Sudetendeutsche Zeitung 17. September 2021 Ausgabe 37

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Brandenburg erinnert an Schicksale von Vertriebenen und Flüchtlingen (S. 2)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang

HEIMATBOTE

Jahrgang 73 | Folge 37 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 17. September 2021

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Prag

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Parteitag in Nürnberg

Zeman und Klaus im Krankenhaus

Vier Landsleute im CSU-Parteivorstand

Staatspräsident Miloš Zeman und der Ex-Staatspräsident Václav Klaus werden derzeit im Zentralen Militärkrankenhaus in Prag stationär behandelt.

Auch im neuen Parteivorstand der CSU sind die Heimatvertriebenen weiterhin stark vertreten.

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m Dienstag wurde Staatspräsident Miloš Zeman eingeliefert, bestätigte eine Sprecherin des Krankenhauses. Weitere Details gab die Präsidentenkanzlei nicht bekannt. Der 76 Jährige leidet an einer fortschreitenden Nervenkrankheit, einer Neuropathie, sowie an Diabetes und absolviert seit Monaten auch öffentliche Termine im Rollstuhl. Bereits seit dem Wochenende wird der ehemalige Präsident Václav Klaus behandelt. Der Grund, so sein Sprecher, seien gesundheitliche Probleme in Folge eines hohen Blutdrucks.

VOLKSBOTE

Auf dem CSU-Parteitag: Bernd Posselt, Josef Zellmeier, Sylvia Stierstorfer, Steffen Hörtler und Stephan Mayer.

uf dem Parteitag in Nürnberg wurden die Landtagsabgeordneten Sylvia Stierstorfer und Josef Zellmeier sowie der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer in das Führungsgremium der CSU gewählt. Stierstorfer, die sudetendeutsche Wurzeln hat, ist seit März 2018 Beauftragte für Aussiedler und Vertriebene der Bayerischen Staatsregierung. Zellmeier ist Vorsitzender des wichtigen Haushaltsausschusses und leitet die CSU-Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler, Partnerschaftsbeziehungen. Und Mayer, dessen Familie aus Böhmen stammte, ist seit März 2018 Par-

lamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat. Als Vorsitzender der Union der Vertriebenen gehört Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, dem Parteivorstand erneut kraft Amtes an. Außerdem wurden die Schirmherrschaftsministerin der Sudetendeutschen, Bayerns Familien-, Arbeits- und Sozialministerin Carolina Trautner, und MdB Bernd Fabritius in den Parteivorstand kooptiert. Fabritius ist zudem Präsident des Bundes der Vertriebenen sowie Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.

Es geht um EU-Subventionen, eine angebliche Entführung auf die Krim und die geistige Gesundheit des Juniors

Premierminister Andrej Babiš: Schlammschlacht mit dem Sohn Neuer Tiefpunkt in der öffentlichen Schlammschlacht zwischen Andrej Babiš Senior und

Andrej Babiš Junior – und dies mitten im Wahlkampf. Am Montag hat der Sohn des tschechi-

schen Premierministers sechs Stunden bei der Polizei gegen seinen Vater ausgesagt, nach-

dem er bereits am Donnerstag mehrere Stunden lang vernommen worden war.

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ch möchte nicht Teil eines Betrugs sein“, sagte Babiš Junior nach der Vernehmung zu den Journalisten, ohne jedoch weitere Details zu nennen. Aus dem Umfeld des Vaters heißt es dagegen, der Junior leide an einer psychischen Erkrankung. Die Schlammschlacht zwischen Vater und Sohn schwelt seit Jahren. Auslöser sind Ermittlungen rund um EU-Subventionen für das Wellness-Ressort Storchennest in der Nähe von Prag. Babiš und ein früheres Mitglied des Storchennest-Vorstandes stehen im Verdacht, für den Bau des Luxusressorts im Jahr 2008 unbefugt EU-Subventionen in Höhe von knapp zwei Millionen Euro angenommen zu haben – Geld, das eigentlich für kleine und mittelständische Unternehmen bestimmt war. Die tschechischen Ermittler vermuten, daß das Storchennest auch damals zum Großkonzern Agrofert gehört hat, der von Multi-Milliardär Babiš gegründet worden ist. Ist dem so, wären die Subventionen illegal gewesen. Seit Jahren wird in dieser Causa ermittelt. Und erst vor wenigen Tagen hatte ein als Zeuge befragter ehemalige Manager des Storchennestes seine früheren Aussagen aus den Jahren 2017 und 2018 revidiert und jetzt erklärt, das Luxusressort sei von 2009 bis 2011 direkt von Babiš, der damals Vorstandschef seines Konzerns Agrofert war, geleitet worden. Allerdings geht es bei dem angeblichen Subventionsbetrug um das Jahr 2008. Der heute 38jährige Babiš Junior, der eine Zeitlang als Beschuldigter geführt worden ist,

Das Wellness- und Konferenzhotel Storchennest in der Nähe von Prag. erklärte in einem Radio-Interview, das vor seinen Vernehmungen ausgestrahlt worden ist, sein Vater habe ihn als Strohmann mißbraucht, um die Subventionen zu erhalten. Er habe, so Babiš Junior, einen mehrseitigen Vertrag unterschreiben müssen, dessen Inhalt er nicht verstanden habe. Um an die EU-Subventionen zu kommen, soll der Senior die Immobilie pro forma aus dem Besitz seines Großkonzerns Agrofert auf ihn und seine Schwester, die ebenfalls aus der ersten Ehe stammte, sowie auf die zweite Ehefrau übertragen haben. Nach dem Ende des EU-Monitorings für diese Subvention sei das Storchennest wieder zurück in die Agrofert-Holding eingegliedert worden.

Als es dann zum Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn kam, habe man ihn, so der Junior, „aus dem Verkehr gezogen“ und auf die Krim gebracht. Er sei, so erzählt der Junior, von Leuten seines Vaters vor die Wahl gestellt worden, entweder in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen zu werden oder eine Weile „in Urlaub“ zu gehen. Da habe er sich für den Urlaub entschieden. Begleitet worden sei er dabei von einem Angestellten seines Vaters, der wiederum der Ehemann der Psychiaterin ist, die beim Sohn eine psychische Erkrankung diagnostiziert hatte. Ein Anruf von Babiš Junior bei der tschechischen Polizei wegen dieser angeblichen Entführung hatte damals keine Ermittlungen ausgelöst, da Babiš Junior in

Fotos: Čapí hnízdo/ Vláda ČR/Twitter Genf lebt und Schweizer Staatsbürger ist. Während der Sohn dem Vater dennoch immer wieder eine Entführung“ vorwirft, zeigen Bilder den Sohn, wie er auf der Krim wasserpfeifenrauchend die Abende verbrachte Die erste Ehefrau und Mutter des Juniors, Beatrice Babišová, bestritt dagegen, daß ihr Sohn von dessen Vater entführt worden sei. „Er wurde sicher nicht entführt“, sagte die in Genf lebende Frau gegenüber Journalisten. Babiš Junior sei auf die Krim gereist, weil zu jener Zeit Journalisten in Prag starken Druck auf ihn ausgeübt hätten. Die Mutter: „Wir mußten einen Ort finden, an dem er neue Kraft gewinnen konnte. Mein Sohn steht unter Druck, was seine ohnehin fra-

gile Gesundheit beeinträchtigt. Ich habe Angst, daß sich sein Zustand verschlechtert.“ Babiš Junior, der zuvor als Berufspilot eine Boing 737 im Frachtverkehr geflogen ist, sei deshalb eine Zeitlang in einer Spezialabteilung des Universitätsspitals Genf behandelt worden: „Heute ist sein Zustand stabil, er wird ambulant behandelt. Er möchte ganz aufrichtig ein neues, normales Leben beginnen und friedlich in Genf arbeiten“, so die Mutter. Dennoch hatte Babiš Junior erst vor wenigen Tagen auf einer Wahlkampfveranstaltung seines Vaters in Aussig für einen weiteren Eklat gesorgt. Gefilmt von einem TV-Team des Reporters Vít Klusák stürmte der Junior die Bühne, stellte seinen Vater öf-

fentlich zur Rede und behauptete, gesund zu sein: „Papa, hallo, Vater, das ist Andrej Junior. Ich komme gerade vom Psychologen und habe einen gerichtlichen Sachverständigen, der mich untersucht hat. Wie ist es, mich zu sehen?“ „Wir wissen, wer ihn mißbraucht, aber ich möchte nicht darüber sprechen“, sagte Babiš anschließend und fügte hinzu, er habe sich immer gut um seinen Sohn gekümmert, habe ein reines Gewissen und bedauere die Situation. Unterstüztung bekam der Premierminister dabei auch von Staatspräsident Miloš Zeman. „Der Präsident der Republik, Miloš Zeman, verurteilt die Aktivitäten des TV-Reporters Vít Klusák, der einen Auftritt des psychisch kranken Sohnes des tschechischen Ministerpräsidenten organisiert hat“, twitterte Präsidentensprecher Jiří Ovčáček am Samstag. Dies wiederum brachte Babiš Junior so in Rage, daß er den Präsidenten über Twitter öffentlich beleidigte und ihn der Lüge bezichtigte. Und auch TV-Reporter Klusák ging in den Angriff über und bestritt, für den Eklat in der Wahlkampfveranstaltung verantwortlich zu sein. Das Aufeinandertreffen von Vater und Sohn sei „ein reiner Zufall“ gewesen, behauptete TV-Reporter Klusák und sagte: „Ich organisiere in keiner Weise etwas. Und für den Sohn des Premierministers gibt es unabhängige Gutachten, die besagen, daß er nicht an einer psychischen Störung leidet.“ Fortsetzung folgt... Torsten Fricke


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