Exklusiv-Interview mit Ex-Außenminister Tomáš Petříček (Seite 4 und 5)
Sudetendeutsche Zeitung Neudeker Heimatbrief
Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 73 | Folge 21 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 28. Mai 2021 „Völkerverbindend“
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Fußball-Geschichte
Der DFC Prag war der erste deutsche Vizemeister S. 9
Ignaz Sichelbarth
Der Jesuit aus Neudek als Missionar in China S. 16
Eine historische Wahl in schwierigen Zeiten: Zum ersten Mal in der sudetendeutschen Geschichte sind pandemiebedingt die Wahlen zur XVII. Bundesversammlung weitestgehend als Briefwahlen abgelaufen. Nach der Auszählung der Stimmen hat der Bundeswahlleiter Peter Pawlik am Dienstag das Endergebnis festgestellt.
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ährend in Niedersachsen, Hamburg und Mittelfranken bei Präsenzterminen gewählt wurde, stimmten die Delegierten der anderen Landes- und Bezirksgruppen per Briefwahl ab. In das 74köpfige Gremium zogen 20 Frauen ein, der höchste Frauenanteil in der Geschichte der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Jüngstes Mitglied in der Bundesversammlung ist Hagen Novotny. Der Diplom-Finanzwirt aus Griesheim in Hessen ist Jahrgang 1979. Seine Familie stammte aus Komotau. Als ältester Angehöriger der Erlebnisgeneration wird Franz
Die Bundesversammlung ist das oberste Organ der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Das Bild zeigt das Treffen im Jahr 2018. Bild: Herbert Fischer Longin wieder in der Bundesversammlung vertreten sein. Der ehemalige baden-württembergische Landtagsabgeordnete ist Jahrgang 1933 und stammte aus Wenkerschlag. Die Sudetendeutsche Bundesversammlung ist das oberstes Organ der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Die Legislatur beträgt vier Jahre. Von den 74 Mandaten wurden zwölf Manda-
te über die Bundesliste vergeben, 38 Mandate über die Gebietsgliederung (Sachsen-Anhalt und das Saarland blieben unbesetzt) sowie 24 Mandate über die Heimatgliederung. Hinzu kommen fünf Vertreter der Sudetendeutschen Jugend, die mit Stimmrecht in die Bundesversammlung kooptiert werden, sowie vier Vertreter der Sudetendeutschen Landesmannschaft in Österreich, die
Jiřina Šiklová verstarb am 22. Mai.
nur bei der Sprecherwahl stimmberechtig sind. Maßgeblich bei der Gebietsgliederung sind die Mitgliederzahlen in den verschiedenen Regionen Deutschlands. Historisch bedingt ist Bayern dabei aktuell mit 21 Mandaten am stärksten vertreten und stellt Vertreter aus allen Regierungsbezirken. Alle vier Jahre wählt die Sudetendeutsche Bundesversamm-
lung gemeinsam mit maximal 34 Vertretern der Arbeitsgemeinschaft sudetendeutscher Vereinigungen den „Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe“. Seit 2008 hat dieses Amt Bernd Posselt inne. Als oberster Repräsentant vertritt der Sprecher alle Sudetendeutschen und nimmt deren politische Vertretung wahr. Die Bundesversammlung der SL wählt außerdem den Bundesvorstand und den Bundesvorsitzenden. Bernd Posselt war bereits von 2000 bis 2008 Bundesvorsitzender und ist es seit 2014 erneut. Die Bundesversammlung besetzt zudem weitere wichtige SLPositionen und entscheidet unter anderem über den Haushalt der SL. Laut Satzung tritt die Bundesversammlung einmal im Kalenderjahr zu einer ordentlichen Sitzung zusammen. Die nächste Bundesversammlung findet am Samstag, 26., und Sonntag, 27. Juni, in München statt. Die Wahlergebnisse lesen Sie auf den Seiten 8 bis 11. TF
� Petr Arenberger stolpert über Eigentumserklärung
� Initiatorin der Charta 77
Gesundheitsminister tritt nach nur sieben Amts-Wochen zurück
Trauer um Jiřina Šiklová Im Alter von 85 Jahren ist Jiřina Šiklová, Mitunterzeichnerin der Charta 77, am vergangenen Samstag in Prag verstorben.
Kurzes Gastspiel: Am 7. April 2021 ist Petr Arenberger als Gesundheitsminister vereidigt worden, am 25. Mai 2021 trat der Mediziner und Hochschullehrer zurück. Nachfolger wird VorVor-Vorgänger Adam Vojtěch, der erst im September 2021 seinen Hut als Gesundheitsminister nehmen mußte und jetzt als fünfter Gesundheitsminister seit Beginn der Pandemie ins Amt zurückkehrt.
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ie ehemalige Dissidentin war zunächst von 1956 bis 1969 Mitglied der Kommunistischen Partei, um sich, wie viele Mitstreiter, von innen für Reformen einzusetzen. Nach 1968 kam Šiklová zum Entschluß, daß dies eine Sackgasse ist und engagierte sich als Unterzeichnerin der Charta 77 für die Opposition. Ihr Protest endete 1980 mit einer einjährigen Gefängnisstrafe. In ihrem Leben hat sie für den Aufbau der Demokratie viel geleistet. So war sie in Prag die Partnerin von Vilém Prečan, der im Exil auf dem Schloß Schwarzenberg mit der Hilfe des Fürsten Karl Schwarzenberg eine Bibliothek der oppositionellen Literatur aufgebaut hatte. Als Soziologin hat Šiklová nach 1989 auch zur Reform des Hochschulunterrichts beigetragen. Ihre direkte und witzige Art der Kommunikation war eine ihrer Stärken. Ihre Gedanken über die Soziologie und über den Feminismus haben sie zu einer zentralen Figur der wissenschaftlichen Debatten gemacht. Von ihren Freunden wurde sie immer mit dem Diminutiv angesprochen: Jiřinka – sie war recht klein, aber historisch hat sie eine große Spur hinterlassen. Jaroslav Šonka
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Bundesversammlung: So haben die Sudetendeutschen gewählt
KURSE
Märtyrer vor 300 Jahren selig gesprochen Seite 3
Postvertriebsstück · Deutsche Post AG · Entgelt bezahlt Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH · Hochstraße 8 · D-81669 München · eMail zeitung@sudeten.de
� Bundeswahlleiter Peter Pawlik stellt Endergebnis fest – alle Wahlergebnisse auf den Seiten 8 bis 11
Bezirketagspräsident lobt Heimtpflege Seite 2
Johannes von Nepomuk
VOLKSBOTE
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Zeugnisse der Vertreibung: Klaus Mohr zeigt einen Teil der Tassen- und Gläsersammlung, die im Depot des Sudetendeutschen Museums aufbewahrt wird.
� Leiter der Musealen Sammlung stellt im Heimatrat neues Filmprojekt vor
Klaus Mohr: „Bei uns geht kein Erinnerungsstück verloren“ Im Heimatrat hat Klaus Mohr, Leiter der Musealen Sammlung des Sudetendeutschen Museums, seine Arbeit und ein neues Filmprojekt präsentiert. Die wichtigstes Botschaft: „Bei uns geht kein Erinnerungsstück verloren – oder wird gar weggeworfen“, so der Experte für Heimatsammlungen.
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lles, was man in die Sammlung aufnehme, zum Beispiel über eine Schenkung oder als Erbstück, werde kategorisiert, sorgfältig gelagert und verbleibe dauerhaft in der Sammlung, so Mohr: „Das gebietet allein schon der Respekt vor den Unterstützern.“ Wie das Depot des Sudeten-
deutschen Museums arbeitet und wie man die Arbeit der Experten unterstützen kann, erklärt Mohr in einem kurzen Film, der ab sofort auf dem YouTubeKanal „Die Sudetendeutschen“ unter dem Titel „Raum für Heimat – Zu Besuch im Depot des Sudetendeutschen Museums München“ zu sehen ist.
renberger stand seit Tagen wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in seiner Eigentumserklärung und bei Immobilientransaktionen unter medialem Druck. In seinem Statement zum Rücktritt versicherte Arenberger er- Petr Arenberger neut, daß seine Steuererklärungen völlig in Ordnung seien. Er habe nur „einen Fehler“ in der Eigentumserklärung gemacht, was zu „kreativen Spekulationen“ und einem „medialen Lynchen“ geführt habe. Arenberger hatte bis zu seinem Amtsantritt ein Prager Krankenhaus geleitet. Sein Nachfolger Vojtěch war bereits bis September 2021 Gesundheitsminister, mußte dann aber auf Grund der dramati-
schen Pandemieentwicklung seinen Hut nehmen. Auch Vojtěchs Nachfolger Roman Prymula und dessen Nachfolger Jan Blatný bekamen die Pandemie nicht in den Griff und mußten ihre Posten nach kurzer Zeit wieder räumen. Im Fokus der öffentlichen Kritik steht auch Justizministerin Marie Benešová. In der vergangenen Woche hatte die Initiative „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ zu einer Demonstration aufgerufen, zu der sich mehrere tausend Menschen auf dem Prager Wenzelsplatz zusammenfanden, um den Rücktritt der Ministerin zu fordern. Benešová wird vorgeworfen, sie habe den hochgeschätzten GeneralstaatsMarie Benešová anwalt Pavel Zeman aus dem Amt gedrängt. In einem Interview mit dem Magazin Respekt bestätigte Zeman diesen Vorwurf nur indirekt: „In den zehneinhalb Jahren, die ich im Amt bin, mußte ich großem Druck standhalten. Aber dieser Druck wurde in der Vergangenheit immer größer. Ich wollte aus eigenem Antrieb gehen – und nicht zu einer Art Geisel der Regierung werden.“ JŠ/TF