhaltet Werke der Malerin und Grafikerin Toyen, sowie der Konzeptkünstler Magdalena Jetelová und Krištof Kintera „Diese Sonderausstellung bringt uns Tschechien und die Vielfalt und Exzellenz des dortigen künstlerischen Schaffens ganz nahe – und fördert so auch das gegenseitige Verständnis und den Austausch zwischen unseren Völkern“, so die CSU-Abgeordnete.
Das Werk „Revolution“ von Krištof Kintera entstand 2005.
hem-Trend hat jetzt in Prag eine Tochtergesellschaft gegründet. Das amerikanische Unternehmen entwickelt und produziert Trennmittel, Reinigungsgranulate und andere spezialisierte Prozeßchemika-
lien. Mit der Büro-Eröffnung in der tschechischen Hauptstadt will das Unternehmen nach eigenen Angaben „die Nähe zu Distributionspartnern und Kunden in Tschechien weiter stärken“. Zu Geschäftsführern der ChemTrend CZ s.r.o. wurden Radek Štourač und Markus Murmann berufen.
Ukraine ehrt Karl Schwarzenberg
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arl Schwarzenberg, ehemaliger tschechischer Außenminister, wird am Dienstag in Prag mit dem Orden des Fürsten Jaroslaw des Weisen, einer der höchsten Auszeichnungen der Ukraine, geehrt. Damit werden Schwarzenbergs persönlicher Beitrag zur Stärkung des internationalen Prestiges der Ukraine sowie die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern gewürdigt, so der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj. Den Orden überreicht der Botschafter in Tschechien, Jewhen Perebyjnys.
Online-Handel auf Rekordkurs
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egen der pandemiebedingten Geschäftsschließungen boomt der Online-Handel. So meldet der Internet-Versanddienst Zaslat.cz, man habe 2020 anderthalbmal mehr Waren verschickt und die Zahl der Kunden um 120 Prozent ausgebaut. Die tschechische Post steigerte die Auslieferung von Päckchen und Paketen von 41 Millionen im Jahr 2019 auf 52 Millionen im Jahr 2020. Und der Versanddienst Zásilkovna berichtet von einem 160prozentigen Plus bei der Warenbeförderung und einer Verdoppelung der Kundenzahl.
Glasfasernetz soll zur Bahn
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ierter Anlauf in sieben Jahren: Die Tschechischen Bahnen (ČD) streben eine vollständige Kontrolle über das Telekommunikationsunternehmen ČD – Telematika an. Das staatliche Unternehmen besitzt bereits 70,96 Prozent und hat dem Mitgesellschafter, der PDF-Gruppe, ein Angebot gemacht, berichten tschechische Medien. ČD – Telematika besitzt das zweitgrößte Glasfaserkabelnetz in der Tschechischen Republik.
Sudetendeutsche Zeitung ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß: Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in Teplitz-Schönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Herbert Ring, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel, Dr. Hans-Roland Zitka. Verlagsassistentin: Birte Rudzki. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Publikumsverkehr nur nach Vereinbarung. Jahres-Abonnement 2021 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2021 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten dazu im Internet unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Herbert Fischer. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
Der ehemalige CSU-Europaabgeordnete Martin Kastler leitet seit März das Vorstandsbüro und den Planungsstab der Hanns-Seidel-Stiftung. Zuvor war der 46-Jährige für die politische Stiftung in Prag als Repräsentant und Regionalleiter für die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn im Einsatz. Im Interview mit der Sudetendeutsche Zeitung zieht Kastler Bilanz.
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AKTUELL � Interview mit Martin Kastler, Leiter des Vorstandsbüros und des Planungsstabes bei der Hanns-Seidel-Stiftung
„Unser Ziel ist die Stärkung des Europagedankens“
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err Kastler, Sie waren sechs Jahre Repräsentant und Regionalleiter der Hanns-SeidelStiftung in Mitteleuropa mit Sitz in Prag und zuständig für Tschechien, Slowakei und Ungarn. Was war Ihr Aufgabengebiet? Martin Kastler: Als politische Stiftung leistet die HannsSeidel-Stiftung viel in der politischen Bildungsarbeit, in der Arbeit für mehr Demokratie, für das Rechtsstaatsprinzip – für unser Europa. Wir haben zahlreiche Angebote an Stipendien und Weiterbildungen. In den drei Ländern Tschechien, Slowakei und Ungarn, für die ich zuständig war, ist die Hanns-Seidel-Stiftung teils mehr als 30 Jahre tätig. Demnach hat die Hanns-Seidel-Stiftung schon sehr bald nach 1989/90 dort Fuß gefaßt? Kastler: Relativ schnell nach der Wende sind wir, als eine doch kleinere politische Stiftung, in unsere Nachbarländer, die besondere Bedeutung für Bayern und für Deutschland haben, gegangen und haben dort mit Partnern gemeinsam Projekte gemacht. Wir haben bei der Transformation zu einer demokratischen Verwaltung geholfen. Ein wichtiger Aspekt damals war, den Bürgern auch Uniformen zu zeigen – eine demokratisch legitimierte Polizei. Übrigens ist heute noch die grenzüberschreitende Polizeiarbeit ein Arbeitsfeld der Stiftung. Ich denke, daß mein Team und ich in den drei Ländern viel geschafft haben. Neue Akzente haben zu einer neuen Nachbarschaftspolitik, einer gelebten Nachbarschaft beigetragen, die auch bei Schwierigkeiten funktioniert. Wie realisieren Sie diese Projekte? Kastler: In all unseren Projektländern haben wir Kooperationspartner, die sich im Bereich der politischen Bildung engagieren. Das sind zum Teil Stiftungen, teils Nichtregierungs-Organisationen oder auch Universitäten Anzeige
Martin Kastler als Gastredner beim Prague European Summit im tschechischen Außenministerium. Bild: Hanns-Seidel-Stiftung. und Kirchen. Ein länderübergrei- Da sind tolle Sachen entstanden: fendes Ziel ist der europäische Ich nenne nur das Buch „Das verDialog, die Stärkung des Europa- schwundene Sudetenland“, das gedankens hin zu einem positi- die NGO „Antikomplex“ geven Europabild. macht hat. Mit welchen Partnern arbeiten Und in den beiden anderen Sie zusammen? Ländern Slowakei und Ungarn? Kastler: Zu unseren Partnern Kastler: Wir haben in der Slogehören große Denkfabriken, die wakei sehr interessante Partner sich mit Europa auseinanderset- aus dem Thinktank-Bereich: zum zen. In Prag etwa Europeum oder Beispiel GLOBSEC, das Bratisladie AMO, also die Assoziation va Policy Institute und das Instifür Internationale Angelegenhei- tut für Öffentliche Fragen (IVO). ten, die Hochschule CEVRO, die Aber auch mit kirchlichen InstiThinktutionen ar„Zu unseren Partnern tanks beiten wir zugehören große Denkfabriken.“ sammen: beiTOPAZ oder das spielsweise IKDP, das Institut für christde- mit dem Forum christlicher Inmokratische Politik der KDU- stitutionen. Es gibt eine PartĈSL. Punktuell arbeiten wir mit nerschaft zwischen dem Kathodem Deutsch-Tschechischen Zu- lischen Landvolk in Bayern und kunftsfonds, Antikomplex, der dem Institut in Preßburg, wo Sdružení Ackermann-Gemeinde, Fragen der ländlichen Entwickderen Jugendorganisation Spirá- lung im Fokus stehen. In Unla und auch dem Sudetendeut- garn haben wir mit der deutschschen Büro in Prag zusammen. sprachigen Andrássy-Universi-
� Zur Person: Martin Kastler � Abgeordneter im Europäischen Parlament, Straßburg/ Brüssel
(2003 bis 2004 und 2008 bis 2014) � Stellvertretender Landesvorsitzender der Christlich-Sozialen Arbeitnehmer (CSA) � Mitglied der CSU-Grundsatzkommission � Mitglied im CSU-Bezirksvorstand Mittelfranken und Nürnberg-Fürth-Schwabach � Mitglied im Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds � Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken � Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde � Gesellschaftspolitischer Beirat des Unitas-Verbandes � Kreisvorsitzender der Paneuropa Union � Initiator der online-Kampagne zur europäischen Bürgerinitiative für den europaweiten Erhalt des arbeitsfreien Sonntags � Präsident des Internationalen Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus tät eine sehr gute Partnerschaft. Oder auch mit dem MatthiasCorvinus-Kolleg, das jetzt auch ein Deutsch-Ungarisches Institut gegründet hat. Aufgrund der manchmal schwierigen deutschungarischen Diskussionen habe ich in Budapest einen regelmäßigen „Bayern-Abend“ ins Le-
ben gerufen, der hoffentlich auch nach dem Austritt von Fidesz aus der EVP weiter ein wichtiges Gesprächsforum bleibt. Tschechien, die Slowakei und Ungarn bilden mit Polen die Visegrád-Staaten. Worin liegen die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede dieser Staaten?
Kastler: Visegrád ist eine „Pressure Group“, die versucht, für Mitteleuropa und dessen Interessen stärker Gehör zu finden. Es hat sich von einem eher kulturellen Bereich weiterentwickelt hin jetzt auch zu politischen Fragen. Diese Richtung zeigte sich offensiv 2015, als es bei der Migrationsdebatte bzw. bei der Flüchtlingskrise große Meinungsunterschiede in der EU gab, vor allem zwischen den Ländern in Mittel- und Osteuropa auf der einen und den westund nordeuropäischen Ländern auf der anderen Seite. Daher ist „V4“ nicht etwas, das wir einfach vom Tisch wischen können, sondern etwas, womit wir uns auseinandersetzen müssen. Aber wir stellen auch fest, daß „V4“ kein heterogener Zusammenschluß ist. Die politischen Meinungsunterschiede existieren zwischen Budapest und Warschau, zwischen Prag und Warschau, zwischen Preßburg und Budapest. Es gibt aber Themen, bei denen man sich schnell einigt, wo man dann auch als „Pressure Group“ in Brüssel auftritt. Zum Beispiel: wie in Zukunft in Europa Rechtsstaatlichkeit betrachtet wird, wie die Fördermittel verteilt werden, wie die Energiepolitik aussieht. Wie sind Sie in Ihrer Arbeit als Vertreter der Hanns-Seidel-Stiftung, einer der CSU nahestehenden Einrichtung, damit umgegangen? Gab es Konflikte? Kastler: Ungarn und Bayern haben eine Jahrhunderte alte gemeinsame Geschichte, Tradition und Verbundenheit, so daß eine aktuelle Partei-Fehde zwischen den jetzt regierenden Parteien in Budapest, Berlin und München nicht dazu führen kann, daß Freundschaften sowie wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen darunter leiden. In den vergangenen sechs Jahren war die Frage nach dem Verbleib der ungarischen Fidesz in der EVP dauerhaft, aber wir haben nie den professionellen und persönlichen Draht verloren. Was nehmen Sie aus diesen Arbeit in Prag mit? Kastler: Es gibt in diesen mitteleuropäischen Ländern eine wirklich tiefe Basis und Anerkennung für die Leistungen in Deutschland, und man mag das Lebensgefühl und die Menschen in Bayern. Man sieht, wie prosperierend dieses Land agiert, daß die Menschen hier gut leben, sie viele Chancen haben. Das Interview führte Markus Bauer
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TERMINE . AKTUELL
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4.2021
Marie Supikova starb mit 88 Jahren in Prag
Europäische Akademie
Das Mädchen von Lidice ist gegangen Das Bild ging um die Welt: Ein 15jähriges Mädchen tritt 1947 als Zeugin vor den Internationalen Gerichtshof in Nürnberg und berichtet über eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der Nazis – über das Massaker von Lidice. Marie Supikova gehörte zu den wenigen Überlebenden. Jetzt ist sie im Alter von 88 Jahren in Prag gestorben.
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n der Nacht vom 9. auf den 10. Juni 1942 stürmten Einheiten der SS das Dorf Lidice (Liditz) und trieben die Einwohner zusammen, um ein Massaker als Vergeltungsaktion für das Attentat auf Reinhard Heydrich zu verüben. Der Leiter des Reichssicherheitshauptamts und stellvertretende Reichsprotektor von Böhmen und Mähren war einer der Hauptorganisatoren des Holocaust. Widerstandskämpfer hatten am 27. Mai 1942 den Wagen von Heydrich mit Maschinenpistolen und Handgranaten angegriffen. Heydrich wurde dabei so
schwer verletzt, daß er am 4. Juni 1942 starb. Weil die Nazis vermuteten, daß die Widerstandskämpfer Unterstützer in Lidice hatten, übten sie grausam Rache und trieben 173 Männer und Jungen über 15 Jahre, 203 Frauen und 91 Kinder in eine Schulturnhalle. „Wir haben geweint und geweint, weil wir sehr verängstigt und verwirrt waren. Wir wußten nicht, was los war“, erzählt Marie später als Zeugin vor dem Gerichtshof in Nürnberg. Auch ihr Bruder Josef wurde von den Nazis aus der Turnhalle geholt. Er war 15 Jahre und zwei Monate alt. Die zwei Monate bedeuteten sein Todesurteil. Die Frauen wurden von den Nazis ins KZ Ravensbrück deportiert, wo die meisten nicht überlebten. Die Kinder brachte man ins Ghetto von Lodz. Dort selektierten SS-Ärzte die Kinder nach „eindeutschungsfähig“ und „nicht eindeutschungsfähig“, was automatisch das Todesurteil bedeutete.
Aktuelle Lage in Rußland Unter dem Titel „Gesellschaft und aktuelle Politik in Rußland“ lädt die Europäische Akademie zu einer Online-Veranstaltungsreihe ein.
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Als eine der wenigen Überlebenden des Massakers von Lidice sagte die damals 15jährige Marie Supikova 1947 als Zeugin vor dem Internationalen Gerichtshof in Nürnberg aus. Bild: Gedenkstätte Lidice Marie hatte Glück und wurde zu einer deutschen Familie nach Posen verbracht. 1947 hörte Marie im Rundfunk einen öffentlichen Aufruf nach Lidice-Kindern und meldete sich. Erst da erfuhr sie, daß die Nazis ihren Vater und ihren Bruder ermordet hatten. 1955 kehrte sie in ihren Heimatort zurück. Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, war bereits zweimal in Lidice, um Opfer zu gedenken – 2010 mit Kultusminister Ludwig Spaenle und 2011 mit Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Torsten Fricke
2011 gedachten der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, den Opfern des Massakers von Lidice. Bild: ČTK Photo
en Auftakt macht am Donnerstag, 6. Mai, Birgit Schmitz-Lenders. Die Akademieleiterin berichtet über „Das schwierige Verhältnis zwischen Russland und der EU“. Die weiteren Termine und Themen: 13. Mai: „Putin forever? Politische Kultur und Innenpolitik“, Dominik Tomenendal, Studienleiter Europäische Akademie Bayern. 20. Mai: „Neue Wege und Perspektiven für die russische Zivilgesellschaft“, Elena Belokurova, Direktorin des Deutschrussischen Austauschs in St. Petersburg. 27. Mai: „Rußlands Protestbewegung: Zwischen Aufbruch und Stagnation“, Dominik Tomenendal. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 18.00 Uhr und enden gegen 19.30 Uhr. Anmeldung unter www.europaeischeakademie.de.
VERANSTALTUNGSKALENDER Samstag, 8. Mai, 14.30 Uhr, SL-Kreisgruppe AugsburgLand: „Wir feiern die Mütter … und die Väter“ mit Festrede von Schirmherrschaftsministerin Carolina Trautner, Filmvortrag „Sudetenland, mein Heimatland!“ von Kreisobmann Kurt Aue sowie Musik von Wolfgang Friedrich (Bobingen) in Wehringen, Fischerheim, In der Aue 5. Anmeldung: Telefon (08 21) 8 85 37 56, eMail sudetenaue@koenigsau. de Samstag, 8. Mai, 15.00 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Muttertagsfeier im Gasthaus Lohgarten, Hilpoltsteiner Straße 28. Samstag, 8. Mai, 17.00 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Maiandacht am Vogelbeerbaum im Stadtpark, Otto-Schrimpff-Straße 17. Montag, 10. Mai, 18.00 Uhr, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen. „Grüß Gott, du schöner Maien…“ Traditionelle Lieder zum Wonnemonat Mai zum Mitsingen unter der Leitung von Dr. Erich Sepp. Die Veranstaltung findet Online statt. Anmeldung: schmalcz@sudeten.de Samstag, 15. Mai, 20.00 Uhr, Ackermann-Gemeinde Bistum Würzburg: Nepomuk-Gottesdienst in der NeumünsterKirche in Würzburg. Festprediger: P. Dr. Martin Leitgöb CSsR, Wallfahrts-Seelsorger auf dem Schönenberg/ Ellwangen (zuvor Prag). Statio bei der Figur des Heiligen in der Kirche und Segen mit der Nepomuk-Reliquie. Sonntag, 16. Mai, Ackermann-Gemeinde Bistum Bamberg: (corona-bedingte Änderung des ursprünglichen Programmes) 15.30 Uhr bis 17.00 Uhr: Online-Symposium mit Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Prof. PhDr. Tomáš Petráček und Generalkonsulin Kristina Larischová
HEILIGENHOF-TERMINE Dienstag, 4. Mai, 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr: „1521 – Weltgeschichte in Worms: Martin Luther, Karl V. und der Wormser Vertrag.“ Online-Veranstaltung für Multiplikatoren und politisch Interessierte Samstag, 8. Mai, 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr: „Wir und die anderen – Die EU im Wettbewerb der Systeme“ Online-Seminar für Multiplikatoren und politisch Interessierte In einer Zeit des stetigen geopolitischen Wandels stellt sich die Frage, welche Position die Europäische Union einnehmen und welche Rolle sie im Konzert der Mächte spielen will. Dies bezieht sich auf die Lösung internationaler Konflikte ebenso wie auf die Sicherheits-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Dabei gilt es auch zu hinterfragen, ob neben den augenscheinlich größten Mitbewerbern USA, China und Rußland weitere Kandidaten betrachtet werden sollten. Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere Hinweise und Anmeldung auf der Webseite www.heiligenhof.de
Christa Olbrich Donnerstag, 6. Mai
19.00 Uhr, Online auf Zoom: „Von der Kuhmagd zur Professorin“, Lesung und Gespräch mit der Autorin Christa Olbrich. Christa Olbrich, die 1945 in Mährisch Schönberg geboren wurde, schildert in ihrer Autobiographie ihren spannenden und keineswegs geraden Lebensweg von der Vertreibung im Jahr 1946 mit ihren Eltern, den schweren Start als Vertriebenenkind in Franken bis ins „Hier und Jetzt“. Veranstalter: Christina Meinusch, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen. Anmeldung per eMail: schmitzer@sudeten.de
zum Thema „Tschechische Jugend in Kirche und Staat“, Anmeldung unter bamberg@ackermann-gemeinde.de 19.00 Uhr Festgottesdienst zu Ehren des Hl. Nepomuk mit Erzbischof Dr. Ludwig Schick in St. Martin. Samstag, 29. Mai, 14.30 Uhr, SL-Kreisgruppe RothSchwabach: Kreishauptversammlung in Roth, RestaurantCafé Waldblick, Ostring 28. Montag, 31. Mai, 19.00 Uhr, Adalbert-Stifter-Verein, Volkshochschule Linz und Institut für Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz: „Zum transkulturellen Charakter böhmischer Literatur“ – Vortrag von Dr. Peter Becher, Vorsitzender des Adalbert-Stifter-Vereins, in Linz, Wissensturm (Saal E 09), Kärntner Straße 26. Samstag, 19. Juni, 9.00 Uhr,
SUDETENDEUTSCHER TAG Aufgrund der Corona-Pandemie ist der traditionell für Pfingsten terminierte Sudetendeutsche Tag in diesem Jahr auf Freitag, 16. bis Sonntag, 18. Juli, verschoben worden (SdZ berichtete in der Ausgabe 16/2021). Austragungsort ist München. Thematisch im Mittelpunkt werden das neue Sudetendeutsche Museum (Foto) in der Hochstraße, das voll in das Programm einbezogen werden soll, sowie die bevorstehenden Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Tschechischen Parlament stehen. Weitere Informationen folgen.
Ackermann-Gemeinde Bistum Bamberg: „Verfolgte Christen in der Welt –Herausforderung für uns?“ – Studientag mit Bischof Bertram Meier (Augsburg), ZeitRedakteur Ulrich Ladurner und weiteren Referenten, CaritasPirckheimer-Haus, Königstraße 64. Anmeldung: Akademie CPH, Königstraße 64, 90402 Nürnberg, Telefon (09 11) 2 34 61 45, eMail akademie@cph-nuernberg.de Samstag, 19. Juni, 10.30 Uhr, SL-Landesgruppe Bayern: Landesfrauentagung 2021 in Regensburg, Kolpinghaus, AdolphKolping-Straße 1. Samstag, 19. Juni, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Jahreshauptversammlung mit Neuwahlen im Restaurant-Café Waldblick, Ostring 28. Sonntag, 4. Juli, 13.30 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: Platzkonzert mit böhmischer Blasmusik am Vogelbeerbaum im Stadtpark, Otto-Schrimpff-Straße 7; anschließend Festzug und 70-Jahr-Feier am Gasthaus Lohgarten, Hilpoltsteiner Straße 28. Sonntag, 12. September, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Kassel: Gedenkstunde für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation, Kassel-Hauptfriedhof (Nähe Eingang Heckershäuser Straße), Auskunft: Dietmar Pfütz, Telefon: 0561-514359, E-Mail: dietmar@pfuetz.de
Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de
HDOnline direkt: 6. Mai, 19.00 Uhr: „Dobrudscha. Deutsche Siedler zwischen Donau und Schwarzem Meer“ (Begleitprogramm zur Ausstellung). Referent: Dr. Josef Sallanz. Buchvorstellung in Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam. Dr. Josef Sallanz (geboren 1963 in Arad, Banat/Rumänien) forscht seit Jahren zu Grenzregionen im östlichen Europa, vor allem zur Dobrudscha und dem Banat. Seit 2016 ist er DAAD-Lektor in der Republik Moldau. Er ist Chefredakteur der DeutschRumänischen Hefte. HDOnline direkt: 10. Mai, 19.00 Uhr: „Literatur im Scherenschnitt“ (Begleitprogramm zur Ausstellung). Referentin: Pomona Zipser. Moderation: Dr. Heinke Fabritius. Podiumsgespräch in Kooperation mit der Kulturreferentin für Siebenbürgen. Online-Veranstaltung auf dem YouTube-Kanal Haus des Ostens (https://www.youtube.com/channel/UCfcSbJn5v6OFqZF0UHNngQA/videos)
MÜNCHEN-AU · AM LILIENBERG 5 S-BAHN ROSENHEIMER PLATZ
AKTUELL
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
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Grabkapelle wird saniert „Gerettete Denkmäler 2020 – Zeugen der deutschen Kulturgeschichte in der Tschechischen Republik“, lautet der Titel einer Wanderausstellung, die pandemiebedingt derzeit nicht an öffentlichen Orten gezeigt werden kann. Als Ersatz stellt die Sudetendeutsche Zeitung einige Erinnerungen in den kommenden Ausgaben vor. Die Grabkapelle von Schönlinde im nördlichen Böhmen Bild: Barbora Větrovská / Jakub Děd
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n Schönlinde befindet sich die Grabkapelle der Familie Dittrich, die im Stil
der Neorenaissance nach den Plänen von Julius Carl Raschdorff in den Jahren 1888 und1889 errichtet wurde. Das Gebäude diente seinem Zweck bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts. Danach wurde es nicht mehr instandgehalten und es verfiel infolge der Witterungsverhältnisse, Diebstähle und des Vandalismus. Gegenwärtig ist die Grabkapelle für die Öffentlichkeit geschlossen und wird mit viel Liebe zum Detail saniert.
Der renommierte Wissenschaftler, engagierte Bürgerrechtler und überzeugte Europäer starb am Sonntag im Alter von 82 Jahren
„Danke, daß du da warst, Ivan Havel“ Er gehörte zu den Aufrechten: Ivan Havel ist am Sonntag im Alter von 82 Jahren auf seinem Landsitz gestorben. Der jüngere Bruder des ehemaligen Dissidenten und späteren tschechischen und tschechoslowakischen Präsidenten Václav Havel war nicht nur ein renommierter Wissenschaftler, sondern auch ein engagierter Bürgerrechtler.
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van Havel ist gestorben. Ein selbstloser Mann, der immer für andere da war. Danke, daß du da warst, Ivan Havel.“ Mit diesen Worten veröffentlichte Michael Žantovský, der Direktor der Václav-Havel-Bibliothek und frühere Pressesprecher des Präsidenten, via Facebook die Todesnachricht. Ivan und sein 2011 verstorbener Bruder Václav entstammten einer einflußreichen und großbürgerlichen Prager Familie. Der Großvater Vácslav Havel erbaute unter anderem den berühmten Lucerna-Vergnügungskomplex am Prager Wenzelsplatz, der Onkel die Prager Filmstudios Barrandov. Als die Kommunisten 1948 in der Tschechoslowakei an die Macht kamen, wurde das Eigentum der Familie Havel in Staatsbesitz überführt. Hinzu kamen Repressalien wegen der großbürgerlichen Wurzeln. Doch Ivan Havel fiel durch seine hohe Intelligenz auf und konnte auch ohne Arbeiter- und Bauern-Herkunft an der Tschechischen Technischen Universität in Prag Elektrotechnik studieren und 1971 an der University of California in Berkeley promovieren, bevor er sich 1992 an der Karls-Universität habilitierte. Hier lehrte er anschließend 27 Jahre lang bis 2018 über natürliches und künstliches Denken. 1990 war er zudem Mitgründer des Zentrums für theoretische Wissenschaften CTS, dessen Direktor er bis 2008 war. Das andere Talent von Ivan Havel wuchs zunächst im Verborgenen. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren organisierte er inoffizielle philosophische und wissenschaftliche Wohnungsseminare und beteiligte sich an der Veröffentlichung von sogenannter Samisdat-Literatur, wie man damals im Osten Bücher nannte, die nicht systemkonform und an der Zensur vorbei heimlich publiziert wurden. Während Václav Havel als Regimegegner insgesamt fünf Jahre im Gefängnis verbringen mußte, hielt Ivan Havel für ihn den Kontakt zu den Oppositionellen aufrecht. 1989 gehörte Ivan Havel zu den Mitbegründern des Bürgerforums und hatte damit maßgeblichen Anteil am Fall des Eisernen Vorhanges. „Er war eine Konstante im Komitee des Guten Willens und bei vielen Veranstaltungen der Bürgerrechtsbewegung“,
Prof. Dr. Ivan Havel und Ehefrau Dagmar Havlová im Jahr 2019 kondolierte Senator Pavel Fischer, ein weiterer Weggefährte von Präsident Havel, auf Twitter. „Ich kannte Ivan Havel noch aus der vorrevolutionären Zeit, als er Wohnungsseminare zu verschiedenen Themen organisierte, darunter auch astronomische Themen“, erinnert sich Jan Palouš. Der Astronom und Astrophysiker war später an der Gründung des Zentrums für Theoretische Studien beteiligt, dessen erster Direktor Ivan Havel wurde. Das Zentrum mündete später in eine gemeinsame Abteilung der Karls-Universität und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik. Ziel der Einrichtung ist es, modernste theoretische Forschung in verschiedenen Disziplinen der exakten Wissenschaften, der Natur- und Geisteswissenschaften zu betreiben und neue Formen der Interaktion zwischen etablierten Disziplinen zu suchen. Ivan Havel hatte sich jahrzehntelang mit Informatik, künstlicher Intelligenz, Kognitionswissenschaft und verwandten philosophischen Themen beschäftigt. Er forschte, veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten, war Chefredakteur der naturwissenschaftlichen Zeitschrift Vesmír und gehörte dem wissenschaftlichen Vorstand des Zentrums für Theo-
Bild: David Sedlecký
Ein Bild aus den Jugendtagen: Václav und Ivan Havel retische Studien an, das er 1990 mitbegründete. Außerdem war er Ehrenmitglied des Vorstandes des „Komitees des Guten Willens: Olga-Havel-Stiftung“, Mitglied des Vorstandes der Stiftung Bürgerforum und Vorstandsvorsitzender von „Libri prohibiti“, einem Verein, der sich dem Thema Exil- und Samisdatliteratur widmet. Als überzeugter Europäer war Ivan Havel eine auch außerhalb der Tschechischen Republik hochgeschätzte Persönlichkeit. Doch trotz dieser großen
Wertschätzung war Ivan Havel nicht glücklich, als er in einem Interview auf sein Leben zurückblickte. Er vermisse, so erklärte er den Journalisten, die 40 Jahre Freiheit, die ihm das kommunistische Regime vorenthalten hatte. Ivan Havel: „Ich konnte nicht das studieren, was ich wollte. Das meiste, was ich beruflich gemacht habe, war ein Ersatz für etwas, das ich hätte machen wollen. Deshalb habe ich es verdient, noch 40 Jahre zu leben, um das alles nachzuholen.“ JŠ/TF
Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, erinnert sich an Ivan Havel
„Mitteleuropa hat einen interessanten Kopf verloren“ Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, hat den Verstorbenen vor mehr als 31 Jahren zum ersten Mal getroffen:
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ährend die Verbindung zu Václav Havel schon vor dem Sturz des Kommunismus im Geheimen existierte, lernte ich seinen Bruder Ivan erst nach der Samtenen Revolution, nämlich am 14. Jänner 1990 kennen. Sein Name war mir allerdings bereits vorher geläufig. Er stand auf einem erstaunlichen Schriftstück, das in den ersten Wochen des Jahres 1989 das Münchner Paneuropa-Büro
erreichte. Es war an Otto von Habsburg gerichtet, den die Unterzeichner – allesamt tschechische, ungarische, slowakische, ruthenische und galizisch-polnische Bürgerrechtler – in dem bei ihrer feuchtfröhlichen ,monarchistischen Silvesterfeier´ verfaßten Brief mit ,Eure Majestät´ titulierten. Das Fest hatte in der Wohnung der Havels stattgefunden, die in der Unterschriftensammlung mit Václav, Olga und eben Ivan vertreten waren. Der in den Augen der Kommunisten hochverräterische Text war glücklicherweise den Zensurbehörden nicht auf-
gefallen und leitete so ein Jahr ein, von dem damals keiner ahnen konnte, daß es die Beseitigung des Eisernen Vorhanges bringen würde. Zwölf Monate später saß ich dann im Prager Palais Sylva-Tarouca am Graben, wo der erste öffentliche Kongreß der bis dahin verbotenen und im Untergrund wirkenden Paneuropa-Union Böhmen und Mähren abgehalten wurde, zwischen Ivan und dem Havel-Berater Fürst Karl Schwarzenberg auf dem Boden, weil die Tagung überfüllt und Sitzplätze knapp waren. Seitdem bin ich Ivan M. Havel oft begegnet, und es waren jedes-
mal interessante und herzliche Gespräche – weniger über Politik als über Kultur, Philosophie und seine große Leidenschaft, die Himmelskunde. Der letzte Konktakt war vor einigen Jahren bei einem privaten Fest im prächtigen Saal des Lucerna-Hauses am Wenzelsplatz, das seine Frau Dagmar mit einem ihrer berühmten Buffets aus feinsten Öko-Produkten ausrichtete. Prag und ganz Mitteleuropa haben mit Ivan Havel einen interessanten und eigenwilligen Kopf verloren, der allen, die ihn kannten, im Gedächtnis bleiben wird.“
Mut tut gut
Türen der Hoffnung
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ot macht erfinderisch! So erging es mir vor einigen Tagen. Bereits vor knapp zwei Wochen war die berühmt-berüchtigte Inzidenzzahl von Corona-Neuinfektionen in meinem Landkreis über die Marke von 200 gestiegen. Für diesen Fall hatte das Bistum Rottenburg-Stuttgart, zu dem meine Pfarrei am Schönenberg bei Ellwangen gehört, festgelegt, daß keine öffentlichen Gottesdienste mehr stattfinden dürften, weder drinnen in Kirchen noch draußen. Eine Woche später hatte sich die epidemiologische Situation in unserer Gegend nicht merklich verbessert. Aber das Bistum erließ eine neue Regelung, die uns wenigstens Gottesdienste im Freien erlaubte. Da wir in unserer Pfarrund Wallfahrtskirche täglich einen Werktagsgottesdienst haben und ich weiß, wie sehr manche Kirchenbesucher diesen schätzen, wollte ich so schnell wie möglich von der neuen Regelung Gebrauch machen. Andererseits stand ich vor der Herausforderung, eine Lösung zu finden, die tagtäglich morgens um halb acht Uhr für alle Beteiligten praktikabel ist. Und an diesem Punkt wurde das Sprichwort wahr, daß Not erfinderisch macht. „Stellen wir einen leicht transportablen Tisch direkt in das Eingangsportal“, sagte ich zu unserer Mesmerin, „davor können wir im Halbkreis Stühle platzieren, dann hält sich der Aufwand in Grenzen und es könnte dennoch eine schöne Atmosphäre entstehen.“ Gesagt, getan. Es war Montagmorgen. Ein Mitbruder und ich standen an unserem einfachen Altartisch. Er war Haupt- und ich Konzelebrant, vor uns die Gottesdienstbesucher unter freiem Himmel mit dem Blick in das Kircheninnere. „Das ist heute eine ganz neue Erfahrung“, sagte mein Mitbruder in seinen einleitenden Worten, „wenn wir den Gottesdienst hier direkt in der Kirchentüre feiern.“ Augenblikke später las ich das für diesen Tag bestimmte Evangelium vor. Was in diesem stand, ließ mich an ein anderes Sprichwort denken: „Der liebe Gott tut im Himmel nichts anderes als fügen.“ Es war der Tag nach dem Guten-Hirten-Sonntag, und der vorgesehene Text war die Fortsetzung der Hirtenrede Jesu im zehnten Kapitel des Johannes-Evangeliums. Dort heißt es: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ „Wow“, dachte ich mir, „wir feiern hier im Kircheneingang mit seinen weit geöffneten Türflügeln die Heilige Messe, und Jesus präsentiert sich uns als Türe der Hoffnung, durch die wir zu einem glücklichen, gelingenden Leben gelangen.“ Das Staunen über diese Fügung hält noch immer an. Selten sind das verkündete Wort und die erlebte Wirklichkeit so nahe beieinander, ja fast deckungsgleich. Für mich ist diese Erfahrung ein Hinweis. Suchen wir doch in unserem Alltag nach Türen der Hoffnung. Wir finden sie in Momenten, in denen uns auch in dieser schwierigen Zeit manchmal überraschend das „Leben in Fülle“ angeboten ist. Das einzige, was es dazu von unserer Seite braucht, ist, in solchen Momenten geistesgegenwärtig zu sein, um sie wahrzunehmen. Dr. Martin Leitgöb CSsR Seelsorger der Pfarrei Ellwangen-Schönenberg
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FORUM
KURZ NOTIERT Lebensmittelkollekte. Die Frühjahrssammlung von Lebensmitteln in der Tschechischen Republik erbrachte in mehr als 800 Geschäften 318 Tonnen Waren. Davon waren 286 Tonnen Lebensmittel und 32 Tonnen Drogerieprodukte. Die Waren wurden von den Lebensmittelbanken an Menschen in Not weitergege-
ben, informierten Vertreter des Verbandes der Lebensmittelbanken am Sonntag die Presseagentur ČTK. Voriges Jahr war die Sammlung wegen Corona ausgefallen. Heuer wurde sie unter strengen hygienischen Vorschriften durchgeführt. Bis 2. Mai können Spenden getätigt werden, allerdings nur noch über eShops.
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Sudetendeutsche Zeitung Hochstraße 8, 81669 München eMail svg@sudeten.de
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
Abzug sowjetischer Truppen aus der Tschechoslowakei vor 30 Jahren
Panzer feiert Rosa-Geburtstag te, wurde er zum Symbol des Endes der Okkupation. Nach Černýs nächtlicher Rosa-Aktion im Frühjahr 1991 ließen die Behörden den Panzer wieder grün färben. Einige Parlamentarier nutzten kurz darauf ihre Immunität und bemalten den militärischen Koloß erneut rosa. Später kam das historische Gefährt ins Museum. Von David Černý stammt auch die Skulptur „Quo Vadis“, ein Trabbi auf vier Beinen, im Park der Deutschen Botschaft in Prag. Er erinnert an den September 1989, als tausende „DDR“-Deutsche in die Botschaft flüchteten und all ihre Trabis in Prag herumstanden.
An die Sowjetische Besatzung der Tschechoslowakei erinnert ein rosa Panzer. Sein Rosa feiert heuer 30. Geburtstag.
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er Panzer stand während des Kommunismus als Denkmal auf dem Kinsky-Platz im Prager Stadtteil Smichow. Ursprünglich wurde er – damals noch grün – zur Erinnerung an die sowjetischen Soldaten aufgestellt, die 1945 an der Befreiung der Tschechoslowakei beteiligt waren. Nach 1968 nahmen die Tschechen den Panzer eher als ein Mittel der sowjetischen Invasion und Aggression wahr. Nachdem ihn der 1967 geborene Künstler David Černý 1991 rosa gefärbt hat-
PERSONALIEN
LESERBRIEFE
Hochengagierter Heimatfreund aus dem Altvatergebirge
Walter Seidel † Am 6. April starb Walter Seidel, ein hochengagierter und treuer Heimatfreund aus dem Altvatergebiet, mit 95 Jahren im badischen Mannheim.
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rotz hoher beruflicher Belastung war er von 1975 bis 1977 Obmann der SL-Kreisgruppe Mannheim und danach bis 2015 Stellvertretender Kreisobmann. Auch führte er ab 1984 die Ortsgruppe Mannheim-Friedrichsfeld. Zur Welt kam er am 19. Februar 1926 im nordmährischen Jägerndorf. Dort besuchte er die Volksschule, machte am Gym-
nasium die Notmatura und wurde danach als Luftwaffenhelfer im Kriegsdienst eingesetzt. Den Krieg konnte er als Flugzeugführer und Leutnant überstehen. Die Gefangenschaft machte seine Rückkehr in die Heimat unmöglich. Über ein Architektur-Studium sicherte er sich seine berufliche Existenz und machte sich 1960 als freier Architekt in Mannheim-Friedrichsfeld selbständig. Vielen Heimatvertriebenen war er bei der Finanzierung und dem Bau eines Eigenheims behilflich. Soziale Aufgaben für die Katholische Kirche sowie die Planung und Bestel-
lung des Alten- und Pflegeheims Josef-Bauer-Haus in Mannheim-Käfertal waren ihm besondere Anliegen. Im oberfränkischen Marktredwitz nahe Eger schuf er mit den Künstlern Hatto und Christoph Zeidler den Egerland-Brunnen. 52 Figuren auf vier Ebenen zeigen das Kulturgut des Egerlandes. Nach 45 Jahren übergab er sein Büro seinem Sohn Stephan. Eine außergewöhnliche Persönlichkeit hat uns verlassen. Ein herzliches Dankeschön für sein Engagement von allen seinen Freunden und Weggefährten. Die SL-Kreisgruppe Mannheim entbietet den Angehörigen ihr aufrichtiges Mitgefühl. Herbert Sieber
Verdienter Wissenschaftler und Heimatfreund aus dem Riesengebirge
Alfred Bönisch † Am 2. März starb Professor Alfred Bönisch, ein verdienter Wissenschaftler und Heimatfreund aus dem Kreis Trautenau im Riesengebirge, mit 88 Jahren in Bernau bei Berlin. Markus Decker, Landschaftsbetreuer Riesengebirge, gedenkt seiner.
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ur Welt kam Alfred Bönisch am 3. September 1932 in Mittelaltenbuch Nr. 42 im Weg Schusterlaube. Bis zum 3. September 1945 wohnte er mit seinem Vater Emil Bönisch, der Maurerpolierer war, seiner Mutter Hermine, geborene Neumann, und seinem Bruder Arnold in Altenbuch. Nach der Vertreibung verbrachte er mit seiner Familie ein Jahr in Slawetin im Kreis Neustadt in Zentralböhmen. Seine Eltern waren dort als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft tätig. Ende September 1946 kam die Familie nach Pasewalk in Vorpommern, wo sein Vater als Maurer arbeitete und 1956 verstarb. Seine Mutter lebte bis 1979 in Pasewalk, anschließend bis zu ihrem Tod 1980 in Berlin. Bönisch besuchte nach zwei Jahren schulfreier Zeit bis zum
Abitur 1952 die Oberschule in Pasewalk und studierte drei Jahre Betriebswirtschaft und Schiffbau an der Universität Rostock. 1955 wechselte er an die Humboldt-Universität zu Berlin und beendete das Studium mit einem Diplom als Wirtschaftshistoriker. Nach Promotion 1962 und Habilitation 1967 wurde er 1976 auf einen Lehrstuhl berufen. Seine Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf Wirtschaftsgeschichte und -theorie in westlichen Industrieländern, vor allem Deutschland, USA, Großbritannien und Schweden. Als Mitglied der UNESCOKommission 1979 bis 1989 lagen seine Arbeitsgebiete im Bereich internationale Wirtschaftsbeziehungen sowie internationale Abrüstungs- und Friedensforschung. Im Rahmen dieser Tätigkeit kam er in Kontakt mit der internationalen Friedensforschungsorganisation (IPRA) und der Organisation Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW). In Zusammenhang mit seinen Forschungsarbeiten und Kommissionstätigkeiten entstanden viele Publikationen.
Seit 1994 war er Rentner. Vier Jahre zuvor hatte er begonnen, an SL-Veranstaltungen teilzunehmen. Nicht zuletzt auf dem Heiligenhof hielt er zahlreiche Vorträge in Veranstaltungen und Seminaren. Des Weiteren nahm er an Treffen des Riesengebirgler Heimatkreises Trautenau und an Heimatortstreffen der Altbüchner teil. Als Heimatortsbetreuer für Altenbuch wirkte er 15 Jahre lang von Dezember 2003 bis Dezember 2018. Die Arbeit als Heimatortsbetreuer war für ihn Basisarbeit für unsere sudetendeutsche Identität, die ihm wichtig war. Er hielt es für dringlich, die Erinnerung an unsere Heimat wachzuhalten, zu pflegen und gegen Verfälschungen unserer Geschichte einzutreten. Alfred Bönisch wird mit seiner 30jährigen Erfahrung in der Heimatpflege und seiner intensiven Betrachtung von heimatlichen Themen eine sehr große Lücke bei uns Altbüchnern, dem Heimatkreis Trautenau und der SL hinterlassen. Am 6. März wurde er auf dem Friedwald in Bernau bei Beerlin beigesetzt.
Ein Weltbegriff – ein Hochgenuß für Feinschmecker
KARLSBADER OBLATEN die meistgekauften ... … weil sie so gut sind! WETZEL Karlsbader Oblaten- und Waffelfabrik · Austraße 5 · 89407 Dillingen/Donau Internet: www.wetzel-oblaten.de · eMail: info@wetzel-oblaten.de
Polen erhielt nicht ganz Oberschlesien
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u dem Artikel „‚Schmerzliche Teilung“ über die Volksabstimmung über die zukünftige staatliche Zugehörigkeit vor 100 Jahren in Oberschlesien von Volksgruppensprecher Bernd Possel ( SdZ 11/2021).
Vor dem Gebäude der „Oppelner Zeitung“: Warten auf das Wahlergebnis. Bild: Bundesbildarchiv Am 21. März 1921 fand in Oberschlesien ein Abstimmung statt, nach der ein Teil Oberschlesiens an Polen gefallen ist. Volksgruppensprecher Bernd Posselt hat Recht, wenn er schreibt, daß die Siegermächte England und Frankreich auf Polens Seite standen und trotz des Abstimmungssiegs der deutschen Oberschlesier das industriereiche Ost-Oberschlesien dem 1918 neugegründeten Staat Polen übergaben. Dem Artikel ist eine Karte Oberschlesiens und Teilen Niederschlesiens, das gar nicht von der Abstimmung betroffen war,
Die in „SdZ“ 11/2021 auf Seite 1 veröffentlichte Karte der Internet-Enzyklopädie Wikipedia trägt die Bildunterschrift: „Die Teilung Oberschlesiens 1921/22: Gelbgrün – aufgrund der Volksabstimmung an Polen; orange – bei Deutschland verblieben, 1990/92 mit dem deutsch-polnischen Grenzvertrag abgetreten.“ beigegeben. Auf dieser Karte sind mehrere Landkreise Oberschlesiens grün gefärbt, andere gelb und einer blau. Das blaue Gebiet ist die südliche Hälfte des Landkreises Ratibor, der ohne Abstimmung an die Tschechoslowakei angeschlossen wurde. Die gelben Landkreise blieben beim Deutschen Reich, die grünen fielen an Polen. In der Bildunterschrift wird der Leser falsch informiert: „Gelbgrün – aufgrund der Volksabstimmung an Polen“. Damit wäre 1921 ganz Oberschlesien an Polen gefallen. Jörg B. Bilke 96402 Coburg
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
Frühe Verbindungen durch das „Kreuz“ wie die Missionierung Böhmens von Regensburg – oben mit Dom Sankt Peter – aus und die „Raute“, die auf dem niederbayerischen Bogenberg (rechts) ihren Weg in das Wappen fand. Die diesjährige Vortragsreihe von Stefan Samerski über „Böhmen und Bayern“ findet wegen der Corona-Pandemie vorerst nur im Netz statt. In der ersten Folge referiert der Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit unter dem Motto „Raute und Kreuz“ über Böhmens Nachbarn Bayern. Die Reihe veranstalten wieder der SL-Bundesverband, die Sudetendeutschen Heimatpflege, die Ackermann-Gemeinde in der Erzdiözese München und Freising sowie die Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales sowie das Haus des Deutschen Ostens in München fördern die Vortragsreihe.
� Neue Vortragsreihe „Böhmen und seine Nachbarn“ – Teil 1: Bayern
Kreuz und Raute
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wischen den Nachbarn Bayern und Böhmen herrschte immer freundlicher Austausch“, lautet das Fazit von Stefan Samerski. „Besonders am Anfang der gemeinsamen Geschichte galt das sowohl für Kirche und Staatlichkeit“, so der Professor für Kirchengeschichte bei seinem Vortrag im Netz. „Das war ein ständiges Geben und Nehmen.“ Begonnen habe der Austausch schon im 9. und 10. Jahrhundert mit der christlichen Missionierung Böhmens von Bayern aus, also die Begegnung im Zeichen des Kreuzes. Zunächst hatte es eine Missionierung von Osten aus gegeben, und zwar durch Kyrill und Method im älteren Großmährischen Reich, durch die auch der Heilige Wenzel von Böhmen (um 908–929/35) zunächst noch geprägt war. „Unter Wenzel gab es dann aber eine klare Wendung gen Westen!“ Damals habe eine Missionierung speziell aus Bayern begonnen, die auch zur Gründung von bedeutenden Klöstern durch viele Orden in Böhmen geführt habe. „Der Ausstrahlpunkt für Böhmen war damals vor allem das Bistum Regensburg“, so Samerski im direkt übertragenen Video. Von Regensburg seien auch Benediktiner nach Böhmen gegangen und hätten zunächst den Adel christianisiert. So stamme auch das tschechische Wort „ko-
Professor Dr. Stefan Samerski erläutert die Entstehung der Raute: links mit „Maria Gravida“, rechts mit Ludmilla und Ludwig I. mit Rautenwappen. stel“ für Kirche vom lateinischen Wort „castellum“ für Burg, da auf den Burgen die ersten Kirchen entstanden seien. Eine der zentralen Figuren der frühen Missionierung sei der heilige Wolfgang gewesen, der wohl ursprünglich aus Schwaben gestammt habe, wo er um 924 geboren worden sei. Um 956 habe Wolfgang die Leitung der Domschule in Trier übernommen und sei dort als Laie Dekan geworden. Später sei er in das Benediktinerkloster Einsiedeln in der Schweiz eingetreten, wo er 968 im Alter von 43 Jahren von Ulrich von Augsburg die Priesterweihe empfing. Nach Missionarstätigkeit in Ungarn sei er 972 zum Bischof von Regensburg geweiht worden. Wolfgang habe auch im Bayerischen Wald gewirkt, sicher auch mit Abstechern nach Böhmen, so Samerski. Bischof Wolfgang stimmte auch der Abtrennung böhmischer Gebiete zur Gründung des Bistums Prag zu, sicher auch wegen seines freundschaftlichen Verhältnisses zu Boleslav II., Dessen Schwester Mlada sei in Regensburg und Rom
Erstmals ist das blauweiße Rautenwappen auf einem Siegel von 1209.
gewesen und habe nach Bischof Wolfgangs Zustimmung und ihrer Rückkehr nach Prag 973 auf dem Hradschin ein Benediktinerinnenkloster als erstes Kloster in Böhmen gründen können, berichtet Samerski über einen weiteren Meilenschritt. Der heilige Wolfgang sei in Böhmen so populär geworden, daß noch im 14. Jahrhundert auf der Burg Karlstein in die bedeutende Kapelle mit Heiligen ein Bild und Reliquien von ihm aufgenommen worden seien. Auch im mährischen Brünn habe es im 14. Jahrhundert einen Holzschnitt von ihm gegeben, seine Hauptverehrung sei jedoch in Böhmen gewesen. „Böhmen erlangte kirchlich jedoch bald Selbständigkeit“, so Samerski. „Mit dem heiligen Adalbert von Prag, der als Vojtěch und Sohn des böhmischen Fürsten Slavník um 956 in Ostböhmen geboren wurde, gab es 982 den ersten böhmischen Bischof von Prag. Die enge Verbindung jedoch blieb erhalten.“ Denn auch nach der erfolgreichen Missionierung seien die engen Kontakte weiter gepflegt
worden, besonders unter dem hohen Adel und den Fürsten: „Přemyslidenprinzessinnen heirateten bayerische Herzöge und umgekehrt“, schildert Samerski eine spezielle Form der Verbindungen. Eine solche Adelsehe habe auch zum Entstehen der weißblauen Raute im bayerischen Wappen geführt, erklärt Samerski zu einem Bild vom 432 Meter hohen Bogenberg nahe der niederbayerischen Stadt Bogen im Bistum Regensburg, auf dem sich der Sitz der Grafen von Bogen befand. In der Nähe sei der Legende nach um 1104 von der Donau ein Marienbild angeschwemmt worden: „Das ,Gnadenbild‘ wurde von Aswin Graf von Bogen in seiner Schloßkapelle aufgestellt.“ Aus der Zeit um 1112 datiere die Nennung eines Marienaltares auf dem Bogenberg. Samerski zeigt ein Bild dieser „Maria Gravida“, die schützend die Hände über das Jesuskind in einem Kästchen in ihrem Bauch hält. 1223 sei der Bogenberg in einer Urkunde des Papstes Honorius III. als „Berg der heiligen Maria“ erwähnt worden. Im Jahr 1286 habe Bischof Bernhard von Passau Ablässe für die Pilger auf den Bogenberg verliehen, 1294 ebenfalls Bischof Enicho von Freising. 1295 errichtete man eine neue, größere Kirche. In unmittelbarer Nachbarschaft erbaute das Kloster Oberaltaich, das von Anfang an die Wallfahrt betreute, eine Wohnung für die Mönche, woraus später das Priorat Bogenberg wurde. Um 1530 seien täglich 15 000 Pilger auf den Bogenberg gekommen, um die Muttergottes zu sehen und um Gnade zu bitten. 1816, als das 700jährige Wallfahrtsjubiläum von 1804 nachgeholt wurde, kamen wieder 28 000 Pilger auf den Bogenberg. Zu den Spitzenzeiten in der Mit-
te des 18. Jahrhunderts waren es rund 35 000 Wallfahrer gewesen. „Bis heute ist die Wallfahrt intakt“, betont der Referent. Heute existieren mehr als 30 regelmäßige Wallfahrten auf den Bogenberg, die meisten in den Monaten Mai und Juni, besonders um die Festtage Christi Himmelfahrt und Pfingsten herum. Dazu gehöre auch die „Holzkirchener Prozession“. Die Holzkirchener Wallfahrt nach Bogen soll der Überlieferung nach bis auf 1475 zurückgehen. Damals soll der Borkenkäfer in den Wäldern rund um Holzkirchen in Oberbayern gewütet haben. Die Holzkirchener erbaten auf einer Wallfahrt bei der Muttergottes auf dem Bogenberg erfolgreich ihre Hilfe. Seither wird jedes Jahr ein gerader Fichtenstamm mit rotem Wachs umwickelt und in einer Dankwallfahrt zur Muttergottes auf dem Bogenberg gebracht. Die Holzkirchener „Kerzenwallfahrt“ wurde im 19. Jahrhundert auf Pfingsten verlegt und fand sogar im Coronajahr 2020 statt. Die Grafen von Bogen, zu deren früherer Schloßkirche die Pilgerfahrt führte, hätten enge Beziehungen zu Adelsgeschlechtern in Böhmen gehabt, die
bedeutendste sei die Familienbindung zu den Přemysliden gewesen. Durch die Ehe Alberts III. von Bogen mit der etwa vierzehnjährigen Ludmilla, Tochter des böhmischen Herzogs Friedrich, sei 1184 ein Teil von Ludmillas Erbschaft sowie Ländereien und eine große Aussteuer aus Böhmen an die Grafen von Bogen gekommen. „Unter Ludmillas Mitgift war der Legende nach auch ein Gitter in Form einer Raute, die später zum blauweißen Hauswappen erst der Grafen von Bogen, dann der Wittelsbacher und schließlich des Freistaats Bayern wurde.“ Die Entwicklung dazu schildert Samerski auch: Nach dem Tod Alberts III. von Bogen 1240 auf einem Kreuzzug habe seine Witwe, Ludmilla von Böhmen, wieder heiraten müssen. Schließlich habe sie dem Werben eines Wittelsbachers, des Herzogs Ludwig I. von Bayern, nachgegeben. Der Legende nach habe der als „Hallodri“ bekannte Ludwig Ludmilla verführen wollen, diese jedoch von ihm ein Eheversprechen vor Zeugen verlangt. „Auf einem Vorhang vor ihrem Schlafgemach ließ sie raffetückisch drei Gestalten als angeblich ,Zeugen‘ malen. Als Ludwig tatsächlich das Ehegelöbnis gab, traten drei echte Ritter, die hinter dem Vorhang verborgen waren, als Zeugen hervor, und der Hallodri mußte sie heiraten.“ Mit seiner Ehe gewann Ludwig König Ottokar I. von Böhmen, den Cousin Ludmillas, zum Verbündeten. Die Söhne aus Ludmillas erster Ehe übernahmen das weiß-blaue Rautenwappen. Nachdem der erste Erbe, Albert IV. von Bogen, ohne Erben gestorben war, ging die Grafschaft Bogen – und damit das Wappen – an den Sohn Herzog Ludwigs I. von Bayern und Ludmillas von Böhmen, den Wittelsbacher Otto II. (1206–1253), der 1231 Herzog von Bayern wurde. Die Beziehungen zwischen Bayern und Böhmen hätten sich in den nächsten Jahrhunderten noch weiter intensiviert. „Doch gerade an den Anfängen war der Austausch auf kirchlichem und staatlichem Gebiet sehr eng – vorbildlich für ein einiges Eu ropa“, schließt Samerski seinen spannenden Vortrag. Susanne Habel
Die „Holzkirchener Prozession“ führt als Wallfahrt alljährlich zum Bogenberg, von dem das Wappen stammt.
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
� Buchvorstellung auf dem Heiligenhof mit zwei Mitgliedern der Sudetendeutschen Akademie im Netz
Auf den Spuren der Ahnen in Nordböhmen Bei einer Veranstaltung der Bildungsstätte Heiligenhof im Netz stellte der im böhmischen Haida geborene Wissenschaftler Volker Oppitz seine Publikation „Spuren der Ahnen in Böhmen“ vor. Sein Gesprächspartner war Dieter Fritsch, Sekretar der Naturwissenschaftlichen Klasse der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste, der Oppitz selbst auch angehört. Die Moderation der Veranstaltung mit knapp 40 Teilnehmern lag bei Gustav Binder, dem Studienleiter des Heiligenhofs.
I
ch habe mein Buch auch für meine dreizehn Nachkommen – fünf Kinder, sechs Enkelkinder und zwei Urenkel – verfaßt“, sagt Volker Oppitz. „Die Jüngeren darunter interessieren sich noch nicht für meine Forschungen und unsere Herkunft. Aber auch ich begann damit erst im Ruhestand“, sagt der im nordböhmischen Haida geborene emeritierte Professor. Außerdem hätten sich in seiner Jugend und früheren Berufslaufbahn in der „DDR“ die Menschen aus Böhmen nicht solidarisieren können oder beschäftigen dürfen mit Vergangenheit und Vertreibung, die bestenfalls als „Umsiedlung“ bezeichnet worden sei. Der weißhaarige Wissenschaftler spricht in seinem Arbeitszimmer in Dresden in sein Telefon, da die Audioübertragung über das Programm Zoom nicht funktioniert. Zu der Idee, die Spuren seiner Ahnen in Nordböhmen zu erforschen und dafür Literatur, Quellen und Archive seiner Geburtsheimat auszuwerten, habe ihn auch die Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste in München angeregt, in die er 2011 berufen wurde. Die Akademie habe ihn mit ihrem internationalen Geist der dort geleisteten Forschungsarbeit und ihren Verbindungen zu Ahnenforschern und Archiven der Bundesrepublik Deutschland, der Slowakischen und der Tschechischen Republik beeindruckt. „Mein Buch beruht hauptsächlich auf der Chronik meines Geburtsortes Blottendorf im Kreis Böhmisch Leipa und auf Kopien der Ahnendatei, die mein Vater angelegt hat“, teilt Oppitz über die Basis seiner Forschung mit. Dieses Material habe er 1969 bei seiner eigenen Promotion in Dresden von seinem Onkel Alois Barnet erhalten, der 1896 in Linsdorf im Kreis Grulich im Altvatergebirge zur Welt gekommen sei. „Als Arzt durfte mein Onkel, der 1925 die Schwester meines Vaters Emil Otto Oppitz geheiratet hatte, seine Habe 1949 bei seiner Vertreibung aus Liebshausen im Kreis Bilin nach Hebertsfelden in Niederbayern mitnehmen.“ So seien diese Unterlagen erhalten geblieben, erzählt der emeritierte Wirtschaftsmathematiker. Seine Lebensgeschichte ist spannend: Volker Oppitz war das
Der Autor und Professor emeritus Dr. Volker Oppitz, Referent Professor emeritus Dr. Dieter Fritsch, Bayerns SL-Landesobmann Steffen Hörtler und Heiligenhof-Studienleiter Gustav Binder beim Gespräch auf der Internet-Plattform Zoom. dritte Kind des Bürgermeisters von Haida. Er absolvierte 1946 bis 1949 eine Lehre im Mühlenwerk Urach in StarkenbergKreutzen, heute im Landkreis Altenburger Land. Aufgrund seiner familiären Herkunft wurde er von der Geheimpolizei der UdSSR,
„Das neue Buch von Professor Oppitz, ,Spuren der Ahnen in Böhmen‘, über die Geschichte seiner Heimat und Ahnen kam letztes Jahr schon als Taschenbuch heraus“, freut sich Dieter Fritsch auf dem Monitor. Dieses Jahr solle das Werk zusätzlich als
ker Oppitz sei ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man das Sudetendeutschtum seiner Vorfahren wissenschaftlich analysieren und in kulturelle Traditionen einbetten könne. „Damit ist dieses Buch nicht nur lesenswert, sondern erzeugt auch neues Wis-
die Glasvermarktung. In die Geschichten von Vorfahren und Familienangehörigen von Oppitz eingebettet, würden auch religiöse und karitative Institutionen und Personen beschrieben sowie weitere heimatliche Berufsbilder aufgezählt wie Förster, Frei-
Professor Fritsch zeigt Bilder seiner Arbeit an der photogrammetrischen, dreidimensionalen Erfassung seines Wohnortes Calw in Baden-Württemberg. dem späteren KGB, verhaftet und war 1947 monatelang in Einzelhaft im Gefängnis der Politischen Hauptverwaltung der UdSSR in Weimar. Ab 1950 studierte Oppitz zunächst an der Deutschen Müllerschule Dippoldiswalde in Sachsen und machte 1952 seinen Diplom-Ingenieur an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Dresden. 1956 graduierte er als Ingenieur ökonom. Nach Dozententätigkeit an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik in Dresden wechselte er als Bereichsleiter für Betriebsführung und Datenverarbeitung an das Institut für Rationalisierung und Organisation der Elektrotechnik in Dresden. 1970 wurde er mit einer Arbeit über industrielle Systeme an der Technischen Universität Dresden promoviert. Er lehrte ab 1973 als Hochschuldozent für Wirtschaftsführung. 1981 habilitierte er sich über Organisations- und Informationsnetze in Unternehmen an der Universität Rostock. Nach vielfältiger Lehrtätigkeit wurde Oppitz 1996 emeritiert, wirkte jedoch weiter in Forschung und Lehre. Oppitz beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Entwurf mathematischer Modelle und deren praxisrelevanter Verwendung. Er veröffentlichte mehr als 200 wissenschaftliche Publikationen, darunter über 32 Bücher und Broschüren.
Band 40 der Schriften der Sude- sen – ganz im Sinne der Sudetendeutschen Akademie für Wis- tendeutschen Akademie.“ senschaften und Künste erscheiDas Buch beginne mit einen. Fritsch lobt: „Dem Verfasser nem historischen Abriß zu Entist es gelungen, in wissenschaft- wicklungen in Bayern, Böhmen licher Manier die Entwicklungs- und Mähren. Dann beschreibe geschichte seider Autor unner Vorfahren ter anderem in die historidie Seßhaftsche Entwickwerdung und lung von BöhAnsiedlungen men einzuseiner Vorfahbetten und ren im deutauf diese Weischen Osten, se VergangeLand und Leunes erlebbar te der Regiozu machen und nen sowie die neues Wissen Zunftbildung, zu generieum wirtschaftren.“ In seiner liche Verbünde Einführung und Interessen hatte er den zu fokussieWerdegang ren, schildert des Verfassers Fritsch. Davorgestellt. zu liest er eiFritsch bene längere Pasrichtet auch Volker Oppitz: „Spuren der Ahnen sage und zeigt über die Ent- in Böhmen“. Schriften der Sudeten- die dazugestehung und deutsche Akademie Band 40, Mün- hörigen Illuchen 2021; 234 Seiten, 23,63 Eu- strationen im Entwicklung der Su- ro. Bei Amazon: „Spuren der Ah- Buch. nen in Böhmen“. Selbstverlag 2020; detendeutWie es bei schen Akade- 234 Seiten, 24,08 Euro. (ISBN 979-8- Nordböhmen mie, die sich 558849-79-0) naheliege, zöals Brückengen sich auch bauer der Gegenwart und Zu- die Glaserzeugung und der Glaskunft sehe, um Vergangenes le- handel durch weite Teile des Bubendig zu halten und zu einer ches. Der Leser erhalte dabei friedlichen Koexistenz der Völ- wertvolle Informationen über ker im deutschen, tschechischen die Veredelung von Glasprodukund slowakischen Sprachraum ten sowie einen Einblick in den beizutragen. Das Buch von Vol- Aufbau von Handelswegen für
Abbildungen aus „Spuren der Ahnen in Böhmen“ mit Siedlungsorten der Vorfahren, die zunächst in der Innersudetischen Senke um Braunau lebten.
richter, Gemeindevorstände und Lehrer, die alle zur Entwicklung des Landes beigetragen hätten. „Ganz spannend und humorvoll beschrieben sind die Geschichten um Friedrich Egermann, der 1777 in Schluckenau geboren und früh adoptiert wurde“, meint Fritsch. Egermann sei ein visionärer Glasgestalter und Unternehmer gewesen. Fritsch liest Passagen über den Glastechnologen vor, der die Glasindustrie damals prägte. Außerdem beschreibt das Buch die Technisierung der Textilfertigung und stellt die Entwicklungsgeschichte von Haida als Gewerbe- und Handelsstadt dar. Oppitz erklärt den Zeitrahmen seiner Studie: „Die Ahnenzweige darin verlaufen von dem 1570 in Blottendorf im Königreich Böhmen geborenen Adam Oppitz bis zu meinem Vater Emil Otto Oppitz, der 1898 in Haida geboren wurde.“ Sein Vater sei allerdings am 8. Mai 1945 bei Scharmützeln mit der Roten Armee in Langenau bei Haida gefallen, berichtet er im Buch. Seine Mutter Anna Maria Oppitz, geboren 1897 in Morgenthau im Kreis Deutsch Gabel und ehemalige Geschäftsführerin der Lusterwerke Oppitz & Max in Haida, sei 1961 mit 63 Jahren verstorben, und zwar an den Spätfolgen von Verwundungen, die ihr von Angehörigen der Roten Armee in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 in Leitmeritz zugefügt worden seien.
Zu dieser Zeit ereignete sich auch das Massaker von Haida, nach dem in der Diskussion gefragt wird. Steffen Hörtler, der Leiter des Heiligenhofs, teilt im Chat mit: „Angehörige der Tschechischen Revolutionsgarde folterten und erschossen am 2. Juni 1945 acht Deutsche in Haida vor dem Rathaus.“ Und „Zur Abschreckung wurden die Hingerichteten 24 Stunden lang an Ort und Stelle gelassen und dann in einem Massengrab beerdigt.“ Oppitz war als junger Bursche Zeitzeuge vor Ort und erinnert sich: „Ich ging morgens über den Marktplatz, wo die zwei Männer und sechs Frauen einige Stunden später umgebracht wurden.“ Seine Studie schließe jedoch schon mit Ende des Ersten Weltkriegs. „Ich habe mein Buch mit dem Ende meiner Heimat als böhmisches Königreich im Jahr 1918 enden lassen“, sagt Oppitz. Somit umspannt das Buch einen Zeitrahmen von knapp 400 Jahren. Einen Einblick hat schon Dieter Fritsch mit seinen Lesungen geboten. Sein Interesse an dem Buch sei auch biographisch begründet, wie er erklärt. Er sei zwar 1950 in Gemünden im Westerwaldkreis zur Welt gekommen, stamme jedoch väterlicherseits aus Grasset im Kreis Falkenau: „Meine Onkel sprachen bei uns immer in der heimatlichen Mundart“, schmunzelt Fritsch. Der ehemalige Direktor des Instituts für Photogrammetrie, Prorektor und Rektor der Universität Stuttgart ist seit seiner Pensionierung 2009 weiterhin in der Forschung aktiv, etwa an der Deutschen Universität Kairo. Als Sekretar der Naturwissenschaftlichen Klasse der Sudetendeutschen Akademie stellte er seine neueren Forschungen auf dem Gebiet des digitalen Vermessungswesens schon bei einem fulminanten Vortrag in München vor (Ý SdZ 31/2017). Einen Überblick über die virtuelle Raumerfassung, wie sie heute betrieben wird, zeigt er auch bei der Online-Veranstaltung des Heiligenhofs am Beispiel von Internetaufnahmen in seiner württembergischen Heimatstadt Calw und erregt damit Bewunderung. Trotz der technischen Probleme bei der Zoom-Übertragung verfolgen die knapp 40 Teilnehmer gespannt die lange Präsentation. Die Akademiemitglieder Oppitz und Fritsch stehen auch bei der anschließenden, regen Publikumsdiskussion Rede und Antwort. Die Moderation liegt bei Gustav Binder. Der Studienleiter des Heiligenhofs faßt zusammen: „Das Werk von Professor Volker Oppitz ist eine echte Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte für den Raum Nordböhmen.“ Susanne Habel Internet: ahnen.eu
Haus der Ahnen-Familie Egermann in Blottendorf.
http://spuren-der-
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ZEITGESCHICHTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
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er fremde Ortsname Brünnlitz war es, der in mir die Erinnerung an ein für mich damals 15jährigen ungewöhnliches Ereignis weckte. Meine Erinnerung führt mich in den Monat April des Jahres 1945 zurück. Die Alliierten hatten wohl schon die weitesten Gebiete des damaligen Deutschen Reiches in Besitz genommen. Aber meine Heimatstadt Mährisch Schönberg, im nördlichen Mähren beim Altvatergebirge gelegen, war bis dato von Kriegshandlungen und Fliegerangriffen verschont geblieben. Diese Zone sollte bis 8. Mai 1945 deutsches Machtgebiet bleiben. Die südlich gelegene Landeshauptstadt Brünn sollte am 26. April 1945 von den Sowjets erobert werden. Von Osten drängten täglich neue Flüchtlingstransporte in die Stadt. Die Menschen mußten untergebracht werden. Alle Schulen dienten als Lager. Wir Schüler waren als Betreuer im Einsatz. Ich lebte mit meinen Eltern in unserer Kreisstadt Mährisch Schönberg. Im Dezember 1944 hatte ich das 15. Lebensjahr vollendet. Eines Tages im April 1945 erreichte mich ein Anruf von der Bannführung der Hitlerjugend (HJ) – die Bannführung war eine Führungseinrichtung auf Landkreisebene. Ich solle mich am nächsten Morgen um 6.00 Uhr bei dieser Dienststelle mit Marschverpflegung einfinden. Dort warte ein HJ-Führer mit einem Lastwagen und einem Fahrer auf mich und fünf weitere Kameraden zur Erfüllung eines auswärtigen Auftrags. Das Ziel war der Ort Brünnlitz. Brünnlitz lag etwa 15 Kilometer südlich von Zwittau, der Kreisstadt der großen deutschen Sprachinsel Schönhengstgau. Zwittau war rund 40 Kilometer in südöstlicher Richtung von Mährisch Schönberg entfernt. In Brünnlitz lagerte in einer ungenützten großen Fabrikanlage Beutegut der Deutschen Wehrmacht aus verschiedenen Ländern, keine Waffen, sondern militärische Ausrüstungsgegenstände und Stoffballen. Unser Auftrag lautete, einen Teil dieser Gegenstände zur Ausrüstung des Volkssturms nach Mährisch Schönberg zu holen. Unser Tag mitten im April war ein freundlicher Vorfrühlingstag mit Sonnenschein und sprießendem Grün. Auf dem langen Weg zum Ziel überholten wie mehrmals marschierende Militärkolonnen in Richtung Süden. Die Durchfahrt durch Zwittau zeigte uns dessen friedliches historisches Stadtbild. Nach circa 15 Kilometern zeigte uns das Ortsschild von Brünnlitz rechts der Straße: Wie waren am Ziel. Wenig später zeigte rechts vom Weg eine ungewöhnlich breite offene Einfahrt einen weitläufigen Fabrikhof mit umschlie-
Dieses Bild von der symbolischen Grundsteinlegung eines Denkmals für Oskar Schindler in Brünnlitz im ehemaligen Schönhengster Kreis Zwittau erschien in der Ausgabe 38/2020 dieser Zeitung. Dr. Christoph Israng, der Deutsche Botschafter in Prag, hatte es auf Twitter veröffentlicht. Bild: Deutsche Botschaft Prag
Mähren
Das Geheimnis Brünnlitz Der aus Mährisch Schönberg geflohene Alois Schubert, ehemaliger Schulrektor im baden-württembergischen Aalen, begründet seinen folgenden Beitrag so: „Im September 2020 erweckte ein Foto in der Sußenden Gebäuden. Unser Lastwagen hielt, der Führer suchte die Verwaltung auf, und wir Buben schüttelten unsere Glieder nach der langen Fahrt auf der unbequemen Pritsche des Lasters. Sofort erschien ein Wachhabender der Anlage mit dem strengen Befehl, daß wir uns nur nach links auf die blaugestrichenen Fabrikgebäude mit den Sheddächern zu orientieren hätten, von wo wir auch die bestimmten Waren abzuholen hätten. Blikke nach rechts, wo hinter mehrfachem Stacheldrahtverhau ein wohl dreigeschossiges Gebäude in historischem kaisergelb stand, seien verboten. Scharfe Hunde hinter dem Stacheldrahtzaun bewachten dieses Gebäude. All dies reizte natürlich unsere Neugier. Wir einigten uns darauf, daß dort die noch immer von der Propaganda angedeuteten deutschen „Wunderwaffen“ produziert würden. Die würden, wenn auch spät im Einsatz, eine Wende des Krieges zugunsten Deutschlands bewirken. Während wir unseren Lastwagen beluden, ratterte plötzlich ein deutscher Panzerwagen, verrußt und verdreckt, in den Hof. Er stellte sich mit laufendem Motor neben unseren Laster. Sofort sprang die Besatzung aus dem Panzer heraus, genauso verrußt wie ihr Fahrzeug, Pistolen offen im Koppel.
detendeutschen Zeitung mit dem darunter stehenden Text meine Erinnerungen an ein sehr lange zurückliegendes Erlebnis. Der Text lautete: ,Symbolische Grundsteinlegung für eine künftige Gedenkstätte in
Auf ihre Frage: „Was macht ihr hier?“, meldeten wir unseren Auftrag. Darauf folgte sofort die Anweisung: „Haut ab, der Iwan ist hinter uns her! Haut ab!“ Wir ahnten wohl gar nicht, daß wir uns eigentlich schon mitten im Frontgebiet befanden. Wir mel-
Brünnlitz zum Andenken an die Shoah und den deutschmährischen Unternehmer Oskar Schindler. Er rettete 1944/45 1200 jüdische Zwangsarbeiter vor dem Tod im Konzentrationslager.‘“
te auch der Fahrer wegen der weiten Entfernung und der einbrechenden Dunkelheit zum raschen Aufbruch Richtung Heimat. Aufgrund der strengen Verdunkelungsvorschriften waren nämlich nur Scheinwerfer mit schmalen Lichtschlitzen erlaubt.
Karabiner 98 K. deten tapfer, daß für jeden von uns ein Karabiner 98 K – das Standardgewehr der Deutschen Wehrmacht – im Lastwagen zur Verteidigung bereit liege. Wir waren schließlich vormilitärisch ausgebildet. „Wir werden uns schon wehren“, war unsere Antwort. Lachende Frage der Soldaten: „Habt ihr auch Patronen?“ Antwort: „Jeder von uns hat ein Magazin mit fünf Patronen.“ Noch einmal Lachen und die wiederholte Anweisung: „Haut ab, haut sofort ab!“ Wir beluden den Laster mit dem restlichen Transportgut. Es begann zu regnen. Nun dräng-
Oskar Schindlers Brünnlitzer Fabrik im Jahr 2004.
Recht spät, aber sicher, erreichten wie Mährisch Schönberg. Meine Eltern waren glücklich, mich wohlbehalten wiederzusehen. Und ich war das auch. Was mit dem Transportgut und dem Laster danach geschah, weiß ich nicht. Ebensowenig wußte ich von Brünnlitz. Die Banndienststelle übte noch eine Weile ihre Funktion aus. Und auch ich wurde noch zu verschiedenen Diensten herangezogen. Nach Kriegsende gab es für deutsche Kinder keine Schule mehr. Ich mußte Zwangsarbeit in der Häuteverwertungsanstalt am Schlachthof leisten. Anfang November 1945 gelang die Flucht
nach Wien. Dort verbrachten wir armselige Jahre. Meine Eltern erlebten 1946 den Abtransport in die USA-Besatzungszone in Deutschland. Fünf lange Jahre waren wir getrennt. Nach der Matura reiste ich zu ihnen nach Deutschland. Ein Leben lang arbeitete ich im Schuldienst. Im Dezember durfte ich meinen 91. Geburtstag erleben. Das frühe Erlebnis in Brünnlitz blieb Jahre und Jahrzehnte in Vergessenheit. Doch mit dem Erscheinen des Buchs und später des Films „Schindlers Liste“ tauchte der Ortsname Brünnlitz wieder auf. Da wurde mir plötzlich klar, daß jenes ominöse Gebäude rechts vom Fabrikhof, damals mit Stacheldrahtzaun und scharfen Hunden gesichert, nicht die Herstellung der „Wunderwaffen“ verbarg, sondern etwas mit dem zu tun hatte, worüber „Schindlers Liste“ berichtet. Hinter dem Gebäude muß sich noch eine größere Fabrikanlage befunden haben. Wahrscheinlich dürfte diese früher der sehr erfolgreichen Unternehmerfamilie Schindler aus Zwittau gehört haben. Dieser Familie wurde am 28. April 1908 ein Sohn Oskar geboren. Das war noch zur Zeit der Habsburgermonarchie. Nach deren Zerschlagung am Ende des Ersten Weltkrieges wurde auch der Schönhengstgau Teil der Tschechoslowakischen
Hier soll mit Hilfe der Familie Löw-Beer, dem Stiftungsfonds Arche und @meetingbrno eine Gedenkstätte entstehen.
Republik (ČSR), dies ohne Volksabstimmung. 1938, nach dem Münchener Abkommen, wurden wir dem Deutschen Reich als Reichsgau Sudetenland angeschlossen. Nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde die ČSR wieder errichtet. Danach verweigerten die Tschechen der deutschen Bevölkerung die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, stattdessen enteignete sie diese und vertrieb sie aus ihrer Heimat. All dies war auch der Hintergrund von Oskar Schindlers Leben. Der junge Oskar wurde gut katholisch erzogen. 1928 heiratete er Emilie Pelzl aus Moletein im Kreis Mährisch Schönberg. Die Ehe blieb kinderlos, aber Emilie blieb treu an Oskars Seite. Kurz nach dem deutschen Polenfeldzug 1939 übernahm Oskar Schindler in Krakau einen Betrieb, der wegen Erzeugung kriegswichtiger Artikel mit jüdischen Arbeitern und Arbeiterinnen betrieben werden konnte. Zunächst wurden diese Kräfte vom nahen KZ Plaschau bezogen. Schindler erreichte den Bau eines Lagers direkt in der Fabrik. Emilie Schindler betreute dort diese Arbeitskräfte, für deren Versorgung der Fabrikherr selbst sorgen mußte, 1944 ordnete die Regierung in Berlin die Räumung Krakaus an. Schindler gelang, seinen als kriegswichtig anerkannten Betrieb mit den 1200 jüdischen Arbeitskräften ins heimatliche Brünnlitz zu verlagern. Dabei spielte „die Liste“ eine entscheidende Rolle. Am 8. Mai 1945 versammelte er „seine Juden“ noch einmal und teilte ihnen mit: „Gerade eben wurde die bedingungslose Kapitulation Deutschlands gemeldet.“ Und er meinte: „Europa wird jetzt versuchen, zu Frieden und Ordnung zurückzukehren.“ Schindler, der NSDAP-Mitglied war, mußte nach Kriegsende fliehen. Er war mit seiner Frau und sieben geretteten Juden auf dem Weg in die Schweiz. Der Historiker Arnulf Moser: „Kurz nachdem er die Grenze von Deutschland zur Schweiz zwischen Konstanz und Kreuzlingen illegal überwunden hatte, wurde er festgenommen. Das französische Militär verhörte Schidler in einem Konstanzer Gefängnis, ließ ihn aber nach ein paar Wochen wieder frei.“ Und: „Die Juden setzten sich für ihn ein.“ 1974 starb Oskar Schindler mit 66 Jahren in Hildesheim. Sein Grab liegt auf dem Berg Zion in Jerusalem. Seine Witwe Emilie starb 2001 mit 93 Jahren in Berlin. Ihre letzte Ruhe fand sie auf dem Friedhof in der oberbayerischen Vertriebenenstadt Waldkraiburg. Mit diesen ausholenden Erkenntnissen enden meine Bemühungen um die Aufklärung vom „Geheimnis Brünnlitz“.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
Dux
Ladowitz
Klostergrab
Ossegg
für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau
Bilin
Teplitz-Schönau
Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. H eimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail spacek@ teplitz-schoenau-freunde.org. Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Lexa Wessel, eMail heimatruf@ sudeten.de
Graupen
Niklasberg
� Einladung
7. Heimattreffen Heimatkreisbetreuer Erhard Spacek lädt alle Landsleute herzlich zum siebten Heimattreffen von Donnerstag, 12. August, bis Sonntag, 15. August in unsere Heimat ein.
L
iebe Landsleute, das Heimattreffen im vergangenen Jahr fiel der CoronaPandemie zum Opfer. Wir hoffen, daß es nun gelingt.
Unser Programm:
Blick auf Aussig und die Elbe, die sich durch das prächtige Elbtal schlängelt.
� Böhmisches Elbtal – Teil II und Schluß
Raubritter und Rittersprung
Donnerstag, 12. August: Eigene Anreise zum Hotel Prince de Ligne in Teplitz-Schönau/Teplice, Schloßplatz/Zámecké náměstí 136. 19.00 Uhr Abendessen im Hotel. Freitag, 13. August: 9.00 Uhr Abfahrt nach Melnik/Mělník, der Stiftstadt der böhmischen Königinnen und Fürstinnen, wo die Moldau in die Elbe fließt. Wir besichtigen das Schloß, und es gibt eine Degustation, um die Melniker Weine zu probieren. Danach Mittagessen im Schloßrestaurant. Anschließend besichtigen wir die Kirche der heiligen Petrus und Paulus aus dem 15. Jahrhundert und das Beinhaus. Danach fahren wir nach Leitmeritz zum Abendessen im Bischöflichen Brauereigasthof. Nach dem Essen folgt die Rückfahrt zum Hotel nach Teplitz. Samstag, 14. August: 9.00 Uhr Abfahrt nach Ober Georgenthal. Dort be-
suchen wir das Lobkowitzer Schloß Eisenberg/Jizeří. Danach folgt eine Fahrt über das Erzgebirge auf den Mückenberg zum Mittagessen. Anschließend wahlweise Busfahrt oder – bei schönem Wetter – Fahrt mit der Sesselseilbahn nach Graupen. Danach machen wir einen Spaziergang über den Mariascheiner Kreuzweg. 17.00 Uhr Abendessen in Teplitz. 19.00 Uhr Jubiläumskonzert der Nordböhmischen Philharmonie. Sonntag, 15. August: Heilige Messe in der Barockkirche Mariä Himmelfahrt in Zinnwald, Anfahrt mit dem eigenen Auto. Der Beginn der Messe wird noch mitgeteilt. Anschließend folgt die Heimfahrt. Änderungen vorbehalten. Kostenbeitrag inklusive drei Übernachtungen, Frühstück, bewachtem Parkplatz, Bus, allen Mahlzeiten, Besichtigungen, Führungen, Weinverkostung, Seilbahnfahrt und Konzert pro Person im Doppelzimmer 390, im Einzelzimmer 440 Euro. Getränke außerhalb des Frühstücks auf eigene Rechnung. Verbindliche Anmeldung bis Montag, 2. August, durch Überweisung des Reisepreises auf das Konto Erhard Spacek – IBAN: DE35 7008 0000 0670 5509 19, BIC: DRESDEFF700. Bitte Anschrift und Namen der Reiseteilnehmer angeben, sonst kurze Mitteilung mit diesen Angaben an eMail spacek@teplitz-schoenaufreunde.org
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ährenddessen bleibt der Mille- Auf einem Talsporn dieser Hochfläche den Verkehr, und alle Schiffer waren seischauer, auch Donnersberg ge- steht die Sankt-Barbara-Kirche, auch ner Beutelust ausgeliefert. nannt, weiter im Hintergrund, alle ande- Dubitzer Kirchel genannt, mit einer einAls die Unterdrückung unerträglich ren Kegel und Kuppen um mindestens zigartigen Aussicht auf die nach bei- wurde und kein Ende nahm, rafften sich hundert Meter überragend, majestä- den Seiten weit übersehbare Elbschlei- die Bewohner der umliegenden Orte auf, tisch gelassen. Aber da hat sich über die fe. Dort stehen dem Verkehr beider- um dem ruchlosen Treiben ein gewaltElbufer und Hänge der zurücktreten- seits des Flusses noch Eisenbahnen und sames Ende zu setzen. Weil die Festung den Elbberge erneut und noch nachhal- Fahrstraßen zur Verfügung. Südlich der als unbezwingbar galt, versuchten sie, tiger südliche Anmut ausgebreitet. Von Linie Groß Tschochau, Habrowan und die Burg in einem kühnen Handstreich der Sonne beschieneeinzunehmen. Im Schutz nes Rebengelände steigt der finsteren Nacht übervon den Höhen stufenwältigten sie die Wachen weise herab und veränund drangen ins Innere dert den Charakter der der Burg ein. Dörfer, selbst das AusseMit dem Mut der Verhen einzelner Häuser, zu zweiflung wehrten sich dem Wesen einer reinen der Burgherr und seiWeingegend. ne Spießgesellen. Doch Wieder war es Kösie wurden – einer nach nig Karl IV., der die ita- Blick auf das Dorf Nemschen und das Böhmische Mittelgebirge. dem anderen – aus eilienischen Weinreben nem Bollwerk hinausgeaus der Lombardei in das sonnige Elbtal Radzein beginnt das Gebiet des Mille- worfen. Immer mehr schmolz der Haubrachte. Besonders in Groß Tschernosek schauer Gebirges mit dem 837 Meter fen zusammen. ernten nun tschechische Winzer den be- hohen Donnersberg, dem 705 Meter hoAls jede andere Rettung aussichtslos liebten Weißwein aus dem Elbtal. hen Kletschen und den 538 Meter hohen schien, bestieg der Ritter sein Streitroß, Schließlich verliert sich der geschlun- Kubatschka-Bergen. Doch dieses befin- gab ihm die Sporen und sprang mit ihm gene und immer wieder gewundene det sich schon außerhalb der Aussiger über die hohen Felsen hinab in den Fluß. Lauf der Elbe in einer nicht mehr über- Region. Das Glück war auf seiner Seite, und sisichtlichen Ebene. Wenn alljährlich Man erzählt sich folgende Geschich- cher trug ihn das treue Tier zum andeim Frühjahr die Millionen Blüten der te über den Rittersprung von Schrecken- ren Ufer. Von dort aus war dann leicht Kirschbäume, Apfel- und Birnbäume so- stein: Vor vielen hundert Jahren hauste zu entkommen. Die goldenen Hufe des wie der Aprikosen- und Mandelbäume im Felsennest Schreckenstein ein hab- Pferdes gruben sich tief in den Burgfelzur vollen „Baumblut“ aufbrechen, ver- süchtiger und grausamer Raubritter, der sen ein, so daß man noch heute die Spuwandeln sie das Elbtal zwischen Schrec- das Elbtal überall mit seinen Gewaltta- ren des tollkühnen Ritters sehen kann. kenstein und Lichtowitz wahrhaftig in ten unterdrückte. Besonders hatte er es Herbert Ring ein Paradies. auf die Plünderung der Schiffe abgeseDie Dubitzer Hochfläche südlich von hen. Zu diesem Zweck spannten seine Dr. Franz Josef Wünsch: „Sagen und Suchei, Stöben und Morawan weist nur Knechte eine mächtige Kette quer über Geschichten aus dem Kreis Aussig. Ausvereinzelt Höhen über 300 Meter auf. den Strom. Mit deren Hilfe sperrte er je- siger Schrifttum“, 1949.
Aussig: Hasnerstraße mit evangelischer Kirche.
Ernst Gustav Doerell: „Blick zum Schreckenstein“.
Kern der früheren Königsstadt Brüx.
Bilder: Jutta Benešová
� Neuerscheinung – Teil I
Eine Stadt mit Vision Und dennoch endete diese ungewöhnliche und faszinierende Stadt Brüx nach mehr als sieben Jahrhunderten als ewiger Verlust durch ihren Abriß. Sie wurde in den 1960er Jahren der ls der Alchimist Edward Kelly 1597 Kohle-Industrie geopfert, die in den folim Burggefängnis auf der Lan- genden Jahrzehnten die einst blühende deswarte bei Brüx am nordböhmische LandAbend vor seinem Freischaft in ein schmutzitod in das Tal auf die ges, ungesundes Bergunter ihm liegende Köbau- und Industriegenigsstadt blickte, rief er biet verwandelte. Und mit haßerfüllter Stimdennoch lebten und arme ob des Unrechts, das beiteten dort Tausenihm dort widerfahren de von Menschen, gewar: „Möge diese Stadt sundheitlich und morafür immer vom Erdbolisch schwer gezeichnet den verschwinden!“ Petry Trojnové: „Most. Mĕsto s durch die harten LeDaß sich dieser Fluch ei- vizí na severu čech. Town with a bensbedingungen. nes Tages erfüllen soll- Vision in the North of Bohemia. Inzwischen sind weite, ahnte niemand, der Eine Stadt mit Vision in Nord- tere 60 Jahre ins Land in der einst blühen- böhmen“. Brüx 2021; 144 Sei- gezogen. In diesen den Handelsstadt, wel- ten, 669 Kronen. sechs Jahrzehnten hache König Přemysl Otben die Bewohner die tokar II. im Jahr 1273 zur königlichen neue Stadt Most als ihre Heimat angeStadt erhoben hatte, lebte und wirkte. nommen. Fortsetzung folgt Die kürzlich erschienene dreisprachige Broschüre „Most – eine Stadt mit Vision in Nordböhmen“ berichtet über den Untergang der Stadt Brüx und der daraufhin neu entstandenen Stadt Most.
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HEIMATBOTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
Bischofteinitz
Ronsperg
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
11 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterfing, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Raiffeisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
Amplatz
Erst Andacht, dann Hochzeit Im schönen Marienmonat Mai war es in Amplatz üblich, jeden Abend eine Maiandacht abzuhalten.
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Václav Bernard, Marie Homolková und Jana Válková bemalen die Tafel, die ein Jahr lang den bayerischen Grenzstein grüßt. Bilder: Marktgemeinde Neumark (1), Karl Reitmeier (4)
Neumark im Nachbarkreis Eisenstein
Wir vermissen Euch Die „Tafel der Freundschaft“ vor dem Grenzübergang von Neumark im ehemaligen Bischofteinitzer Nachbarkreis Eisenstein nach Eschlkam ist weg. Neumarks Bürgermeister Václav Bernard hatte die Tafel höchstpersönlich aus der Verankerung geschraubt.
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m Frühling vor einem Jahr, als die tschechische Regierung die Grenze erstmals wegen Corona schloß, bastelten Bürgermeister Václav Bernard sowie seine Mitarbeiterinnen Marie Homolková und Jana Válková das Schild und stellten es direkt am Grenzübergang auf. In einem Herz sehen wir den Schriftzug „Wir vermissen Euch!“ und die zwei Länderwappen. Von rechts strahlt die Sone auf das Herz. Der Wunsch: „Bleibt gesund!“ und blaue Blumen ergänzen es. Diese Geste der Freundschaft stieß sowohl in Bayern als auch bei den Tschechen auf Wohlwollen. Sogar das Nationalmuseum in Prag zeigte Interesse. Bereits vergangenes Jahr habe der Direktor des Nationalmuseums gefragt, ob die Gemeinde diese nette Tafel seinem Museum spenden würde, so Bürgermeister Bernard. Er beschloß, „unsere Botschaft von der Grenze dem
Nationalmuseum zu überlassen“. Seine Bedingung war, daß die Tafel zu bestimmten Gelegenheiten zurückkehren darf. Eigentlich hätte das Schild am 15. Februar abgebaut werden sollen. Doch einen Tag zuvor hatte Bayern aufgrund der dramatischen Corona-Entwicklung in der Tschechischen Republik die Grenzen dicht gemacht. „So wäre unsere Botschaft nur einen Tag nach der pandemiebedingten Wiedereinführung der Grenzkontrollen verschwunden“, erklärt Bernard. „Doch unsere Freundschaftsbotschaft war gerade in dieser Krisenzeit ein Muß.“ Da das Corona-Virus auf tschechischem Boden gezügelt war und die „Covid-19“-Wanderausstellung des Nationalmuseums am 2. Mai im südböhmischen Prachatiz eröffnet wird, mußte die Freundschaftstafel umgehend nach Prag. Bernard: „Unsere Tafel wird dort neben einigen anderen Exponaten einen Ehrenplatz einnehmen.“ Die Mitarbeiter des Prager Nationalmuseums holten die Tafel am 19. April ab. Bürgermeister Bernard liegt nun am Herzen, den Menschen auf beiden Seiten die bleibende Freundschaft zu versichern. Nun werde die tsche-
chisch-bayerische Freundschaft vielmehr eine neue Dimension annehmen und einer breiteren Öffentlickeit präsentiert. Das Schild sei ein Symbol für die un-
nem Grenzübergang bei Eger gestanden hatten: zwei Hände an langen hölzernen Armen, die eine Begrüßung symbolisieren. Danach trat die Neumar-
itten im Dorf stand ein großes Kreuz, welches von einer Holzumrandung umgeben war. Um 19.00 Uhr wurde die Glocke geläutet, und alle Erwachsenen und Schulkinder trafen sich beim Kreuz. Die Tiere wurden früher gefüttert, und alle machten Feierabend. Auch der Schmied hörte mit dem Dengeln auf. Es war ganz ruhig, man hörte keinen Laut während der Maiandacht. Alle Leute beteten mit. Die Leute aus den Gassen waren mit kleinen Stühlchen gekommen, wir Kinder hatten einen leeren Sack dabei, denn wir mußten auf dem Boden knien. Auf dem Geländer konnten wir die Arme etwas aufstützen. „Der Engel des Herrn“ und ein Rosenkranz wurden gebetet. Meist dauerte es eine gute halbe Stunde, und uns Kin-
dern taten die Knie am Ende weh. Vor jedem Hoftor stand ein Bankerl, da saßen die älteren Leute, die jungen Burschen standen meist dahinter. War alles vorbei, versammelten sich alle Leute bei den Bankerln. Nach der Andacht ging es bei den Jungen erst richtig los. Es wurde herumgelaufen. Wir Mädchen hängten uns ein und gingen auf der Straße spazieren, dabei sangen wir heimatliche Lieder. Die Burschen waren natürlich hinter uns her, dabei wurde gescherzt und gelacht und so manche Bekanntschaft geschlossen. Meist wurde es spät, aber wir mußten am anderen Tag wieder hart arbeiten. Am Samstag konnte es etwas länger werden, denn Sonntag war ja Feiertag. Da führte mancher Bursche sein Mädel heim. Unter diesen Umständen geschah es auch, daß aus so mancher Maiandacht eine glückliche Ehe hervorging. Marie Dietl/Krippner
BERICHTIGUNG
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Die Neumarker vor ihrer Botschaft an die Eschlkamer.
verzichtbar gewordene grenzüberschreitende Freundschaft. Bevor Václav Bernard am 19. April den Akku-Schrauber ansetzte, waren bereits Lenka Šaldová und Leon Turoň vom Nationalmuseum mit einem roten Transporter vorgefahren, den sie auf deutschem Gebiet beim ehemaligen deutschen Zollhaus parkten. Nachdem die Schrauben gelöst worden waren, wurde die Tafel aus der Umrahmung genommen. Schnell wurde noch ein Erinnerungsfoto gemacht, und dann trugen Turoň und Bernard die Tafel über den Graben bei der Grenze zum Transporter und verstauten sie im Fahrzeug. Lenka Šaldová, die auch Vorsitzende des Klubs TschechischDeutsche Partnerschaft ist, freute sich über dieses Ausstellungsstück. Im Transporter lagen bereits weitere Utensilien der deutsch-tschechischen Freundschaft in Zeiten der CoronaSteil geht‘s über die Grenzböschung zum Wagen in Bayern und dann nach Prag. Pandemie, die an ei-
ker Freundschaftsbotschaft ihre Fahrt nach Prag an. Dort wird alles weitere für die Ausstellungseröffnung in Prachatiz vorbereitet. Lenka Šaldová kann sich vorstellen, daß die Wanderausstellung „Grenze ist nur ein Wort. Wir sind Nachbarn“ auch in Deutschland gezeigt werden könne. Václav Bernard bedauerte, aufgrund der Pandemie noch immer auf grenzüberschreitende Begegnungen verzichten zu müssen. Er nützte aber die Gelegenheit, um allen Freunden in der Partnergemeinde Eschlkam Grüße zu übermitteln in der Hoffnung, daß die Freundschaften bald wieder mit Treffen wie vor der Pandemie gepflegt werden könnten. Die Wanderausstellung wird für Neumark und Eschlkam werben. Wie Šaldová wissen ließ, werde auch ein Ausstellungskatalog vorbereitet. Und Bürgermeister Václav Bernard wird den Platz, an dem die Freundschaftsbotschaft stand, nicht leer lassen. Karl Reitmeier
um Beitrag „Glockenturm und Biberschwanzziegel“ von Eisendorfs Ortsbetreuer Waldemar Hansl über die Aktivitäten seines Heimatortes ( SdZ 14+15/2021). Das den Beitrag begleitende Bild von Siegfried Zeug trägt die Unterschrift „Die Waldka-
pelle ist dem heiligen Florian geweiht.“ Waldemar Hansl schreibt uns: „Die abgedruckte Waldkapelle ist unserer ähnlich, aber nicht die unserer Gemeinschaft. Unsere Kapelle ist der heiligen Barbara geweiht.“ Und er schickte uns aktuelle Bilder der Barbara-Kapelle der Eisendorfer.
Zwei aktuelle Ansichten der Waldkapelle Sankt Barbara.
WIR BETRAUERN Kscheberscham. Am 2. März starb Maria Schnobrich/ Wenisch, bis Ende 2020 Ortsbetreuerin von Kscheberscham, mit 87 Jahren auf der Pallativstation im Krankenhaus im badischen Sinsheim. Maria kam am 29. November 1933 als zweite Tochter der Eheleute Josef Wenisch, er stammte aus Wiedlitz, und seiner Ehefrau Marie, geborene Steinbach, in Kscheberscham HausNr. 2 zur Welt. Ihre Kinder- und Jugendzeit wurde überschattet vom Tod ihrer Mutter, die sie mit nur siebeneinhalb Jahren verlor. Nach dem Besuch der Volksschule bis Kriegsende 1945 folgten weitere Einschnitte in ihrem Leben. Der Verhaftung ihres Vaters durch die Tschechen folg-
te am 14. Juni 1945 die Vertreibung aus der Heimat. Über das Auffanglager Sinsheim kam sie nach Rohrbach bei Eppingen in Baden. Nun begann ein arbeitsreiches Leben. Nach fünf Jahren Haushalt in Rohrbach und Karlsruhe folgten zwei Jahre beim Uhrenhersteller Porta in Pforzheim. Anfang der fünfziger Jahre lernte sie beim Sudetendeutschen Tag in Frankfurt am Main Franz Schnobrich aus Berg kennen und trat mit ihm am 15. Oktober 1954 in den Ehestand. Aus der Ehe gingen Sohn Wolfgang und Tochter Christiane hervor. 1958 er-
folgte der Umzug von Rohrbach nach Ittlingen und 1964 der Bau eines Eigenheimes. Nach 28 Jahren bei der Firma Salmet in Ittlingen ging sie am 1. Dezember 1993 in den verdienten Ruhestand. Sie suchte eine neue Herausforderung und übernahm am 1. August 1995 die Ortsbetreuung von Kscheberscham von ihrem 1994 verstorbenen Vater Josef Wenisch. Leider stellten sich mit zunehmendem Alter immer mehr Beschwerden ein. Koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenfehler, Kniegelenkstotalendoprothese und Schlagan-
fanfall folgten. All dies führte schließlich zum Tod. Nun fand sie die ewige Heimat. Ihr Wunsch war, ihre Traueranzeige mit folgenden Zeilen zu versehen: „Von der Heimat einst vertrieben, die sie doch so sehr geliebt, ging sie heim im ewigen Frieden, da der Herr ihr Ruhe gibt.“ Am 16. März fand die Trauerfeier mit Urnenbeisetzung im engsten Familienkreis statt. Heimatkreisbetreuer Peter Pawlik: „Ihr Einsatz für die Heimat und ihr Wirken im Heimatkreis Bischofteinitz werden uns fehlen. Wir können heute nur noch einmal Danke sagen für all die schönen Stunden, die wir mit ihr verbringen durften. Den Angehörigen gilt unser aufrichtiges Mitgefühl.“
TERMINE Freitag, 4. Juni, 14.00 Uhr, Heiligenkreuz: Gottesdienst mit Bischof Monsignore Tomáš Holub von Pilsen in der Pfarrkirche Zum Heiligen Kreuz. Gäste will-
kommen. Auskunft: Peter Gaag, Fridinger Straße 8, 70619 Stuttgart, Telefon (07 11) 4 76 07 25, Telefax 4 76 07 26, eMail peter. gaag@t-online.de
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 17 | 30. 4. 2021
Heimatbote für den Kreis Ta<au
Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
� Pfraumberger Schüler in Mies – Teil II und Schluß
Trainiere deine Eier Blick auf Neustadtl heute.
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� Pater Jaroslav Baštář berichtet über zwölf Jahre im Grenzgebiet – Teil I
Kirche geht Leidensweg Heimatkreisbetreuer Wolf-Dieter Hamperl: „Der Haider Pfarrer Monsignore Vladimír Born erzählte mir von einem Pfarrer Jaroslav Baštář. Der sei von 1948 bis 1960 Pfarrer von Haid gewesen, habe die Pfarrei von Neustadtl aus mitbetreut und das Buch ,Zwölf Jahre im Grenzland‘ geschrieben. Leider erfüllte er meinen Wunsch nach dem Buch nicht. Vor zwei Jahren erzählte mir der neue Ortsbetreuer von Neudorf, Gerhard Reichl, daß er das in tschechischer
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er Mensch ist ein Geschöpf, das denkt und noch mehr vergißt. Damit die zwölf harten Jahre der Seelsorge im Grenzgebiet nicht im Meer der Vergessenheit untergehen, vertraue ich dem Papier meine Erinnerungen an. Daß sich die, die diese Zeilen lesen werden, ein klares Bild über die Seelsorge und die Zustände im Grenzgebiet nach 1945 machen können. Und daß die, die einen ähnlichen Weg beschritten, ihre eigenen Erinnerungen auffrischen mögen. Denn was sie erlebten, ist für sie und für mich die Vergangenheit – nur eine Erinnerung. Die Kirche ging den Kreuzweg. Aber es war ein berühmter Weg, denn es war der Leidensweg der Kreuzigung.
1. Kapitel Der letzte Pfarrer der Gemeinde Neustadtl war Monsignore Karl Rosin, gleichzeitig Dekan
Sprache geschriebene Manuskript erhalten habe. Der Kreisrat stimmte zu, die Kosten für die Übersetzung zu tragen. So schickte ich die 70seitige Broschüre an den Übersetzer David Veres, der schon die Texte unseres Museums ins Tschechische übertragen hatte. Veres war tief beeindruckt von den Erlebnissen des Pfarrers und meinte, daß ein derartiger Text in tschechischen Schulen Pflichtlektüre sein müßte. Wir wissen viel über die Jahre 1945 und 1946, aber
von Haid. Er starb kurz nach dem Zweiten Weltkrieg am 15. Mai 1945. Obwohl er sehr geachtet war, war sein Begräbnis einfach. Die stürmischen Ereignisse in den ersten Nachkriegstagen verhinderten eine größere Teilnahme von Priestern und Gläubigen. Die Bestattung zelebrierte der Sekretär des Vikariats, Pater Jan Hönnl, Pfarrer in Pfraumberg. Monsignore Rosin wurde in einem einfachen Grab mit einem hölzernen Kreuz auf dem Neustädtler Friedhof bestattet. Die verwaiste Pfarrei versorgte bis September 1945 der bisherige Kaplan Pater Anton Schmidt. Ab September führte Franz Röhling die Pfarrseelsorge. Röhling hatte vorher in Haid administriert. Röhling wurde von Professor Josef Böhr abgelöst, dem Pfarrer der ausgebrannten Gemeinde Neudorf. Beide gingen nach Deutschland. Danach administrierte der Haider Dekan Pater Franz Zeman für eine kurze Zeit die Pfarrei excurrendo, also
nichts, was danach in unserer Heimat geschah. Baštářs Text veröffentlichen wir nun als Serie in unserem Heimatboten. Pfarrer Jaroslav Baštář war von 1948 bis 1960 für die Seelsorge in den Pfarreien Neustadtl, Haid, Neudorf, Pfraumberg, Sankt Katharina, Neuhäusl und so weiter zuständig. Laut Monsignore Vladimír Born war er Jesuit und 1914 geboren. 1994 soll er in Kladen gestorben sein. Zeitweise war er sogar in Haft.“
mit Wohnsitz in Haid und nicht in Neudorf. Letzter Administrator excurrendo wurde Pater Josef Kopecký aus Altzedlisch. In dieser Zeit forderte der Örtliche Nationalausschuß in Neustadtl, daß das Kirchenamt einen tschechischen Priester in Neustadtl einsetze. Heute ist die Notiz des Nationalausschusses lesenswert, die den Antrag damals begründete. Ich zitiere deshalb aus diesem Dokument, das ich von Kapitelsvikar Bohuslav Opatrný erhielt. Der fragte mich, ob ich bereit sei, die Seelsorge in Neustadtl und Umgebung zu übernehmen. Der Nationalausschuß: „Unsere Stadt ist das Zentrum des Landkreises, und die Pfarrgemeinde ist sehr weitläufig. Die Bevölkerung, durchwegs römisch-katholischer Konfession, vermißt in der Ortschaft und Umgebung geistliche Betreuung und trägt die Folgen schwer, was schmerzlich ist, da gerade im Grenzraum, wo die Seelsorge am meisten gebraucht
wird, Pfarrämter unbesetzt bleiben, wo doch aus dem Landesinneren Seelsorger verlegt werden könnten. Auch an den hiesigen Schulen ist das Bedürfnis eines Priesters sehr dringlich, denn die Religion wird nun gar nicht unterrichtet. Dadurch könnte die Moral der Jugend verkommen. Das hiesige Pfarramt besitzt beträchtliches Eigentum an Wald und Landwirtschaft, das verwaltet werden muß. Doch die jetzige Verwaltung des Pfarramts im mehr als 14 Kilometer entfernten Altzedlisch beaufsichtigt die hiesige Landwirtschaft. Deshalb ist es nicht möglich, die Pfarrgemeinde aus wirtschaftlicher sowie aus religiöser Hinsicht ausreichend zu verwalten. Wir hoffen, daß unser Antrag in Betracht gezogen wird und in absehbarer Zeit zustimmend erledigt wird. J. Klečka, Vorsitzender des Örtlichen Nationalausschusses.“ Fortsetzung folgt
Kirchliche Verhältnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit in den Pfarreien Haid, Neustadtl und Neudorf
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also einer ungenügenden Leistung. Im Konvikt lockerte sich die strenge klösterliche Hausordit gemischten Gefühlen trat nung, obwohl die geistliche Diich mit den Pfraumberger rektion vorerst bis 1939 noch Konviktzöglingen Karl Weishar, blieb. Jeder Schüler des Konvikts Josef Stich aus Großmaierhöfen, mußte dem „Jungvolk“ für ZehnJosef Haibach und Franz Höfner bis 14jährige oder der Hitlerjudie Heimreise nach Pfraumberg gend für 14- bis 18jährige beian. Zwar waren Eltern und Groß- treten, um die Oberschule weiter eltern von der Schließung des besuchen zu können. Gymnasiums überrascht, doch Mit Beginn des dritten Schulbald folgten auch die Pfraumber- jahrs 1940 begann der Lateinger Schulen diesem Beispiel. unterricht, aber die Situation im Nach dem Anschluß des Sude- Konvikt hatte sich völlig geäntenlandes an das Deutsche Reich dert. Die bisherige geistliche Leifuhren wir Gymnasiasten Mitte tung unter Direktor Schrott und Oktober 1938 nach Mies zurück. dem Priester Viktor Kaspar wurDer Betrieb im Konvikt verlief de abgelöst und Heimleiter Mielzunächst nach dem geschilder- ke, ein Berliner, mit der Führung ten Muster. Das bisherige Staats- des umbenannten Konvikts, das gymnasium hieß jetzt „Gymnasi- jetzt Schülerheim hieß, beaufum im Umbau“ und nannte sich tragt. Dabei kamen zwei neue Er„Oberschule für Jungen“, ob- zieher, Norbert Paulfeit und Dr. wohl auch Mädchen in unserer Franz Liebl, ins Schülerheim, die Klasse saßen. Der bisherige Di- gleichzeitig als Assessoren an rektor, Professor Turban, über- der Oberschule unterrichteten. nahm in Karlsbad eine Funktion Unsere Abneigung bekam zuin der höheren Schulverwaltung. nächst Heimleiter Mielke zu spüDie kommissaren, weil er den rische Leitung Dienstplan des Allerheiligenkirche der OberschuKonvikts mit in Mies. le hatte Profes6.00 Uhr Wecsor Kühn, die ken beibespäter Oberhielt, aber statt studiendirekder bisheritor Franz Wosgen Messe um ka übertragen 6.30 Uhr Frühwurde. sport ansetzte. Jüdische Wir liefen eiSchüler durfne halbe Stunten jetzt die de in TurnOberschule ausrüstung in nicht mehr beden angrensuchen. Die zenden Stadtbeiden jüdipark. Selbst schen Mitbei Regen oder schüler RoSchnee ließ er senberger und sich von dieEppstein in unsem Vorhaben serer Klasse nicht abhalten. hatte man von Oft kamen wir der Schule verdurchnäßt gewiesen, so daß gen 7.00 Uhr unsere Klaszum Frühsenstärke von stück zurück. 42 Schülerinnen und Schülern Im weiteren Verlauf des Krieges auf 40 reduziert wurde. änderte sich das Bild im SchülerAls erste Fremdsprache stand heim. Der kriegsversehrte Genun Englisch auf dem Stunden- schichts- und Geographielehrer plan. Die neue Englischlehre- Lois Eißner übernahm die Stelle rin Frau End kam aus dem Alt- eines dritten Erziehers im Schüreich und wies uns in die neue lerheim; Heimleiter Mielke beFremdsprache ein. Statt der bis- kam die Einberufung zur Wehrherigen fünf Notenstufen gab es macht. Sein Nachfolger Professechs; also Note 6 war ungenü- sor Karl Tischler zog mit seiner gend. Diese Neuerung prakti- Familie als Direktor ins Schülerzierte Frau End am Schüler Kort- heim. Viele Schüler der Lehrerschik überdeutlich. bildungsanstalt Mies kamen in Diese Englisch-Lektion stand unser Heim, so daß die Schülerunter der Überschrift „Train your zahl mit 200 Heimbewohnern oft eyes“ – übe deine Augen. Der überschritten wurde. „Kortschik-Dicker“, wie wir ihn Ich blieb bis zur Einberufung aufgrund seiner Korpulenz nann- zur Wehrmacht 1944 im Schüten, kam mit dem Buch an die Ta- lerheim. Ich habe hier Freundfel. „Übersetze die Überschrift“, schaften geschlossen, die bis auf befahl die Lehrerin. Kortschik den heutigen Tag Bestand hastammelte und ließ sich zu ei- ben. Meine Militärzeit war bener sehr freien Übersetzung hin- stimmt vom Kriegsdienst, von reißen: „Trainiere deine Eier.“ Verwundung und der GefanSchallendes Gwelächter ertönte genschaft unter freiem Himmel. in der Klasse. Die Englischlehre- Nach der Vertreibung aus der rin wurde rot. Ich weiß nicht, ob Heimat konnte ich erst 1947 mit aus Verlegenheit oder aus Wut dem Abitur an der Oberrealschuüber diese Mißdeutung. Lauthals le in Amberg in der Oberpfalz verkündete sie: „Setzen, sechs.“ die gymnasiale Ausbildung abDamit waren wir zum ersten Mal schließen und das Studium aufZeugen der neuen Notenskala, nehmen. Zweite und letzte Folge von Josef Hüttls Bericht über das Gymnasium und Konvikt in Mies.
n Haid berief der Haider Fürst von LöFranz Seemann wählte wieder die tschewenstein 1935 den früheren Kaplan Franz chische Schreibweise seines Namens. Am Zeman zum Pfarrer und Dechant. Er ent- 15. Mai übernahm Pfarrer Zeman erneut stammte einer Mischehe aus Budweis. Nach seine alte Pfarrei Haid. Zwischenzeitlich dem Anschluß an das Deutsche Reich 1938 war er Vorsitzender des Natioanlausschusschrieb er sich Seemann. Infolge einer De- ses in Haid, also Bürgermeister. Franz Röhnunziation verhaftete die Geling wurde nach dem Tod stapo ihn am 1. April 1942 von Dechant Karl Rosin AdMariä Verkündigung, und brachte ihn nach Karlsministrator in Neustadtl. die Pfarrkirche von bad. Anschließend kam er Nach dem kommunistiGergweis. in das KZ Dachau. Ab dem schen Putsch in der ČSR ver10. April 1942 war Franz Röhließ Franz Zeman mit seiner ling Administrator der PfarSchwester Haid. Am 16. Derei Haid. Nach der Befreiung zember 1949 wurde er Pfarrdes KZ Dachau machte sich verwalter in Gergweis bei Seemann auf den Weg nach Osterhofen in Niederbayern. Haid und traf dort am 13. Er konnte mit seinem HausApril 1945 ein. stand aussiedeln. Am 24. DeNatürlich beanspruchte er zember 1972 starb er mit 72 sein früheres Amt. Nach teJahren in Osterhofen, wo er lefonischer Rückfrage beim auch beerdigt wurde. Generalvikariat in Schlackenwerth bei Die Pfarrei Neustadtl administrierte Karl Karlsbad behielt der derzeitige Administra- Rosin aus Potok von 1904 bis zu seinem Tod tor den Auftrag, vorläufig bis zum Eintreffen am 15. Juni 1945. Er starb an Leberkrebs neuer Weisungen sein Amt weiterzuführen. und wurde am 18. Juni 1945 auf dem FriedDas änderte sich nach Kriegsende. hof in Neustadtl beerdigt. Die Predigt beim
Trauergottesdienst hielt der Altsattler Pfarrer Josef Lang, am Grab standen 13 Priester und eine sehr große Menschenmenge, denn Pfarrer Rosin war sehr beliebt. Am Grab dankte Vikariatssekretär Johann Hönnl, Pfarrer von Pfraumberg. Bis zu seiner Vertreibung am 13. Juni 1946 verwaltete Röhling die Neustadtler Pfarrstelle. Danach folgte Josef Maria Böhr bis zu seiner Vertreibung am 20. August 1947. Böhr war zuvor Pfarrer von Neudorf gewesen. Da sein Pfarrhof abgebrannt war, zog er nach Neustadtl. Auch er war infolge Denunziation ins KZ Dachau gekommen. Der gebürtige Neustadtler Josef Lang war seit 1935 Pfarrer in Altsattel. Erst am 8. September 1950 konnte er über das Lager in Eger aussiedeln und war bis zu seinem Tod Pfarrer in Zenching im Bayerischen Wald. Diese Daten hielt Franz Schuster in seinem Buch „Tachau-Pfraumberger Heimat“ fest. Angaben über Haid entnahm er der Haider Pfarrchronik oder dem Archiv des Bistums Passau. Wolf-Dieter Hamperl