Sudetendeutsche Zeitung 1. April 2022 Ausgabe 13

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Bill Clinton zum Tod der gebürtigen Pragerin Madeleine Albright (Seite 3)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang

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Jahrgang 74 | Folge 13 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 1. April 2022

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B 6543

Anklage wegen des Verdachts des Subventionsbetrugs gegen den ehemaligen Premierminister erhoben

Durchkreuzt der Staatsanwalt Babiš‘ Präsidentschaftspläne? Ein Bus bringt die Flüchtlinge zum Heiligenhof in Bad Kissingen.

Ukraine-Flüchtlinge

Heiligenhof hilft in der großen Not Der Heiligenhof steht seit sieben Jahrzehnten für Flucht, Vertreibung und Versöhnung. Für Stiftungsdirektor Steffen Hörtler ist es deshalb nur folgerichtig, am Heiligenhof alle Hebel in Bewegung zu setzen, um ukrainische Kriegsflüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen.

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erzeit finden in der sudetendeutschen Bildungsstätte oberhalb von Bad Kissingen 60 Menschen Schutz, die vor dem russischen Völkermord an der Ukraine geflohen sind, darunter 17 Kinder im Alter zwischen eineinhalb und 16 Jahren. „Landrat Thomas Bold und das Landrats-amt haben das unbürokratisch in die Wege geleitet. Unser Dank gilt aber auch dem Bayerischen Roten Kreuz für die Unterstützung bei den Covid-Tests und für die medizinische Betreuung“, sagt Steffen Hörtler. Der Landrat kann diesen Dank nur erwidern: „Daß der Heiligenhof spontan Unterbringungsmöglichkeiten als Übergangslösung für die nächsten Wochen zur Verfügung stellt, hilft uns.“ „Es ist gut, daß diese Menschen in Deutschland in Sicherheit sind und durchatmen können. Sehr positiv ist die schnelle Hilfe durch den Heiligenhof und durch das Landratsamt Bad Kissingen“, erklärt Bayerns Innenstaatssekretär Sandro Kirchner bei seinem Besuch. Wichtigster Mann in der Bildungsstätte ist in dieser Zeit übrigens Svyatoslav Syrovyy. Der 25-jährige arbeitet eigentlich als Erlebnistrainer auf dem Heiligenhof, spricht aber perfekt Ukrainisch und ist deshalb als Dolmetscher im Dauereinsatz. Bereits am 11. März hatte der Heiligenhof die ersten 48 Flüchtlinge aufgenommen. Nach einem langen Arbeitstag blickte Hörtler auch damals in glückliche Gesichter: „Jetzt haben alle ihre Zimmer bezogen, Abendbrot gegessen und unsere Waschmaschinen laufen auf Hochtouren.“

Nach über sechs Jahren Ermittlungsarbeit hat die Prager Staatsanwaltschaft Anklage gegen den früheren Premierminister Andrej Babiš wegen des Verdachts des EU-Subventionsbetrugs erhoben. In etwa drei Monaten soll die Entscheidung fallen, ob das Hauptverfahren eröffnet wird. Für den früheren Regierungschef kommen diese juristischen Schritte zur Unzeit. Spätestens im Herbst hatte Babiš bekannt geben wollen, ob er bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2023 als Nachfolger des schwerkranken Miloš Zeman antritt. Sollte bis dahin der Fall nicht zu Gunsten Babiš abgeschlossen sein, ist eine Kandidatur kaum vorstellbar.

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igentlich geht es um „Peanuts“, zumindest aus Sicht des Milliardärs Babiš, dessen über 30 000 Mitarbeiter pro

Andrej Babiš

Andrej Babiš jr.

len. Ein paar Wochen später widerrief der Generalstaatsanwalt diese Entscheidung und ordnete weitere Ermittlungen an, allerdings nur noch gegen zwei Personen: gegen Andrej Babiš, der inzwischen tschechischer Regierungschef war, und dessen ehemalige Beraterin Jana Nagyová. Daß jetzt ausgerechnet die Prager Staatsanwaltschaft, die den Fall zunächst eingestellt hatte, Anklage erhebt, begründet deren Sprecher mit zwei neuen Zeugen, die mittlerweile zur Aussage bereit seien. Einer davon ist

ausgerechnet Andrej Babiš junior, den die Staatswaltschaft bei ihren ersten Ermittlungen noch als Beschuldigten geführt hatte, nachdem der Filius – zumindest auf dem Papier – das „Storchennest“ von der Agrofert kurzfristig mitübernommen hatte. Das Verhältnis zwischen Senior und Junior ist seit Jahren zerrüttet und immer wieder Thema in den tschechischen Medien. So hat der Junior seinem Vater sogar öffentlich vorgeworfen, er habe ihn gegen seinen Willen für mehrere Wochen auf die Krim entführt, um ihn so daran zu hindern, in der Sache auszusagen. Der Senior wies die Anschuldigungen dagegen zurück und ließ erklären, sein Sohn sei psychisch krank und brauche durchgehend Betreuung. Zu einem weiteren Eklat kam es bei einem Wahlkampfauftritt in Aussig, als plötzlich Babiš ju-

nior mit einem TV-Reporter im Schlepptau auftauchte und seinen Vater in aller Öffentlichkeit beschimpfte. Auch nach der aktuellen Wendung bleibt Andrej Babiš dabei, die Vorwürfe für haltlos zu erklären. Der Ex-Premierminister: „Anklage in einer 15 Jahre alten Pseudo-Causa zu erheben, halte ich für einen gänzlich offenkundigen Versuch, mich zu kriminalisieren. Wenn ich nicht in der Politik wäre, würde sich niemand damit beschäftigen, denn schließlich ist nichts passiert. In dem ‚Storchennest‘-Areal sind hingegen 90 Menschen angestellt, es dient der Öffentlichkeit und führt 400 Millionen Kronen (umgerechnet 16 Millionen Euro) an Abgaben und Lohnzahlungen ab.“ Und die zwei Millionen Euro an Subventionen hat Babiš längst zurücküberwiesen. Torsten Fricke

Ukraine-Flüchtlinge

Sicher und willkommen

„In dieser schweren Krise, diesem unfaßbar schlimmen Krieg wachsen europäische Herzen zusammen“, sagt Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf.

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Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (links) mit den deutschen Gastgebern und den ukrainischen Flüchtlingen.

Foto: StMAS

ach ihrem Besuch bei der Flüchtlingsaufnahme am Münchner Hauptbahnhof (Sudetendeutsche Zeitung berichtete) besuchte die CSU-Politikerin jetzt eine Familie in Erding, die eine ukrainische Mutter mit ihren zwei Töchtern aufgenommen hat. Scharf, die auch Schirmherrschaftsministerin der Sudetendeutschen ist: „Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Bayern ist groß. Alle helfen mit und stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer.“

Treffen am 6. April mit Bundeskanzler Olaf Scholz

Premierminister Fiala reist nach Berlin

Der tschechische Premierminister Petr Fiala (ODS) wird am 6. April nach Berlin reisen und dort mit Bundeskanzler Olaf Scholz zusammenkommen, hat der tschechische Regierungssprecher angekündigt. Es ist Fialas erste Deutschland-Reise als tschechischer Regierungschef.

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Staatssekretär Sandro Kirchner (li.) und Landrat Thomas Bold im Gespräch mit Svyatoslav Syrovyy (re.). Foto: Lk Bad Kissingen/Anja Vorndran

Jahr rund sechs Milliarden Umsatz erwirtschaften. 2007 hatte Babiš für den Umbau eines Bauernhofs in das Luxusresort „Storchennest“ zwei Millionen Euro als Subvention aus einem EUFörderprogramm für mittlere und kleine Agrarbetriebe erhalten. Um den Förderrichtlinien zu entsprechend, war „Storchennest“ zuvor aus dem Konzern Agrofert ausgegliedert und an Angehörige von Babiš übertragen worden. Später, nachdem die Subventionen geflossen und das Projekt fertiggestellt war, übernahm Agrofert die Anlage wieder als Eigentümer. Die ersten Ermittlungen begannen im Herbst 2015, nachdem eine anonyme Anzeige bei der Polizei eingegangen war. Im Herbst 2019 entschied dann die Prager Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen gegen insgesamt elf Beschuldigte einzustel-

rsprünglich war geplant gewesen, daß Fiala im März zum Antrittsbesuch nach Berlin reist. Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist der Termin jedoch verschoben worden. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Polen und Slowenien war Fiala zum ukraini-

schen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Kiew gereist. Putins Völkermord wird eines der wichtigsten Gesprächsthemen zwischen Fiala und Scholz sein. Gesprochen werden soll aber auch über die deutschtschechischen Beziehungen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die EU-Ratspräsidentschaft, die die Tschechische Republik in der zweiten Jahreshälfte inne haben wird. Der erste Staatsbesuch nach seiner Wahl zum Premierminister hatte Fiala im Januar nach Preßburg geführt, der damit eine seit 29 Jahren gepflegte Tradition fortsetzte. Seit der Teilung der

Tschechoslowakei in Tschechien und die Slowakei absolviert jeder neue Regierungschef eines der beiden Nachfolgestaaten seinen ersten offiziellen Auslandsbesuch im jeweils anderen. Bei diesem Treffen waren sich Fiala und sein Amtskollege Eduard Heger in einem Punkt einig, der bei der Bundesregierung in Berlin wohl auf klare Ablehnung stoßen wird: die Nutzung der Atomkraft als CO2-freie Energiequelle. Während Deutschland trotz des russischen Angriffskrieges und der damit verbundenen Unsicherheiten insbesondere bei der Gasversorgung am Plan fest-

halten will, alle Kernkraftwerke bis Ende diesen Jahres abzuschalten, favorisiert die Tschechische Regierung den Bau eines neuen Reaktorblocks im südmährischen Dukowan. Bereits am Dienstag dieser Woche war der tschechische Außenminister Jan Lipavský (Piraten) nach Berlin gereist, um dort seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock zu treffen. Die beiden Außenminister hatten erst im Januar ein gemeinsames Statement zum 25. Jahrestag der „Gemeinsamen Erklärung über die deutsch-tschechischen Beziehungen und deren künftige Entwicklung“ veröffentlicht. TF

Premierminister Petr Fiala.

Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: BPA


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