„70 Jahre Heiligenhof“ – Reinfried Vogler erinnert sich an die Anfänge (Seite 3)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang
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Jahrgang 74 | Folge 20 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 20. Mai 2022
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� Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, würdigt das völkerverbindende Engagement der beiden Kirchenführer
Erzbischof von Prag: Jan Graubner wird Nachfolger von Dominik Duka Kirill Gevorgian, Vize-Präsident des Internationalen Gerichtshofs.
� Den Haag
Zwei Richter befürworten Völkermord Der Internationale Gerichtshof in Den Haag, das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen, hat auf Antrag der Ukraine rechtliche bindende Maßnahmen gegen die Russische Föderation beschlossen, um den Völkermord umgehend zu stoppen.
Der Erzbischof von Olmütz und Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz, Jan Graubner, wird neuer Erzbischof von Prag. Der gebürtige Brünner folgt auf Kardinal Dominik Duka, der mittlerweile 79 Jahre alt ist und damit die Altersgrenze von 75 Jahren längst überschritten hat. Graubner wird als 37. Prager Erzbischof und 25. Primas von Böhmen am 2. Juli im Prager Veitsdom offiziell in sein Amt eingeführt.
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er Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, dankte dem bisherigen Primas von Böhmen, Kardinal Dominik Duka, den er seit Jahrzehnten kennt, für seinen Einsatz, „die beiden Sprachgruppen der Böhmischen Länder, einschließlich der Vertriebenen, auf der Grundlage des christlichen
Mit 79 in den Ruhestand: Kardinal Dominik Duka.
Nachfolger Erzbischof Jan Graubner. Fotos: Wikipedia CC BY-SA 4.0
Glaubens zusammenzuführen.” Posselt übermittelte außerdem dessen Nachfolger als Erzbischof von Prag, dem Erzbischof von Olmütz, Jan Graubner, die herzlichsten Glück- und Segenswünsche. Auch in Zeiten, als die Sudetendeutsche Landsmannschaft in der tschechischen Öffentlichkeit
noch hart attackiert wurde, habe der Mährer einen für sein Land typischen Ausgleich herbeigeführt, sagte der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und erinnerte an das Pfingsttreffen im Jahr 2002: „Erzbischof Graubner kam demonstrativ zum Sudetendeutschen Tag, obwohl
ihn führende Politiker fast ultimativ dazu aufgefordert hatten, seinen Besuch beim Pfingsttreffen in Nürnberg abzusagen”. Beide Kirchenmänner seien immer wertvolle Partner der Sudetendeutschen gewesen, „und ich hoffe, daß wir auch in Zukunft freundschaftlich und eng mit ihnen zusammenarbeiten können, wenn es um Völkerverständigung sowie die gemeinsamen religiösen und kulturellen Wurzeln geht“, so Posselt. Glückwünsche erhielt Graubner auch von der tschechischen Politik. So gratulierte Präsident Miloš Zeman und kommentierte, Papst Franziskus bestätigte mit seiner Entscheidung die Bedeutung der Kontinuität in der tschechischen Kirche. Premierminister Petr Fiala (ODS) wünschte dem neuen Primas von Böhmen „viel Kraft, Weisheit und Got-
� Tschechische Schulreform
DeutschUnterricht auf der Kippe
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er Gerichtsbeschluß wird Rußland angewiesen, alle am 24. Februar 2022 begonnenen militärischen Operationen auf dem Gebiet der Ukraine unverzüglich einzustellen. Außerdem müsse die Russische Föderation sicherstellen, „daß alle militärischen oder irregulären bewaffneten Einheiten, die von ihr geleitet oder unterstützt werden, sowie alle Organisationen und Personen, die ihrer Kontrolle oder Leitung unterstehen, keine Schritte zur Förderung der genannten militärischen Operationen unternehmen“. Rußlands Präsident Wladimir Putin hatte seinen Angriffskrieg damit begründet, daß Russen in der Ostukraine vor einem Völkermord geschützt werden müßten. In Den Haag konnte Rußland aber keine entsprechenden Beweise vorlegen. Das Gericht entschied mit 13 zu 2 Stimmen. Mit Nein – und damit für die Fortsetzung des Völkermordes an der Ukraine – stimmten der Vize-Präsident des Internationalen Gerichtshofs, Kirill Gevorgian aus Rußland, und Richterin Xue Hanqin aus China.
Der Entwurf zu einem neuen Rahmenbildungsprogramm für die tschechischen Grundschulen sieht vor, daß es bis zur neunten Klasse keinen verpflichtenden Unterricht in einer zweiten Fremdsprache wie Deutsch, Französisch oder Spanisch mehr geben soll.
Informeller Malerei: Dieses Werk hatte Wilhelm Hager 1962 erschaffen.
Repros: Wilhelm Hager Galerie Museum
� Neue Sonderausstellung im Egerland-Museum Marktredwitz
Wilhelm Hager – ein großer sudetendeutscher Künstler
Mit der neuen Sonderausstellung „Wilhelm Hager – Akademischer Bildhauer und Maler“ würdigt das EgerlandMuseum Markredwitz noch bis zum 30. Oktober das Werk des 1921 in Karlsbad geborenen und 2006 im badenwürttembergischen Illingen verstorbenen Künstlers.
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Richterin Xue Hanqin. Fotos: International Court of Justice
tes Segen“. Kulturminister Martin Baxa (ODS) erklärte, er freue sich auf die Zusammenarbeit, zum Beispiel im Denkmalschutz. Bis zur Amtsübernahme bleibt Graubner Apostolischer Administrator in Olmütz. Von seinem Wechsel nach Prag nicht betroffen ist die Funktion Graubners als Vorsitzender der Tschechischen Bischofskonferenz, die er laut Statuten bis 2025 ausübt. Kardinal Duka fungiert bis zur Amtsübergabe am 2. Juli als Apostolischer Administrator in Prag und ist bis zu seinem 80. Geburtstag am 26. April 2023 berechtigt, an einer Papstwahl teilzunehmen. Erzbischof Graubner, der mit 74 Jahren nur fünf Jahre jünger als Kardinal Duka ist, sagte gegenüber Journalisten, er sei von seiner Ernennung „völlig überrascht“ worden. Torsten Fricke
agers künstlerische Ausbildung begann 1935 in der staatlichen Fachschule für Porzellanindustrie in Karlsbad. Wegweisend war die Begegnung mit Walther Klemm (1883–1957), der damals Professor für Grafik an der Hochschule für Baukunst, bildende Künste und Handwerk in Weimar war. Klemm erkennt Hagers künstlerische Begabung und holt ihn 1937 als Stipendiat nach Weimar. 1939 wech-
selt er in die Bildhauerklasse der Hochschule für Bildende Künste Berlin. Wegen politischer Differenzen mit seinem Lehrer Arno Breker, der dem NS-Regime nahesteht, verläßt er die Hochschule. Hager findet Aufnahme in die Ateliergemeinschaft Klosterstraße bei Käthe Kollwitz. Die dort vorherrschende Richtung des expressiven Realismus wird prägend für den angehenden Bildhauer und Maler. 1941 wird Hager zum Kriegsdienst eingezogen, 1942 auf die Krim verlegt und im November 1943 bei Charkiw in der Ukraine schwer verwundet. Noch rekonvaleszent wird er ab Februar 1944 nach Mailand versetzt. Im Dezember 1944 kommt Wilhelm Hager in ein Übergangslager für dienstunfähige Soldaten nach Illingen in Baden-Württemberg, wo er seine spätere Ehefrau
Irmgard Kilian kennenlernt. Im Januar 1945 wird Hager aus der Wehrmacht entlassen und begibt sich in seine Heimat, nach Karlsbad. Kurze Zeit später stirbt seine Mutter, und das Elternhaus wird bei einem Bombenangriff vernichtet. Im Juli 1945 wird Hager aus Karlsbad vertrieben und kommt zunächst nach Bamberg, bevor er heiratet und sich in Illingen niederläßt. Überregional bekannt wird Wilhelm Hager ab den 1950er Jahren durch seine Künstler- und Politikerportraits. Prominenteste Beispiele sind die Bronzebüsten von Thomas Mann (1953), Hermann Hesse (1953) und Theodor Heuss (1958). In der Folgezeit experimentiert Wilhelm Hager mit Informeller Malerei und AlusilSkulpturen. 1961/62 organsiert die Mailänder Galeria Vinciana Ausstellungen mit seinen informellen Aquarellen in Rom, Flo-
Wilhelm Hager malte 1944 in Arco dieses Selbstportrait. renz, Venedig, Turin, Cannes, Paris, London und New York. 1980 wurde Wilhelm Hager von der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit dem Kulturpreis für bildende Kunst ausgezeichnet. 1981 erhielt er für herausragende künstlerische Leistungen die Plakette des Heimatverbands der Karlsbader. Und 1997 wurde ihm durch die Fachhochschule für Porzellangestaltung in Karlsbad die Ehrenprofessur verliehen.
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ie geplante Bildungsreform hat bei einer Reihe von Institutionen heftige Kritik hervorgerufen. Allen voran stellt sich die deutsche Minderheit in Tschechien vehement gegen die geplanten Änderungen. Die Unterstützung der deutschen Sprache in Tschechien sei eines ihrer zentralen Anliegen. Sollte die Reform in Kraft treten, könnte das dazu führen, daß an vielen Schulen der Deutschunterricht wegfalle. Für die Kinder der deutschen Minderheit selbst gäbe es dann kein staatliches Bildungsangebot in der Muttersprache. Die Landesversammlung der deutschen Vereine hat deshalb gemeinsam mit den von ihr betriebenen Schulen, der Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung und dem Thomas-Mann-Gymnasium, einen Protestbrief verfaßt und an Premierminister Petr Fiala (ODS) geschickt. Eine überzeugende Begründung für die geplante Streichung sucht man in dem Entwurf des Rahmenbildungsprogramms vergebens. Martin H. Dzingel, Präsident der Landesversammlung, vermutet dahinter jedoch eine starke Lobby der Schulleiter, die der Unterricht in der zweiten Fremdsprache vor administrative und bürokratische Herausforderungen stelle.