Sudetendeutsche Zeitung 8. Oktober 2021 Ausgabe 40

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Interview mit dem sudetendeutschen Künstler Werner Reinisch (S. 3)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang

HEIMATBOTE

Jahrgang 73 | Folge 40 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 8. Oktober 2021 Bessere Zusammenarbeit

Trilaterales Gespräch am Dreisessel Zu einem trilateralen Gespräch haben sich am Dienstag die bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales, Melanie Huml (CSU), der tschechische Außenminister Jakub Kulhánek (Sozialdemokraten) und die österreichische Bundesministerin für EU und Verfassung, Karoline Edtstadler (ÖVP), am Dreisessel im Bayerischen Wald getroffen.

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irekt an der Grenze zwischen Bayern und der Tschechischen Republik stand das Thema grenzüberschreitende Zusammenarbeit nach der Corona-Pandemie auf dem Programm. Weitere Themen waren der Jugendaustausch sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Kommunalverwaltung. In einem Interview mit der Sudetendeutschen Zeitung hatte Melanie Huml dieses Treffen bereits im August angekündigt. Außerdem steht im NoMelanie vember wieder Huml die bayerischtschechische Regierungskommission auf dem Programm. Bereits im Vorfeld sollen dabei erstmals kommunale Jakub Vertreter aus Kulhánek dem bayerischtschechischen Grenzgebiet in die Vorbereitung mit eingebunden werden. Als großes Projekt soll außerdem die duKaroline ale Ausbildung Edtstadler verbessert und Auszubildenen mehr Möglichkeiten geboten werden, im jeweiligen Nachbarland nicht nur praktische Erfahrungen zu sammeln, sondern auch die Sprachkompetenz zu verbessern. Melanie Huml: „Über die Sprache kommt die Völkerverständigung.“

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Enthüllungen direkt vor den tschechischen Parlamentswahlen

Pandora Papers: Druck auf Premierminister Andrej Babiš Die neuen Vorwürfe gegen Premierminister Andrej Babiš (Ano) kommen für ihn zur Unzeit: Am heutigen Freitag und morgigen Samstag finden in der Tschechischen Republik die Parlamentswahlen statt.

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nter dem Namen Pandora Papers hatte das Internationale Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) knapp zwölf Millionen geheime Dokumente ausgewertet, die dubiose Geldflüsse über Offshore-Konten aufdecken. Unter den Personen, denen zweifelhafte Geldtransaktionen vorgeworfen werden, ist auch Andrej Babiš.

2009, also zwei Jahre bevor Babiš die Bewegung Ano gründete und acht Jahre vor seiner Wahl zum Premierminister, hatte der Multi-Milliardär über ein kompliziertes Konstrukt aus Briefkastenfirmen auf den Britischen Jungferninseln, in den Vereinigten Staaten und in Monaco für 15 Millionen Euro ein Landgut im Süden Frankreichs gekauft. Auch wenn diese Enthüllung kurz vor der Wahl in der Tschechischen Republik hohe Wellen schlägt, gibt es derzeit noch keinen Beleg, daß diese Transaktion illegal war. „Ich habe nichts geklaut, die Gelder waren versteuert“, wehrte sich Babiš postwendend in einem

TV-Interview und sprach von einer gezielten Kampagne kurz vor der Wahl. Auch die tschechische Investigativ-Plattform Investigace.cz weist ausdrücklich darauf hin, daß es keinen Beweis dafür gebe, daß Babiš eine Straftat begangen habe, und daß man daher auch keinen solchen Vorwurf erhebe. „Das ist wie aus einem Lehrbuch für Geldwäsche“, zitiert dagegen die Süddeutsche Zeitung, die an der Auswertung der Pandora Papers beteiligt war, einen anonymen ehemaligen Finanzermittler, der die Unterlagen geprüft hatte. Für Babiš ist das nicht der erste Skandal. Um EU-Subventio-

nen für sein Wellness-Ressort Storchennest zu erhalten, hat er kurzzeitig die Immobilie aus seinem Konzern Agrofert ausgegliedert und unter anderem an seinen Sohn überrschrieben. Auch in diesem Fall steht noch nicht fest, ob eine Straftat vorliegt. Seit 2017 ermittelt die tschechische Justiz, ohne bislang Anklage erhoben zu haben. Ärger hat Babiš auch mit der EU. Der von ihm gegründete Milliarden-Konzern Agrofert erhielt allein 2014 und 2015 von der Europäischen Union Fördergelder in Höhe von insgesamt 92 Millionen Euro. Pikant: Zu der Zeit war Andrej Babiš Finanzminister. Die anschließende Übertra-

gung der Agrofert-Firmenanteile auf zwei Treuhand-Fonds sei, so seine Kritiker, nur fingiert. Babiš habe weiterhin faktisch die volle Kontrolle über Agrofert. Die Causa beschäftigt mittlerweile sogar die neugegründete EUStaatsanwaltschaft. Die tschechischen Wähler scheinen die vielen Skandale nicht abzuschrecken. Nach wie vor liegt die Babiš-Partei Ano in den Umfrage vor dem MitteRechts-Bündnis Spolu und der Mitte-Links-Koalition aus Piraten und Bürgermeisterpartein Stan. Allerdings: Der Vorsprung ist in den vergangenen Monaten deutlich geschrumpft. Torsten Fricke

Erstmals ist auch das Sudetendeutsche Museum dabei

Die lange Nacht der Münchner Museen Zum ersten Mal nimmt das Sudetendeutsche Museum an der traditionellen „Langen Nacht der Münchner Museen“ teil. Ebenfalls dabei sind das Haus des Deutschen Ostens und das Tschechische Zentrum.

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Lange Nacht der Münchner Museen: Das Tschechische Zentrum zeigt die Ausstellung UNES-C0 (oben), die den Massentourismus am Beispiel der Weltkulturerbestadt Krummau thematisiert. Mit dabei ist auch das Haus des Deutschen Ostens (unten links) und zum ersten Mal das Sudetendeutsche Museum. Fotos: Lubomír Stiburek/Fricke/HDO

ie „Lange Nacht der Münchner Museen“ hat seit über 20 Jahren ihren festen Platz im jährlichen Kalender der bayerischen Landeshauptstadt und findet in diesem Jahr am Samstag, 16. Oktober, statt. Von 18.00 bis 1.00 Uhr laden über 60 Museen, Sammlungen, Galerien, Kirchen, architektonische Schmuckstücke und besondere Orte zum nächtlichen Streifzug durch Kunst, Kultur, Naturwissenschaft und Technik. Das Sudetendeutsche Museum in der Hochstraße präsentiert neben der Dauerausstellung die Sonderausstellung „Von Böhmen in die Ardèche – Werner Reinisch – Neue Bilder“ (siehe auch Seite 3 und 7). Als besonderen Höhepunkt steht außerdem um 21.00 und 23.00 Uhr im Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses eine Perfor-

mance der Tänzerin und Choreografin Anastasia Kostner auf dem Programm. Unter dem Titel „Frauen schreiben Geschichte(n)“ lädt das Haus des Deutschen Ostens (Am Lilienberg 5) zu Lesungen mit den Autorinnen Sigrid Katharina Eismann (19.00 Uhr, „Das Paprikaraumschiff“), Ilse Hehn (20.30 Uhr „Roms Flair in flagranti“) und Ulrike Schmitzer (22.00 Uhr, „Die gestohlene Erinnerung“) ein. Das Tschechische Zentrum (Prinzregentenstraße 7) beteiligt sich mit der Ausstellung UNESCO der tschechischen Künstlerin Kateřina Šedá, die sich mit den negativen Auswirkungen des Massentourismus am Beispiel der Weltkulturerbestadt Krummau beschäftigt. Das Lange-Nacht-Ticket kostet 15 Euro zuzüglich Vorverkaufs- und Systemgebühren und gilt als Eintrittskarte für eine Person in alle beteiligten Häuser und als Fahrkarte für den MVV im Gesamttarifgebiet und die Sonderbusse. Das ganze Programm unter www.muenchner.de/ museumsnacht

Initiative des Volksgruppen-Sprechers Bernd Posselt zum 85. Geburtstag des 2011 verstorbenen Brückenbauers

Straßen nach Václav Havel benennen Tschechische Überschrift in der SdZ

Positive Resonanz in den Medien Breite Resonanz auf die tschechische Überschrift über ein Václav-Havel-Portrait in der Sudetendeutschen Zeitung.

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ogar die tschechische Nachrichtenagentur ČTK griff das

Thema auf, und mehrere Zeitungen berichteten ebenfalls positiv. Aus Anlaß des 85. Geburtstags von Václav Havel war erstmals in der Geschichte der Sudetendeutschen Zeitung eine Überschrift in Tschechisch erschienen.

Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, hat am 5. Oktober aus Anlaß des 85. Geburtstages des 2011 verstorbenen tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel gefordert, in deutschen Städten Straßen nach dem Bürgerrechtler und Brükkenbauer zu benennen.

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avel habe, so Posselt, als Bürgerrechtler entscheidend zum Sturz der kommunistischen Diktaturen beigetra-

gen, die deutsch-tschechische und sudetendeutsch-tschechische Aussöhnung vorangetrieben sowie kräftige Impulse für die europäische Einigung gesetzt. Zehn Jahre nach seinem Tod sei er noch so etwas wie der „ungekrönte König einer europäischen Bürgergesellschaft, die grenzüberschreitend friedlich und kreativ zusammenlebt“. Insbesondere München ist nach Ansicht Posselts „verpflichtet, eine Straße, die dieser großen Persönlichkeit würdig ist,

nach Havel zu benennen“. Der bayerischen Landeshauptstadt habe 1990 der erste Auslandsbesuch des neu geVaclav Havel wählten Dichterpräsidenten gegolten, hier sei während der Zeit der Teilung Europas die Hauptstadt des tschechischen Exils gewesen, darunter viele Verwandte und Freunde von Ha-

vel, und nirgends sonst lebten so viele aus den böhmischen Ländern vertriebene Sudetendeutsche und ihre Nachkommen. In Bonn ist bereits 2019 ein Platz nach Václav Havel benannt worden. Als erste Stadt weltweit hatte Danzig nur vier Tage nach dem Tod des Dichterpräsidenten am 19. Dezember 2011 eine Straße auf den Namen Václav Havel getauft. Und in Prag trägt seit Oktober 2012 der internationale Flughafen den Namen dieses großen Europäers.


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