Sudetendeutsches Gespräch mit BR-Moderatorin Evi Strehl (Seite 3)
Sudetendeutsche Zeitung Neudeker Heimatbrief
Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 74 | Folge 4 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 28. Januar 2022
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B 6543
� Gemeinsames Statement der Außenminister Baerbock und Lipavský zu 25 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung
„Zentraler Pfeiler der Beziehungen“
Anläßlich des 25. Jahrestags der „Gemeinsamen Erklärung über die deutsch-tschechischen Beziehungen und deren künftige Entwicklung“ haben Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und ihr tschechischer Amtskollege Jan Lipavský (Piraten) in einem gemeinsamen Statement die Bedeutung dieser Erklärung erinnert. Der Wortlaut:
H Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland: Annalena Baerbock. Foto: Außenministerium
eute vor 25 Jahren unterzeichneten Bundeskanzler Helmut Kohl und Premierminister Václav Klaus in Prag die gemeinsame Erklärung über die deutsch-tschechischen Beziehungen und deren künftige Entwicklung. Die Erklärung hatte einen doppelten Fokus: Einerseits
die Überwindung der aus der gemeinsamen Vergangenheit herrührenden Belastungen, andererseits die Ausrichtung unserer Beziehungen auf die Zukunft. Die gemeinsame Erklärung ist ein zentraler Pfeiler der Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien. Mit ihr wurden wichtige Instrumente geschaffen, die aus Nachbarn Freunde machen konnten: der DeutschTschechische Zukunftsfonds und das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum, die beide einen wesentlichen Beitrag zur Vertiefung des gegenseitigen Vertrauens leisteten und leisten. Deutschland und Tschechien haben ihre historisch beispiellos engen, aber eben auch in manchen Jahren sehr schwie-
rigen Beziehungen mit dieser Erklärung auf eine neue Grundlage stellen können. Wir haben seit 1997 damals beinahe unerreichbar scheinende Fortschritte gemacht. Wir sind enge Partner in der EU und in der NATO; wir sind Teil der europäischen und transatlantischen Wertegemeinschaft. Aus Nachbarn wider Willen wurden Freunde. Heute sind die deutsch-tschechischen Beziehungen besser, als sie es je waren. Die gemeinsame Erklärung hat Respekt und Vertrauen zwischen unseren Ländern geschaffen. Dieses Erbes wollen wir heute nicht nur im Zusammenhang mit den deutsch-tschechischen Beziehungen gedenken. Wir freuen uns, daß unser Beispiel
anderen als Inspiration dient. Denn immer häufiger sind wir weltweit mit neuen Herausforderungen in Bereichen wie Energie und Klima, der Covid-Pandemie, Migration oder Fragen unserer kollektiven Sicherheit konfrontiert. Immer komplizierter wird es, Lösungen zu finden. Umso wichtiger ist, diese Lösungen im Geiste gegenseitigen Respekts und Vertrauens zu suchen. Auch deswegen sind wir stolz und dankbar, heute an die gemeinsame Erklärung über die deutsch-tschechischen Beziehungen erinnern zu können. Gemeinsam sind wir entschlossen, unsere Nachbarschaft und Freundschaft immer weiter zu entwickeln, für ein geeintes Europa in einer friedlichen Welt.
Außenminister der Tschechischen Republik: Jan Lipavský. Foto: Vlada CZ
� Grenzüberschreitende Studie zum 25jährigen Jubiläum der Deutsch-Tschechischen Erklärung
Botschafter Andreas Künne.
Botschafter Tomáš Kafka.
� Botschafter einig:
Wir haben gemeinsam viel erreicht In einem gemeinsamen Zeitungsartikel, abgedruckt in Berliner Zeitung und Lidové noviny, würdigen Andreas Künne, deutscher Botschafter in Prag, und Tomáš Kafka, tschechischer Botschafter in Berlin, den 25. Jahrestag der Deutsch-Tschechischen Erklärung.
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Leben in der Grenzregion: Wo es zwischen den Nachbarn hakt
aß die Erklärung bis heute wirkungsvoll und hilfreich ist, lasse sich an manchen Beispielen ablesen, schreiben die beiden Diplomaten. So seien mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem DeutschTschechischen Gesprächsforum Instrumente geschaffen worden, „die es ermöglichen, Respekt und Vertrauen auch bei den alltäglichen Begegnungen grenzüberschreitend zu fördern und zu vertiefen“. Auch, daß heute der deutsche und der tschechische Botschafter einen gemeinsamen Artikel zu diesem Thema schreiben, sei in Zeiten vor der Erklärung unvorstellbar gewesen. Die beiden Diplomaten: „Wir haben viel erreicht zwischen Deutschen und Tschechen. Und so ist es bei allen künftigen Aufgaben, vor denen wir stehen werden, sehr wichtig und auch beruhigend, zumindest kurz anzuhalten und sich klarzumachen, daß man in diesen Herausforderungen nicht allein ist: Wir haben gleich nebenan einen guten Freund und Verbündeten, mit dessen Hilfe wir die Zukunft besser verstehen und meistern können.“
Zum 25. Jahrestag der DeutschTschechischen Erklärung hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds eine Meinungsumfrage zum Nachbarschaftsverhältnis in der Grenzregion veröffentlicht. Die Initiative für diese Studie war zuvor vom DeutschTschechischen Gesprächsforum ausgegangen.
I
n der qualitativen Umfrage der Meinungsforschungsinstitute Stem aus Prag und Pollytix Strategic Research aus Berlin wurden Bewohner auf beiden Seiten der Grenze zum Thema Leben im Grenzgebiet und deutsch-tschechische Nachbarschaft befragt. „Diese Studie hat unsere Hypothese bestätigt, daß entlang der Grenze viele Menschen leben, die die deutsch-tschechische Nachbarschaft aktiv leben und gestalten, daß in dieser Schlüsselregion aber gleichzeitig noch viel Potential schlummert. Unser Ziel war es, dieses Potential auszuloten“, bewerten Petra Ernstberger und Tomáš Jelínek, die Geschäftsführer des Zukunftsfonds, das Umfrageergebnis. „Wir haben festgestellt, daß Tschechen mehr persönliche Kontakte zu den deutschen Nachbarn haben als umgekehrt“, schreiben die Meinungsforscher in ihrem Studienfazit. Meist beschränken sich die grenzüberschreitenden Kontakte aber auf den Arbeitsbereich und den Einkaufstourismus. Feste persönliche Bindungen und Freundschaften seien hingegen selten. Solche oberflächlichen Kontakte, warnen die Autoren der Studie, können die gegenseitigen Beziehungen in Krisensituationen schwächen, wie sich zuletzt während der Corona-Pandemie gezeigt hat, als überwunden geglaubte Stereotype erneut zum Vorschein kamen.
Böhmer- und Bayerwald bieten unberührte Natur und viele Möglichkeiten für Sport und Erholung – ein Angebot, das die Menschen grenzüberschreitend annehmen. Foto: CzechTourism/Josef Kubes Weiter heißt es in der Studie, daß es zwischen den Nachbarn zwar nach wie vor Vorurteile gäbe, diese aber nicht sehr ausgeprägt seien. Nur bei der älteren Generation sei die gemeinsame Geschichte mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Holocaust und den weiteren Verbrechen der Nazis sowie den Beneš-Dekreten und der Vertreibung noch gegenwärtig. Die Vorurteile der jüngeren Generation fokussieren sich dagegen auf aktuelle gesellschaftliche Probleme, wie auf den Drogenschmuggel oder auf andere Minderheiten, wie Vietnamesen oder Roma und Sinti. Gehalten habe sich das Vorurteil, daß Deutschland reich, mächtig und arrogant sei, während die Tschechische Republik ärmer und wirtschaftlich schwächer sei.
„Das Hauptproblem ist, daß die Befragten zwar generell gerne mehr persönliche Kontakte im Nachbarland knüpfen würden, aber nicht so recht wissen, wo und wie. Gemeinsame Interessen sind hier ein wichtiger Schlüssel, um die Menschen abzuholen“, erklären Jana Faus von Pollytix Strategic Research und Martin Buchtík von der Agentur Stem. Die Autoren der Studie sehen dabei drei Ansätze, wie die Verständigung zwischen den Nachbarn nachhaltig verbessert werden kann. So gäbe es auf beiden Seiten der Grenze ein großes Interesse der Menschen an Sport und Natur, worüber neue Verbindungen entstehen könnten. Viele Veranstaltungen im Grenzgebiet, die sowohl Deutsche als auch Tschechen interes-
sieren können, werden im jeweiligen Nachbarland nicht beworben. Auch hier sehen die Autoren ein großes Potential für mehr Begegnung durch Information. Der dritte Punkt ist die Sprache, wobei weitaus mehr Tschechen deutsch sprechen als umgekehrt. „Fehlende Sprachkenntnisse in der Nachbarsprache sind ein Haupthindernis für die Annäherung“, stellen die Autoren der Studie fest und raten zu „niederschwelligen Begegnungsangeboten“ und zweisprachigen Informationen. „Die größte Herausforderung besteht darin, den persönlichen Kontakt zwischen Tschechen und Deutschen zu fördern.“ Die qualitative Studie mit ihren differenzierten Ergebnissen hat den Zukunftsfonds dazu veranlaßt, neue Wege zum The-
ma zu suchen: Ein Ergebnis ist das Programm „Ein Jahr an der Grenze“, für das der Zukunftsfonds acht aktive und kreative Menschen aus beiden Ländern sucht, die sich einer der Regionen entlang der deutsch-tschechischen Grenze ein Jahr lang auf Honorarbasis widmen werden. Dort werden sie verschiedene Aktivitäten umsetzen – mit dem Ziel, die Annäherung zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Grenze so weit wie möglich zu vereinfachen. Petra Ernstberger und Tomáš Jelínek: „Dadurch wollen wir denjenigen, die eigentlich gerne mehr mit den Nachbarn auf der anderen Seite zu tun hätten, je nach Bedarf ganz praktische Hilfe anbieten und so direkt vor Ort zu einer lebendigen Grenzregion beitragen.“ Torsten Fricke