200. Geburtstag: Was Brünn für das Mendel-Jahr plant (Seite 5)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 73 | Folge 18 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 7. Mai 2021 Europamonat Mai
Delegation der Sudetendeutschen Volksgruppe reiste nach Altötting Seite 2
KURSE
1 CZK = 0,0387 EUR 1 EUR = 25,868 CZK
Stipendien für Künstler
Auf Adalbert Stifters Spuren in Oberplan Seite 4
Mai 1945 in der ČSSR
Kateřina Kovačková stellt ihr Buch vor Seite 8
Schwab-Villa
Haus in Reichenberg vom Abriß bedroht Seite 12
VOLKSBOTE
Postvertriebsstück · Deutsche Post AG · Entgelt bezahlt Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH · Hochstraße 8 · D-81669 München · eMail zeitung@sudeten.de
Pandemie-Maßnahmen belasten das deutsch-tschechische Verhältnis
Ministerin Trautner plant Prag-Reise Volles Programm für Bayerns Staatsministerin Carolina Trautner. Wenn es die Pandemielage wieder zulässt, werde sie umgehend in die Tschechische Republik reisen und dort auch das Gespräch mit den tschechischen Politikern suchen, sagte die CSU-Politikerin in einem Interview mit der Sudetendeutschen Zeitung (siehe Seite 3).
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ür Trautner, die am 6. Februar 2020 das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales übernommen hat und damit auch für die Vertriebenenpolitik der Staatsregierung verantwort-
lich ist, wird dies die erste Reise in ihrer neuen Funktion sein. Die Treffen mit tschechischen Politikern werden weitaus mehr Ministerin Casein als höfli- rolina Trautner Bild: StMAS che Antrittsbesuche. Das deutsch-tschechische Verhältnis ist wegen der Grenzschließungen derzeit schwer belastet. Wie belastet die Beziehungen aktuell sind, wurde in der Beiratssitzung
des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums in der vergangenen Woche deutlich, an der die Botschafter beider Länder, Christoph Israng und Tomás Kafka, teilgenommen hatten. So klagte in der Sitzung Zuzana Vintrová, die Vorsitzende der tschechischen Pendlervereinigung, über Schikanen an den Grenzübergängen. Zehntausende Pendler seien abgewiesen und an der Einreise nach Deutschland gehindert worden, hatte bereits der tschechische Parlamentspräsident Radek Vondráček im Vorfeld öffentlich kritisiert.
Gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Österreich und der Slowakei schrieb Vondráček deshalb einen offenen Brief. Darin wurde Deutschland aufgefordert, die Grenzen wieder zu öffnen, da dies an der Westgrenze zu Frankreich bei vergleichbarer Infektionslage auch so gehandhabt werde. Beim Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum versuchte dann der deutsche Botschafter in Prag, Christoph Israng, die Wogen zu glätten: „Wir müssen alles dafür tun, daß aus der nötigen Distanz in der Pandemie keine dauerhaften Gräben werden.“ Sein tschechisches Pendant
EU-Umfrage
„Für seinen persönlichen Beitrag zur Stärkung der internationalen Autorität der Ukraine und die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit“ hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dem ehemaligen tschechischen Außenminister Karl Schwarzenberg den „Orden des Fürsten Jaroslaw des Weisen“ verliehen. Das ist eine der höchsten Auszeichnungen des Landes.
Im EU-Vergleich haben die Tschechen das geringste Vertrauen in ihre eigene Regierung, hat die neueste EurobarometerUmfrage der EU ergeben.
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Festliche Verleihung in Prag: Im Auftrag des ukrainischen Staatsspräsidenten Wolodymyr Zelensky überreicht Botschafter Jewhen Perebyjnys einen der höchsten Orden des Landes an Karl Schwarzenberg. Bild: Eugen Kukla
Zehntausende Tschechen folgen dem Aufruf der Bewegung „Millionen Augenblicke für Demokratie“
Demonstrationen gegen Präsident Zeman Zehntausende Tschechen sind in Prag und anderen Teilen des Landes gegen Präsident Miloš Zeman auf die Straße gegangen, um dessen Ablösung zu fordern.
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uslöser der öffentlichen Empörung ist Zemans Reaktion auf die neuesten Ermittlungen zu zwei Bombenanschlägen auf Waffenlager in Südmähren im Jahr 2014, bei der zwei Personen getötet worden waren. Die tschechische Regierung hatte Mitte April Ermittlungsergebnisse ihrer Sicherheitsbehörden vorlegt, wonach zwei Agenten des russischen Geheimdienstes GRU die Täter seien, und umgehend 18 Diplomaten der russichen Botschaft in Prag des Landes verwiesen. Während Rußland postwendend tschechische Diplomaten auswies und jegliche Tatbeteiligung bestritt, schwieg Zeman über eine Wo-
Kafka überzeugte das weniger. Man habe in der Tschechischen Republik, so der Diplomat, den Eindruck, von den Deutschen nur „als administrativer Posten und nicht als politischer Partner“ wahrgenommen zu werden. Mit Unverständnis habe man in Prag auch die zurückhaltende Reaktion der deutschen Politik auf die Eskalation des tschechisch-russischen Verhältnises zur Kenntnis genommen. So sei es unverständlich, daß Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer an seiner Moskau-Reise festgehalten habe. Torsten Fricke
Hoher Orden: Ukraine ehrt Karl Schwarzenberg
Vertrauen in die Regierung sinkt deutlich
as Vertrauen in die tschechische Regierung ist von 40 Prozent im vergangenen Jahr auf jetzt 19 Prozent gesunken. Der Grund ist offenbar das aus Sicht der Bürger schlechte CoronaManagement. Laut der EU-Umfrage sind nur etwa 25 Prozent der Tschechen zufrieden mit den vom Kabinett getroffenen Corona-Maßnahmen. Vize-Premierminister Karel Havlíček (ANO) erklärte die schlechten Werte damit, daß die Regierung die „unpopulärsten Maßnahmen in der Geschichte des Landes“ ergreifen mußte. Dagegen stieg das Vertrauen der Tschechen in die EU von 39 Prozent auf 48 Prozent, den höchsten Wert seit 2013.
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Die Bewegung „Millionen Augenblicke für Demokratie“ rief am vergangenen Donnerstag in Prag und anderen tschechischen Städten zu Demonstrationen gegen den Staatspräsidenten Zeman auf. Bild: ĈT che. Der tschechische Präsident steht seit langem wegen seines pro-russichischen Kurses in der öffentichen Kritik. Acht Tage später versuchte Zeman dann in einer TV-Ansprache Zweifel an den eigenen Sicherheitsbehörden zu streuen
und erklärte, er habe bisher keine Beweise dafür gesehen, daß Rußland hinter den Explosionen stecke. Die Opposition und viele Kommentatoren reagierten empört und warfen dem Präsidenten „Hochverrat“ vor. Der Hintergrund: Laut tsche-
chischer Verfassung kann ein Präsident nur über eine Hochverratsklage des Amtes enthoben werden. Darunter fallen, so die Verfassung, „Handlungen des Präsidenten gegen die Souveränität und Integrität des Landes oder gegen die demokratische Ordnung“. Um das Verfahren einzuleiten, muß der Senat mit einer Dreifünftel-Mehrheit einen entsprechenden Antrag verabschieden und an das Verfassungsgericht weiterleiten, das dann letztendlich entscheidet. In der jungen tschechischen Verfassungsgeschichte ist dieser Fall bereits einmal eingetreten. Am 5. März 2013 hatte der Senat eine Hochverratsklage gegen den damaligen Staatspräsidenten Václav Klaus eingereicht. Da Klaus aber ohnehin drei Tage später das Präsidentenamt regulär an seinen Nachfolger Miloš Zeman übergab, lehnte das Ver-
fassungsgericht den Klageantrag aus formalen Gründen ab. Ohne Amt, so die Richter, habe ein Amtsenthebungsverfahren keinen Sinn. Bei Zeman läge der Fall anders. Seine zweite Amtsperionde geht bis Frühjahr 2023. Bereits in diesem Herbst stehen in der Tschechischen Republik die Parlamentswahlen an. Viele Beobachter sprechen bereits von einer Schicksalsentscheidung. So kommentiert der bekannte Journalist Martin Fendrych: „Wir werden zwischen dem Westen und dem Osten, zwischen Freiheit und Autoritarismus, zwischen parlamentarischer Demokratie und dem Pseudo-Präsidentensystem wählen. Mehr denn je wird es die Zukunft dieses unglücklichen, schwachen Landes sein, das aufgrund von Zeman zu einem idealen Versuchsraum für die Russen geworden ist. JŠ/TF
ie feierliche Ordensverleihung fand am Donnerstag in Prag statt. Dabei sprach der ukrainische Botschafter Jewhen Perebyjnys dem tschechischen Politiker seine tiefe Dankbarkeit für die Unterstützung der Ukraine, ihrer demokratischen Entwicklung und ihrer europäischen Ausrichtung aus: „Seit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine hat sich Karl Schwarzenberg für die Ukraine eingesetzt und Rußland als das bezeichnet, was es wirklich ist – ein Aggressorstaat, eine Besatzungsmacht.“ Schwarzenberg sei außerdem einer der wenigen europäischen Politiker gewesen, die Anfang 2013 nach Kiew gereist seien, um die Ukrainer persönlich in bei den Maidan-Protesten zu unterstützen, in deren Folge der Präsident Wiktor Janukowytsch gestürzt worden war. Der ehemalige Außenminister und Präsidentschaftskandidat Schwarzenberg ist damit die zweite Persönlichkeit aus der Tschechischen Republik, der diese hohe Würdigung durch die Ukraine zuteil wurde. Vor 15 Jahren hatte die Ukraine dem ehemaligen Präsidenten Václav Havel diese Auszeichnung zuteil werden lassen.
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AKTUELL · MEINUNG
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7.5. 2021
AUS DER ARBEIT DES PRAGER BÜROS Kulturveranstaltung „Die Woche der Nachbarn“
Online-Veranstaltung für die Völkerverständigung
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och bis zum 11. Mai läuft in der Tschechischen Republik die Volkszählung. In Brünn, der zweitgrößten Stadt des Landes, hat jetzt die Initiative Nejsu Čech („Ich bin kein Tscheche“) dazu aufgerufen, bei der Volksbefragung als Nationalität „mährisch“ anzugeben. Auch wenn diese Bezeichnung in den Online-Fragebögen offiziell nicht vorgesehen ist, hatten sich in früheren Volkszählungen bis zu 13 Prozent der Bürger nicht als Tschechen, sondern als Mährer bezeichnet.
Zum ersten Mal findet das Kulturfestival „Die Woche der Nachbarn“ vom 12. bis 15. Mai online statt, so die Veranstalter Centrum Bavaria Bohemia und Stadt Schwandorf.
Plakat in der Brünner Innenstadt.
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n den vier Festivaltagen zeigen die drei bayerischen Regionen Oberpfalz, Niederbayern und Oberfranken sowie die drei
tschechischen Regionen Karlsbad, Pilsen und Südböhmen ihre kulturellen und touristischen Höhepunkte. Auf dem Programm stehen außerdem Konzerte im Livestream sowie Kreativworkshops. Ziel des Festivals ist es, die grenzüberschreitende Vernetzung zu fördern. Die Teilnahme ist kostenlos. Mehr unter: www.bbkult.net
Zum Auftakt des Marien- und Europamonats besuchte Bernd Posselt mit einer Delegation am 1. Mai Altötting
Neuaufbruch der europäischen Idee im Zeichen der Muttergottes In seiner doppelten Funktion als Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und als Präsident der Paneuropa-Union Deutschland hat Bernd Posselt am 1. Mai, dem Auftakt des Marienund Europamonats, den europaweit ausstrahlenden Wallfahrtsort Altötting besucht.
Vor der Altöttinger Gnadenkapelle: Volksgruppensprecher Bernd Posselt (4. v. l.) mit (v.l.n.r.) PEU-Bundesgeschäftsführer Johannes Kijas, Altbürgermeister Herbert Hofauer, Pressereferentin Stephanie Waldburg, Staatsminister a.D. Gerold Tandler, Bürgermeister Stephan Antwerpen, Staatssekretär Stephan Mayer MdB, zweite Bürgermeisterin Christine Burghart, Marie-U. Schorlemer und Alexander Lockett von Wittelsbach.
Bernd Posselt im Gespräch mit dem Passauer Bischof Stefan Oster, dem Altöttinger Stiftspropst Prälat Klaus Metzl (re) und dem Bürgermeister Stephan Antwerpen (li). alen Marktwirtschaft gehört und auf den Haider Thesen, die im Egerländer Schloß der Fürsten Löwenstein entwickelt wurden, beruht”. Papst Johannes Paul II. habe wiederum dieses Gedankengut vor 30 Jahren in seiner Enzyklika „Centesimus Annus“ zum Fundament der geistigen Erneuerung Europas nach Niederreißung des Eisernen Vorhan-
ges gemacht. Posselt schloß mit den Worten: „Wir knüpfen mit einem Neuaufbruch an das an, was vor der Pandemie war, um es vielleicht besser und bewußter weiterzuführen. In diesem Sinne unterstellen wir die europäische Idee Maria, der Schutzfrau Europas.“ Bürgermeister Stephan Antwerpen antwortete spontan: „Es
ist an der Zeit, daß man das bestärkt und nationalistische Gedanken beiseiteräumt. In dem von meinem Vorgänger Herbert Hofauer begründeten grenzüberschreitenden Netzwerk der großen Marienwallfahrtsorte, ‚Shrines of Europe‘, wird der europäische Gedanke neu gelebt.“ Zu den „Shrines of Europe“ gehören auch der Heilige Berg Böhmens in Příbram und das österreichische Mariazell. Unter den Teilnehmern an der Gnadenkapelle waren der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Stephan Mayer, der auch Bundestagsabgeordneter und Präsidiumsmitglied des Bundes der Vertriebenen mit Wurzeln in Mähren ist, der Bürgermeister der Europastadt Altötting, Stephan Antwerpen, sein Vorgänger Herbert Hofauer, der aus dem Marienwallfartsort Haindorf im Isergebirge stammende Staatsminister a.D. Gerold Tandler, PEU-Bundesgeschäftsführer Johannes Kijas und Posselts Referentin Stephanie Waldburg.
Wanderausstellung „Gerettete Denkmäler – Zeugen der deutschen Kulturgeschichte in der Tschechischen Republik
Konzerte in der Kirche Mariä Verkündigung „Gerettete Denkmäler – Zeugen der deutschen Kulturgeschichte in der Tschechischen Republik“ lautet der Titel einer Wanderausstellung, die pandemiebedingt derzeit nicht an öffentlichen Orten gezeigt werden kann. Als Ersatz stellt die Sudetendeutsche Zeitung einige Erinnerungen in den kommenden Ausgaben vor.
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ie ursprünglich spätgotische Kirche Mariä Verkündigung in Bilin ist seit Anfang 2017 im Besitz des Vereins Omnium, der sich dem Erhalt von Denkmälern widmet.
Heftige Kritik an Minister Hamáček
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bwohl er seine Reise nach Moskau kurzfristig abgesagt hat, gibt es weiter heftige Kritik an Jan Hamáček. Dem tschechischen Innen- und Kurzzeit-Außenminister wird vorgeworfen, er habe mit den Russen ein Tauschgeschäft ausmachen wollen: Den russisichen Corona-Impfstoff Sputnik V gegen ein öffentliches Schweigen zu den Bombenanschlägen auf ein Munitionsdepot, für das russische Agenten verantwortlich sein sollen (SdZ berichtete). Hamáček hat die Vorwürfe als haltlos zurück gewiesen. JŠ
Verfassungsgericht lehnt Rückgabe ab
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as Programm begann mit einem vom Passauer Bischof Stefan Oster zelebrierten Pontifikalamt in der St.-Anna-Basilika, in der jeden Juli auch die Sudetendeutsche Wallfahrt ihren Höhepunkt findet. Anschließend zog die pandemiebedingt etwas verkleinerte Delegation, zu der prominente Sudetendeutsche sowie Vertreter der Stadt Altötting und der Paneuropa-Union gehörten, zur Gnadenkapelle auf dem Kapellplatz. Posselt verwies in einer kurzen Ansprache darauf, daß die europäische Einigung und die Muttergottes schon rein optisch miteinander verbunden seien „durch die Farbe Blau sowie durch den Kranz aus zwölf Sternen“. Der 1. Mai als Hochfest der „Patrona Bavariae“ sei auch geeignet, Maria als „Schutzfrau Europas“ zu ehren. Europa habe in letzter Zeit „schwer gelitten – durch die Pandemie, durch Rückfälle in den Nationalismus und durch Nationalegoismus.“ Die Neugeburt Europas müsse aus der völkerverbindenden Tradition Altöttings heraus geschehen, das Posselt „eine der Hauptstädte europäischen Geistes“ nannte. Der langjährige Europaabgeordnete erinnerte daran, daß der 1. Mai auch „Josef dem Arbeiter“ gewidmet sei, der ebenso wie der heilige Bruder Konrad von Altötting die soziale Dimension des Christentums, „seinen Kern von Nächstenliebe und Gerechtigkeit“, verkörpere. Aus diesem Denken heraus habe Papst Leo XIII. vor 130 Jahren die erste große Sozialenzyklika, „Rerum Novarum“, verkündet, „die zu den wichtigsten Wurzeln der Sozi-
PRAGER SPITZEN
Im Frühjahr 2018 wurde im Rahmen eines ersten Workcamps begonnen, die Kirche zu sanieren. Seitdem wird das Gotteshaus auch für Konzerte genutzt. So geben Schüler der Biliner Gustav-Walter-Musikschule hier ihre Halbjahres-Konzerte. Während des Kunstfestivals Bilinale nutzte der Künstler Ambech das kirchliche Ambiente für seine Installation namens Trans_ Form. Der nächste Arbeitsschwerpunkt ist die Grabkapelle. Sie ist derzeit für die Öffentlichkeit gesperrt und wird mit viel Liebe zum Detail saniert.
Der Verein Omnium bei der Sanierung.
Bild: Barbora Větrovská / Jakub Děd
chloß Raitz in Südmähren wird nicht an die Familie Salm zurückgegeben. Eine entsprechende Klage hat das Verfassungsgericht jetzt abgewiesen. Geklagt hatte Maria Salm-Reifferscheidt-Raitz, die per Gericht feststellen wollte, daß ihr Vater Hugo Salm nach dem Krieg die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besessen habe – was wiederum die Grundvoraussetzung für die Rückübertragung gewesen wäre. Salm hatte 1946 vom Bezirksnationalausschuß eine vorläufige Bescheinigung über die Staatsbürgerschaft erhalten, die aber nach dessen Tod widerrufen wurde. Laut des Anwalts der Familie, Rainer Frank, werde man jetzt prüfen, Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzureichen.
Pendler brauchen keinen Test mehr
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er Grenzübertritt zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik wird einfacher. Da das Robert Koch-Institut die Tschechische Republik nicht mehr als Hochinzidengebiet einstuft, müssen Einreisende nach Bayern oder Sachsen kein negatives Testergebnis mehr vorweisen. Gleichzeitig entfällt die Pflicht für Pendler aus der Tschechischen Republik, während des Aufenthalts in Deutschland alle zwei Tage einen Corona-Test zu machen. Erleichtert werden auch private Reisen. So benötigen Menschen, die Verwand-
te besuchen und kürzer als drei Tage bleiben, keinen Test mehr. Lkw-Fahrer müssen sich ebenfalls nicht mehr testen lassen und auch keine digitale Einreiseanmeldung ausfüllen.
Corona-Maßnahmen werden gelockert
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ockerungen der Corona-Maßnahmen hat das tschechische Regierungskabinett am Montag beschlossen. Ab 10. Mai sollen neben Kleinhandel weitere Dienstleistungsbetriebe öffnen wie Schuhreparaturen und Solarien. In vielen Regionen sollen außerdem Schüler in die Klassen zurückkehren. Zudem sollen Mitarbeiter von Firmen, Ämtern und NGOs einmal wöchentlich auf das Coronavirus getestet werden müssen. Für Gewerbetreibende besteht die bereits geltende Testpflicht weiterhin.
Abstand ersetzt Maskenpflicht
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esundheitsminister Petr Arenberger hat angekündigt, daß ab dem 10. Mai das Tragen von Corona-Masken im Freien nicht mehr notwendig ist, wenn sich – außer Personen des eigenen Hausstandes – niemand im Umkreis von zwei Metern befindet.
„Warten nicht auf den EU-Impfpaß“
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an werde nicht auf die EU warten, sondern zeitnah einen nationalen Immunitätsausweis ausstellen, hat der tschechische Außenminister Jakub Kulhánek (ČSSD) erklärt. Ziel sei es, schnellstmöglich die Voraussetzungen zu schaffen, damit genesene und vollständig geimpfte Bürger frei reisen können.
Mehr Ladestationen für Elektroautos
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lektromobilität ist auch in der Tschechischen Republik auf dem Vormarsch. Der Energiekonzern ČEZ hat jetzt im mittelböhmischen Nimburg die 300. Ladestation in Betrieb genommen. Gleichzeitg kündigte das Unternehmen an, in den nächsten Jahren weitere 1000 Ladestationen zu installieren. Derzeit gibt es in der Tschechischen Republik bereits 700 Ladestationen.
Sudetendeutsche Zeitung
ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß: Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in Teplitz-Schönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Herbert Ring, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel, Dr. Hans-Roland Zitka. Verlagsassistentin: Birte Rudzki. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Jahres-Abonnement 2021 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2021 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten dazu im Internet unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Herbert Fischer. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
Seit 6. Februar 2020 ist die gebürtige Augsburgerin Carolina Trautner bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales. In ihren Verantwortungsbericht fällt auch die Vertriebenenpolitik. Im Interview mit der Sudetendeutschen Zeitung zieht die CSU-Politikerin eine Zwischenbilanz ihrer Arbeit.
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rau Ministerin, vor über einem Jahr sind Sie von der Staatssekretärin zur Staatsministerin aufgestiegen. Wie war der Moment? Carolina Trautner: Es war spannend. Die Entscheidung unseres damaligen Bauministers Hans Reichhart, als Landrat in Günzburg zu kandidieren, hatte diese Kabinettsumbildung notwendig gemacht, aber bis zum Schluß wußte niemand, wie unser Ministerpräsident sein Kabinett umbauen wird. Die Gerüchteküche brodelte. Nachdem entschied war, daß Kerstin Schreyer vom Sozialministerium in das Ministerium für Wohnen, Bauen und Verkehr wechselt, bekam ich abends einen Anruf aus der Staatskanzlei, der Herr Ministerpräsident wolle mit mir sprechen. Was hat Ministerpräsident Markus Söder Ihnen gesagt? Trautner: Wir haben uns in einem Besprechungszimmer getroffen. Dann wurde ich vom Ministerpräsidenten gefragt, ob ich mir die Aufgabe zutraue. Ich habe gesagt „Selbstverständlich.“ Ich habe mich riesig gefreut, weil das mein Traum-Ministerium ist. Etwas Schöneres kann ich mir nicht vorstellen. Menschen und Soziales – das sind meine Themen. Unser Ministerium ist unglaublich breit gefächert. Wir sind für Menschen in jeder Lebenslage zuständig. Sie sind unter anderem Familienministerin. Wie haben Ihr Mann und Ihre Kinder reagiert? Trautner: Mein Mann hat sich sehr gefreut. Er hat mir gesagt, daß ich ihm damals den Rücken freigehalten habe, als er im Krankenhaus in der Facharztausbildung war und ich mich um unsere Kinder gekümmert habe. Jetzt sei ich dran. Er unterstützt mich zu hundert Prozent. Und meine Kinder sind sehr stolz auf ihre Mama. Als Ministerin sind Sie für ein breites Themenfeld verantwortlich. Eines davon sind die Anliegen der Vertriebenen. Welche persönliche Beziehung haben Sie zu diesem Thema? Trautner: Schon als Staatssekretärin hatte ich einen engen Kontakt zu Vertriebenen, den ich jetzt weiter ausbaue. Ich selbst habe auch Wurzeln außerhalb Deutschlands. Meine Mutter ist Schwedin, und ich fahre normalerweise jedes Jahr dorthin, um meine Verwandten zu besuchen. Selbstverständlich ist meine Mutter unter ganz anderen Umständen nach Deutschland gekommen als jene Menschen, die Opfer der schrecklichen Vertreibung wurden. Aber ich weiß, was es bedeutet, eine zweite Heimat zu haben. Diese emotionelle Bindung über unsere Grenzen hinaus ist etwas Kostbares und Wertvolles. Mein Anliegen ist es, diesen Schatz an die junge Generation weiterzutragen. Das Thema Vertreibung steht deshalb ganz oben auf meiner Agenda. Warum ist das Thema Vertreibung für Sie heute noch aktuell? Trautner: Diese Menschen haben unter schwierigsten Bedin-
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AKTUELL
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Interview mit Carolina Trautner, bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales
„Bayern steht zu seinem Vierten Stamm“
Staatsministerin Carolina Trautner.
Bild: StMAS
gungen etwas Großes geschaffen. Davor sollten wir als Gesellschaft Respekt haben. Diese Beispiele helfen uns auch, zukünftige Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Deshalb ist es für mich so wichtig, die Jugend mitzunehmen. Die Vertriebenen sind damals unter menschenunwürdigen Bedingungen in ein Land verbracht worden, das direkt nach dem Krieg am Boden lag. Und sie waren anfangs auch an vielen Orten nicht willkommen. Die Frauen und Männer haben sich alles sehr hart erarbeiten müssen. Die Heimat zu verlieren, ist eine traumatische Erfahrung. Trotzdem haben diese Menschen die Ärmel hochge-
zen verlagern – was kein wirklicher Ersatz ist. Ich sehne mich sehr danach, wieder rauszufahren und bei den Menschen zu sein. Sie waren bereits mit der CSUFraktion in der Tschechischen Republik, aber noch nicht als Ministerin. Trautner: Meine Antrittsreise in die Tschechische Republik steht ganz oben auf meiner Agenda. Wegen der Pandemie war eine solche Reise bislang noch nicht möglich. Wenn es die Lage wieder zuläßt, werde ich umgehend in die Tschechische Republik fahren und möglichst viele Orte besuchen, die für das Verhältnis der beiden Nachbar-
Torsten Fricke, Chefredakteur der Sudetendeutschen Zeitung, mit Staatsministerin Carolina Trautner. krempelt und entscheidend dazu beigetragen, unser Land wieder aufzubauen. Sie haben in kürzester Zeit auch jene überzeugt, die sie nicht willkommen geheißen hatten. Ohne die Vertriebenen würde Bayern und Deutschland heute nicht so gut dastehen. Derzeit leidet Deutschland, leidet die ganze Welt unter der Corona-Pandemie. Wie kommen Sie mit dieser Situation zu recht? Trautner: Die Corona-Pandemie begann kurz nach meinem Amtsantritt. Seitdem müssen wir auch im Ministerium alle Kontakte einschränken und persönliche Kontakte auf Videokonferen-
Zur Person: Carolina Trautner
Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales Studium der Pharmazie in Würzburg Mitglied des Bayerischen Landtages (seit 2013) Kreisrätin im Landkreis Augsburg Mitglied im CSU-Parteivorstand CSU-Kreisvorsitzende Mitglied im Beirat des Kolping-Bildungswerks Bayern Verwaltungsrätin der LfA Förderbank Bayern Präsidentin des Freundeskreises Kloster Oberschönenfeld Mitglied im Kuratorium der Hochschule Augsburg
bauen. Ganz wichtig ist mir, auch dabei die Jugend mitzunehmen. Wir haben da in der Vergangenheit schon viel gemacht und werden diese Bemühungen weiter verstärken. Meine Kollegen Gerhard Hopp und Christian Doleschal, die beide in der Grenz-
Die Weihnachtskarte der Staatsministerin mit einem Motiv aus dem Sudetendeutschen Museum.
staaten wichtig sind. Neben Prag sind das zum Beispiel auch Gablonz, Eger und Neudeck. Und wahrscheinlich werden noch weitere Orte hinzukommen. Ich möchte niemanden vergessen, und ich werde mir Zeit nehmen. Ich möchte dort mit den Menschen sprechen und natürlich den persönlichen Kontakt zu den Politikern verstärken. Ich bin überzeugt, daß wir als Nachbarn voneinander profitieren. Gerade in der Grenzregion wird dieses Miteinander gelebt. Mein Ziel ist es, bei dem einen oder anderen eventuelle Vorbehalte ab- und gegenseitiges Vertrauen aufzu-
region wohnen, haben einen 12-Punkte-Plan für einen Neustart der bayerisch-tschechischen Beziehungen nach Corona entworfen. Dies sind viele gute Vorschläge für eine Weiterentwicklung unserer nachbarschaftlichen Beziehungen. Warum ist Ihnen gerade die Jugend ein Herzensanliegen? Trautner: Geschichte, Tradition, Kulturerbe – das alles darf nicht in Vergessenheit geraten. Wir müssen diese Schätze mit allem Drum und Dran bewahren und an die nächste Generation weitergeben. Ich möchte, daß junge Menschen voller Stolz
sagen: „Meine Vorfahren kommen da und da her. Sie haben in ihrer neuen Heimat viel geleistet und etwas Großartiges aufgebaut.“ Ich möchte, daß diese Menschen nicht vergessen, wo die Wurzeln ihrer Familie sind und daß sie die Verbindung zur alten Heimat ihrer Eltern und Großeltern weitertragen – und zwar unter dem europäischen Gedanken. Wir müssen das Verbindende sehen, nicht das Trennende. Die Wunden aus der Vergangenheit müssen heilen. Deshalb ist es so wichtig, daß die Jugend mitgenommen wird. Wie kann das gelingen? Trautner: Der Heiligenhof ist ein Beispiel. Was da an Begegnungsstätte entstanden ist, ist vorbildhaft. Der Heiligenhof begeistert junge Menschen für den europäischen Gedanken und macht sie gleichzeitig mit der sudetendeutschen Kultur vertraut. Als Freistaat unterstützen wir das sehr gerne. Wir haben deshalb auch entschieden, uns an der Sanierung vom Heiligenhof zu beteiligen. Wir wollen den Heiligenhof zu einem Treffpunkt weiterentwickeln, der in Zukunft auch für junge Menschen hochattraktiv ist. Im Oktober hatten Sie das Sudetendeutsche Museum in München mit eröffnet, und dabei auch ein Versprechen abgegeben … Trautner: … daß wir ein großes Museumsfest machen werden. Das Sudetendeutsche Museum
ist eine begehbare Schatzkammer mit einer hervorragenden Museumspädagogik. Ich bin mir sicher, daß auch junge Menschen oder Familien, die vielleicht keine Bindung zum Thema Vertreibung haben, dieses Leuchtturmprojekt besuchen und dann mit der Erkenntnis wieder herausgehen: „Das hatte ich gar nicht gewußt.“ Und natürlich werde ich mein Versprechen einlösen. Wir wollen, sobald es das Pandemiegeschehen zuläßt, ein schönes Fest machen und dieses hervorragende Museum angemessen feiern. Aber ich werde nicht nur in München sein. Auch in Neugablonz und in Martkredwitz haben wir zwei wunderbare Museen, die aufwendig renoviert worden sind. Auch diese Wiedereröffnungen werden wir entsprechend feiern. Warum sind solche Erinnerungsorte wichtig? Trautner: Um die Geschichte umfassend darzustellen, bedarf es nicht nur Fakten und Daten. Im Sudetendeutschen Museum habe ich viele Exponate gesehen, die hoch emotional sind. Zum Beispiel persönliche Gegenstände, die Menschen auf der Flucht mitgenommen haben. Man erahnt, was diese Menschen damals mitgemacht haben. Das berührt mich sehr. Außerdem ist die Kultur ein Türöffner. Wir können damit auch Menschen gewinnen, die vielleicht einem Thema zunächst skeptisch gegenüberstehen. Deshalb freue ich mich sehr, wenn auch viele Gäste aus der Tschechischen Republik unsere Museen besuchen. Es ist unsere gemeinsame Geschichte. Kurz nach der Eröffnung hatte ich die Generalkonsulin der Tschechischen Republik in München, Kristina Larischová, eingeladen, mit mir das Museum zu besichtigen. Das war eine wunderbare gemeinsame Begegnung. Vertreibung wird zwar international geächtet, aber es fehlt ein Instrument, Täter zur Verantwortung zu ziehen. Dr. Bernd Fabritius, der Vertriebenenbeauftragte der Bundesregierung, hat unlängst in der Sudetendeutschen Zeitung gefordert, man müsse Vertreibung weltweit verbieten und unter Strafe stellen. Teilen Sie diese Einschätzung? Trautner: Unbedingt. Vertreibung ist ein schreckliches Unrecht, und wir sollten als Deutsche international aktiv werden, um einen verbindlichen Schutz für die Menschen zu schaffen. Allerdings ist das Thema komplex. Wenn beispielsweise irgendwo auf der Welt der Kampf um Trinkwasser in Krieg und Vertreibung mündet, wird ein internationales Gesetz allein nicht ausreichen. Wir müssen dann in den betroffenen Regionen auch Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Als neue Ministerin haben Sie in Ihrer Weihnachtskarte ein besonderes Motiv aufgenommen. Trautner: Ja, eine Abbildung einer Weihnachtskrippe aus Königsberg/Eger aus dem Sudetendeutschen Museum. Das hatte ich bei meinem Rundgang entdeckt und mit einer Strophe aus einem böhmischen Weihnachtslied ergänzt. Wie würden Sie die bayerische Vertriebenenpolitik in kurzen Worten definieren? Trautner: Bayern steht zu seinem Vierten Stamm. Die Vertriebenen können sich auf uns verlassen. Torsten Fricke
Deutschland hilft der Tschechischen Republik im Kampf gegen die Pandemie
Corona-Tests: Spende an die Nachbarn Dr. Jörg Michaelis, Präsident des Polizeiverwaltungsamtes Sachsen, übergibt die Spendenlieferung an Pavel Švagr. Bild: Mediaservice Novotny.
Deutschland hilft der Tschechischen Republik: Das Technische Hilfswerk (THW) hat jetzt von Bayern aus Corona-Tests in das SSHR-Rohstoffverwaltungslager in Seltschan geliefert. uvor hatte im März Sachsen am Grenzübergang Bahra-
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tal-Peterswald 40 000 CoronaTests an die Nachbarn übergeben. Da dort keine Grenzeinrichtungen mehr vorhanden sind, nutzten Dr. Jörg Michaelis, der Präsident des sächsischen Polizeiverwaltungsamtes, und Pavel
Švagr, Chef der tschechischen Rohstoffverwaltung SSHR, einen Grenzstein als Schreibunterlage. Neben Corona-Tests unterstützt Deutschland auch mit Impfstoff. So haben die an die Tschechische Republik angren-
zenden Bundesländer Sachsen, Bayern und Thüringen ihren Nachbarn bereits mit insgesamt 15 000 Impfstoff-Dosen ausgeholfen. Die Tschechische Republik leidet unter der dritthöchsten Corona-Sterblichkeit pro Kopf.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5.2021
Adalbert Stifter Verein vergibt erstmals Stipendien für einen einmonatigen Residenzaufenthalt in Oberplan
Adalbert Stifter Verein
Zwei Künstlerinnen auf den Spuren von Adalbert Stifter Eine tschechische und eine deutsche Lyrikerin, Anna Brikciusová und Slata Roschal, sind die ersten Stifter-Stipendiatinnen, die für einen bayerischtschechischen Stipendiumsaufenthalt in Oberplan ausgewählt worden sind, hat der Adalbert Stifter Verein bekannt gegeben.
In Kooperation mit der Münchner Volkshochschule veranstaltet der Adalbert Stifter Verein Online-Veranstaltungen zum Thema „Vertreibung, weiblich“.
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as Stipendium umfasst den einmonatigen Residenzaufenthalt im Herbst in Stifters Geburtsort Oberplan in Südböhmen und ist mit 1.000 Euro dotiert. „Ich freue mich schon sehr auf die Möglichkeit, einen Monat lang konzentriert an eigenen Texten zu arbeiten und einen spannenden Ort zu erforschen“, sagt Slata Roschal der Sudetendeutschen Zeitung. Die Lyrikerin wurde 1992 in St. Petersburg geboren und studierte Slawistik, Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Greifswald. Das Stipendium komme zur richtigen Zeit, denn durch Corona seien letztes und dieses Jahr alle Reisen zu Konferenzen und Lesungen weggefallen, die sie normalerweise fürs Schreiben
Vertreibung aus Sicht der Frauen
Slata Roschal ist in St. Petersburg geboren, lebt heute bei München und erhielt 2018 den Literaturpreis Mecklenburg-Vorpommern. Bild: Mike Lange
Die Pragerin Anna Brikciusová ist Lyrikerin, Prosaikerin und Violoncellistin und war unter anderem für den Dresdner Literaturpreis nominiert.
und Sammeln neuer Ideen nutze. Thematisch hat sich die Künstlerin einiges vorgenommen: „Mich interessiert das Narrativ ,Heimat‘, die Frage, wie und wofür es in verschiedenen Kontexten erschaffen, fortgeführt wird. Es scheint mir ein Abstraktum von ungeheurem Potential zu sein, das für alles Mögliche, für Förderung und Verbot von Sprachen, Prinzipien der Kindererziehung, Kollektivstiftung, Aus-
Die zweite Stipendiatin ist die in Prag geborene Lyrikerin, Prosaikerin und Violoncellistin Anna Brikciusová. Auch sie hat für ihren Aufenthalt in Oberplan bereits eine konkrete Projektidee: „In der höchst gelegenen Stadt in Südböhmen, in Horní Planá, plane ich die Gedichtsammlung ,Granát ve váze‘ (Granat in der Vase) zu schreiben. Wolken in allen Formen, Gestalten und Farben bilden das Leitmotiv der
grenzung und Krieg gebraucht werden kann. Ich glaube, daß es da verschiedene Ebenen gibt, die sich überlagern; der Moment des Schreckens, aus seiner ,Heimat´ ausgewiesen worden zu sein, wiederholt andere, existentielle Erfahrungen, die jeder Mensch durchmacht. Mir gefällt die Vorstellung, dermaßen frei zu sein, nichts zu verlieren zu haben, daß jeder Ortswechsel als eine Chance genutzt wird.“
Sammlung, wie auch das Loslassen der durch die Pandemie belasteten Realität.“ Das Stipendium wurde vom Adalbert Stifter Verein in Kooperation mit der Mährischen Landesbibliothek, der Sektion Tschechisches Literaturzentrum und der Zweigstelle des Regionalmuseums Český Krumlov in Krumau ausgeschrieben und wird von der Bayerischen Staatskanzlei gefördert. TF
Dienstag, 11. Mai, 18.00 Uhr: „Vertreibung, weiblich – Autorinnen und Protagonistinnen in der deutschsprachigen Literatur Böhmens.“ Am Beispiel der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei 1945/46 spricht Anna Knechtel über die literarische Gestaltung der Erfahrungen aus dieser Zeit mit Blick auf die spezifische Verarbeitung durch weibliche Autoren. Eintritt: 8 Euro, Nr. M244170. https://www.mhs.de/programm/ literatur.6722/M244170 Dienstag, 18. Mai, 18.00 Uhr: „Vertreibung, weiblich – Am Beispiel der tschechischsprachigen Literatur.“ Wie werden Vertreibung und Flucht in tschechischen Romanen aus der weiblichen Perspektive dargestellt?, ist eine der Fragen, der Zuzana Jürgens in ihrem Vortrag nachgeht. Eintritt: 8 Euro, Nr. M244160. https://www.mvhs.de/programm/literatur.6722/ M244160
VERANSTALTUNGSKALENDER Samstag, 8. Mai, 14.30 Uhr, SL-Kreisgruppe AugsburgLand: „Wir feiern die Mütter … und die Väter“ mit Festrede von Schirmherrschaftsministerin Carolina Trautner, Filmvortrag „Sudetenland, mein Heimatland!“ von Kreisobmann Kurt Aue sowie Musik von Wolfgang Friedrich (Bobingen) in Wehringen, Fischerheim, In der Aue 5. Anmeldung: Telefon (08 21) 8 85 37 56, eMail sudetenaue@koenigsau.de Montag, 10. Mai, 18.00 Uhr, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen: „Grüß Gott, du schöner Maien…“ Traditionelle Lieder zum Wonnemonat Mai zum Mitsingen unter der Leitung von Dr. Erich Sepp. Die Veranstaltung findet Online statt. Anmeldung unter schmalcz@sudeten.de Samstag, 15. Mai, 20.00 Uhr, Ackermann-Gemeinde Bistum Würzburg: Nepomuk-Gottesdienst in der NeumünsterKirche in Würzburg, Festprediger: P. Dr. Martin Leitgöb CSsR, Wallfahrts-Seelsorger auf dem Schönenberg/ Ellwangen (zuvor Prag), Statio bei der Figur des Heiligen in der Kirche und Segen mit der Nepomuk-Reliquie. Sonntag, 16. Mai, Ackermann-Gemeinde Bistum Bamberg: corona-bedingte Änderung des ursprünglichen Programmes: 15.30 – 17.00 Uhr Online-Symposium mit Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Prof. PhDr. Tomáš Petráček und Generalkonsulin Kristina Larischová zum Thema „Tschechische Jugend in Kirche und Staat“, Anmeldung unter bamberg@ ackermann-gemeinde.de 19.00 Uhr Festgottesdienst zu Ehren des Hl. Nepomuk mit Erzbischof Dr. Ludwig Schick in St. Martin Bamberg Sonntag, 16. Mai, 17.00 Uhr, Bund der Vertriebenen, Ortsverband Limburg-VillmarRunkel: Nepomuk-Feier an der St. Nepomuk-Statue auf der Marmorbrücke in Villmar im Kreis Limburg-Weilburg. Montag, 31. Mai, 19.00 Uhr, Adalbert Stifter Verein, Volkshochschule Linz und Institut für Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz: „Zum transkulturellen Charakter böhmischer Literatur“ – Vortrag
Samstag, 8. Mai, 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr: „Wir und die anderen – Die EU im Wettbewerb der Systeme.“ Online-Seminar für Multiplikatoren und politisch Interessierte In einer Zeit des stetigen geopolitischen Wandels stellt sich die Frage, welche Position die Europäische Union einnehmen und welche Rolle sie im Konzert der Mächte spielen will. Dies bezieht sich auf die Lösung internationaler Konflikte ebenso wie auf die Sicherheits-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Dabei gilt es auch zu hinterfragen, ob neben den augenscheinlich größten Mitbewerbern USA, China und Rußland weitere Kandidaten betrachtet werden sollten. Programm: Ab 8.45 Uhr: 9.00 – 9.15:
Künstlerin Pomona Zipser:
„Literatur im Scherenschnitt“ HDOnline direkt: 10. Mai, 19.00 Uhr: Online-Podiumsdiskussion „Literatur im Scherenschnitt“ mit Pomona Zipser (Foto) und Dr. Heinke Fabritius, Kulturreferentin für Siebenbürgen.
Pomona Zipser ist Bildhauerin, arbeitet aber auch auf und mit Papier – Collagen, Scherenschnitte, Pinselund Bleistiftzeichnungen. Das Bild zeigt ihr Werk Im Schloß öffnen sich die Fenster (2018,
von Dr. Peter Becher, Vorsitzender des Adalbert Stifter Vereins, in Linz, Wissensturm (Saal E 09), Kärntner Straße 26. Samstag, 19. Juni, 9.00 Uhr, Ackermann-Gemeinde Bistum Bamberg: „Verfolgte Christen in der Welt –Herausforderung für uns?“ – Studientag mit Bischof Bertram Meier (Augsburg), Zeit-Redakteur Ulrich Ladurner und weiteren Re-
Papier, Holz, Schnur, Farbe, 72 x 125 x 8 cm). Wichtige Inspiration ist der Künstlerin die Literatur, und zwar durchaus gegensätzliche Strömungen, die sie in ihrer Kunst zu balancieren weiß. So wird es unter anderem um die rumänische literarische Avantgarde, namentlich Urmuz, gehen, aber auch um Theodor Fontane und den deutschen Realismus. Teilnahme über www.hdo.bayern.de. Bild: Natalia Carstens
ferenten in Nürnberg, CaritasPirckheimer-Haus, Königstraße 64. Anmeldung: Akademie CPH, Königstraße 64, 90402 Nürnberg, Telefon (09 11) 2 34 61 45, Anmeldung unter eMail akademie@cph-nuernberg.de Samstag, 19. Juni, 10.30 Uhr, SL-Landesgruppe Bayern: Landesfrauentagung 2021 in Regensburg, Kolpinghaus, AdolphKolping-Straße 1.
Samstag, 28., bis Sonntag,
29. August, Heimatkreisverein Tachau, 32. Heimatkreistreffen in Weiden. Samstag, 8.00 Uhr: Abfahrt nach München und Besuch des Sudetendeutschen Museums. 18.00 Uhr: Gemütlicher Abend im Ratskeller bei Egerländer Wirtshausmusik. Sonntag, 9.00 Uhr: Feier am Gedenkstein in der Kurt-Schumacher-Allee. 10.15 Uhr: Vereinssitzung und Neuwahlen im Kultursaal des Hans-Bauer-Kulturzentrums. 12.00 Uhr: Ausstellungseröffnung. 13.00 Uhr: Mittagessen im Ratskeller, Einladung der Patenstadt Weiden. Sonntag, 12. September, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Kassel: Gedenkstunde für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation, Kassel-Hauptfriedhof (Nähe Eingang Heckershäuser Straße), Auskunft: Dietmar Pfütz, Telefon: 0561-514359, eMail dietmar@pfuetz.de Samstag, 18. September, 9.00 Uhr, SL-Kreisgruppe RothSchwabach: Ab Thalmässing, Hilpoltstein, Roth-Eckersmühlen, Roth und Schwabach-Vogelherd Denkmalfahrt zu sieben Vertriebenendenkmalen im Kreis Roth und in Schwabach. Auskunft und Anmeldung: Dieter Heller, Telefon (09 171) 6 00 85, eMail heller_dieter@t-online.de
9.15 – 10.15:
10.15 – 11.15:
11.15 – 12.15: 12.30 – 13.30: 13.30 – 14.45: 14.45 – 15.45: 15.45 – 16.45: 17.45 – 17.00:
Gustav Binder & Ulrich Rümenapp, Bad Kissingen Möglichkeit zum Technik-Check Ulrich Rümenapp, Bad Kissingen und Dr. Dirk Hermann Voß, Augsburg: Begrüßung Norman Blevins, München: „Von Trump zu Biden: Wettbewerb, aber leiser? Was ändert sich in den Beziehungen zwischen den USA und der EU?“ Johannes Volkmann, Lahnau: „Chinas Weg zur Supermacht: Kommunismus heißt, gemeinsam reich werden?“ Benedikt Praxenthaler, Berlin: „Ungewisse Nachbarschaft: Was wird aus Weißrußland?“ Mittagspause Knut Abraham, Berlin: „Wie umgehen mit Russland?“ Dr. Dirk Hermann Voß, Augsburg: „Europäische Rechtsgrundsätze als globale kulturprägende Kraft.“ Dr. h.c. Bernd Posselt, München: „Die EU im globalen Wettbewerb stärken – aber wie?“ Ulrich Rümenapp, Bad Kissingen & Dr. Dirk Hermann Voß, Augsburg: Verabschiedung und Auswertung
Die Moderation übernehmen Ulrich Rümenapp und Dr. Dirk Hermann Voß. Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere Hinweise und Anmeldung auf der Webseite www.heiligenhof.de. Heiligenhof · Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de
SUDETENDEUTSCHER TAG Aufgrund der CoronaPandemie ist der traditionell für Pfingsten terminierte Sudetendeutsche Tag in diesem Jahr auf Freitag, 16. bis Sonntag, 18. Juli,verschoben worden. Neuer Austragungsort ist die Landeshauptstadt München mit dem Sudetendeutsche Museum.
AKTUELL
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
5 Mut tut gut
Maria gibt Leben
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Johann Gregor Mendel ist der „Vater der Genetik“. In der Augustinerabtei befindet sich das Mendel-Museum.
Im nächsten Jahr jährt sich der 200. Geburtstag des großen Wissenschaftlers
Endlich ein Denkmal für Johann Gregor Mendel Johann Gregor Mendel ist der Gründer der Genetik. Noch heute ist der Wissenschaftler auf der ganzen Welt hoch geachtet. Nur in seiner Heimatstadt Brünn hat man sich lange schwer getan, den deutschsprachigen Vordenker zu würdigen. Das soll jetzt anders werden. Eine Initiative plant zum 200. Geburtstag ein großes Mendel-Denkmal.
Zum 200. Geburtstag des großen Wissenschaftlers will jetzt eine Initiative einen neuen Anlauf starten und ein würdiges Mendel-Denkmal schaffen – mitten in der Stadt auf dem Mendel-Platz. „Johann Gregor Mendel ist einer der bedeutendsten Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Mit dem Denkmal wollen wir unseren großen Respekt aus-
drücken, den wir dem Vater der Genetik schulden“, erklärt Jakub Carda von der gemeinnützigen Organisation Společně der Sudetendeutschen Zeitung. Die neunköpfige Jury, die aus Vertretern des Augustinerklosters und der Stadt Brünn, sowie Biologen, Ethikern, Kunsthistorikern und Architekten besteht, will im September 2021 über den
Die ehemalige Technische Hochschule.
Das ehemalige staatliche Gymnasium.
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endel wurde am 22. Juli 1822 im Kuhländchen, im damaligen Österreich-Schlesien, geboren und nach seinem sehr guten Schulabschluß als Postulant bei den Augustiner-Eremiten der Abtei St. Thomas aufgenommen. Nach seinem Studium in Wien kehrte er nach Brünn zurück, engagierte sich in der Lehre, stieg zum Abt auf und entwickelte seine bahnbrechende Genetik-Lehre. Am 6. Januar 1884 verstarb Mendel im Alter von 61 Jahren. Erst nach seinem Tod begannen andere Wissenschaftler nach und nach die Mendelschen Regeln der Vererbung und deren Relevanz zu verstehen. 1910, also mehr als einem Vierteljahrhundert nach Mendels Tod, erJakub Carda folgte die erste inBild: Společně ternationale Würdigung, als in seiner Heimatstadt Brünn ein MendelDenkmal enthüllt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg taten sich die kommunistischen Machthaber schwer mit dem Andenken an den deutschprachigen Geistlichen. 1946 wurde das Mendel-Denkmal abgebaut und versteckt an einer Wand im Stiftsgarten des Augustinerklosters wieder aufgebaut.
Die Hochschule für Landwirtschaft wurde nach Mendel benannt
Der Stadthof, wo Mendel Vorträge hielt.
Bilder: TIC BRNO
Mendel ruht auf dem Zentralfriedhof.
Entwurf des Denkmals entscheiden. Mendel sei aber nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Mensch ein Vorbild, begründen die Denkmal-Initiatoren ihren Einsatz. Jakub Carda: „Für die Brünner Bürger ist Johann Gregor Mendel das Symbol eines bescheidenen Mannes, der trotz einiger Rückschläge in seinem Leben dank seiner Geduld, seines Fleißes und seiner Entschlossenheit eine phänomenale Entdeckung gemacht hat.“ Mendel werde in Brünn aber nicht nur als Vater der Genetik wahrgenommen, sondern auch als bedeutender Imker, Meteorologe, Landwirt, Lehrer und Bankier. „All diese Aspekte werden bei den Mendel-Festspielen thematisiert, die jedes Jahr im Juli stattfinden“, erklärt Carda. Auch außerhalb der Festspielzeit gibt es Erinnerungen in Brünn an den Wissenschaftler. So gilt das höhere staatliche Gymnasium (heute Mittel- und Berufsfachschule für Handelswesen) als der Ort, an dem Mendel den ersten Diskurs über die Genetik geführt hat. Auch in der deutschen Technischen Hochschule, der heutigen Masaryk-Universität, und im Stadthof, damals der Sitz des Naturforschenden Vereins, hat Mendel grundlegende Vorträge gehalten. Das Gesamtbudget für das DenkmalProjekt beträgt knapp 1 Million Euro, wovon knapp 400 000 Euro von der Stadt Brünn zugesagt wurden und die restlichen 600 000 Euro über Sponsoren und Spender aufgebracht werden sollen. Die Initiatoren haben deshalb eine Webseite aufgebaut, um über das Projekt zu berichten und Spenden zu sammeln ( http://sochapromendela.cz). Und für die größten Gönner hat man sich in Brünn etwas besonderes einfallen lassen: Sie können eine Probe ihrer DNA in einem Schrein im Denkmal hinterlassen. Torsten Fricke
Der amerikanische Rundfunksender hatte eine herausragende Bedeutung für den Fall des Eisernen Vorhangs
Vor 70 Jahren startete Radio Free Europe in München Kalter Krieg auch über den Äther: Vor 70 Jahren hat Radio Free Europe seinen Sendebetrieb in München aufgenommen. Finanziert wurde das Radioprogramm vom US-Geheimdienst CIA.
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m 1. Mai 1951 ging es los: Aus dem Funkhaus in der Oettingenstraße direkt am Englischen Garten nahm Radio Free Europe seinen regulären Sendebetrieb auf, um an der sowjetischen Zensur vorbei die Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa mit Nachrichten und Musik zu versorgen. Bereits ein Jahr zuvor hatten die er-
sten Testsendungen in München begonnen. Sprecher und Autoren waren meist Exilanten der Zielländer – oft Intellektuelle wie Professoren, Künstler oder Schriftsteller. In den ersten Jahren sendete Radio Free Europe (RFE) vor allem für die Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Rumänien und Bugarien in der jeweiligen Landessprache. 1976 wurde RFE mit dem ebenfalls in München ansässigen Sender Radio Liberty (RL) vereinigt, der in die Sowjetunion sendete. Vielfach wurde den beiden Radiosendern RFE und RL eine herausragen-
de Bedeutung für den Niedergang des Kommunismus in Europa und der Sowjetunion zugeschrieben. So haben Václav Havel und Lech Wałęsa, die Protagonisten des antisowjetischen Widerstandes in der Tschechoslowakei und Polen, mehrfach die Wichtigkeit der Sender hervor hoben. Die Sowjetunion versuchte deshalb mit Störsendern den Empfang vor allem in ihren Ballungsräumen zu verhindern. RFE und RL verstärkten daraufhin immer wieder die Sendeleistung und wiederholten wichtige Beiträge. Außerdem gab es immer wieder An-
schläge auf Mitarbeiter, die zum tödliche Folgen hatten. Am 21. Februar 1981 verübte der rumänische Geheimdienst Securitate sogar einen Bombenanschlag auf die Münchner Redaktionsräume . Eine zweifelhafte Rolle spielte RFE 1956 beim Ungarnaufstand, als man Demonstranten zum bewaffneten Kampf aufrief und suggerierte, daß der Westen militärische Hilfe schicken würde. 1995 zog der Sender nach Prag um. Heute wird RFE/RL vom amerikanischen Kongreß finanziert, sendet in 27 Sprachen sowie für 23 Länder und hat pro Woche 38 Millionen Hörer.
m 1. Mai begleitete mich von morgens bis abends ein musikalischer Ohrwurm. Er schlich sich bei mir ein, als ich mich auf den Gottesdienst an diesem Tag vorbereitete. Der Beginn des Marienmonats Mai ist mir seit jeher eine markante Zäsur im kirchlichen Jahreskreis, ein Tag, auf den ich mich freue. So war der Ohrwurm ein Geschenk, denn es handelte sich um den Refrain eines italienischen Marienliedes, das in den deutschsprachigen Ländern wenig bekannt ist und an das auch ich schon längere Zeit nicht mehr gedacht hatte. „O mia bella speranza, dolce amor mio, Maria.“ Das Lied stammt vom heiligen Alfons Maria von Liguori, dem Gründer des Redemptoristenordens, der im 18. Jahrhundert in Süditalien lebte und nicht nur ein eifriger Seelsorger und ein geschätzter Theologe war, sondern auch ein begabter Komponist und Dichter. Einer meiner Mitbrüder, der allzu früh verstorbene Pater Heinrich Stummer, übersetzte vor einigen Jahrzehnten dieses Marienlied ins Deutsche. Bravourös machte er den süditalienischen Schmelz für unsere eher nüchterne Frömmigkeit verständlich. In seiner Version heißt das Lied: „Ein Zeichen unserer Hoffnung bist du für uns, Maria.“ Schön, daß mir dieses Lied zum Beginn des Marienmonats einfiel, denn es bringt in einer einzigen Zeile zum Ausdruck, warum wir auf die Mutter Jesu schauen und sie besonderes ehren. Maria bringt Hoffnung in unser Leben. Die vielen Marienbildnisse und -statuten in Kirchen, Häusern, auf Plätzen und an Wegrändern sind Hoffnungszeichen. Sie zeigen uns eine Frau, die großherzig darauf vertraut hat, daß Gott es gut mit uns meint, und die deswegen Gott in ihrem Leben mit jeder Faser ihres Herzens Ehre erwies. Am schönsten kommt das für mich in den Anfangsworten ihres berühmten Lobpreises zum Ausdruck, der im Lukasevangelium überliefert ist: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ Im Verlauf der biblischen Heilsgeschichte hat Maria eine ganz besondere, unverzichtbare Aufgabe. Gott wollte Mensch werden, aber er brauchte dazu ein Eingangstor in diese Welt. Er brauchte eine menschliche Mutter. „Du bringst der Welt wahres Leben: Gott ist als Mensch bei uns“, so setzte Pater Stummer seine deutschsprachige Übersetzung des genannten Liedes fort. Christus ist dieses wahre Leben, das uns Maria schenkte. Gerade in unserer Zeit der Pandemie spüren wir sehr genau, was uns leben läßt und was nicht. Die Liebe läßt uns leben. Ich sehe sie mir in Christus geschenkt. Das Vertrauen und die Anerkennung lassen uns leben. Niemand schenkt mir das mehr als Christus. Und schließlich: die Barmherzigkeit läßt uns leben, die Gewißheit, daß uns Fehler nicht angerechnet, sondern verziehen werden. Auch darin erweist sich Christus in meiner Erfahrung als überaus großzügig und treu. Maria ist ein Zeichen der Hoffnung, weil sie uns vor Augen führt, was uns leben läßt, oder vielmehr: wer uns leben läßt. Das gibt mir persönlich Schwung und Energie. Und deswegen freue ich mich über den Marienmonat Mai auch in diesem Jahr wieder in besonderer Weise. Dr. Martin Leitgöb CSsR Seelsorger der Pfarrei Ellwangen-Schönenberg
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FORUM Bin zweisprachig, zweistaatlich, zweiheimatlich,
betreibe zwei Firmen und lebe (meistens) am Landgut in Böhmen. Bin fleißig, konservativ, pflichtbewusst, mit Sinn für Tradition. Auf mich ist Verlass. Suche eine kluge, selbstbewusste Partnerin, die den Mut hat, das Leben mitzugestalten, die bereit ist, Mitverantwortung zu übernehmen. Eine zweisprachige Frau mit Hochschulausbildung passend zu den Geschäftsfeldern Gesundheit, Ernährung und Chemie für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie Jura, LM-Chemie, Pharmazie, Ernährungs- oder Wirtschaftswissenschaft. Eine Frau, die die Freiheit der festen Bindung zu schätzen weiß. Wir möchten gemeinsam in gegenseitiger Achtung und freiwillig konservative Werte der deutsch-tschechischen Tradition pflegen, bewahren und entwickeln. Die Aufgaben sind vielfältig. Packen wir sie gemeinsam an – in dieser herrlichen Zeit voller Möglichkeiten. Antworten unter Chiffre 210132 an die Sudetendeutsche Zeitung, Hochstraße 8, 81669 München.
KURZ NOTIERT n Brünn. Im Peter-und-PaulDom begann die Umgestaltung des Altarraums. Arbeiter entfernten den aus den 1980er Jahren stammenden Marmoraltar. Er wird künftig in der Kirche des Päpstlichen Tschechischen Kollegiums Nepomucenum in Rom stehen. Die Kathedrale in Brünn erhält einen neuen Altar. Die
Neugestaltung soll die aus unterschiedlichen Epochen stammenden Elemente des Presbyteriums vereinheitlichen. Am 21. Mai wird Diözesanbischof Vojtěch Cikrle den Altar weihen. Dabei wird Cikrle Reliquien der aus der Diözese Brünn stammenden Schutzheiligen Zdislava (um 1220– 1252) in den Altar einsetzen.
Hiermit abonniert man diese Zeitung Ich/wir bestelle/n zum Bezug per Postzustellung die m Sudetendeutsche Zeitung mit Reichenberger Zeitung · Heimatbote · Heimatruf Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft wöchentlich (125,00 EUR im Jahr) m Reichenberger Zeitung Nordböhmische Umschau 24 Ausgaben (62,50 EUR im Jahr) m Neudeker Heimatbrief für die Heimatfreunde aus Stadt und Landkreis Neudek 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr)
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� Neuerscheinung
Josef Seliger – ein Lebensbild hof, das 1924 eingeweiht wurde. gewesen und „Klassenkampf“ Es ist heute noch ein wichtiger die reguläre Forderung der SoTreffpunkt in den deutsch-öster- zialdemokratie, damit die Arbeiter nicht auf der reichisch-tscheuntersten Sprosse chischen Bezieder sozialen Leihungen, vor allem ter stehen blienatürlich der Soben. zialdemokratie in Schließlich den drei Ländern. schreibt der früDann schilhere tschechische dert Thomas Oelit Unterstützung der ErnstMinisterpräsident lermann (Prag), und-Gisela-Paul-Stiftung, und erste prägender der wesentlidem Deutsch-Tschechischen Zude EU-Kommische Organisator kunftsfonds und der Masaryksar seines Landes dieser tschechiAkademie gab der Olmützer VerVladimír Špidla schen Ausgabe ist, lag Burian a Tichák das Buch über das Interesdas Leben und das heraus. Nach mehr als 90 JahSchicksal der bei- Josef Hofbauer, Emil Strauß: sante dieses nun ren erhält das tschechische Puden Autoren. Emil „Josef Seliger. Obraz jedno- sehr spät dem blikum nun die Möglichkeit, eiStrauß und weitere ho života“. Verlag Burian a tschechischen Lene zentrale Persönlichkeit der vorgelegten Mitglieder seiner Tichák, Olmütz 2021; 209 ser Arbeiterbewegung in den böhmiFamilie wurden Seiten, 229 Kronen. (ISBN: Buches. Man beschen Ländern am Ende des 19. komme einen Einin Auschwitz er- 9788087274620) Jahrhunderts kennenzulernen. blick in die schwemordet. Josef HofUnd es erfährt wichtige Informabauer floh ins Exil nach Schwe- ren Bedingungen, unter denen in tionen darüber, wie der stets für den, woraus er 1948 kurz nach der zweiten Hälfte des 19. Jahrdie Minderheitenrechte gerade Frankfurt am Main wechselte, hunderts die Grundlagen für die der Tschechen in der Habsburger Arbeiterbeum für die „Sozialistische Tribü- emanzipatorische Monarchie eintretende Josef Sene“ zu schreiben. Er verstarb je- wegung geschaffen worden seiliger nach dem Ende des Ersten doch kurz nach seiner Ankunft, en. Die ursprüngliche Intention Weltkrieges genauso vehement viel zu früh. Seine Familie blieb dieses Buches sei gewesen, andas Selbstbestimmungsrecht in Schweden, wo heute noch hand des Lebens eines bedeuder Deutschen dann auch in tenden Politikers die Geschichte drei Enkel leben. der neuen Tschechoslowakei Die Übersetzerin Zuzana der politischen Bewegung mit eieinforderte. Schwarzová erläutert dem ner solchen Sprache und mit solDas Buch entstand zum tschechischen Leser, daß chen Beispielen zu erzählen, daß Gedenken an den zehnten die Verwendung des Adjek- der Leser und Zuhörer dies sofort Todestag Seligers (* 16. Fetivs „deutsch“ hier eindeu- weitererzählen könne. bruar 1870 in Schönborn Gerade wegen dieser Aktuatig nicht verbunden sei mit bei Reichenberg, † 18. Okdem deutschen Staat. Inso- lisierungen und Zuwendung zu tober 1920 in Teplitz-Schöfern bringe die Lektüre die- Josef Seliger als einer historinau). Dazu wurde damals ses Buches das automati- schen Persönlichkeit im Raume unter den Sozialdemokrasche Verstehen in der Tsche- der heutigen Tschechischen Reten aufgerufen, Erinnerun- Josef Seligers Grab auf dem alten Schönau- chischen Republik ein wenig publik sei dem Buch mit diesen gen an den Weggefährten er Friedhof in Wisterschan. Das von Johan- durcheinander, und man Vorworten eine ergänzte deutbeizusteuern. Mit Quellen- nes Watzal entworfene Grabmal ist ein Sand- könne sich die geschichtli- sche Neuauflage zu wünschen. material aller Art wie Zei- steinblock mit fünf Spitzen für die fünf Erdtei- chen Zusammenhänge stär- Schließlich zirkulieren nur noch tungen, Briefe oder Fotogra- le der Internationale. wenige Exemplare des einmaker klar machen. fien, die auch dem ParteiarDie Begriffe „Genosse“ lig 1930 erschienenen Werchiv zugehen sollten, wollte Emil ordnung und Aktualität. Ein Text und „Klassenkampf“ hätten in kes. Und auf Seliger berufen Strauß, Chefredakteur des 1921 stellt in groben Zügen das Leben den 1930er Jahren eine ganz an- sich doch noch immer die sudein Prag gegründeten Kopfblatts Seligers dar. Dabei wird vom ein- dere Bedeutung gehabt als heu- tendeutschen Sozialdemokrader DSAP „Sozialdemokrat“ und zigen Objekt ausgegangen, das te nach der Prägung durch das ten und ihre Erben in DeutschSchwiegersohn von Josef Seli- noch unmittelbar in der Tsche- kommunistische System. „Ge- land, Österreich und anderswo, ger, ein Lebensbild zusammen- chischen Republik an Josef Se- nosse“ sei ein neutraler Begriff wo sie Flucht und Vertreibung stellen. Er selbst übernahm die liger erinnert: vom Grab-Monu- für einen Parteifreund in der glei- hatten stranden lassen. ersten Kapitel, die die Herkunft ment auf dem Schönauer Fried- chen sozialistischen Bewegung Ulrich Miksch Vergangenes Jahr gedachten wir des 150. Geburtstages und des 100. Todestages des großen deutsch-böhmischen Politikers und Sozialdemokraten Josef Seliger. Als Frucht des Gedenkjahres ist die einzige Biographie über Seliger von 1930 im März erstmals nun auch auf tschechisch erschienen.
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und die ersten Lebens- und Berufsjahre schildern. Mit Josef Hofbauer gewann Strauß einen versierten Autor für die späteren Jahre. Den Wiener Sozialdemokraten und Journalisten hatte Josef Seliger um 1910 nach Teplitz-Schönau gelockt, weil er dessen Mitwirkung an seiner sozialdemokratischen Zeitung „Freiheit“ wollte, Hofbauer hatte am denkwürdigen 4. März 1919 auf dem Marktplatz von Teplitz-Schönau neben Seliger gestanden, als dieser vor 25 000 Demonstranten für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen eingetreten war – ohne daß es zu Gewaltausbrüchen kam, wie anderswo in den sudetendeutschen Gebieten. „Nie vorher, nie nachher hat ihn so stürmischer Jubel umbraust, wie bei seinem Erscheinen vor dieser ungeheuren Menschenmasse“, schreibt Hofbauer aus der Erinnerung im Buch darüber. Dem tschechischen Leser wird allerdings mehr geboten, als nur dieser Text von 1930. Mehrere Vorworte bemühen sich um Ein-
PERSONALIEN
Name, Vorname ________________________________________ Straße, Hausnummer ____________________________________
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Am 16. April starb Adolf � Leidenschaftlicher Genealoge aus dem Altvatergebirge Ondratscheck, ein leidenschaftlicher Familienforscher mit Wurzeln im Altvatergebirge und Mitglied des deutsch-tschechischen Arbeitskreises „Kraft aus den Wurzeln. Síla z misch Märzdorf. In Nikles war chische Bücher. Deutsche Werke Kořenů“, mit 72 Jahren in Ber- Großvater Mitglied der Deut- waren ihnen egal. So baute er eischen Sozialdemokratischen Ar- ne unvergleichliche deutschspralin-Spandau. beiterpartei und eine Zeitlang chige Bohemica-Sammlung auf, m Zuge der Vertreibung aus Bürgermeister.“ Ondratschek zu der natürlich auch mährische Nikles im Kreis Mährisch folgte politisch seinem Großva- Werke zählen.“ Schönberg strandeten sein ter und wurde Mitglied der SeliDer geschiedene Vater einer gleichnamiger, 1897 geborener ger-Gemeinde, der Gesinnungs- Tochter und eines Sohnes, der Großvater und sein Vater im mit- gemeinschaft sudetendeutscher seinem Vater im Tod vorausgetelhessischen Alsfeld. Dort kam Sozialdemokraten. gangen ist, war Lehrer. Lange Klein-Adolf am 4. Februar 1949 Ulrich Miksch, SdZ-Berlin- Jahre leitete er eine Berliner Gezur Welt. Der Großvater über- Korrespondent und Vorsitzen- samtschule. Als Pensionär kontrug seine Heimatliebe auf den der des Landesverbandes Nord- zentrierte er sich noch stärker auf Enkel. Bereits 1965 besuchten sie West der Seliger-Gemeinde, er- seine Wurzelheimat und widmeNikles. Bei einer Veranstaltung zählt von einem Besuch bei Adolf te sich der Familienforschung. der Deutsch-Tschechischen Ge- Ondratschek in dessen SpanEr war ein gefragter Referent sellschaft im Geschaderhaus in dauer Haus: „Ondratschek zeig- über Spuren deutscher GeschichMährisch Schönberg erzählte er te mir eine literarische Kostbar- te in der Tschechischen Republik 2019 von diesem Besuch. keit nach der anderen. Bereits und über Hilfestellungen bei der „Die Nikleser empfingen uns seit den siebziger Jahren hat er in Familienforschung in tschechimit großer Freude. Besonders der ČSSR alle deutschen Bücher schen Archiven. Die deutschen gefreut haben sich die alten Feu- gekauft, deren er habhaft wer- Spuren fand er in Archiven, Maerwehrkameraden meines Groß- den konnte. Bei der Ausfuhr be- triken, Dokumenten, Zeugnisvaters und seine Arbeitskollegen schlagnahmten die kommunisti- sen, Architektur, Denkmalen, aus dem Kalksteinbruch in Böh- schen Grenzbeamten nur tsche- Friedhöfen, Kochbüchern, Lite-
ratur, Filmen und Werbung. Walter Exler, Mitarbeiter des „Mährisch Schönberger Heimatboten“: „Er gab seine GenealogieKenntnisse der jüngeren Generation weiter und lobte die tschechische Digitalisierung der Archive und Kirchenbücher. Die sei für die folgenden Generationen von unschätzbarem Wert. Auch mit dem jungen Direktor des Schönberger Archivs, Ladislav Míča, arbeitete er wunderbar zusammen und besorgte ihm Material über den Archivgründer Franz Harrer.“ Míča über Ondratschek: „Er war ein guter Mann und immer bereit zu helfen.“ 2017 zeichnete die SL Ondratschek mit der AdalbertStifter-Medaille aus. SL-Pressereferentin Hildegard Schuster über sein Vermächtnis: „Mit seinem letzten Vortrag über die Ahnenforschung in der Tschechischen Republik im Februar hinterließ er eine Anleitung mit vielen Beispielen, die bei der Bundesgeschäftsstelle kostenlos zu beziehen ist.“ Die Asche von Adolf Ondratschek wird auf dem Friedhof von Eisenberg nahe Nikles der Erde zurückgegeben werden. Sein Geist möge nicht nur im Kreis Mährisch Schönberg fortwirken, wünschen sich nicht nur wir Mährisch Schönberger Nachkommen. Nadira Hurnaus
Adolf Ondratschek †
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Auf einer Konferenz im Netz wurde über studentische Bewegungen, Netzwerke und Avantgarde in Politik, Literatur und Kultur am Beispiel von Prag von 1848 bis 1990 diskutiert. Die simultan gedolmetschte Tagung mit deutschen und tschechischen Wissenschaftlern beleuchtete das Phänomen der studentischen Bewegungen seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1989 aus einer interdisziplinären Perspektive. Veranstalter waren der Adalbert-Stifter-Verein und das Collegium Carolinum in München gemeinsam mit dem Institut pro studium literatury in Prag und dem Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag.
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tudenten und seit etwa 1900 auch Studentinnen stellen einen exponierten und privilegierten Teil der Gesellschaft dar. Aus ihrer Mitte kamen zu unterschiedlichen Zeiten und Anlässen stets Bewegungen, die sich selbst als progressiv verstanden. In Prag gab es bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine Vielfalt an Einrichtungen: Zwei Universitäten, zwei Technische Hochschulen und weitere Kunst- und Musikhochschulen konkurrierten. Zusammen mit den besonderen ethnisch-nationalen und multikonfessionellen Konstellationen sowie dem Phänomen der studentischen Bewegungen legte dies die Untersuchung mehrerer Fragen und Aspekte nahe, die in einer Online-Tagung mit Wissenschaftlern weltweit besprochen wurden. Nach der Begrüßung durch die Leiter der beiden Veranstalter, Zuzana Jürgens vom AdalbertStifter-Verein (ASV) und Martin Schulze-Wessel vom Collegium Carolinum (CC), referierten und diskutierten in der ersten Runde unter Moderation von Schulze-Wessel die Historiker Johannes Gleixner (München) und Michael Polák (Hamburg) sowie der Literaturhistoriker Michal Topor (Prag) über „Studentenbewegungen in Zeiten politischer Umbrüche von 1900 bis 1970“. Die Studentenbewegungen der am Ende des 19. Jahrhunderts hätten schon unter Epigonalismus gelitten, so faßte Johannes Gleixner in seinem Impulsvortrag zusammen, und verwies auf deren Vorläufer, etwa von 1848. Michael Polák erläuterte, wie die Studenten schon in den frühen sechziger Jahren in der ČSSR – auch aufgrund infrastruktureller Probleme wie häufigem Stromausfall in den Studentenwohnheimen – aufbegehrt hätten gegen die kommunistische Staatsgewalt. „Sie bereiteten den Weg für den Prager Frühling.“ Michal Topor referierte detailliert über den deutschen „Frei-
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KULTUR
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Podiumsdiskussion über „Studenten in Zeiten politischer Umbrüche“ mit Dr. Johannes Gleixner, Michael Polák und Dr. Michal Topor, der Bilder zum „Freidenkerbund in Böhmen“ zeigt.
� Zweisprachige Konferenz im Netz
Der Prager Student im Mittelpunkt
Gastgeber Dr. Zuzana Jürgens (ASV) und Professor Dr. Martin Schulze-Wessel (CC) mit Dr. Franziska Mayer (ASV) und Dr. Robert Luft (CC) sowie Dr. Sabine Lunow (CC) für die Technik. denkerbund in Böhmen“, der ab 1906 aktiv wurde, und dessen tschechisches Pendant „Volná myšlenka československá“ mit seinen Inspirationen durch Studenten, besonders durch die Fortschrittsidee. In der zweiten Runde mit den Historikerinnen Milena Josefovičová und Milada Sekyrková sowie der Archivarin Kamila Mádrová, die alle aus Prag zugeschaltet waren, und dem Geschichtswissenschaftler Zdeněk Nebřenský (Warschau) ging es um gesellschaftliche Aktivitäten der Prager Studentenvereine vor dem Ersten Weltkrieg und den politischen Identitätswandel bei Prager Studenten an Technischen Hochschulen.
In der dritten Runde referierte zuerst Marek Vajchr (Prag) über die Darstellung des Prager Studenten in Literatur und Film. Der Literaturwissenschaftler und Redakteur nannte in seiner bebilderten Präsentation eine Fülle von Beispielen. Der Prager Student sei in den Quellen zunächst eher als umherziehender, übel beleumundeter Musikant aufgetaucht, so Vajchr. „Die Figur wurde erst in der Romantik glorifiziert.“ Dies sei besonders der Fall in „Aus dem Leben eines Taugenichts“, der berühmtesten Novelle des Schlesiers Josef von Eichendorff. Vajchr schilderte auch ausführlich den gruseligen Stummfilm „Der Student von Prag“, den der ehemalige Corps-
student und Schriftsteller Hanns Heinz Ewers nach eigenem Drehbuch 1913 verfilmte. Im Film verkörpert der große Mime Paul Wegener den Studenten Balduin und dessen Spiegelbild als „Doppelgänger“. Dazu erwähnte Vajchr auch die frühe Geistergeschichte mit Prager Studenten „Der verlorene Schatz des Klosters Malin“, die 1731 in der Anthologie „Monathliche Unterredungen von dem Reiche der Geister“ des Dichters Otto von Graben zum Stein erschien. Als Figur sei der Prager Student auch bei den beiden mährischen Autoren Karl Hans Strobl und Robert Hohlbaum vorgekommen, wie in der Diskussion ergänzt wurde.
Die Prager Studenten in Eichendorffs „Taugenichts“ erwähnte auch Peter Becher in seinem Vortrag über das Liedgut der Prager Studenten. Der ASVVorsitzende schilderte mit vielen Textbeispielen die Inhalte dieser Lieder, die oft auch von Patriotismus und Nationalismus geprägt gewesen seien, und dies auf beiden Seiten, auf deutscher und tschechischer. Zwischen den Studenten der beiden Nationalitäten sei es auch öfters zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen, wie zur Kuchelbader Schlacht 1881. Diesen Überfall von Tschechen auf deutsche Studenten nahe Prag habe der rasende Reporter Egon Erwin Kisch festgehalten.
Dr. Milena Josefovičová, Dr. Kamila Mádrová, Dr. Zdeněk Nebřenský und Dr. Milada Sekyrková referieren über gesellschaftliche Aspekte.
Dessen jüngeren Bruder Paul Kisch (1883–1944) stellte Václav Petrbok vor. Als Literaturkritiker sei der Burschenschafter Paul Kisch zum Chronisten der Prager Studentenbewegung seiner Zeit geworden. Über zwei Angehörige einer späteren politischen Bewegung, die beispielhaft für das Engagement der Studenten in der Samtenen Revolution standen, sprach Zuzana Jürgens. Die ASV-Geschäftsführerin stellte die autobiographischen Bücher von Monika Pajerová und Martin Mejstrík vor. In der vierten Runde und Podiumsdiskussion mit dem Slawisten Jindřich Toman (Michigan) sowie den Historikern Harald Lönnecker (Chemnitz) und Blanka Soukupová (Prag) unter Moderation von CC-Mitarbeiterin Martina Niedhammer ging es um Antisemitismus von deutschen und tschechischen Studenten. Allen Referenten und Beteiligten wie den unermüdlichen Übersetzerinnen Bianca Lipanská und Jana Lüth galt am Ende der Dank der Moderatoren Franziska Mayer und Robert Luft. Viele der großartigen Vorträge würde man gerne gedruckt nachlesen, lautete das einhellige Fazit der Teilnehmer im Chat. Susanne Habel
Dr. Marek Vajchr referiert über den Prager Student in Literatur und den Film von 1913 (hier Szenenbild); Dr. Peter Becher über Prager Studentenlieder, hier zwei Bilder aus seiner Präsentation.
Dr. Václav Petrbok (ganz links) spricht über Paul Kisch. Professor Jindřich Toman, Privatdozent Dr. Harald Lönnecker und Dr. Blanka Soukupová sprechen unter Moderation von Dr. Martina Niedhammer (CC) über Antisemitismus.
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� Zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945: Lesung aus Buch von SL-Förderpreisträgerin Kateřina Kovačková
Lebensbilder von Heimatverbliebenen Bei einer Lesung im Netz stellte Kateřina Kovačková ihre deutsch-tschechische Anthologie „Mai 1945 in der Tschechoslowakei“ vor. Die Germanistin und SL-Förderpreisträgerin für Publizistik von 2017 interviewte dafür zehn Zeitzeugen, die nach Kriegsende nicht sofort oder gar nicht aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Eines dieser Schicksale präsentierte sie bei der gemeinsamen Veranstaltung mit der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) im Kreis Cham und dem Institutum Bohemicum.
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n meinem Buch zeichne ich Lebensbilder“, erklärte Kateřina Kovačková bei der Buchvorstellung im Netz. „Diese Lebensbilder wollen angesehen werden“, meinte die Autorin von „Mai 1945 in der Tschechoslowakei. Erinnerungen jenseits und diesseits der Grenze“. Ihr zweisprachiges Buch, bei dem sie beide Sprachversionen selbst erstellte, erschien im vergangenen Jahr und entstand unter erschwerten Bedingungen. Wegen Corona habe sie nicht reisen können, so Kovačková, und daher vor allem Sudetendeutsche ausgewählt, die innerhalb der Tschechischen Republik leben. „Für das Buch interviewte ich meist Landsleute, die aus unterschiedlichen Gründen nicht vertrieben wurden, sondern in der Heimat bleiben durften oder mußten“, erklärte die tschechische Germanistin, die 2015 über „Figuren der ,Anderen‘ in der deutsch-böhmischen Literatur“ debütierte. Für ihr folgendes Buch „Böhmisches. Allzu Böhmisches“ (Ý SdZ 48/2018) hatte sie vertriebene Sudetendeutsche in Deutschland interviewt und fotografiert und wurde dafür mit dem SL-Förderpreis für Publizistik 2017 ausgezeichnet. Das neue Buch versammelt zehn persönliche Geschichten aus der Zeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs. „Meine Gesprächspartner waren im Mai 1945 noch Kinder, die schlimme Dinge erleben mußten“, er-
klärte die junge Wissenschaftlerin. Durch ihre Interviews habe sie viel gelernt über Geschichte, Psychologie und Traumaforschung, gab sie zu. Sie plane und steuere ihre Texte auch nicht gezielt. „Es schreibt – ich bin nur Instrument.“ Die in „Mai 1945 in der Tschechoslowakei“ von Kovačková vorgestellten Zeitzeugen stammen meist aus Böhmen. Emil Pražan wurde 1928 in Czalositz/ Kreis Leitmeritz geboren, Johanna ?? *1931 in Auerbach im Vogtland, aufgewachsen in Maria Kulm/Kreis Falkenau, Rosa Kern, geborene Keilwerth, *1933 in Alt Rohlau/Kreis Karlsbad, Ingold Chmielewski, geborene Vondráček, *1933 in Friedeberg/Kreis Freiwaldau, Baldur Tomandl, *1936 in Eger, Emma Marxová, geborene Oser, *1937 in Glöckelberg-Hüttenhof/Kreis Krummau, Gertrud Dörnbrack, geborene Jansky, *1937 in Groß Bocken/Kreis Tetschen, Elfriede Šulková, geborene Löwy, *1940 in Plachtin/Kreis Luditz, Sieglinde Vendolsky, geborene Wintersteiner, *1940 in Bensen/Kreis Tetschen und Erika Tampierová, geborene Moses, *1940 in Groß Friedrichs-Tabor im Kreis Groß Wartenberg in Oberschlesien. Allen Protagonisten gemein ist, daß sie nach Kriegsende diskriminiert wurden, oft beruflichen Einschränkungen unterlagen oder ihre Heimat gleich mehrfach verloren. Dennoch zeichnen sich die porträtierten Senioren durch große Anpassungsfähigkeit und Resilienz aus und erzählten frei weg ihre Lebensgeschichte. Die Autorin hat die Interviews in Erzählungsform gebracht, bebildert und in die jeweils andere Sprache übersetzt. Moderator Michael Neuberger von der KEB Cham fragte nach der Rezeption in der Tschechischen Republik. „Die Reaktionen sind positiv“, freute sich die Verfasserin. „Kürzlich gab es eine positive Buchvorstellung von der Journalistin Markéta Kachlíková in Radio Prag.“ Sie erwarte noch weitere Kritiken.
Rosa Kern Weihnachten 1938 mit Nachbarskindern …
Michael Neuberger vom Veranstalter Katholische Erwachsenenbildung im Kreis Cham und Autorin Dr. Kateřina Kovačková. Bild (1): Susanne Habel
Kateřina Kovačková: „Mai 1945 in der Tschechoslowakei/Květen 1945 v Československu“. LIT-Verlag, Münster 2020; 192 Seiten, 19,90 Euro. (ISBN 978-3-643-14766-0). Bestellung: www.lit-verlag.de. „Böhmisches? Allzu Böhmisches. Verwischte Lebensbilder im Südwesten“. Aschendorff-Verlag, Münster 2017; 384 Seiten, 24,80 Euro. (ISBN 978-3-402-13296-8) „Ich bin der Meinung, daß nur jemand, der eine Ahnung von der Vergangenheit und Geschichte hat, auch die Fehler der Vergangenheit begreifen und aus ihnen lernen kann“, so Kovačková, die 2019 vom Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) mit dem Brückenbauerpreis ausgezeichnet wurde. Geschichtliches Wissen und Verständnis historischer Entwicklungen seien wohl die beste Prophylaxe gegen Populismus und
… mit der Familie …
Menschenmanipulation, meinte Kovačková abschließend. Für die Lesung im Netz hatte sie das Buchkapitel ausgewählt, in dem Rosa Kern aus dem Egerland ihre Geschichte erzählt. Die als Rosa Keilwerth in Alt Rohlau bei Karlsbad geborene Landsmännin hatte auch gestattet, daß ihre Familienbilder, die im Buch sind, bei der Präsentation gezeigt würden, und war selbst im großen Publikum am
… am Hirschensprung in Karlsbad 1942 …
Der Aussiedlungsbeleg/evidenční lístek k vysídlení der Familie Keilwerth von 1946 und der Flüchtlingsausweis von Mutter Helene.
heimischen Rechner. Fast 80 Zuschauer verfolgten gespannt, als Kateřina Kovačková vorlas: „Rosa hatte vier Geschwister, sie war die Jüngste. Ihre Mutter stammte aus Weipert an der Grenze zu Sachsen im Erzgebirge. Der Vater kam ebenfalls aus dem Erzgebirge, aus Graslitz. Nach Alt Rohlau kamen beide der Arbeit wegen – es gab Kaolinwerke, Porzellanwerke, Kohleabbau. Dort gab es Arbeit – mit dem Erzgebirge nicht zu vergleichen.“ Rosas Schicksal war nicht so schwer, da sie im Herbst 1946 mit ihrer Herkunftsfamilie, den Keilwerths, doch noch „ausgesiedelt“ wurde. Doch zuvor sah die 13jährige Rosa schon sehr bewußt die Nöte des Krieges. Kovačková las aus ihrem Buch: „Der Schulbesuch hörte auf, nachdem die Deutschen kamen, die aus den Ostgebieten, aus Schlesien, geflohen waren. Sie wurden im Schulhaus einquartiert, das Gebäude war voll mit den Flüchtlingen. Nach dem Krieg kam dann ein Schulbesuch für Deutsche nicht in Frage. In der Schule wurde ein Magazin errichtet, in dem beschlagnahmte Radios und Musikinstrumente deponiert wurden, etwa viele Ziehharmonikas – Dinge, die die Deutschen abgeben mußten. Rosa erinnert sich, daß einmal die aufeinandergestapelten Radios aus schwindelnder Höhe eingestürzt waren. Natürlich waren sie kaputt.“ Nach dem 8. Mai seien nach Alt Rohlau, das tschechisch Stará Role genannt worden sei, mehr Tschechen gekommen. „Einige lebten auch vorher dort: Rosa spielte mit tschechischen Kindern zusammen; bis heute kann sie ein paar tschechische Worte und bis hundert zählen, aber die Tschechen waren in großer Minderheit.“ Das Mädchen erlebte nach Kriegsende wenig Schwierigkeiten mit tschechischer Soldateska, dann die Besatzung von zunächst amerikanischen und dann russischen Soldaten: „In dem Gemeindehaus, in dem Ro-
… und 2019 vor ihrem Geburtshaus.
sas Familie wohnte, lebte auch ein achtzehnjähriges Mädchen. Hinter ihr waren die Russen her und machten keine Umschweife, hauten mit ihren Gewehrkolben auf die Haustür ein, versuchten sie zu zerschlagen.“ Familie Keilwerth lebte zu siebt in zwei Zimmern im Keller unter der ehemaligen Wohnung. Sie hatten bleiben müssen, da der Vater als erfahrener Dachdecker seinem neuen tschechischen Dienstherren wichtig erschienen war. So las Kovačková über Rosa Keilwerth aus dem Buch: „Vater Alois war jedenfalls für seine Firma unabkömmlich, denn obwohl im Mai 1945 die Verordnung erlassen worden war, daß Familie Keilwerth mit dem Transport Nummer 7 ausgesiedelt werden sollte – ihr Name stand auf einer lange Liste –, leitete es der neue Chef in die Wege, daß es dazu nicht kam.“ Der zweite Vertreibungsbescheid sei erst Monate später gekommen, und die Familie mit einem Transport im September 1946 glücklicherweise in den Westen gelangt, denn „nach Sachsen wollte keiner“. Sie hätten 50 Kilogramm pro Person in das Lager in Maierhöfen bei Karlsbad nahe der Porzellanfabrik Moser mitnehmen können. Nach drei Tagen sei es in Viehwaggons über Eger zum Grenzübergang Schirnding nach Bayern gegangen. „Hinter der Grenze hielt der Zug, und alle streiften bei dieser Gelegenheit das weiße Band, das man als Deutscher nach dem Krieg in der Tschechoslowakei tragen mußte, vom Ärmel ab. Rosa erinnert sich, daß alles um die Geleise herum weiß von diesen Bändern war. Die Eltern verließen ihre Heimat mit der Überzeugung, daß sie zurückkehren würden, alle dachten das.“ Die Familie landete im mittelfränkischen Schwabach, wo Rosa kurz wieder zur Schule ging und heiratete. Rosas Geschichte endet so, wie viele andere im Buch, mit dem Leben einer Heimatverbliebenen: „In dem Haus, in dem sie in Alt Rohlau gewohnt hatten, lebte dann eine Deutsche, die einen Tschechen geheiratet hatte und deswegen bleiben konnte. Rosa und ihre Familie nannten sie Traudl, und sie wurde ihre einzige Verbindung mit der Heimat. Traudl hatte es auch nicht leicht. Sie wurde bald Witwe, mußte die Kinder allein großziehen, und wer weiß, wie man sie in der Tschechoslowakei als alleinstehende ,Deutsche‘ behandelt hat.“ Rosa habe ihr bei Besuchen immer etwas aus Deutschland mitgebracht. „Traudl hatte auch kein leichtes Schicksal. Doch: Wessen Schicksal ist letzten Endes einfach?“, schloß Kateřina Kovačková. Einige schwere und beeindruckende Schicksale hat die Autorin in ihrem Buch noch rechtzeitig dokumentiert. Susanne Habel
Karte aller wichtigen Orte im Buch „Mai 1945 in der Tschechoslowakei“.
ZEITGESCHICHTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
In dieser Serie berichtet Erich Lill über seine Jugend im Sudetenland, über seine Rückkehr aus seinem jugendlichen Kriegs einsatz, seine Vertreibung aus der Heimat im Oktober vor 75 Jahren und das Seßhaftwerden in Hessen.
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m 14. September 1927 kam ich als ältestes Kind des Ehepaares Maria und Josef Lill in Kösteldorf (Rájec) Nr. 6 bei Chodau (Chodov) im Egerland zur Welt. Wir gehörten zum Kreis Elbogen (Loket). Die Bahnstationen Chodau und Neu Rohlau (Nová Role) lagen etwa acht Kilometer weit entfernt, wir waren also verkehrsmäßig ziemlich weit vom Schuß. Im Ort lebten hauptsächlich einfache Leute. Meine Eltern bewirtschafteten nur ein kleines landwirtschaftliches Anwesen von etwa fünf Hektar mit bestenfalls fünf Kühen. Damit gehörten wir schon zu den etwas besser Gestellten. Der Ort hatte rund 800 Einwohner, unter diesen auch 1938 keine Tschechen. Wir hatten keine Kirche, nicht einmal eine Kapelle. Dem Sprengel nach gehörten wir zu Dotterwies (Tatrovice). Dort lagen das Taufregister und auch der Friedhof. Daher ist erstaunlich, daß Dotterwies eigentlich der kleinere Ortsteil mit nur etwa 500 Einwohnern war, während Kösteldorf eben mehr als 800 hatte. Mein Vater Josef Lill (*1903) hatte in den Besitz meiner Mutter eingeheiratet. Sein Vater hatte im Ersten Weltkrieg noch bis 1918 für das österreichische Kaiserreich gekämpft und den Waffenstillstand erlebt. Dennoch war er ein Opfer des Ersten Weltkriegs, da er im März 1919 in italienischer Kriegsgefangenschaft umkam. Das hatte zur Folge, daß mein Vater sehr früh Verantwortung übernehmen mußte. Auch wir Kinder hatten deshalb den Großvater nicht kennenlernen können. Wie sich später noch zeigen wird, war das Denken meines Vaters von dem frühen Verlust seines Vaters bestimmt. Meine Mutter Maria L ill (*1908) war eine geborene Pecher. Sie war die Hoferbin von Kösteldorf 6. Vater hatte eingeheiratet. Der Familienname wechselte auf diese Weise zwar von Pecher zu Lill, der Hofname blieb indes derselbe. Der war schon so lange „beim Biener“, dessen Ursprung nicht mehr ergründbar ist. Natürlich liegt nahe, daß das etwas mit der Imkerei zu tun hat. Aber dazu gibt es keine Überlieferung. Mutter stand immer treu an der Seite meines Vaters. Besonders die letzten sechs Jahre in der Heimat bis 1946 waren schwer für sie. Sie mußte die ganze Landwirtschaft ohne meinen Vater bewältigen, der ab 1940 erst in der Wehrmacht diente und schließlich bis 1948 in Kriegsgefangenschaft war. Auch in die Vertreibung mußten wir deshalb ohne ihn gehen.
Schule in Kösteldorf und Chodau Am 1. September 1933 trat ich in Kösteldorf in die dreiklassige Volksschule ein. Auch zu meiner Zeit umfaßte bei uns die 1. Klasse die ersten drei Schuljahre. Die ABC-Schützen saßen also immer mit den Zweit- und Drittklässlern zusammen, so auch ich. 1936 kam ich dann im 4. Schuljahr in die zweite Klasse, die das 4. und 5. Schuljahr umfaßte. Diese führte stets der Oberlehrer Gamaneck. In den Klassen saßen immer 35 bis 40 Schüler. Wäre ich am 1. September 1938 mit Beginn des sechsten Schuljahres in unserer Kösteldorfer Schule geblieben, dann wäre ich dort in die dritte Klasse gekommen. Sie umfaßte die letzten Schuljahre vom 6. bis 8. Weil ich ein ordentlicher Bub war und immer auch Lern-
noch in der Landwirtschaft meiner Mutter in jeder Minute, die ich erübrigen konnte, mithalf. Deshalb war ich übrigens überhaupt kein „guter“ Hitlerjunge. Dafür hatte ich einfach kaum Zeit. Wenn wir unsere Zusammenkunft hatten, mußte ich beispielsweise das Feld bestellen. Zeit blieb da keine. Schon vor dem Schulabschluß im Juni 1943 suchte ich mir eine Ausbildungsstelle zum Förster. Dafür fand am 8. Feber in Reichenberg ein Auswahltest statt. In meinem grünen Anzug – ich bevorzugte diese Farbe schon damals als Zeichen meiner Naturverbundenheit – fuhr ich dorthin. Mit mir bewarben sich weitere 300 Interessenten, 20 konnten genommen werden. Noch am Nachmittag vor unserer Heimfahrt teilten sie uns das Ergebnis mit. Ich war unter den 20. Stolz fuhr ich nach Hause. Das war einer der ersten Triumphe meines Lebens. Die Forstbehörde teilte schon bald mit, daß mein Ausbildungsforstamt Teichstadt bei Böhmisch Kamnitz sein werde. Dort war ich im Forstamt Hackelsberg-Falkenau-Kittlitz bei Steinschönau zur Ausbildung hinbeordert. Diese Zuordnung setzte aber voraus, daß ich die Abschlußprüfung an der Chodauer Bürgerschule bestehe. Das war glücklicherweise nur eine Formsache. Am Ende des Sommers 1943 stand also meine Übersiedlung ins Falkenauer Forsthaus an. Dort hatte der Lehrrevierförster Franz Antosch darum gebeten, daß ich eine gewisse Grundausstattung mitbringe. Sie bestand aus einem Bettgestell, Matratzen, einem Federdeckbett und einem Sack Kartoffeln. Letztenuar 1940 mußte er in den gro- res hatte Herr Antosch nur erbeMein Vater ßen Krieg einrücken. An der ten und nicht zur Voraussetzung Das hatte auch etwas mit dem Westfront durfte er zunächst „am gemacht, wie das bei Matratze Geschick zu tun, das mein Va- großen Siegen“ teilnehmen. Er und Bettgestell der Fall war. Das ter in der Imkerei entwickelt hat- kämpfte sich mit seiner Trup- mußte nun alles ins Forsthaus in te. Er betrieb sogar Königinnen- pe von Kehl bis Saint-Dié-des- die Nähe von Falkenau. zucht. Auf diesem Gebiet ist er Vosges, deutsch Sankt Diedolt Dazu spannte ich unsere Rinmir ein vorbildlicher Lehrmei- in den Vogesen, in der Nähe der der vor den Kastenwagen, lud ster gewesen. Ich durfte zwar und Festung Epinal vor. Da war der mein Umzugsgut auf und schaffmußte später ganz andere Be- Frankreichfeldzug schon zu En- te es zum Bahnhof nach Chorufswege beschreiten, der Imdau. Dort adressierte ich es kerei blieb ich jedoch bis heuan die Güterstation Hillemühl te mit Hingabe verbunden. bei Falkenau. Dann reiste ich Trotz der nie enden wollenselbst hin und konnte nach eiden Arbeit in der Landwirtnigen Tagen mein Umzugsschaft und der Bienenzucht, gut in Empfang nehmen. Um fand mein Vater noch Zeit für es ins Forstamt zu transportiedie Gemeinde und das Egerren, hatte ich jetzt leider kein land. Ich erinnere mich, daß er Rindergespann. Ich konnte bis 1938 Mitglied der Sudetenmir aber eine Schubkarre ausdeutschen Partei war und in borgen, mit der ich meine SaKösteldorf sogar der Ortsobchen die sechs Kilometer ins mann. Er gehörte aber überForsthaus karrte. Dort wohnhaupt nicht zu den Aktivisten, te ich in einer Kammer mit eidie sich im September entwenem anderen Azubi. Mir gefiel der in Kirchtürmen versteckes dort bald sehr gut. Endlich ten oder über die sächsische wurde ich in dem Beruf ausgeGrenze ins Reich flohen. Das bildet, den ich mir immer gehätte er wahrscheinlich auch wünscht hatte. Aber die Freutun sollen. Obwohl er nur ein de währte nur kurz. einfacher Obmann in unserem Im Juli 1943 hatte ich, Erich L ill, endlich Dorf war, keine verbotenen meine Stelle als Forstlehrling in NiederVäterlicher Besuch Versammlungen durchgeführt falkenau bei Tetschen-Bodenbach (Děčín) in Kittlitz oder sich in irgendeiner Wei- antreten dürfen. Dazu benötigte ich einen Im Oktober 1943 hatte mein se strafbar gemacht hatte, wur- Dienstausweis. Auf diese Weise ist das Fode er von der tschechischen to als Paßbild entstanden. Ich war gerade Vater einige Tage Heimaturlaub. Bei dieser Gelegenheit Staatspolizei in Gewahrsam 16 Jahre alt. besuchte er mich im Forstregenommen und fünf Wochen in dem berüchtigten Gefängnis de. Später kam er nach Weiß- vier. Mit Franz Antosch verstand Bory in Pilsen eingekerkert. Daß rußland und zuletzt wieder nach er sich offenbar sehr gut. Der war letzteres ganz den Tatsachen ent- Frankreich. Im April 1945 geriet zwar nur vier Jahre älter als mein sprach, sahen wir erst Mitte Ok- er in amerikanische Kriegsge- Vater (1899), aber nicht mehr zur tober 1938. Bis dahin hatten wir fangenschaft und war bis März Wehrmacht eingezogen worden. nichts von ihm gehört. Dann erst 1948 in Dachau. Erst damals tra- Von seiner Einstellung her wußerfuhren wir, wie die Tschechen fen wir ihn in Sprendlingen bei te ich aber, daß er keinen Auihn im Gefängnis verprügelt hat- Mainz wieder und konnten ihn genblick gezögert hätte, seinen ten. Er brauchte lange, sich von in die Arme schließen. Bis dahin Beitrag an der Front zu leisten. der Haft in Bory zu erholen. Da- mußte aber noch viel geschehen, Bereits als junger Mann war er mals war ich natürlich noch ein zum Beispiel unsere Egerlän- 1919/20 beim Freikorps in SchleSchulbub, aber in diesen Ju- der Welt einstürzen, von der wir sien gewesen und hatte dafür gegendjahren beginnen sich Ver- 1940 glaubten, sie stünde so fest kämpft, daß nicht noch mehr Teinunft und Gerechtigkeitsgefühl wie nie. le der preußischen Provinz von zu bilden, und ich verstand meiPolen besetzt wurden. Zu meiner nen Vater voll und ganz. Er hielt Zeit im Forstamt Kittlitz war er Als Forsteleve nichts von der tschechischen DeStandortführer der örtlichen Hitins Lausitzer Gebirge mokratie, wo man offenbar eilerjugend und beaufsichtigte deVon Jugend an wollte ich För- ren Ausbildung. ne Strafprozeßordnung für seine Bürger nicht kannte und in den ster werden und dafür jede MüAls uns mein Vater besuchHaftanstalten hemmungslos prü- he auf mich nehmen. Meine El- te, diskutierte Antosch die gangelte. Auf der anderen Seite wa- tern hatten mir 1941 gestattet, ze Nacht mit ihm und erläuterte ren wir im Oktober 1938 natür- noch zwei Jahre länger die Bür- ihm, wie der Endsieg aussehen lich froh, daß wir unseren Vater gerschule bis zur Mittleren Reife würde. Mich wunderte da schon, wenigstens so heil wieder hatten. zu besuchen. Das war kein Zuc- daß ihn mein Vater nur selten unIm Egerland hatten wir ihn kerschlecken; denn es war nur terbrach und eher zuhörte. nicht mal mehr zwei Jahre. Im Ja- möglich, weil ich währenddessen Fortsetzung folgt Kösteldorf war nach Dotterwies eingepfarrt. Die dem heiligen Erhard geweihte Kirche war ursprünglich eine Kapelle aus dem 13. Jahrhundert, wurde 1555 erweitert und erhielt dabei ihre heutige Gestalt.
Die Lills von Kösteldorf
� Aus dem Egerland nach Hessen – Teil I
Dem Teufel noch einmal von der Schippe gesprungen eifer zeigte, wollte mein Vater, daß ich nach der zweiten Klasse die Bürgerschule in Chodau besuchen. So trat ich zum obigen Termin dort in die sechste Klasse im sechsten Schuljahr ein. In der Bürgerschule waren wir jetzt nicht nur wieder die Jüngsten, sondern auch sonst war manches anders. Die Klassen waren nicht mehr aus mehreren Schuljahren zusammengesetzt, sondern alle Schüler einer Klasse gehörten demselben Schuljahr an. Außerdem waren wir in den drei Schuljahren bis zur achten Klasse nur Jungen. Für Mädchen gab es eigene Klassen. Daß 1938 eine Zeit des Umbruchs war, zeigte sich bis in die Schule. Wir lernten im September nur noch drei Wochen Tschechisch, dann wurde bei uns in der Chodauer Schule auf Englisch umgestellt. Meine Mutter Maria führte nach Vaters Einberufung mit mir den Hof. Alles mußte weitergehen. Am Hof waren drei Kühe, zwei Rinder, zwei Schweine und fünf Hektar Feld und Wiese zu versorgen. Dazu kümmerte ich mich noch um die 30 Bienenvölker; denn Vater war ein passionierter Imker. Sonst änderte sich damals von meiner Schulperspektive her gesehen kaum etwas. Die Lehrer blieben dieselben, das heißt wir bekamen keine aus dem Reich, dem wir jetzt angehörten, dazu. Tschechen verließen die Schule auch nicht, denn es gab in unserer Gegend keine.
Schule und Landwirtschaft Als 1941 die meisten meiner Mitschüler die Schule zur Berufsausbildung verließen, blieb ich noch zwei Jahre bis zur Mittleren Reife. Das war nicht selbstverständlich. Denn zu Hause in Kösteldorf war meine Arbeitskraft inzwischen nötiger denn je. Wir waren mit der Landwirtschaft allein. Vater war 1940 zur Wehrmacht eingezogen worden, und meine Mutter und ich mußten unsere Kräfte so einteilen, daß die Arbeit am Hof weiterging. Dazu gaben wir zwei unser Bestes. Wenn ich nach den zwei mal acht Kilometern hin und zurück um drei Uhr nachmittags
aus der Schule kam, fuhr ich mit dem Rindergespann zur Feldarbeit, leistete oft auch Gespanndienste für die Nachbarschaft, die über keine Tiere verfügte. Für die Nachbarn fuhr ich zum Beispiel das Holz für den Winter heran oder transportierte Kartoffeln und Gerät. Das war Teil der Nachbarschaftshilfe, ohne die wir Vater gar nicht hätten ersetzen können. Denn die Nachbarn halfen dann, wenn bei der Ernte Not am Mann war und die Feldfrucht eingebracht werden mußte.
Schule und „Geschäft“ Glücklicherweise lebte damals auch noch mein Großonkel Rudolf Ficker, Großmutters Bruder von Vaters Seite, der wie mein Vater neben der Kleinlandwirtschaft die Imkerei betrieb. Auf seine Anregung hatte mein Vater begonnen, selbst mehr als 20 Bienenvölker aufzubauen. Die mußten nun natürlich in seiner Abwesenheit betreut werden. Das übernahm jetzt zum großen Teil Onkel Rudolf. Ein gut Teil Arbeit machte dabei der Vertrieb unserer Produkte aus, speziell auch aus der Imkerei. Mein Part bestand vor allem darin, die Kundenklientel in Chodau, aber auch bis hinein nach Karlsbad zu bedienen. Jemand, der heute diese Zeilen liest, und wie selbstverständlich in den Vorstellungen seiner Autowelt denkt, wird zumindest etwas staunen, wenn er begriffen hat, mit welchen Mühen es verbunden war, so etwas zu bewerkstelligen. Ich lud unsere Erzeugnisse wie Honig, Waldbeeren oder Eier in einen Buckelkorb, legte meine Schultasche oben drauf und marschierte morgens entsprechend früher los, denn ich mußte ja pünktlich in der Schule sein. Glück hatte ich, wenn ich so früh morgens ein Fuhrwerk traf, das mich mitnahm. Wenn der Unterricht begann, hatte ich dann unsere Kunden schon bedient, oder ich mußte die restlichen nach der Schule aufsuchen. Kunden hatten wir wohlgemerkt mit dem Honig und den Honigwaben bis nach Karlsbad hinein, auch unter den Kurgästen.
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VERBANDSNACHRICHTEN
SL-BG Schwaben
Ackermann-Gemeinde Diözese Würzburg
Bier bringt Briefwahl
Ansteckende Versöhnung lebenslange Freundschaften. 1949 war ich einer der 60 Glücklichen von 350 Bewerbern, die nach einem Kolloquium in Würzburg zum Medizinstudium zugelassen wurden. Staatsexamen und Promotion er plötzliche Tod unseres absolvierte ich 1955. Weiterlangjährigen Wegbeglei- bildung zum Internisten, Haters hat uns mit großer Trau- bilitation und Ernennung zum er erfüllt. Die Ackermann-Ge- außerplanmäßigen Profesmeinde Würzburg trauert um sor folgten bis 1973. Als Chefeinen großartigen Menschen, arzt der Inneren Abteilung der der zusammen mit seiner Frau Missionsärztlichen Klinik und Gretl viel für die deutsch- akademischer Lehrer fand ich tschechische Auseine hohe berufliche söhnung getan hat. Befriedigung. Oft gab er ZeugSeit 1995 bin ich nis von der schweim Ruhestand. Mit ren Zeit, die er ermeiner Frau genielebt hatte. Ein letztes ße ich es, in dieser Mal äußerte er sich schönen Stadt leben am 16. März 2020, als zu dürfen. Ich bin fasder Ackermann-Gesungslos, wenn ich meinde das Wanderan die Ruinen denke, Nagelkreuz und die Professor Dr. die ich 1947 gesehen Versöhnungsstatue Werner Strik habe. Ich denke mit der ökumenischen Respekt an die TrümNagelkreuzbewegung verlie- merfrauen, die den Schutt von hen wurden. Lassen wir ihn al- den Straßen geräumt haben. so selbst noch einmal zu Wort Ich bin voller Bewunderung, kommen. wie schön unser Würzburg „Ich heiße Werner Strik. wieder geworden ist. Ich freue Strik mit fünf Buchstaben. Ein mich, daß ich bei diesem Wietschechischer Name für eine dererwachen unserer Stadt dadeutsche Familie, von einem bei war. Urgroßvater stammend. Gebo1956 haben Gretl und ich ren wurde ich 1930. Kindheit geheiratet. Vier Kinder, vier und Jugend verbrachte ich in Schwiegerkinder – immer einem Dorf im Schönhengst- noch dieselben –, elf Enkel, gau, einer Sprachinsel auf der fünf Schwiegerenkel und zehn Böhmisch-Mährischen Höhe. Urenkel: das ist heute unsere Das Dorf wurde durch die Lan- Familie. Meine Frau und ich desgrenze in zwei Gemeinden danken demütig für das Legeteilt. Aus der böhmischen ben, das uns geschenkt wurde. wurden am 13. Juli 1945 die Wir hoffen, es noch eine Weile gemeinsam erleben zu dürfen. Die Definition der Weile müssen wir dem Herrgott überlassen.“ Gerne hat sich Professor Werner Strik als Zeitzeuge zur Verfügung gestellt und die Zuhörer mit seiner Versöhnungsbereitschaft angesteckt. Wir danken ihm für seine zwölfjährige aktive Zugehörigkeit zum Diözesanvorstand. Gedenktafel für Pater Engelmar Acht Jahre davon vertrat er Unzeitig CMM. als Delegierter den Diözesanverband Ackermann-Gemeindeutschen Bewohner brutal de Würzburg bei den Hauptin die russische Besatzungs- versammlungen unseres Bunzone vertrieben. Wir wohnten desverbandes. Ebenfalls für in der mährischen Gemeinde. acht Jahre wurde er, auf unIch wurde nach zwei Monaten seren Vorschlag hin, als PerLagerhaft am 30. Juni 1946 mit sönlichkeit in den Würzburmeiner Mutter und meinem ger Diözesanrat gewählt. Hier jüngeren Bruder zwangsweise hat er nicht nur unsere Interesausgesiedelt. sen vertreten, sondern bei meIn einem badischen Dorf dizinischen Fragestellungen nahe dem total zerstörten sein kompetentes Wort erPforzheim wurden wir in ein hoben. Als Vertreter im DreiZimmer bei einer Kriegerwit- Länder-Ausschuß Deutschwe eingewiesen. Freundlich land, Tschechische Republik und hilfsbereit hat sie uns auf- und Slowakei der Rotarier hat genommen. Mein Vater wur- er sich für konkrete Projekte in de als Arzt zurückgehalten. Er seiner Heimat engagiert. kam zwei Monate später nach Zwei Ereignisse, bei denen Hofheim in Unterfranken. Am er besonders beteiligt war, will 18. Oktober 1946 war dort un- ich noch hervorheben. sere Familie wieder vereint. Bei der Seligsprechung seiNur unser Vater hat eine un- nes Landsmannes Pater Enfreundliche Begegnung er- gelmar Unzeitig CMM am lebt. 24. September 2016 in WürzViele Menschen haben uns burg hat er sich im Vorfeld dagegen geholfen. In beson- sehr dafür eingesetzt, daß sich derer Erinnerung habe ich ei- tschechische Gläubige aus ne evangelische Bäuerin, die Greifendorf im Kreis Zwittau, einer Judenfamilie beigestan- tschechisch Hradec nad Sviden hatte, und ein in der Na- tavou, und ehemalige deutzizeit verfolgtes Ehepaar. Ab sche Bewohner gemeinsam an Oktober 1946 konnte ich nach der Feier beteiligen. Bei der eineinhalb Jahren wieder ei- Pilgerfahrt „Auf den Spuren ne Schule besuchen. Vom Di- von Pater Engelmar Unzeitig“ rektor und seinem Stellvertre- im September 2014 hat er uns ter der Oberschule in Haßfurt liebevoll seine Heimat vorgewurde ich wohlwollend ge- stellt. Auch konnten wir uns fördert. Die Mitschüler haben aus erster Hand von der Vermich mit offenen Armen auf- söhnungsarbeit des Ehepaars genommen. Das Abitur habe Strik dort überzeugen. ich 1949 an der OberrealschuWir werden Werner Strik le Bamberg abgelegt. Mit mei- gerne in Erinnerung behalten. nen Mitschülern entstanden Möge er in Frieden ruhen. Am 10. Januar starb Professor Werner Strik mit 90 Jahren. Hans-Peter Dörr, Vorsitzender des Diözesanverbandes der Ackermann-Gemeinde Würzburg, gedenkt seiner.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
So präsentiert sich die Junge Aktion im Internet.
Bischof-Neumann-Kreis der Ackermann-Gemeinde
Kasachstan und Prag in der Sowjetunion, heute dürften immer noch etwa 800 000 in Rußland und Kasachstan leben. Irina Peter machte deutlich, daß die eingewanderten Rußlanddeutschen anfangs teilweise durchaus eine Problemgruppe dargestellt und in einer Parallelwelt gelebt hätten. Das Bild sei aber notwendigerweise he-
sie sich zu psychischen Störungen entwickeln könnten. Peter zeigte an etlichen Beispielen, wie traumatisierende Eindrücke nicht selten erst von den Enkeln gleich eigenen Erinnerungen liür die von Rainer Bendel, terarischen und künstlerischen dem Geschäftsführer der AkAusdruck fanden und so verarkermann-Gemeinde, organisierbeitet wurden. te und moderierte Tagung im Johanna Lüffe, die für zwei Hotel Fortuna waren weJahre gewählte Sprechegen der Bestimmungen rin der Jungen Aktion der zur Eindämmung der panAckermann-Gemeinde demischen Lage maxiauf Bundesebene, berichmal 20 Teilnehmer zugetete – online zugeschallassen. Sie konnte glücktet – von ihren Aufgaben, licherweise stattfinden, Kontakten und Erfahrunhätte aber wegen gestiegen. Zwischen Schule und gener Inzidenz-Zahlen dem Studium der Sportschon nächsten Tags abwissenschaft in Tübingen geblasen werden müssen. hatte die 1999 geborene Irina Peter referierte junge Frau beim EuropäJohanna Lüffe zunächst über die „Ruß- Irina Peter ischen Freiwilligendienst landdeutsche Migrationsein anregendes Dienstgeschichte und transgeneratio- terogen. Seit den frühen 2000er jahr in Prag bei der Sdruženi Aknale Traumataverarbeitung“. Pe- Jahren laufe ihre Integration gut, kermann-Gemeinde zugebracht. ter kam in Kasachstan zur Welt. oft seien sie „unauffällige Stre- Dabei leistete sie nicht nur VerIhre deutschstämmigen Groß- bermigranten“. Erschwerend bei waltungs-, Kommunikationseltern siedelten ursprünglich in der Integration wirkten mangeln- und Übersetzungsarbeit, bereider Ukraine, wurden aber 1936 de Sprachkenntnisse, die Nicht- tete Konferenzen und Verannach Nordkasachstan depor- anerkennung von Bildungsab- staltungen vor, sondern knüpfte tiert. Seit 1992 lebt Peter in Ba- schlüssen und Altersarmut. Sie auch viele Kontakte und erlernden-Württemberg, studierte Li- hätten eine doppelte Exklusions- te die tschechische Sprache. Das teraturwissenschaften und Psy- erfahrung: dort seien sie die Fa- war eine ideale Vorbereitung auf chologie und beschäftigt sich mit schisten gewesen, hier seien sie ihren jetzige Verantwortungsder Geschichte ihrer Familie. Sie die Russen. Doch sei jeder letzt- bereich an der Schnittstelle zwiarbeitet heute als freie Online- lich selbst dafür verantwortlich, schen Ehrenamtlichen, dem BunMarketing-Beraterin und Jour- wie er wahrgenommen werde. desvorstand und den Partnervernalistin in Mannheim. Transgenerationale Übertra- bänden mit ihren Stellen in Prag Irina Peter gab zunächst einen gungsphänomene träten nicht und München. Überblick über die Geschich- nur nach psychischen ErkranLüffe erläuterte die Struktur te der Rußlanddeutschen, die kungen der Eltern, bei Erfah- und Aufgaben der Jungen Aktisich in verschiedenen Einwande- rung von Mißhandlung und Miß- on. Es gelte, stets den Überblick rungsbewegungen seit der Zeit brauch auf, sondern auch nach zu bewahren und informiert zu der Zarin Katharina II. vor al- schlimmen Erlebnissen im Krieg sein, zu repräsentieren und prolem an der Wolga, am Schwarzen und bei Deportationen. Das Phä- fessionell aufzutreten, die GeMeer und im Kaukasus ansiedel- nomen, daß Traumata sich auf schäftsführung zu unterstützen, ten. Von der Zwangskollektivie- Kinder und Enkel – auch über die Öffentlichkeitsarbeit zu rerung ab 1928, der Deportation die Gene – übertragen könnten, gulieren sowie mit dem Mediender enteigneten Bauern, der so- obgleich diese bei der auslösen- Team eng zusammenzuarbeiten. genannten EntkulakisieIn monatlichen Videorung, in deren Folge riesikonferenzen werde der ge Hungersnöte entstanKontakt gehalten, evenden, sowie vom großen tuell würden neue Konstalinistischen Terror takte geknüpft. Zusam1937/38 waren auch sie men mit der Geschäftsbetroffen. führung in Prag würden Mindestens 52 000 so die Bundesvorstandswurden erschossen, nur sitzungen und Veranstalweil sei Deutsche waren. tungen gemeinsam geRepressionen, die sich plant. Die Sprecherin speziell gegen Deutsche streifte die zahlreichen richteten, entsprangen geplanten Veranstaltundem Zweifel, den die Regen von Silvester- über gierung an ihrer LoyaliOsterbegegnungen bis tät hegte und sie als Spizur Sommerwoche „Plaone für Hitler-Deutschsto Fantasto“ im Bayland verdächtigte. Etwa erischen Wald für Kin900 000 völlig entrechte- Katharina II. im Ornat der regierenden Zarin 1778. der im Alter von acht bis te Deutsche wurden ab 15 Jahren aus der TscheMitte der dreißiger Jahre in gro- den Situation nicht beteiligt ge- chischen Republik und Deutschßen Deportationswellen nach wesen seien, habe sie, so Irina land, von Frühlings- und HerbstZentralasien und Sibirien ver- Peter, im eigenen Familienkreis treffen in Prag oder Pilsen bis zur schleppt und bis 1956 unter und bei sich selbst in Form von 75-Jahr-Feier der AckermannSonderkommandantur gestellt. Mißtrauen und Schweigen über Gemeinde München, die man in 150 000 von ihnen starben auf schlimme Erfahrungen als Deut- Prag begehen wolle. Jedoch madem Weg oder in der Trudarmi- sche in der Sowjetunion und im che die Pandemie alle Planunja, der Arbeitsarmee. sibirischen GULag erlebt. Stu- gen unsicher und stürze die Or1964 wurden die Rußland- dien bewiesen, daß sich auffäl- ganisatoren in den Zwiespalt, ob deutschen teilweise rehabilitiert lig oft bestimmte Symptome wie es sinnvoll sei, ganze Veranstalund emigrierten nach jahrzehn- Ängste, Träume, beklemmen- tungen zu planen und sie dann telanger Diskriminierung ab den de Stimmungen und Verunsi- eventuell nicht durchführen zu achtziger Jahren vor allem nach cherung zeigten. Doch habe je- können oder lieber gleich eine Deutschland. 1989 gab es noch der auch die Chance, solche Be- Online-Veranstaltung gut vorzuStefan P. Teppert zwei Millionen Rußlanddeutsche lastungen zu überwinden, bevor breiten.
Ende März tagte der BischofNeumann-Kreis der Ackermann-Gemeinde im badenwürttembergischen Schwäbisch Gmünd.
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Kurt Aue, Obmann der bayerisch-schwäbischen SL-Kreisgruppe Augsburg-Land, schildert unter der Überschrift „So ging‘s in Schwaben zu“ seine Wahl zur Sudetendeutschen Bundesversammlung als einen ganz besonderen Wahltag.
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ie Wahl zur Sudetendeutschen Bundesversammlung in der SL-Bezirksgruppe Schwaben ist auf Freitag, 30. April terminiert. Am 28. April, 20.30 Uhr ruft mich Bezirksobmann Felix Vogt an: „Die Präsenzwahl ist gecancelt. Ich bringe heute Nacht die Unterlagen für Dich vorbei.“ Erneuter Anruf ei- Felix Vogt ne halbe Stunde später: „Ich kann die Unterlagen nicht bringen. Ich darf ja ab 21.00 Uhr nicht mehr raus. Aber Adolf Bier bringt morgen Früh die Unterlagen. Er bringt die Unterlagen aber nach Neusäß. Dort kannst Du sie abholen.“ Am nächsten Tag fahre ich zunächst nach Augsburg-Hochzoll, um was zu erledigen. Dann setze ich mich in den Zug nach Neusäß. Ich sitze im Zug und erfahre per Telefon von meiner Frau, daß Adolf Bier die Unterlagen doch zu mir nach Augsburg-Haunstetten gefahren hat. Meine Frau: „Es klingelte an der Haustüre, und es meldete sich über die Sprechanlage ,Bier‘. ,Ich habe kein Bier bestellt‘, sage ich, mache aber trotzdem die Tür auf. Dann habe ich erst den Adolf Bier erkannt.“ Adolf Bier, ist Adolf Bier unser Trompetenspieler bei der SL und beim BdV. Meine Frau nahm die Unterlagen für die Wahlen zur Bundesversammlung in Empfang. Nachdem ich wieder nach Hause gekommen war, wählte ich. Anschließend erkundigte ich mich bei den anderen Delegierten, ob auch sie gewählt hätten, und bat sie, die Unterlagen noch am selben Tag zu den Hauptpostämtern zu bringen. Ich selbst fuhr mit Bus, Straßenbahn und Zug zum Hauptpostamt am Hauptbahnhof Augsburg, damit der Wahlbrief rechtzeitig beim Wahlleiter ankommt. So war der Wahltag in Schwaben. Und liebe Oberbayern, Niederbayern, Oberpfälzer, Ober-, Mittel- und Unterfranken: Wir Schwaben sind auch Bayern und gehören nicht nach Stuttgart. Also vergeßt uns nicht ganz.
Die SL-Kreisgruppen AugsburgStadt und Augsburg-Land präsentieren ihre Infos auch an Bus- und Bahnhaltestellen. Bild: Kurt Aue
Reicenberger Zeitung
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Stadt und Kreis Reichenberg
Kreis Deutsch Gabel
Nordböhmi[e Um[au
Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail rz@sudeten.de
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Kreis Friedland
Kreis Gablonz
Eröffnungsfeier der Bahn am 16. September 1900 in Deutsch Gabel.
� Deutsch Gabel: die Stadt, die Landschaft und ihre Geschichte – Teil III und Schluß
Reiche Ukrainer und arme Deutsche Die Ausgabe 382 von „Unser Sudetenland. Beilage der sudetendeutschen Heimatblätter“ widmete sich im August 1987 der Stadt Deutsch Gabel mit ihrer Geschichte und dem Umland in Wort und Bild. Für das Wort zeichnete Friedrich Sirach verantwortlich, der letzte deutsche Bürgermeister von Deutsch Gabel. Wir veröffentlichen Sirachs Beitrag in mehreren Folgen.
de zur Garnisonsstadt mit einer weder vorher noch nachher jemals erreichten Bevölkerungszahl. 1918 wurde noch ein Lazarett für 600 Verwundete einge-
in einigen Dörfern tschechische Schulen eröffnet. Durch großzügige Förderung mit Kleidung, Schulspeisung und Lernmitteln wurden bedürf-
ler Zeitung“, ein Wochenblatt. Die im Jahre 1632 gebaute und 1906 durch Hochquellen verbesserte Wasserleitung war zu klein geworden. Durch den Anschluß
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m 16. September 1900 wurde endlich die neue Strecke der Aussig-Teplitzer Eisenbahn, einer Privatbahn, von Böhmisch Leipa über Niemes und Gabel nach Reichenberg eröffnet. Am Bahnbau, besonders in dem schwierigen Abschnitt durch das Jeschkengebirge mit fünf Tunneln und zahlreichen Viadukten, wurden viele Italiener eingesetzt. Im Jahre 1902 fuhr zum letztenmal ein Einspänner-Postwagen von Niemes über Brins nach Deutsch Gabel. Von da an wurde die Post mit der Eisenbahn befördert. Im Jahre 1906 wurde eine Nebenstrecke der Bahn von Deutsch Gabel nach Zwickau eröffnet, sie erhielt dort Anschluß an eine seit 1866 bestehende Abzweigung der Böhmischen Nordbahn. Die Bahn brachte Vorteile für die bescheidene Industrie, Versäumnisse der Vergangenheit konnten nicht aufgeholt werden. Viele Arbeiter, die am Ort nicht beschäftigt werden konnten, fuhren nun als Pendler mit der Eisenbahn täglich zur Arbeit nach Reichenberg. Auch viele Schüler benutzten die Bahn zum Besuch der dortigen höheren Schulen. 1901 erhielt die Stadt Gabel den Zusatz Deutsch. 1913 folgte die Umbenennung des Dorfes Pankraz in Deutsch Pankraz. Während des Ersten Weltkrieges brachten ein Kriegsgefangenenlager mit 12 000 Mann aus verschiedenen Nationen, ein getrenntes Lager mit 300 gefangenen Offizieren und 500 Bewachungssoldaten Deutsch Gabel eine Scheinblüte. Die Stadt wur-
Wie die Post, die 1902 vom Pferd auf die Eisenbahn umstieg, sattelte auch der Frachtverkehr allmählich auf die Schiene um. Bilder (2): Heimatkreisarchiv richtet. Nach Beendigung des Krieges brachte man in den Baracken des Gefangenenlagers eine ukrainische Brigade mit 6000 Mann und 300 Offizieren unter, die bei der Bevölkerung gern gesehen wurde, über erhebliche Geldmittel verfügte und bei religiösen Feiern mit ihrem Chorgesang Beachtung fand. Sie blieb bis 1921. In der 1918 errichteten Tschechoslowakischen Republik blieb die politische Einteilung erhalten. Der Staat zeigte jedoch keinerlei Interesse an der Förderung des armen Grenzgebietes. Die Textilbetriebe, welche früher ihr Hauptabsatzgebiet in der großen Monarchie und auf dem Balkan hatten, waren von ihren Kunden abgeschnitten, Staatsaufträge erhielten sie nicht. Deutsche Staatsbedienstete wurden zunehmend von Tschechen ersetzt, die häufig die deutsche Sprache nicht beherrschten. Die Zahl der deutschen Arbeitslosen war überproportional hoch und blieb bis zum Jahr 1938 groß. Für die meist kinderreichen tschechischen Familien wurden in der Stadt und bald auch
tierungen des tschechischen Militärs. Zwischen Deutsch Gabel und der nur sechs Kilometer entfernten Landesgrenze wurde eine Bunkerlinie aufgebaut. Am 9. Oktober 1938 marschierten deutsche Truppen in Deutsch Gabel ein. Der bisherige politische Bezirk wurde um den Gerichtsbezirk Niemes erweitert, Deutsch Gabel wurde Sitz einer Landkreisverwaltung. In kürzester Zeit wurden Pläne für neue Amtsgebäude, eine Schule und Straßenbauten erstellt. Bald gab es keine Arbeitslosen mehr. Nicht alle Wünsche und Hoffnungen gingen jedoch in Erfüllung. An leitenden Stellen wurden Beamte aus dem Altreich eingesetzt, die für eine rasche Überleitung der Amtsgeschäfte auf die Gesetze und Gepflogenheiten des Deutschen Reiches sorgen sollten. Sie brachten nicht immer genügend Verständnis für die besonderen Belange im Sudetenland auf. Durch den bald ausbrechenden Krieg blieben die hochfliegenden Pläne im Ansatz stecken. Von Kriegshandlungen blieben die Stadt und ihre Umgebung verschont. Erst bei Kriegs-
ende fielen einige Bomben, ohne jedoch Schaden anzurichten. Um so schlimmer wurde die Stadt von den Nachkriegsereignissen überrollt. Flüchtlinge und zurückflutende Truppen verstopften die Durchgangsstraßen und die Eisenbahn. Die Stadt war voll von zurückgelassenen Kriegsgütern. Eisenbahnzüge wurden ausgeladen, die Flüchtlinge mußten sehen, wie sie zu Fuß weiterkamen. Angebliche tschechische Partisanen, meist junge Leute, und deutsche Kollaboranten, versuchten mit geringem Erfolg die Verwaltung zu übernehmen und Ordnung zu halten. Gegen Übergriffe russischer Soldaten waren sie machtlos und plünderten selbst. Am 17. Mai erfolgten die ersten Verhaftungen. Von mehreren der Verhafteten hörte man nie wieder etwas. Bereits am 17. Juni wurde ein großer Teil der Bevölkerung zu Fuß über die nahe Grenze gejagt, wo für ihre Aufnahme keinerlei Vorkehrungen getroffen waren. Kurz nach dem Potsdamer Abkommen, das eine geordnete Aussiedlung vorsah, war bereits die ganze Stadt von der angestammten Bevölkerung geräumt.
tige deutsche Familien veranlaßt, eines ergiebigen Brunnens in ihre Kinder in die tschechischen Herrndorf und eine Leitung mit Schulen zu schicken. Auch die größerem Querschnitt wurde sie Hoffnung auf Sicherung des Ar- 1935 so ausgebaut, daß nun auch beitsplatzes bei staatlichen Ein- der Ortsteil Waldau angeschlosrichtungen spielte eine Rolle. sen werden konnte. Der nach dem Kriege verstaatIn den Jahren 1935 bis 1938 lichte Großgrundbesitz wurde zu erfolgten Manöver und EinquarSchleuderpreisen an Tschechen verkauft. Die nationalen Gegensätze traten in der kleinen Stadt besonders deutlich hervor. Der Anteil der tschechischen Bevölkerung stieg in der Stadt vom Beginn der Tschechoslowakischen Republik bis in die dreißiger Jahre von einem auf mehr als fünf Prozent. Im Jahre 1926 hielt Deutsch Gabel eine 1000-Jahr-Feier ab. Die Geschichte der Stadt wurde in einem großen Festzug dargestellt. Eine ausführliche Festschrift schilderte die Entwicklung der Stadt. Im selben Jahr wurde das städtische Elektrizitätswerk, das ständig Verluste gebracht hatte, abgebaut. Der Anschluß an das Überlandnetz war schon 1923 erfolgt. Im Juni 1926 erschien Die Wache ist ein Paß im Lausitzer Gebirge an der deutsch-tschechischen Grenze. Über diese Grenze wurden die meierstmals die „Deutsch Gabe- sten Deutsch Gabler vertrieben. Daran erinnert ein Gedenkstein..
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REICHENBERGER ZEITUNG
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Der Isergebirger Safterzeuger Kitl nahm in diesen Tagen in dem frischsanierten Gelände des Maffersdorfer Sauerbrunnens wieder seine Produktion auf.
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ie ursprünglichen Räumlichkeiten der Firma Kitl in einer ehemaligen Wäscherei in Gablonz, in der jährlich etwa eine Million Saftflaschen gefüllt wurden, befanden sich bereits an der Kapazitätsgrenze. „Das neue Domizil ermöglicht uns die Herstellung besser zu organisieren und sie auf das Zehnfache aufzustocken,“ sagte Jan Vokurka, Geschäftsführer der Gesellschaft und Träger des Titels Unternehmer des Jahres 2020 in der Reichenberger Region. Kitl produziert elf Sorten Kräuter- und Obstsäfte. Sein neuestes Produkt ist ein Sirup aus Rosenblüten, der von den Wissenschaftlern des Instituts für Pflanzenproduktion nach einer neu entwickelten Naturkonservierungsmethode ganz ohne Zugabe von Konservierungsmitteln hergestellt wird. Die Maffersdorfer Quelle wurde 1862 durch Zufall von Karl Skollaude entdeckt, als der neben seinem Haus an der Neißewiese einen Pumpbrunnen für seine Bleicherei grub. Das freigegebene Wasser besaß einen sonderbaren Beigeschmack, es wurde „schlechtes Wasser“ genannt, das zum Genuß nicht geeignet sei. Erst drei Jahre später verglich die Mutter von Skollaude den Geschmack des Wassers mit dem des Sauerbrunnens in Bad Liebwerda. Skollaude ging daraufhin mit einer Flasche seines Wassers zum Apotheker Ulrich nach Gablonz. Der gab ihm den Rat, die Quelle analysieren zu lassen. Die chemische Prüfung bestätigte, daß diese alkalischen Eisensäuerlinge belebend und stärkend wirken. Zu der neuentdeckten Mineralquelle strömten nun Heilwasser-Liebhaber von nah und fern.
Jan Vokurka in seiner Mineralfabrik vor …
… und nach der Renovierung.
� Sauerbrunnen in Maffersdorf/Reichenberg
Saft und Sauerbrunnen Im Frühjahr 1866 ließ Skollaude den Brunnen neu einfassen und richtete sein kleines Bleichhaus zum Badehaus her. Im Jahre 1892 wurde eine Genossenschaft für den Säuerling gegründet, 1894 erhielt sie die Genehmigung zur Verwendung des Wassers als Heil- und Genußmittel. Der Sauerbrunnen wurde in Flaschen abgefüllt und versandt. Schon im Jahr 1897 wurden ganze 382 000 Flaschen abgesetzt. Maffersdorf machte sich einen Namen als Sommerfrische und Kurort. Zuerst wurde der Sauerbrunnen als Rudolf-Quelle, später nach seinem letzten Besitzer auch als Weber-Quelle bekannt. Noch in den siebziger Jahren war das Mineralwasser in den grünen Flaschen – auch mit Orangen- oder Zitronengeschmack – vielen ein Begriff. In den achtziger Jahren jedoch glich die Fabrik bereits einer Ruine.
Die vergangenen eineinhalb zunehmen, aber alle diese Plä- allein dafür, um die Anlage des Jahrhunderte haben ganz offen- ne führten zu Pleiten. Über zehn Sauerbrunnens an der Straßensichtlich ihre Spuren hinterlas- Jahre lang war der Komplex hoff- bahnstrecke von Reichenberg sen. Die einst berühmte Sauer- nungslos leer. Vokurka brauch- nach Gablonz kaufen zu können. quelle stand jahrelang verlassen. te wegen der komplizierten Ei- Bevor die Bauleute überhaupt Zu allem Unglück brach 2011 gentumsverhältnissen vier Jahre mit der Arbeit beginnen konnauch noch ein Feuer ten, mußte die fast zwei aus. Am meisten war Hektar große Industrie das Hauptgebäude mit brache zunächst gründdem Turm betroffen. lich gesäubert werden. Und Anfang der neunÜberall lagen leere ziger Jahre wurde zwar Flaschen, Splitter und mit einer RestaurieMüll herum. Ab 2019 rung begonnen, dem begann Vokurka mit damals neuen Besitzer dem Wiederaufbau des ist es aber nicht gelunmystischen Ortes. gen, den Ruhm der MiIn der zerstörten Halneralfabrik zurückgele wurde zuerst ein mowinnen. Seit 2004 war dernes Lagerhaus gedie die Fabrik außer Bebaut, als zweiter Schritt trieb, bis 2008 wurde wurde die Technoloauf dem Gelände noch gie für die Herstellung Mineralwasser abgevon Sirupen instalfüllt. liert. Die ProduktionsDanach versuchlinie wurde noch um eiten mehrere Investoren Blick auf die zerfallene Sauerbrunnenanlage in Maffers- ne Filtertechnologie, den Betrieb wieder auf- dorf. die optische Kontrol-
� Das Ende einer Reichenberger Legende
KREIS DEUTSCH GABEL
Gute Biere und gepflegte Weine Das bekannte Gasthaus Zur Birkenallee in Reichenberg hat jetzt dicht gemacht.
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ast jeden Tag liest man in den Medien von irgendwelchen Schließungen. Auch das alte und berühmte Gasthaus Zur Birkenallee in dem Reichenberger Stadtviertel Alt Harzdorf Nr. 192, wo sich viele Gäste jahrzehntelang die Klinke in die Hand gaben, schloß am letzten Märzsonntag für immer seine Pforten. Nun ist wieder eine der alten traditionsreichen Gaststätten verschwunden! Seit 1874 gab es in dem Haus Nr. 192 ein Gasthaus, das viele Jahre von Einheimischen und Gästen besucht wurde. Eine fast
Bild: Archiv Kitl
le der Flaschen und eine Etikettierungsmaschine ergänzt. „Dies ermöglicht uns, die Produktion zu verbessern und zu steigern“, freute sich Vokurka. Darüber hinaus ist der Raum noch mit einer zweite Füllanlage für die Maffersdorfer Quelle ausgestattet. „Frühestens in drei Jahren sind wir so weit“, schätzt Vokurka. „Wir müssen noch viele gesetzliche und technologische Schritte unternehmen, um über dieses Wasser überhaupt nachdenken zu können“, verrät er. Die Quelle sei nicht besonders reich. Sie gebe 24 Liter pro Minute. Dennoch bedeute sie eine sinnvolle Ergänzung zu dem Saftprogramm der Firma Kitl. Zum Schluß sei auch die Sanierung des historischen Gebäudes mit Türmchen vorgesehen. Vokurka ist ein Visionär, und seine Firma wächst schnell und systematisch. Als junger Unternehmer war er der erfolgsreichste Jung-Manager der Tschechischen Republik. Er vertrat die Firma Nestlé und hätte auch dort eine vielversprechende Karriere machen können. Doch vor 15 Jahren verließ er den Weltriesen und steckte seinen ganzen Elan zuerst in die Erneuerung der beinahe vergessenen Traditionen des Naturheilers Johann Josef Antonius Eleazar Kittel, der auch als „Faust des Isergebirges“ bekannt ist. Später produzierte Vokurka in seiner kleinen Fabrik in einer Neubausiedlung in Gablonz Medizinweine und Säfte in Bio-Qualität. Heute hat Vokurka 45 Mitarbeiter. Vergangenes Jahr machte er mit seinem Betrieb einen Jahresumsatz von umgerechnet 3,3 Millionen Euro. Maffersdorf ist heute ein Stadtteil von Reichenberg. Vor ein paar Jahren sanierte dort die Autofabrik Škoda bereits das zerfallene Geburtshaus des Autobauers Ferdinand Porsche und machte es zu einem Porsche-Museum. Petra Laurin
150jährige Wirtshausgeschichte ging zu Ende. Aus den Fotos ist ersichtlich, daß das Haus in der Birkenallee Ende der 1930er Jahre vergrößert und um eine weitere Etage erhöht wurde. In dieser Zeit bekam es sein heutiges Aussehen. Vor der Vertreibung gehörte dem letzten erfolgreichen deutschen Wirt Emil Seibt in Alt Harzdorf neben dem Gasthaus Zur Birkenallee auch noch das Kaffeehaus Meissl. In den letzten Jahrzehnten war die Birke auch
ein beliebter Treffpunkt für Studenten aus der in der Nähe gelegenen Universität. Für das legendäre Reichenberger Gasthaus, das von den Einheimischen einfach Birke genannt wurde, ist der Traum jetzt ausgeträumt. Die Stadt Reichenberg ist um eine weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Legende ärmer. Das Ende kommt zu Zeit der Corona-Pandemie, in der die Gaststätten immer noch nicht geöffnet sind. Die staatlichen Maßnahmen sind jedoch nicht Grund für die Schließung. Um Spekulationen zu verhindern, gab jetzt der Besitzer im sozialen Netzwerk die Schlie-
ßung seines traditionsreichen Restaurants bekannt. „Ich höre nicht wegen der unsicheren Zukunft auf“, sagte er. Was war der Grund? „Das Alter ist die schlimmste Krankheit“, fügte er kurz hinzu. Am Schluß bedankte sich der letzte Wirt bei allen, die ihn in den schwierigen Zeiten unterstützt hatten. Das Haus wurde bereits verkauft,. Nun hat es einen neuen Eigentümer. Der
wird das leer stehende alte Gasthaus in moderne Eigentumswohnungen umwandeln. Stanislav Beran
Heimatkreis und Gemeindebetreuer gratulieren allen RZAbonnenten aus dem Kreis Deutsch Gabel, die im Mai Geburtstag, Hochzeitstag, ein Jubiläum oder sonst ein Ereignis begehen, und wünschen alles Gute und Gesundheit sowie den Kranken unter uns baldige Genesung. n Heimatkreis – Geburtstage. Am 5. Helga Hofmann, Ortsbetreuerin von Deutsch Pankraz, Lauinger Straße 18, 80997 München, 91 Jahre, und am 18. Hildegard Ulrich/Mai, Ortsbetreuerin von Groß Walten, Schneewittchenstraße 26, 12524 Berlin, 91 Jahre. Wir gratulieren herzlich, wünschen alles Gute, vor allem Gesundheit, und danken für die Mitarbeit. Othmar Zinner n Deutsch Gabel – Geburtstage. Am 19. Horst Dengler (Mann von Margit Dengler/Konschinsky, Stadtgraben 296), Sindelsdorfer Straße 52, 82377 Penzberg, 86 Jahre. Othmar Zinner Helga Hecht
n Hennersdorf – Sterbefälle. Am 3. März starb Annemarie Merker/Hockauf (Haus-Nr. 99) mit 88 Jahren in Pflegeheim im anhaltinischen Köthen. Unsere Anteilnahme gilt ihren beiden Töchtern. Am 22. April starb Siegfried Küstner (Haus-Nr. 196) mit 81 Jahren im Pflegeheim in Rostock. Zuvor hatte er in Berlin gelebt. Er war sehr heimatverbunden und freute sich über jeden Anruf. Er hinterläßt seine Frau, einen Sohn und eine Tochter. Unser Beileid sende ich seiner Schwester Erika Liehr. Wie wünschen ihr viel Kraft und gute Gesundheit. Rosl Machtolf n Johnsdorf – Geburtstag. Am 19. Eduard Wolf (HausNr. 31), Tilsiter Straße 12, 74321 Bietigheim-Bissingen, 89 Jahre. Othmar Zinner n Schönbach – Geburtstag. Am 15. Adolf Zelfel (Mann von Inge Zelfel/Kunze, HausNr. 126), Drosselweg 5, 84478 Waldkraiburg, 84 Jahre. Inge Zelfel
TERMINE
Das Gasthaus Birkenallee in deutscher Zeit.
Das Gasthaus Birkenallee im April.
Bild: Stanislav Beran
n Sonntag, 29. August, 11.30 Uhr, Heimatgruppe Deutsch Gabel/Zwickau in München: Treffen im Löwenbräukeller (Wintergarten), Stiglmaierplatz (U 1, U 7). Auskunft: Gerhard Schlegel, Boosstraße 14, 81541 München, Telefon (0 89) 65 11 91 97, Mobil (01 76) 23 32 26 99, eMail gerhard@laska.com n Donnerstag, 2. bis Sonntag, 5. September, Kriesdorf: 65. Heimattreffen in Kriesdorf/Křižany, Apartmán-Hotel Jítrava. Einzelheiten folgen. Auskunft: Christian Schwarz, Dr.-Krajnc-Straße 12a, A-6060 Hall in Tirol, Mobil (01 76) 99 93 30 39 oder (0 04 36 99) 11 12 59 56, eMail chris@clcs.at n Sonntag, 5. Dezember, 11.30 Uhr, Heimatgruppe Deutsch Gabel/Zwickau in München: Treffen im Löwenbräukeller (Wintergarten), Stiglmaierplatz (U 1, U 7). Auskunft: Gerhard Schlegel, Boosstraße 14, 81541 München, Telefon (0 89) 65 11 91 97, Mobil (01 76) 23 32 26 99, eMail gerhard@laska.com
REICHENBERGER ZEITUNG
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Das weitläufige Gelände mit den ruinösen Gebäuden …
… dürfen die Kaufinteressenten nur mit Ordnungshütern…
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… besichtigen.
Bilder: Stadt Reichenberg
� Machendorf/Kreis Reichenberg
Droht der historischen Schwab-Villa der Abriß? endet hatte, widmete er sich dem Kaufmannsstand und gründete im Jahr 1860 mit seinem Bruder Gottlieb Schwab seine erste Firma namens Brüder Schwab. Nachdem Gottlieb Schwab im Jahre 1874 aus der Firma ausgetreten war, führte Adolf Schwab das Geschäft unter seinem Namen weiter, zuerst allein, später mit seinen Söhnen. Von 1873 bis 1885 entsandte ihn die Prager Handels- und Gewerbekammer in den Reichsrat, von 1885 bis zu seinem Tod gehörte er als Vertreter der Reichenberger Handelskammer dem Parlament an. Der Fabrikant und Abgeordnete für die Reichenberger Handels- und Gewerbekammer war seit dem Jahr 1873, also fast ein Vierteljahrhundert lang, Mit-
ma Siegmund, Neuhäuser & Co. am Fuße der Ruine Hammerstein in Machendorf ein Grundstück. Auf diesem wurde im selben Jahr ein großartiger Fabrikkomplex erbaut, die Feintuchfabrik namens Fabrik Hammerstein. Zur Zeit ihrer Blüte beschäftigte sie mehr als 300 Arbeiter. Lange war sie damals eine der größten nordböhmischen Textilfirmen mit Vertretungen in Berlin, Konstantinopel, Alexandrien, Triest, Mailand und Prag. So kam schon im ersten Drittel des Jahrhunderts industrielles Leben in das stille, von der Neiße durchflossene Waldtal unterhalb der Burg ruine Hammerstein. Nach einer Reihe von Jahren sah sich die Firma Siegmund, Neuhäuser & Co. durch den
as zum Verkauf angebotene Areal mit dem ehemaligen renommierten Augensanatorium befindet sich an der Straße, die von Kratzau (Chrastava) nach Christofsgrund (Kryštofovo údolí) führt. Es ist ein sonniges, flaches Gebiet mit altem Baumbestand und Zugang zur Lausitzer Neiße, teilweise von einer massiven historischen Mauer umzäunt, die auch das Gelände von der Straße abgrenzt. Die historische Villa bietet einen direkten Der allgemeine Verfall zeigt sich innen fast noch auffälliger als außen. Blick auf die Ruine der aus dem 14. Jahrhundert glied der Handels- und Gewerbe- schlechten Geschäftsgang veranstammenden Burg Hammerstein. kammer. laßt, den Fabrikbetrieb einzustelDas Hauptgebäude, die VilBereits 1809 bis 1810 hatten len. Die Räume blieben fast zwei la Nr. 99, ist eine prächtige Fa- Franz Florian Siegmund und Jo- Jahre still und leer. milienresidenz, die sich in einem sef Neuhäuser in Reichenberg Als gegen Ende des Jahres Waldpark befindet. Sie wurde ihre Firma gegründet. Auf acht 1874 die in Johannesberg bei Ga1882 für Adolf Schwab, einen Po- Webstühlen und unter Heranzie- blonz gelegene, fünf Stock hohe litiker und Besitzer der Textilfa- hung auswärtiger Tuchmacher mechanische Weberei der Firma brik in Hammerstein, gebaut. wurden mittelfeine und feine Tü- Adolf Schwab bis auf die GrundAdolf Schwab wurde am 14. cher erzeugt. mauer abbrannte, sah sich Adolf April 1833 in Prag geboren. Im Jahre 1826 überließ Chri- Schwab nach einem neuen geNachdem er das Gymnasium be- stian Graf Clam-Gallas der Fir- eigneten Platz um. Der Chef der
Firma entschied sich für Hammerstein. Zu Beginn des Jahres 1875 kaufte er die leerstehende, ehemalige Tuchfabrik, um sie in eine mechanische Baumwollweberei umzuwandeln. Als der Gründer der Firma im Jahr 1875 die schön gelegene Fabrik Hammerstein zum ersten Mal besichtigte, lag sie öde und einsam da, fast so still und verlassen, wie das alte, verfallene Bergschloß. Adolf Schwab starb am 19 Januar 1897 in Wien. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts war die alte imposante Villa angeblich Sitz des Fabrikbesitzers Kleinert. In der Vorkriegszeit (1938) befand sich in der Villa in Machendorf das Mütterfreizeitheim. Nach der Verstaatlichung wurde hier 1955, unter dem kommunistischen Regime, ein Augensanatorium für Kinder aus der ganzen Tschechoslowakei eröffnet. Auf dem Areal befindet sich auch das architektonisch und historisch interessante Gebäude des Verwalters, das sich in einem guten Zustand befindet. Dieses Gebäude (Nr. 128) wird derzeit von einer Familie bewohnt. Zum Areal gehört auch der sogenannte Wachturm (Nr. 129). Das Gebiet mit den zwei Gebäuden ist an das Strom- und an das öffentliche Wasserversorgungsnetz angeschlossen. Das zwanzig Jahre leer stehende Schmuckstück in Machendorf wurde in den letzten Jahren zum Ziel von Plünderungen. Die Diebe und Vandalen verwandelten das schöne alte Gebäude in eine Ruine. Sie haben bereits alles ausgeraubt und geplündert,
Die Fabrik Hammerstein im 19. Jahrhundert mit der Villa im Hintergrund …
… aus verschiedenen Perspektiven sowie schwarz-weiß und bunt.
Wie am 13. April bekannt wurde, wird das Areal am Stadtrand von Machendorf, tschechisch Machnín, seit 1. Juli 1980 das 33. Stadtviertel von Reichenberg, mit dem ehemaligen Augensanatorium für Kinder von der Stadt Reichenberg zum zweiten Mal zum Verkauf angeboten. Der Stadtrat genehmigte Anfang des Jahres den Verkauf des gesamten Geländes. Das Interesse an dem einzigartigen Sanatorium, für das die Stadt Reichenberg keine Verwendung findet, ist angeblich überraschend groß. Das Reichenberger Rathaus wartet jetzt auf das beste finanzielle Angebot.
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was sich irgendwie zu Geld ma- sich durch. Renoviert und gebaut chen läßt. In dem Gebäude läuft wurde nichts, weil der neue Eian vielen Stellen Wasser über die gentümer angeblich keine InveSteinsäulen, die einst storen fanden. den Eingang zu den Das historische wertvollen RäuArchitekturjuwel men säumten. hat einiges mitAus der gemacht. Die einst prächunter Denktigen Resimalschutz denz ist eistehenne Ruine de Villa hat mit zerschlazwei Weltgenen Fenkriege und die stern und TüZeit der komren, beschädigmunistischen ten Wänden, GewaltherrFirmengründer Adolf Schwab lebte vom schaft ausgerisseoh14. April 1833 bis zum 19. Januar 1897. nen Böden ne Schaden und Verkleiüberstandungen und einem zerfallenen den. Jetzt droht der alten VilDach geworden. Von der Innen- la offenbar der Abriß. Ihre Taausstattung ist praktisch nichts ge scheinen gezählt. Unbegreifmehr übrig geblieben. Die höl- lich ist, daß man das geschützte zerne Dachkonstruktion ist von Gebäude verfallen ließ. Der MinHolzwürmern befallen, die Sta- destpreis, den jetzt das Reichentik des Hausdaches ist so stark berger Rathaus für das ganbeeinträchtigt, daß es einzustür- ze Areal und die Häuser in Mazen droht. Es ist ein trauriger An- chendorf verlangt, beträgt blick. Im Laufe der Jahre hat sich 20 222 000 Kronen. Umgerechnet die schöne Villa in ein Haus des sind das etwa 759 000 Euro, mitSchreckens verwandelt, das Fil- hin 529 Kronen pro Quadratmememacher sicherlich begrüßen ter. würden, wenn sie einen HorrorNach dem Zweiten Weltkrieg film drehen möchten. Das ist die erwartete die Bewohner von Mabittere Wahrheit. chendorf das gleiche Schicksal Die Villa mit dem ganzen Are- wie die meisten Deutschen im al wurde zehn Jahre nach der Sudetenland – die Vertreibung Samtenen Revolution von 1999 aus ihrer Heimat. Ihr gesamter von der Stadt Reichenberg für 1,4 Besitz, ihre Bauernhöfe und der Millionen Kronen an einige Rei- dazugehörige Boden wurden chenberger Ärzte und den Abge- konfisziert. Zu Beginn des Jahordneten Miroslav Samek ver- res 1945 hatte Machendorf 1717 kauft. Bedingung der Stadt war, Einwohner. Davon waren 1566 Häusern hier eine weitere soziale Einrich- Deutsche, die in 213 tung wie ein Altersheim zu er- lebten. Nach der Vertreibung blieben nur 230 Deutsche übrig. richten. Die neuen Eigentümer ver- 1948 hatte Machendorf nur 100 sprachen, das große Gebäude deutsche Einwohner. Nach der zu renovieren und ein moder- Machtübernahme der Kommunines Sanatorium darin zu bauen. stischen Partei KSČ in der TscheEin Teil des Stadtrats protestier- choslowakei im Februar 1948 bete. Doch das Reichenberger Rat- gann die Kollektivierung der haus, das damals von der Bürger- konfiszierten Landwirtschaft. Stanislav Beran partei ODS regiert wurde, setzte
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Dux
Ladowitz
Klostergrab
Ossegg
für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau
Bilin
Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. Heimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail spacek@ teplitz-schoenau-freunde.org. Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Lexa Wessel, eMail heimatruf@ sudeten.de
Teplitz-Schönau
Graupen
Niklasberg
� Niklasberg und Neustadt/Erzgebirge – Teil I
Niklasberg bekommt sein Wappen Aus der früheren Bergsiedlung Neu-Schellenberg entwickelte sich mit der Zeit die Ortschaft Niklasberg. Später entstand nebenbei die Gemeinde Neustadt.
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Deutsche Bürgerschule in der früheren Stadt Brüx.
Bilder: Jutta Benešová
� Neuerscheinung – Teil II und Ende
Eine Stadt mit Vision S
either trotzen die Bewohner zwischen alt und neu geschafder Stadt Most dem zu Un- fen. recht schlechten Ruf ihrer Stadt. Auf etwa 140 Seiten, mit teilSie versuchen ihre Stadt und weise doppelseitigen, faszinieUmgebung, wie ein Phönix aus renden Fotos, erleben wir diese der Asche, in neuer und moder- moderne und junge Stadt. Wir ner Form erstehen zu lassen. Dar- sehen die beiden neuen Stadtüber berichtet die erst kürzlich plätze mit Theater und Rathaus, erschienene Publikation „Most auf denen sich Barockbrun– eine Stadt mit Vision in Nord- nen und die Statue des Heiligen böhmen“. Nepomuk erheben. Und wir entDabei ist es der Kunst des Fo- decken die Naherholungsgebietostudios H der Familie Hájek in te mit den Seen aus gefluteten Aussig zu verdanken, daß sich Bergbaugruben. vor den Augen des Lesers eine völlig neue Die verschobene Stadt zeigt. Nun liegt sie Marienkirche auf der anderen Seite des in der Stadt Most. Schloßberges, auf dem sich die Landeswarte erhebt. Währenddessen versinkt das Territorium der früheren Stadt Brüx, ihres Reichtums und der Bodenschätze beraubt, in einem riesigen See. Auf dessen Oberfläche spiegeln sich nun die umliegenden Weinberge und Hügel des Böhmischen Mittelgebirges. Die einst vom Bergbau zerwühlten Fluren sind rekultiviert und bieten moderne Sportund Parkanlagen. Etliche Denkmale der früheren Stadt Brüx konnte man retten: barocke und Renaissance-Denkmale sowie Skulpturen, insbesondere die gotiAuf einem der nahen Hüsche Kirche Mariä Himmelfahrt, gel gibt es einen neu errichtewelche die deutschen Bewoh- ten Aussichtsturm, ebenso finner damals zum Ansehen ihrer det man Weinberge, aber auch Stadt Brüx errichtet hatten. Die- eine Pferderennbahn und eine se Denkmale bilden nun einen Autorennstrecke, die man auf gelungenen Kontrast zur mo- den ehemaligen Halden errichdernen Architektur der städti- tete. Zudem gibt es auch zahllose schen Bebauung. Dadurch wird Plattenbausiedlungen, die aber im wahrsten Sinne des Wortes ei- dort, in dieser modernen Stadt, ne Brücke – Brüx und Most – bei weitem nicht so störend wir-
ken wie in unseren alten, historischen, böhmischen Städten. Dennoch fehlt es auch nicht an historischen Aufnahmen der alten Stadt Brüx. Man findet die ehemalige Bürgerschule, den dicht bebauten, alten Stadtkern, das Stadttheater und das Minoritenkloster. Am Stadtrand des alten Brüx sind auch einige Gebäude erhalten geblieben, zum Beispiel das vierstöckige Jugendstilgebäude des ehemaligen deutschen Realgymnasiums, in dem sich heute das Regionalmuseum mit der Galerie der Stadt Most befindet. Altes ist vergangen, Neues entsteht. „Die Geschichte von Brüx auf seinem historischen Territorium endet damit. Die Jahrhunderte andauernde Existenz der größten der Königsstädte Böhmens am Fuße des Erzgebirges wurde gewaltsam beendet. In ihrer Nähe entsteht nun allmählich eine neue Stadt, deren Erscheinungsbild, das ihr in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben wurde, weiter vollendet wird.“ Mit diesen Worten endet die dreisprachig in tschechisch, englisch und deutsch gestaltete Publikation und führt die Geschichte, die mit einem Fluch begann, sinnbildlich zu einem hoffnungsvollen Ende. Wenn Sie neugierig geworden sind, können Sie das Buch für ungefähr 25 Euro über eMail jutta. benesova@volny.cz bestellen. Ich werde die Bestellungen, sobald es die Corona-Pandemie erlaubt, aus Deutschland abschicken. Jutta Benešová
enn ich die ehemaligen Erzbergbauorte Niklasberg und Neustadt beschreiben möchte, muß ich bei dem Heimatkreis Teplitz-Schönau suchen. Bei den Heimatkreistreffen der vertriebenen Sudetendeutschen schlossen sich die ehemaligen deutschen Einwohner der beiden Orte in der Regel dem Heimatkreis Dux an. Das lag daran, daß diese beiden Orte ganz in der Nähe des Schulortes Klostergrab liegen, wo die dortigen Schulkinder die deutsche Bürgerschule besuchten. Klostergrab war auch der Einkaufsort für die Bewohner von Niklasberg und Neustadt. Über die Geschichte von Niklasberg steht im „Sudetendeutschen Wappen-Lexikon“ (Passau 1985): „Aufgrund der am 1. Mai 1543 von Kaiser Ferdinand I. erlassenen ,Bergfreiheiten‘ entstand durch sächsische Bergleute aus Schellenberg die Siedlung Neu-Schellenberg. Diese bekam nach 1551 den Namen des späteren Kirchenpatrons Niklasberg und gehörte 1554 zur Grundherrschaft des Biliner Grafen Lidwin von Lobkowitz und seiner Brüder Christoph und Wenzel. Diese gaben Niklasberg die Privilegien und das Sankt Joachimsthaler Bergrecht. Die durch den Abbau von Silbererz bedingte sprunghafte Entwicklung der Bergstadt ließ im 18. Jahrhundert nach. Und 1759 beendete der preußische Überfall endgültig die weitere Entwicklung. Im Jahr 1829 zerstörte eine Feuersbrunst mehrere Häuser. Erst nach dem Wiederaufbau, im Jahr 1858, erhob man die dortige, dem heiligen Nikolaus geweihte Kirchengemeinde zu einer Pfarrei. Auf die Fürbitte Christophs von Lobkowitz stattete man Niklasberg am 6. September 1597 mit den Stadtrechten aus. Am Montag nach Sankt Veit erhielt sie das Recht für einen Jahrmarkt und einen samstägigen Wochenmarkt. Gleichzeitig erhielt die Bergstadt Niklasberg ein Stadtwappen, das aus drei Wappenbildern besteht. Über den Abzeichen des Bergbaus, Hammer und Schlägel, steht auf grünem Rasen eine silberne bezinnte Mauer mit einem bezinnten Torturm, hinter dem die Figur des Stadtpatrons, des Heiligen Nikolaus, wächst. In der rechten Hand hält er den Bischofsstab, welcher ein rotes, goldbefranstes Fähnchen trägt.“ Fortsetzung folgt
Die Ortschaft Niklasberg im Erzgebirge.
Die Ortseinfahrt von Niklasberg/Mikulov mit dem Erzgebirgshaus.
Blick auf Niklasberg.
Der Lehnschafter Stollen ist einer der ältesten Teile des Bergwerkes in Niklasberg.
TERMINE n Donnerstag, 12. bis Sonntag, 15. August: 7. Kreistreffen in der Heimat. Donnerstag eigene Anreise nach Teplitz-Schönau, Hotel Prince de Ligne (Zámecké náměstí 136); 19.00 Uhr dort Abendessen. Freitag 9.00 Uhr Abfahrt nach Melnik mit Besichtigung des Schlosses und Weinverkostung; Mittagessen im Schloßrestaurant; anschließend Besichtigung der Peter-und-Paul-Kirche und des Beinhauses; Weiterfahrt nach Leitmeritz; dort Abendessen im bischöflichen Brauereigasthof. Samstag 9.00 Uhr Abfahrt nach Ober Georgenthal;
dort Besuch des Schlosses Eisenberg; danach Fahrt über das Erzgebirge auf den Mückenberg; dort Mittagessen; anschließend Bus- oder Seilbahnfahrt nach Graupen mit Spaziergang über den Mariascheiner Kreuzweg; 17.00 Uhr Abendessen im Hotel; 19.00 Uhr dort Jubiläumskonzert der Nordböhmischen Philharmonie. Sonntag eigene Fahrt zur Heiligen Messe in der Barockkirche Mariä Himmelfahrt in Zinnwald, Uhrzeit wird mitgeteilt. Änderungen vorbehalten. Kostenbeitrag inklusive drei Übernachtungen, Frühstück, bewachtem Park-
platz, Bus, allen Mahlzeiten, Besichtigungen, Führungen, Weinverkostung, Seilbahnfahrt und Konzert pro Person im Doppelzimmer 390, im Einzelzimmer 440 Euro. Getränke außerhalb des Frühstücks auf eigene Rechnung. Verbindliche Anmeldung bis Montag, 2. August, durch Überweisung des Reisepreises auf das Konto Erhard Spacek – IBAN: DE35 7008 0000 0670 5509 19, BIC: DRESDEFF700. Bitte Anschrift und Namen der Reiseteilnehmer angeben, sonst Mitteilung mit diesen Angaben an eMail spacek@teplitz-schoenau-freunde.org
HEIMATBOTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Bischofteinitz
Ronsperg
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
15 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterfing, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Raiffeisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
Furth im Wald und Taus
Reißender Absatz Obwohl die Partnerstädte Furth im Wald und Taus das Gemeinschaftswerk „Vorsicht Grenze! Pozor Hranice!“ wegen Corona noch nicht einmal offiziell gemeinsam vorstellen konnten, verkauft es sich wie ein Bestseller. Bald wird die erste Auflage mit 1000 Stück vergriffen sein. Doch Hisorikerin und Autorin Kristýna Pinkrová sowie Denisa Drahonská vom Verein für Kultur und Entwicklung „Chodsko Ziije!“ (Chodenland lebt!) reagierten rechtzeitig. Weitere 1000 Exemplare warten nun im Chodenmuseum auf Leser.
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Meßkapelle Mariä Himmelfahrt.
Dekanalkirche Sankt Jakobus der Ältere.
Hostau
Eine Kapelle und ihre Legende Gegenwärtig stehen zwei Gotteshäuser in Hostau. Die dem heiligen Apostel Jakobus dem Älteren geweihte Kirche wird als Pfarrkirche bereits im Jahr 1384 genannt. Die heutige Friedhofskapelle Mariä Himmelfahrt hatte Susanna Kleinschmidt 1636 gestiftet. Im 15. Jahrhundert soll die Corpus-Christi-Kapelle entstanden sei, die Anfang des 19. Jahrhunderts abgetragen wurde.
Brettern aufgespannte Bild befindet sich im Dekanalamt in Hostau, ist drei Meter lang und hat erklärende Aufschriften. Die Kapelle war mit sehr guten Preißen – so nannte man die Firstziegel – gedeckt, der Turm war mit Blech überzogen. Auf dessen Spitze befand sich ein vergoldeter Knopf, darauf ein doppeltes Kreuz. Innen im Turm hingen die beiden
Hostienraub?
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ie sagenhafte Gründung der Corpus-Christi-Kapelle soll die Folge eines ebenfalls sagenhaften Hostienraubs gewesen sein. Das Jahr der Erbauung sowie der Erbauer und Gründer des Gotteshauses sind unbekannt. Die Kapelle dürfte aber zwischen 1430 und 1440 entstanden sein. Die Kapelle stand nordwestlich von der heutigen Dekanalkirche in einem viereckigen Raum, der von starken Mauern umgeben war. Man konnte nur von der Stadtkirche aus über eine acht Stufen hohe Treppe in die Kapelle gelangen. Diese Treppe wurde am 14. Oktober 1839 von dem herrschaftlichen Bauverwalter Ulrich Knödl zur Gruft nach Sankt Anna bei Bischofteinitz weggenommen. Die Kirche war außen im gotischen, innen im romanischen Stil erbaut, war schön gewölbt und hatte herrliche Verzierungen. Von den drei Altären war der Hauptaltar dem Andenken an den Leib Christi geweiht. Der Altar rechts galt der schmerzhaften Muttergottes, der Altar links dem Märtyrer Sebastian. Ein schönes Marmorpflaster bedeckte den Boden, in der Mitte war eine Totengruft, die bis unter den Hochaltar reichte. Dort waren außer einigen Edelleuten auch andere hervorragende Personen begraben wie Graf Prothus und Christina Cordula Czernin oder Johann Heinrich Beedeberg, Seiner Kaiserlichen Majestät Oberwachtmeister. Auf dem Chor befand sich eine kleine, aber sehr gute Orgel, ein sogenanntes Positiv. Auf den Blasebälgen waren in Form von großen Ziegeln Platten aus Zinn oder Blei befestigt, um den Druck der Luft in die Pfeifen zu vergrößern. An den Wänden der Kirche hingen einige Ölbilder, außerdem bildlich dargestellte Begebenheiten des Hostienraubes, der Schändung der Hostien, der Auffindung und der Verurteilung der Hostienschänder. Dieses auf
die Kirche von Weihbischof und Dompropst zu Prag, Simon Brosius Horsteinsky von Horstein – er war seit 1626 Erzbischof von Trapezunt und starb als Dompropst am 13. Januar 1642 – neu eingeweiht und die jährliche Gedächtnisfeier der Neueinweihung immer den dritten Sonntag nach Pfingsten abzuhalten beschlossen. Wer an diesem Tag in dieser Kirche beichtete und das
Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia informiert unter dem Stichwort „Hostau“ über die Vertreibung der Juden und die vorhergegangene angebliche Hostienschändung.
I
m 15. Jahrhundert wurden alle Juden aus Hostau „für ewige Zeiten“ vertrieben. Die aus Hostau vertriebenen Juden siedelten sich im nahegelegenen Neustadtl an. Es gab auch in den folgenden Jahrhunderten nur sehr wenige Juden in Hostau, keine jüdische Gemeinde und keinen jüdischen Friedhof. Der Chronist von Hostau zitiert dazu die Legende über einen jüdischen Hostienfrevel, deren Wahrheitsgehalt er aber anzweifelt. „Im Jahr 1427 entwendeten Juden aus Hostau aus der Kirche Sankt Peter und Paul im acht Kilometer entfernten Pernartitz sieben konsekrierte Hostien. Sie mißhandelten diese zu Hause in Hostau mit Gabel- und Messerstichen, wobei Blut aus den Hostien auf den Tisch, die Wand und die Juden spritzte. Darüber erschraken die Juden und verGlocken, die ein schönes Geläut hatten. Für die Erhaltung der Kapelle wurde nichts getan. Bald zeigten sich einige schadhafte Stellen, und eine Ausbesserung wäre dringend notwendig gewesen. Endlich erbarmte sich die Gräfin Chudenitz, Herrin von Hostau, Zwirschen und Schlattin, Christina Cordula Czernin, geborene Helmeckin, und befahl im Jahre 1635 die Kirche auf ihre Kosten wieder herzustellen und auszubessern. Am 31. Oktober 1635 war die Ausbesserung fertiggestellt, am 13. Juni 1636 wurde
gruben die Hostien in der Nähe der Pfarrkirche bei einem Busch. Als am nächsten Morgen der Schäfer seine Herde dort vorbeitrieb, fielen die Schafe rund um die Stelle, wo die Hostien vergraben waren, auf die Knie und begannen laut zu blöken. Die daraufhin herbeigeeilten Christen gruben die Hostien aus und brachten sie zum Pfarrer, der sie nach Rom schickte. Die Juden, die die Hostien gestohlen hatten, wurden verbrannt und alle Juden ,auf immerwährende Zeiten‘ aus Hostau vertrieben.“ An der Stelle, wo die Hostien vergraben gewesen sein sollen, wurde eine Kapelle mit dem Namen Fronleichnam Christi erbaut. In der Kapelle befanden sich zwei Gemälde, auf denen die Legende dargestellt war. Diese Kapelle wurde 1634 von der Gräfin Cordula von Lobkowicz, geborene Gräfin Czernin von und zu Chudenitz, renoviert oder erbaut und 1636 von Weihbischof Šimon Brosius von Horštejn feierlich eingeweiht. 1802 wurde die Kapelle wegen Baufälligkeit abgetragen. Sakrament empfing, erhielt einen 40tägigen Ablaß. Damit für die Kapelle auch ferner gesorgt sei, bestimmte die edle Gräfin in ihrem Testament ein Kapital von 3500 Gulden. Dieses Kapital sollte an einem sicheren Orte zu sechs Prozent angelegt werden. Die entfallenden jährlichen Zinsen von 40 Gulden und dazu der Zehent vom Maierhof Schlattin sollten der Kapelle für Reparaturen und sonstige Auslagen zugestellt werden. Auch sollten von den 40 Gulden am Fronleichnamstag jedem Armen im Ort „an die Hand
drei Kreuzer ausgezahlt werden“. Das Testament der Gräfin wurde nicht seinen Bestimmungen gemäß angelegt. So konnten den Armen sowie der Kirche ihre versprochenen Anteile nicht ausgezahlt werden. Bald fehlte wieder das notwendige Geld, das zur Erhaltung nötig gewesen wäre. Es fehlte auch, wie unser Chronist sagt, „an einem frommen Gemeinsinn, um durch allgemeines Zusammenwirken die Kapelle zur Ehre Gottes zu erhalten. Es beherrschte besonders den damaligen herrschaftlichen Maurermeister in Hostau, Thomas Bauer, vulgo Maurer-Thomas, Eigennutz und Habsucht, indem er Seiner fürstlichen Durchlaucht, Ferdinand von Trauttmansdorff, den Überschlag zur Wiederherstellung des Kirchleins übertrieben hoch machte und sich dadurch zu bereichern hoffte“. Das Kirchlein hatte an manchen Stellen des Turmes einige schadhafte Flecken, außerdem zeigte sich an der inneren Wölbung ein Sprung; man befürchtete den Einsturz. Fürst Ferdinand erlaubte die Bestreitung so hoher Kosten nicht, und so machte das Hostauer Wirtschaftsamt ein Ansuchen. Auf die hierauf erfolgte Gubernialverordnung wurde die Kapelle unter dem damaligen Pfarrer Josef Sippl am 11. März 1802 öffentlich versteigert. Vor der Versteigerung wurden alle Altäre und die beiden goldenen Knöpfe, wovon sich der zweite auf der dem Turm gegenüberliegenden Dachspitze befand, die beiden Glocken und das Marmorpflaster, der Grabstein des Grafen Czernin von dem Hostauer Wirtschaftsamt weggeräumt, also nicht mit verkauft. Der Hostauer Bürger und Schuhmacher Johann Puchtold erwarb die Kapelle um 301 Gulden und ließ sie niederreißen. Erst bei dem Einreißen überzeugte man sich, daß die Kapelle noch Jahrhunderte hätte überdauern können. So wurde wieder ein Stück Altertum von Gottes schöner Welt vertilgt. Heute grünen die Bäume an der Stelle, an der man früher zur Ehre Gottes gesungen und gebetet hat. Heute reift das Obst, wo früher das Bild einer wundertätigen Muttergottes gestanden hat, zu der Tausende und Abertausende gewallfahrtet und, von ihrer Krankheit befreit, von dannen gezogen sind. Franz Englert
as zweisprachige Buch, bei dem die Städte Taus und Furth im Wald hervorragend zusammengearbeitet hatten, war noch vor Weihnachten mit einer Auflage von 1000 Stück gedruckt worden. Am 23. Dezember hätte man die Bücher bereits abholen können. Doch die fortschreitende Pandemie in der Tschechischen Republik hatte dies verhindert. Auf 294 Seiten erfährt der Leser in diesem Handbuch der Geschichte der Grenzregionen Taus und Cham in zehn Kapiteln alles über die gemeinsame Geschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart. Das Werk, für das die Historikerin Kristýna Pinkrová vom Chodenmuseum und Ladislav Ptáček verantwortlich zeichnen, ist einmalig. Bei dieser Publikation hat nicht zuletzt der ehemalige Stadtarchivar Werner Perlinger sein Fachwissen eingebracht. Dieses Buch ist die vierte Veröffentlichung des Vereins „Chodsko žije!“ („Chodenland lebt!“) und kostet 15 Euro. Bemerkenswert ist, daß die Geschichte der Nachbarregionen erstmals in einem gemeinsamen zweisprachigen Buch aufgearbeitet wurde. In dem Vorwort heißt es: „Wir sind Nachbarn, und zwischen uns ist die Grenze. Ihr Verlauf zwischen dem heutigen Domažlice auf der tschechischen Seite und dem Landkreis Cham auf der bayerischen Seite
veränderte sich kaum. Was sich allerdings änderte, ist ihre Bedeutung. Die Grenze soll unsere Freiheit schützen, aber manchmal wirkte sie eher einschränkend. In guten Zeiten störte sie uns nicht auf dem Weg zur Arbeit, zu Freunden, zum Einkaufen oder zu weltlichen beziehungsweise religiösen Feiern. In schlechten Zeiten verhinderte sie unsere Kontakte, und viele Menschen starben beim Versuch, sie zu überwinden. Die Grenze war Zeuge von manchem Unrecht. Es liegt nur an uns, ob sie die Nachbarn künftig trennen oder verbinden wird.“ Obwohl das Buch noch nicht im Buchhandel ist, ist es ein Renner. Vorgestellt wurde es Mitte März auch vom Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee im Rahmen einer Online-Veranstaltung. Das schob den Verkauf nochmal an. Allein Karl Reitmeier brachte 400 Bücher an die Frau beziehungsweise den Mann. Anfragen dafür kamen bei ihm nach Veröffentlichungen in den Tageszeitungen und in dieser Zeitung sowie über Facebook aus dem gesamten Bundesgebiet, ja sogar aus Tschechien. Die Resonanz war überwiegend positiv. Erhältlich für 15 Euro plus Versand- und Portokosten bei Karl Reitmeier, Lengau 16, 93449 Waldmünchen, Telefon (0 99 72) 31 74, eMail k.reitmeier@tonline.de
Denisa Drahonská und Kristýna Pinkrová freuen sich über die zweite Auflage von „Achtung Grenze! Pozor Hranice!“.
TERMINE Freitag, 4. Juni, 14.00 Uhr, Heiligenkreuz: Gottesdienst mit Bischof Monsignore Tomáš Holub von Pilsen in der Pfarrkirche Zum Heiligen Kreuz. Gäste will-
kommen. Auskunft: Peter Gaag, Fridinger Straße 8, 70619 Stuttgart, Telefon (07 11) 4 76 07 25, Telefax 4 76 07 26, eMail peter. gaag@t-online.de
Ortsbetreuerecke
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erzlich gratulieren wir im Mai Marta Klement, Ortsbetreuerin von Sirb und Rouden, am 7. zum 90. Geburtstag; Anna Bayerl, ehemalige Ortsbetreuerin von Wottawa, am 10. zum 100. Geburtstag; Günter Gröbner, Kreisrat, am 13. zum 78. Geburtstag; Josef Willard, ehemaliger Mitarbeiter von Schüttwa, am 20. zum 89. Geburtstag; Josef Urban, Ortsbetreuer von Münchsdorf,
am 22. zum 90. Geburtstag; Peter Pawlik, Heimatkreisbetreuer, am 27. zum 64. Geburtstag und Franz Vogl, Ortsbetreuer von Sichrowa, Pscheß, Garassen und Holubschen, am 31. zum 88. Geburtstag. Wir wünschen noch viele Jahre in guter Gesundheit und danken für die tatkräftige Mitarbeit. Peter Gaag Stellvertretender Heimatkreisbetreuer
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 18 | 7. 5. 2021
Heimatbote für den Kreis Ta<au
Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
� Pater Jaroslav Baštář berichtet über zwölf Jahre im Grenzgebiet – Teil II
Neuanfang in Neustadtl In diesem zweiten Teil schildert Pater Jaroslav Baštář seinen Umzug nach Stebusowes in Mittelböhmen und von Stebusowes nach Neustadtl im historischen Egerland.
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Das Tachauer Heimatmuseum Heimat – Vertreibung – Integration im Kulturzentrum Hans Bauer in Weiden. Bild: Karin Wilk
� 32. Heimatkreistreffen 2021
Einladung Z
um 32. Tachauer Heimatkreistreffen vom 28. bis 29. August lädt Wolf-Dieter Hamperl, Heimatkreisbetreuer und Vorsitzender des Heimatkreisvereins, alle Orts-, Markt- und Stadtbetreuer in die Patenstadt Weiden in der Oberpfalz ein. Das Programm: n Samstag, 28. August: 8.00 Uhr Abfahrt nach München zum Besuch des Sudetendeutschen Museums; 18.00 Uhr gemütliches Beisammensein mit Egerländer Wirtshausmusik im Gasthof Ratskeller in Weiden. n Sonntag, 29. August: 9.00 Uhr Totengedenken mit Kranzniederlegung am Tachauer Gedenkstein in der Kurt-Schumacher-Allee; 10.15 Uhr Versammlung der Mitglieder des Heimatkreisvereins mit Neuwahlen im Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a; 12.00 Uhr dort Ausstellungseröffnung; 13.00 Uhr Mittagessen auf Einladung der Patenstadt im Ratskeller. Anmeldung: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl@online.de
WIR GRATULIEREN Wir gratulieren den treuen Abonnenten des Tachauer Heimatboten zum Geburtstag im Mai und wünschen alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen. n Tachau. Am 22. Josef Bauer (Tummelplatz), Bliensbacher Straße 27, 86637 Wertingen, 91 Jahre. Gernot Schnabl Stadtbetreuer n Haid. Am 6. Liesl Blum/ Schneider (Ring 97, Gasthaus Sängerheim) in Bad Neustadt an der Saale, 85 Jahre. Felix Marterer Stadtbetreuer n Altzedlisch. Am 17. Erika Pflug/Gebert (Räisnbauer), Höl-
derlinstraße 4, 88453 Erolzheim, 79 Jahre. Sieglinde Wolf Marktbetreuerin n Ratzau. Am 5. Anna Maria Conley/Markel (Neubauer), Höllbergstraße 28, 60431 Frankfurt, 76 Jahre. Johann Marschick Ortsbetreuer n Schossenreith. Am 26. Ernst Kreuzer, Scratostraße 24, 89407 Dillingen, 86 Jahre. Josef Magerl Ortsbetreuer n Hesselsdorf. Am 2. Veronika Majowski (Koschperer), Brunnenweg 6, 35394 Gießen, 81 Jahre. Anni Knarr Ortsbetreuerin
TERMINE n Sonntag, 1. August, 10.00 Uhr, Neulosimthal: Gottesdienst an-
läßlich des Sankt-Anna-Festes mit Monsignore Andreas Uschold in Georgenberg-Hinterbrünst am Gedenkstein beim Kastanienhof. Bereits am Vorabend gemütliches Beisammensein. Auskunft: Albert Kick, Faislbach 5, 92697 Georgenberg, Telefon (0 96 58) 3 15.
Ortsbetreuerecke
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erzlich gratulieren wir im Mai Traudl Gregor, Stadtbetreuerin von Pfraumberg, am 3. zum 73. Geburtstag; Marianne Gäbler, Ortsbetreuerin von Labant, am 4. zum 85. Geburtstag; Erwin Hamperl, Ortsbetreuer von Walk, am 5. zum 79. Geburtstag; Berta Weis, frühere Ortsbetreuerin von Neuhäusl, am 15. zum 81. Geburtstag; Anna Knarr, Ortsbetreuerin von Hesselsdorf, am 22. zum 93. Geburtstag und Anton Schwegler, Ortsbetreuer von Pernatitz, am 23. zum 90. Geburtstag. Wir wünschen alles erdenklich Gute, Gesundheit sowie Gottes Segen und danken für alle Arbeit für unsere Heimat. Sieglinde Wolf Stellvertretende Heimatkreisbetreuerin
n dem Tag, als mir der Brief des Kirchenamtes in der Pfarrei Stebusowes bei Wlaschim zugestellt wurde, war ich mit meiner Mutter in Prag. In Stebusowes trat ich die Stelle als Administrator am 26. April 1947 an. Die Pfarrei war klein, gemütlich, aber brauchte einiges an Reparaturen. Genauso die Pfarrkirche Sankt Anna. Während des Sommers ließ ich die Kirche und die Pfarrei streichen, in der Kirche wurde elektrisches Licht installiert. Die Arbeiten waren erledigt, die Kirche und die Pfarrei waren herausgeputzt. Weihnachten stand vor der Tür. In einer Zeit, in der man endlich in Ruhe in der renovierten Pfarrei sitzen konnte, erhielt ich die Nachricht von meiner Versetzung nach Neustadtl. Die Versetzung war so hastig angeordnet worden, daß nicht einmal der für Stebusowes zuständige Erzbischöfliche Vikar Pater František Kopecký in Chotýšany auf diese Personaländerung in seinem Vikariat vorbereitet war. Noch vor Weihnachten fuhr ich mit meiner Mutter nach Neustadtl, um meine zukünftige Wirkungsstätte kennenzulernen. Schließlich drängte Prag auf einen baldigen Arbeitsantritt. Da es Winter war und der Schnee den Umzug verhindern könnte, wurde uns gesagt, daß die Neustädtler Pfarrei möbliert sei. Wir sollten vorerst nur das Wichtigste mitnehmen und den Rest in Stebusowes einlagern. Der Weg in das entfernte und unbekannte Neustadtl war lang und dauerte fast einen ganzen Tag. In der Früh fuhren wir mit Mietwagen durch Schneeverwehungen zum Bahnhof in Katzow, von dort mit dem Zug über Prag, Mies und Haid nach Neustadtl. Wir kamen um sieben Uhr abends an. Die ersten Neustadt-
ler trafen wir in der Bahnhofshalle in Haid. Das waren nur junge Menschen. Mit dem Zug fuhren wir nach Neustadtl. Aus der Dunkelheit traten schwach beleuchtete Gebäudeumrisse hervor. Überall war es still. Das war eine völlig andere Welt, eine dünn besiedelte Ortschaft im Grenzgebiet. Bereits in Haid hatte uns der Neustädtler Siedler Josef Beran angesprochen. Er wurde für den restlichen Abend unser Begleiter. Eine schöne Überraschung war, daß in Neustadtl Schwe-
großes Tor traten wir in die dunkle Küche. Dort standen Stühle, ein alter Tisch und ein morscher Egerer Ofen. Genauso finster waren das Treppenhaus im ersten Stock und der lange Flur. Zwei Zimmer hatte die Kommission des Örtlichen Nationalausschusses versiegelt. Die übrigen Zimmer waren leer, nur hier und da ein Möbelstück. Als Büro diente ein großes Zimmer im ersten Stock. Dort durchbrach zum ersten Mal ein Geräusch die beklemmende Stil-
Die Neustadtler Pfarrkirche Sankt Wenzel.
stern vom Heiligen Kreuz waren. Unser erster Weg führte zu ihnen. Die Begegnung war kurz, aber aufrichtig. Zwei Schwestern waren Deutsche, die dritte – Schwester Kasidla – war Tschechin. Die Nacht wollten wir in der – vermeintlich möblierten – Pfarrei verbringen. Doch die war völlig leer. Pfarrer Josef Böhr soll die Möbel 1947 nach Deutschland mitgenommen haben. So statteten wir an diesem Abend der Pfarrei nur einen Besuch ab und nahmen die Gastfreundschaft der Kreuzschwestern in Anspruch. Zur Pfarrei begleitete uns Josef Beran, der ein Gewehr besaß. Später vertraute er uns an, dieses absichtlich nicht abgegeben zu haben. Das kaum beleuchtete Pfarrgebäude ragte gegenüber der Kirche hervor. Es wirkte beklemmend und fremd. Durch ein
le. Das Pendel einer Wanduhr tickte und zählte die Sekunden. Auch auf der Straße herrschte dunkle Stille. Wir kehrten zu den Schwestern zurück. Nach einem bescheidenen Abendmahl begaben wir uns zur Nachtruhe. Das erste Mal im Grenzgebiet. In der Früh feierte ich Heilige Messe für die Schwestern in der Heilig-Kreuz-Kapelle. Mit Frau Froňková, die im Haus gegenüber wohnte, sahen wir uns am Vormittag die Pfarrkirche an. Wir erfuhren, daß Neustadtl außer der Pfarrkirche Sankt Wenzel noch die Filialen Heiliggeistkirche und die Johannes dem Täufer gewidmete Kirche auf dem Friedhof habe. Die Pfarrei wirkte selbst bei Tageslicht verödet. Man sah ihr an, daß sie in den letzten Kriegstagen noch beschossen wor-
den war. Selbst die Kirche hatte Schußspuren. Um elf Uhr machten wir uns auf den Rückweg. Die Nacht verbrachten wir in Kladen, wo die Nachricht von unserem Umzug alle überraschte. Wir hatten alles abgewogen, doch die Realität ließ sich nicht ändern. Wir versuchten nun, die positiven Seiten der neuen Wirkstätte in Betracht zu ziehen. Schon vorher war uns klar, daß Stebusowes trotz unserer Zufriedenheit nicht eine dauerhafte Stätte meines Wirkens sein konnte. Die jungen Menschen dieser kleinen Siedlung versuchten, in Prag oder in anderen Städten Halt zu finden. Stebusowes war eine aussterbende Pfarrei mit alten Menschen. Dennoch wollten wir nichts übereilen. Irgendwann hätte ich mich um eine andere Stelle bemüht, auch deshalb, weil die Wege in die Schulen und Filialkirchen im hügeligen Gelände umständlich waren. Die plötzliche Versetzung nach Neustadtl kam unerwartet. Weihnachten in Stebusowes war wunderschön. Das waren unsere ersten und letzten Weihnachtstage dort. Schwierig war, die Stebusoweser zu überzeugen, daß wir nicht freiwillig gingen. Mitte Januar 1947 begann der Umzug. Am Nachmittag vor dem Umzugstermin verließ ich Stebusowes und übernachtete bei Pater Alfred Sedláček in Hostiwar. In der Früh fuhren wir mit Miluška und den anderen Helfern nach Neustadtl. Währenddessen wurde in Stebusowes das Mobiliar verladen. Meine Eltern fuhren mit dem Umzugswagen über Beneschau, Prag und Pilsen nach Neustadtl. Sie kamen nach zehn Uhr abends an. Als ich mit dem Nachmittagszug Neustadtl erreichte, hörte ich auf dem Weg vom Bahnhof die Kirchenglocke. Ich nahm an, es sei die Sterbeglocke. Es war aber ein Willkommensgruß. Das hatte ich nicht erwartet. Die Neustädtler begrüßten mich auch mit grünen Girlanden über den Kirchen- und Pfarreitüren. Fortsetzung folgt
� Paulusbrunn
Vandalen demolieren Infotafeln Die beiden Tafeln in deutscher und tschechischer Sprache, die nahe des ehemaligen Hofs der Familie Eckert, des Schmuckerhofs, stehen und an die Vertreibung erinnern, wurden mit Hammerschlägen demoliert, die Schrift wurde zerkratzt.
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in zweisprachiges Blatt mit folgendem Wortlaut wurde angebracht: „An alle Wanderer auf dem Böttgerweg! Teile der Tafel wurden in feiger Absicht mutwillig zerstört. Diese Zerstörung richtete sich nicht an die Schmuckerhof-Tafel und die Familie Eckert. Sie richtete sich an Václav Havel, den ersten Präsidenten der Tschechischen Republik nach der Grenzöffnung 1989.“ Ich stelle aber auch fest, daß der Text zur Vertreibung der Paulusbrunner teilweise zerkratzt worden ist. Traurig, daß in unserem Nachbarvolk dieser Vandalismus noch Ausdruck der Auseinandersetzung ist. Heuer jährt sich die Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat zum 75. Mal. Die übrigen Tafeln am Böttgerweg blieben unversehrt. Wolf-Dieter Hamperl