Autorin Susanne Keller-Giger über Reichenbergs Bürgermeister Carl Kostka (S. 3)
Sudetendeutsche Zeitung Neudeker Heimatbrief
Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 74 | Folge 8 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 25. Februar 2022
VOLKSBOTE
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� Union der Vertriebenen und Aussiedler tagte im Sudetendeutschen Haus mit Bayerns Antisemitismus-Beauftragten Ludwig Spaenle
Scharfe Kritik an Putin und Polen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Besuch der Ausstellung „Unsere Deutschen“ in Aussig.
� Besuch in München?
Mit der russischen Aggression gegen Europa sowie weiteren brisanten Europa- und vertriebenenpolitischen Themen hat sich die CSU-Arbeitsgemeinschaft Union der Vertriebenen und Aussiedler (UdV) bei ihrer Landesvorstandssitzung im Sudetendeutschen Haus in München befaßt.
Museum er UdV-Vorsitzende Bernd D zugleich Sprecher hofft auf der Posselt, Sudetendeutschen Volksgruppe, rief zu einer massiven der existentiell Steinmeier Unterstützung gefährdeten Ukraine sowie zu
Es ist denkbar, daß Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner zweiten Amtsperiode, die am 19. März 2022 beginnt, einen Besuch im Sudetendeutschen Museum in der Münchner Hochstraße ins Auge faßt.
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ieser hatte sich in den letzten Wochen seiner ersten Amtszeit begreiflicherweise nicht mehr realisieren lassen. In dem Schreiben des Bundespräsidialamtes, das auf Grund der Einladung von Volksgruppensprecher Bernd Posselt an das Staatsoberhaupt in der Hochstraße einging, wird die neueste sudetendeutsche Einrichtung jedenfalls sehr positiv gewürdigt: „Der Bundespräsident hat seinen Besuch der neuen Dauerausstellung ,Naši Němci – unsere Deutschen’ im Museum der Stadt Ústi nad Labem im Zuge seiner Tschechien-Reise Ende August 2021 in nachhaltiger Erinnerung. Die hier gefundene Darstellung der Geschichte der Deutschen in den Böhmischen Ländern vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und ihrer Vertreibung 1945/46 hat ihn beeindruckt. Diese Ausstellung wird ihren Beitrag dazu leisten, die Hintergründe und die Geschehnisse im Kontext mit der Vertreibung der Sudetendeutschen sichtbar zu machen – eine wesentliche Voraussetzung für eine Aufarbeitung dieses Ereignisses und den Erhalt der Erinnerung daran. Dies ist in Deutschland nicht minder wichtig. Deshalb hat der Bundespräsident auch mit Interesse davon erfahren, daß ebenso wie die Ausstellung im Stadtmuseum Ùsti nad Labem auch die Präsentation dieses schwierigen Themenkomplexes im Sudetendeutschen Museum in München in Zusammenarbeit der tschechischen und der deutschen Seite entstanden ist. ... Der Bundespräsident wünscht dem Sudetendeutschen Museum in München zahlreiche Besucherinnen und Besucher und die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. Diesem Wunsch schließe ich mich gern an”, soweit der Leiter der Inlandsabteilung im Bundespräsidialamt, Ministerialdirektor Dr. Oliver Schmolke. Volksgruppensprecher Bernd Posselt wird sich zu Beginn der zweiten Amtszeit des wiedergewählten Bundespräsidenten erneut mit dem Präsidialamt wegen eines Besuches im Museum in Verbindung setzen.
Verhandlungen über die künftige Sicherheitsstruktur Europas auf. Dabei müsse auch die Demilitarisierung des nördlichen Ostpreußens rings um Königsberg thematisiert werden. Dort habe Rußland eine waffenstarrende Zone aufgebaut, die ganz Mitteleuropa bedrohe. Der UdV-Landesvorstand begrüßte in einer Entschließung, daß die neue und pro-europäische Regierung der Tschechischen Republik im zweiten Halb-
„starke Mittelkürzungen zumuten will und ihnen so die Luft zum Atmen nimmt“. Warschau wurde aufgefordert, wieder zu den positiven Standards zurückzukehren, die in den früheren Die Union der Vertriebenen tagte im Sudetendeut- Jahren bei der schen Haus. Ehrengast war MdL Ludwig Spaenle. polnischen Minderheitenfördejahr nach Frankreich die EU- rung gesetzt worden seien. Es sei Ratspräsidentschaft übernimmt, zu begrüßen, daß sich inzwischen und appellierte an Prag, der Min- der Europarat in Straßburg mit derheitenschutzinitiative Mino- dieser Frage beschäftige. rity Safepack über „die Hürden Sowohl der Bundestagsabgezu helfen, die die EU-Kommis- ordnete Stephan Mayer als auch sion gegen die Schaffung eines der Minderheiten-Beauftragte wirksamen europäischen Schut- der Bundesregierung, Bernd Fazes von Volksgruppen und Min- britius, zugleich BdV-Präsident, derheiten aufgebaut hat“. berichteten in ihrer Eigenschaft Scharfe Kritik wurde an Polen als stellvertretende UdV-Landeslaut, dessen gegenwärtige natio- vorsitzende ausführlich über die nalistische Regierung den deut- aktuellen Entwicklungen in Berschen Volksgruppen im Land, lin. insbesondere in Oberschlesien, Besonderer Ehrengast des
UdV-Landesvorstandes war der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungskultur und geschichtliches Erbe, MdL Ludwig Spaenle. Dieser entwickelte in lebhafter Debatte mit den anwesenden Repräsentanten aller Landsmannschaften eine Fülle neuer Ideen für eine Kooperation mit den Vertriebenenverbänden. Dabei ging es unter anderem um das „Grüne Band“ – ein Projekt, das sich von Spitzbergen bis an die Adria hinzieht und die in Jahrzehnten der unmenschlichen Teilung entstandenen Ökoregionen links und rechts des ehemaligen Eisernen Vorhanges umfaßt. Für die UdV ist dabei vor allem die ehemalige innerdeutsche Grenze sowie die bayerischböhmische von Interesse. Dort, wo einst Stacheldrähte und Minenfelder die Menschen trennten, sollen sich jetzt Naturschutzund Erholungsgebiete, die sich dem sanften Tourismus widmen, abwechseln. Geplant sind
aber auch die Entdeckung, Erforschung und Entwicklung von Gedächtnisorten der oftmals vergessenen älteren Geschichte, der totalitären Systeme und der Vertreibung. Die UdV begrüßte dies und vereinbarte mit Spaenle, sich aktiv an diesen Arbeiten zu beteiligen. Die CSU-Arbeitsgemeinschaft rief zudem dazu auf, die Menschen nicht zu vergessen, die bei dem Versuch, den Eisernen Vorhang zu überwinden, ihr Leben lassen mußten. Die Mitglieder des UdVLandesvorstandes berichteten Spaenle über bereits durchgeführte Ausstellungen und Publikationen, aber auch über Zukunftsprojekte, die das jüdische Leben in Deutschland und den deutschen Sprachgebieten Mitteleuropas betreffen – von Ostpreußen bis nach Schlesien und von Böhmen bis ins Banat. Der Beauftragte des Freistaates Bayern zeigte sich zutiefst beeindruckt und regte an, gemeinsam auch auf diesem Themenfeld weiterzuarbeiten.
� Paneuropa-Union in Scy-Chazelles
Robert Schuman und Mitteleuropa Die von Richard Graf Coudenhove-Kalergi aus Ronsperg in Böhmen gegründete PaneuropaUnion ist die älteste Einigungsbewegung in Europa und wird in diesem Jahr 100 Jahre alt.
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Vor der Grabkapelle in Scy-Chazelles (von links): Johannes Kijas, Werner Euskirchen, Volksgruppensprecher Bernd Posselt, der auch Präsident der Paneuropa-Union Deutschland ist, sowie Stephanie Waldburg. Im Hintergrund die Skulpturen von Robert Schuman und des italienischen Altösterreichers Alcide de Gasperi aus Trient. F oto: Paneurpa
ls Auftakt zum Jubiläumsjahr fuhr eine Delegation mit Präsident und Volksgruppensprecher Bernd Posselt an der Spitze von Ronsperg ins lothringische Scy-Chazelles bei Metz, wo der große französische Staatsmann Robert Schuman begraben ist. Schuman gilt, anders als der Mitteleuropäer CoudenhoveKalergi, für viele nur als Vorkämpfer der West-Integration.
Dabei hat er schon in seiner Jugend intensiv den Raum der DonaumonarRobert Schuman. chie be Foto: EU reist und als erster französischer Politiker bereits in den fünfziger Jahren die Beseitigung des Eisernen Vorhanges und die Wiedervereinigung mit den Völkern Mittel- und Osteuropas gefordert.
� Zweites Onlinetreffen in diesem Jahr
Heimatrat will mehr Unterstützung anbieten Der Sudetendeutsche Heimatrat hat bei seinem zweiten Onlinetreffen ein weiteres starkes Signal gesetzt, die Arbeit in den Heimatlandschaften und Heimatkreisen sowie in der Ortsbetreuung innovativ und zukunftsfähig aufzustellen.
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ranz Longin, Vorsitzender des Heimatrates, betonte die Herausforderung, die Organisationsstruktur auf Vordermann zu bringen, um auf neue Entwicklungen und kurzfristige Herausforderungen zielgerichtet reagieren zu können. Mit der kürzlich stattgefundenen Umfrage unter den Heimatlandschafts- und Heimatkreisbe-
treuern habe man sich das Ziel gesetzt, die Unterstützungsangebote für die verdienstvolle Arbeit der Landsleute zu optimieren, so Longin. 13 von 14 Heimatlandschaftsbetreuern haben den Fragebogen ausgefüllt, ebenso ein großer Teil der Heimatkreisbetreuer, stellte Longin dankbar fest. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in den kommenden Wochen im Detail analysiert und individuelle Hilfsangebote erarbeitet werden. Unterstützung bei der Gewinnung von Interessierten für die Heimatarbeit auf den unterschiedlichen Ebenen und mehr Impulse für die Basisarbeit bei den Onlinebesprechungen
gehören zu den geäußerten Unterstützungswünschen. Als weiteres Herzensanliegen des Heimatrates wird der Erhalt von Heimatstuben, aber in jedem Fall der Heimatsammlungen, genannt. Klaus Mohr, Sammlungsleiter für das Sudetendeutsche Museum und ausgewiesener Experte für die zahlreichen Heimatstuben der Sudetendeutschen, informierte über den aktuellen Sachstand der Bestrebungen zum Erhalt und der Sicherung der zahlreichen Heimatstuben. Anschaulich präsentierte Mohr anhand eines Films über die kürzlich im Sudetendeutschen Museum gezeigte Krippenausstellung den Fortschritt
seiner Digitalisierungsarbeiten zunächst für Heimatstuben, die aufgelassen werden und so virtuell erhalten bleiben können. Ein weiteres Pilotprojekt sei die Gibauer Heimatstube in Lorsch, die kurz vor der Auflösung stünde. Soňa Dederová vom DeutschTschechischen Zukunftsfonds, die als Gast an der Besprechung teilgenommen hatte, appellierte an die Verantwortlichen, daß die Kulturschätze in den Heimatstuben doch auch in der Tschechischen Republik gezeigt werden. Mit Dr. Hans-Peter Sang, ehemals Konrektor einer großen Schule, Autor zahlreicher Bücher und seit kurzem Heimatkreisbetreuer von Marienbad, berich-
tete ein durchwegs motivierter Amtsträger über seine Vorstellung hinsichtlich Betreuung der Marienbader Landsleute und der Suche nach Kontakten mit Menschen, die heute im Kreis Marienbad leben. Über die erfreuliche Mitgliederentwicklung der zahlreichen von ihm ehrenamtlich betreuten Facebook-Gruppen informierte Markus Decker, Heimatlandschaftsbetreuer für das Riesengebirge, bevor die Heimatlandschaftsbetreuer mit ihren Kreisbetreuern in den zur Verfügung gestellten virtuellen Besprechungsräumen den Meinungsaustausch fortsetzten. Hildegard Schuster