Sudetendeutsche Zeitung 3. Dezember 2021 Ausgabe 48

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„Johnny“-Klein-Preis: Vermächtnis für eine bessere Zukunft (Seite 9)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung 160. Jahrgang

HEIMATBOTE

Jahrgang 73 | Folge 48 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 3. Dezember 2021 Union der Vertriebenen

Weichen für 2022 gestellt Bei einer Arbeitsklausurtagung hat der Landesvorstand der Union der Vertriebenen (UdV) unter der Leitung des langjährigen CSU-Europaabgeordneten und Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, die Weichen für das Jahr 2022 gestellt.

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ie UdV wird sich 2022 insbesondere der Themenfelder Volksgruppen und Volksgruppenrechte annehmen. Dabei sprach sich der Landesvorstand für ein internationales Verbot von Vertreibung und Zwangsassimilierung aus. Hier bedürfe es präziser Rechtsbegriffe. Um diesem Bereich mehr Gewicht und Gehör zu verschaffen, werde man ein UdV-Expertengespräch ins Leben rufen. Damit einhergehend werde man sich für eine Schärfung des außenpolitischen Profils der CSU einsetzen. Der Landesvorstand war sich einig, daß es eine gelingende bayerische und deutsche Außenpolitik nur in der Gemeinschaft von ost- und mitteleuropäischen Staaten geben kann. Insgesamt sieht die Spitze der UdV eine allgemeine und klare Verpflichtung zur Wahrung der kulturellen Vielfalt von Minderheiten. Deshalb müsse es eine klare rechtliche Verankerung traditionell ansässiger Minderheiten geben. Die UdV werde sich als politische Gliederung weiterhin für die erfolgreiche EU-Bürgerinitiative Minority Safepack einsetzen, der sie und die CSU als Partei beigetreten sind.

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Gerüchte über den nachhaltigen Kontakt zu Bernd Posselt als Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe

Premierminister Fiala im Fadenkreuz der Verschwörungstheoretiker

Es war die ungewöhnlichste und schnellste Ernennung eines Regierungschefs in der tschechischen Geschichte: Wegen einer akuten Coronainfektion saß der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman am Sonntag in einem Käfig aus Plexiglas, um Petr Fiala (ODS) als neuen Premierminister zu vereidigen. Die Zeremonie dauerte nur fünf Minuten. Und nach Zemans Unterschrift wurde die Ernennungsurkunde erst einmal desinfiziert.

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ie Tschechische Regierung hat damit seit Sonntag zwei Regierungschefs, denn erst nach der Vereidigung aller Minister kann Fiala die politische Führung des Landes übernehmen. Zeman kündigte an, die Einzelgespräche mit den 17 designierten Ministern bis zum 13. Dezember abzuschließen. Ob das Staatsoberhaupt einem Kandidaten die Zustimmung verweigern kann, ist in der tschechischen Politik hoch umstritten. Ein möglicher Streitpunkt könnte dabei die geplante Ernennung von Ivan Bartoš, dem Chef der Piraten, zum Außenminister werden. Mit Spannung verfolgt die tschechische Öffentlichkeit nicht nur die Regierungsbildung in Prag, sondern auch die im 350 Kilometer entfernten Berlin. Der Grund: Die gegensätzliche Energiepolitik, die sich jetzt mit der Beteiligung der Grünen an der Bundesregierung vergrößern dürfte. „Wenn wir aus der Kohle aussteigen, haben keine andere Wahl als die Atomkraft“, mahnt

Petr Fiala (links) bei der Vereidigung zum neuen Premierminister der Tschechischen Republik.

Bernd Posselt (links) und Petr Fiala (2. von links) beispielsweise Fialas Parteikollege Jan Zahradil auf Twitter und spricht dabei von einer „radikal grünen, atomkraftfeindlichen Agenda“, die dem tschechischen Energiemix grundlegend widerspreche. Der EU-Abgeordnete: „Eine grüne Politik, die die Bevölkerung finanziell belastet und

sie dadurch verarmt, ist inakzeptabel.“ Mit Frankreich habe Tschechien in der EU aber einen starken Partner für die Atomkraft an der Seite, so Zahradil, der darauf verweist, daß die beiden Länder 2022 nacheinander für jeweils sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Quo vadis, Vertriebenenpolitik? Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „bietet gute Ansätze, läßt aber entscheidende Fragen offen“, lautet das Fazit von Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen.

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Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte) mit seinen Koalitonären auf dem Weg zur Vorstellung des Koaltionsvertrages. Foto: Twitter Härtefallfonds auch für rentenrechtlich benachteiligte Spätaussiedler einführen: „Diese Gerechtigkeitslücke muß dringend geschlossen werden.“ Fabritius versichert gleichzeitig, man werde mit der neuen Führung des Bundesinnenministeriums und den anderen Ressorts „den jahrzehntelangen, gu-

ten und vertrauensvollen Dialog zur verständigungspolitischen Arbeit als Brückenbauer im Verhältnis zu unseren Nachbarstaaten fortsetzen“. Positiv sei, so Fabritius, daß einige menschenrechtliche Forderungen des BdV aufgegriffen wurden und die Bekämpfung von Fluchtursachen als ein wich-

Fotos: Twitter

Präsident Miloš Zeman ist corona-positiv.

Bund der Vertriebenen bewertet den Koalitionsvertrag der rot-grün-gelben Bundesregierung

an erwarte von der neuen Regierung, „daß der Bund der Vertriebenen und seine Mitgliedsorganisationen, aber auch die vielen weiteren Institutionen und zahllosen Ehrenamtlichen in unserem Bereich ihre wichtige Arbeit auch zukünftig fortsetzen können“, so Fabritius, der aber positiv bewertet, daß sich die Ampel-Koalition „ausdrücklich hinter das kulturelle Erbe der Vertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler“ stellt. Kritisch sieht Fabritius, „daß deutsche Minderheiten in den Heimatgebieten im neuen Koalitionsvertrag leider nicht adressiert“ werden. Außerdem mahnt der BdVPräsident, die neue Koalition solle „den sozialpolitischen Impuls der letzten Bundesregierung“ aufnehmen und einen

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tiges politisches Ziel formuliert ist. Der BdV-Präsident: „Jeder Einsatz in diese Richtung ist für den BdV ein wichtiger Schritt zur Umsetzung des Rechts auf die Heimat, das wir von Beginn unserer Arbeit an fordern. Darüber hinaus bleibt ein internationales, strafbewehrtes Vertreibungsverbot nötig.“

Auch die von der neuen Bundesregierung favorisierte Stärkung der EU lehnt der ODS-Europapolitiker entschieden ab und warnt vor einer Eiszeit zwischen Berlin und Prag. Jan Zahradil: „Trotz des traditionellen Geredes über die ausgezeichneten Beziehungen zu unserem größten Nach-

barn und anderer Worthülsen sollten wir uns auf eines vorbereiten: Die tschechisch-deutschen Beziehungen werden sich verschlechtern. Nicht, weil wir es wollen oder wünschen, aber entweder ist man für Kernenergie oder nicht, entweder für die europäische Föderation oder nicht, entweder für Migration oder nicht. Hier gibt es keinen Raum für Kompromisse.“ Während Zahradils Rundumschlag auch in Berlin aufmerksam zur Kenntnis genommen wird, sind die angeblichen Enthüllungen, die von altkommunistischen Verschwörungstheoretikern verbreitet werden, eher skurril. So wird Fiala vorgeworfen, er habe über sein früheres paneuropäisches Engagement nach wie vor Kontakt zu Bernd Posselt, dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe. „Seine Beziehungen zu B. Posselt blieben jedoch über Jahrzehnte hinweg bestehen. Sie korrespondieren sogar miteinander“, schreibt Ogňan Tuleškov, ein ehemaliger Abgeordneter und Ex-Spitzel des tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienstes StB, in dem bei Verschwörungstheoretikern beliebten Medium České národní listy und unkt, Fiala und „andere Freunde der sudetendeutschen Sache“ würden einen Systemwechsel vorbereiten – was auch immer damit gemeint sein soll. Als Beleg hat Tuleškov ein altes Foto veröffentlicht, das unter anderem Fiala, Posselt und Otto von Habsburg zeigt. Torsten Fricke

Auszüge aus dem Koalitionsvertrag „Wir setzen den geplanten Fonds aus der 19. Wahlperiode zur Abmilderung von Härtefällen aus der Ost-WestRentenüberleitung auch für jüdische Kontingentflüchtlinge und Spätaussiedler um.“ (Seite 74) „Die nationalen Minderheiten – die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma sowie das sorbische Volk – sind selbstverständlicher Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Das gleiche gilt für das kulturelle Erbe der Vertriebenen, Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler.“ (Seite 118) „Die Initiative Minority Safepack unterstützen wir proaktiv und setzen sie in Deutschland um. Projekte für den Erhalt und die Entfaltung der Minderheiten, ihrer Sprachen und Kultur bauen wir aus.“ (Seite 121) „Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung und den Verpflichtungen, die sich aus dem Grundgesetz, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen

Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Europarecht ergeben, um Geflüchtete zu schützen und Fluchtursachen zu bekämpfen.“ (Seite 138) „Die Migrationsberatung des Bundes (Jugendmigrationsdienste, Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderinnen und Zuwanderer) und die Migrantenselbstorganisationen werden wir angemessen fördern. Für eine schnelle und nachhaltige Arbeitsmarktintegration werden wir die auf den Integrationskursen aufbauenden Berufssprachkurse stärker fördern und die Mittel verstetigen.“ (Seite 139) „Wir wollen die Ursachen von Flucht angehen, damit Menschen in Sicherheit und Würde leben können. Wir werden zudem die ausbeuterischen Verhältnisse auf den Fluchtwegen und Schleuserkriminalität bekämpfen.“ (Seite 142) „Wir wollen die Rechte von Minderheiten auf internationaler Ebene und insbesondere innerhalb der EU stärken.“ (Seite 147)


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