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Neideker Bou fährt Hilfsgüter in die Ukraine

ses meiner Großeltern väterlicherseits auf dem Tellerer bei Ullersloh in 860 Metern Höhe stand, war ich wie vom Blitz getroffen. Und als ich am nächsten Tag auf dem Neudeker Friedhof völlig unerwartet vor dem Grab dieser Großeltern stand, da ha- hatte es sogar genossen, weil es mir – vermeintlich – die Möglichkeit gegeben hatte, überall dazu zu gehören. In Wirklichkeit war es aber doch nicht so. Und jedes Mal, wenn wir auf unseren Ukraine-Fahrten am Übergang Waidhaus Richtung Pilsen und Prag abbiegen und an der Ausfahrt Karlovy Vary/Karlsbad vorbeikommen, spüre ich tief innen ganz deutlich ein Gefühl von Heimat. be ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Gefühl von Heimat gespürt. Dieses Gefühl sagte mir: „Da gehöre ich hin.“ Bis dorthin war eines meiner Grundgefühle das Gefühl von Heimatlosigkeit. Das hatte mich nicht gestört, ich

Was machen wir konkret in der Ukraine? Wir versorgen Kinderheime, Kinderkrankenhäuser und Waisenhäuser, in denen Kinder untergebracht sind, die ihre Eltern bei den Kämpfen verloren haben oder die auf der Flucht verloren gegangen sind, mit Nahrung, Kleidung und Hygieneartikeln. Auf unserem letzten Transport verteilten wir 350 Weihnachtspakete an krebskranke Kinder in Lemberg und der weiteren Um- gebung. Das Glück dieser Kinder ist, wenn man es nicht selbst erlebt hat, nicht vorstellbar. Wir versorgen Krankenhäuser in dieser Region mit Medikamenten, medizinischem Gerät jeglicher Art und Sanitätsprodukten. Eine hiesige Klinik überließ uns 28 hochtechnische Krankenhausbetten, die eine hiesige Spedition kostenlos zum Bezirkskrankenhaus Drogobytsch, etwa 80 Kilometer südlich von Lemberg, transportierte. Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Der Bürgermeister von Lemberg –die Stadt nahm mittlerweile 300 000 Binnenflüchtlinge auf – sagte uns: „Es fehlt an allem!“

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Selbstverständlich sind wir auf Sachspenden angewiesen. Geldspenden werden entgegengenommen vom Verein Family Help in Mietingen im Kreis Biberach, IBAN DE72 6545 0070 0000 3839 09. Mit dem Verwendungszweck „Ukraine-Hilfe“ geht die Spende an uns.

Ich selbst habe die Vertreibung noch direkt erlebt, die anderen beiden sind in der Region Oberschwaben-Bodensee geboren. Die Eltern des einen stammen aus Schlesien, die des anderen aus dem egerländischen Karlsbad.

Mir drängt sich die starke Vermutung auf, daß das unmittelbare oder mittelbare Vertreibungserlebnis zu einem Gespür für die Nöte anderer Menschen führt und oft zu spontaner Hilfeleistung beiträgt. Unmittelbare Hilfen für die Menschen in den Ländern Ukraine, Belarus und Rußland sind seit 1995 elementarer Teil meines Lebens.

Ich arbeite seit 1995 ehrenamtlich für das Maximilian-Kolbe-Werk in Freiburg, das den Überlebenden der Konzentrationslager und Ghettos des Zweiten Weltkriegs in den Ländern Ukraine, Belarus und Rußland Hilfe zukommen läßt. In diesem Rahmen war ich ungefähr 30mal mit Hilfstransporten und bei längeren humanitären Aufenthalten in diesen Ländern unterwegs.

Die vielen Begegnungen mit den dortigen Menschen veränderten mich. Ich löste mich von meiner vorwiegend mathematisch-naturwissenschaftlich orientierten Weltsicht und wandte mich dem anderen Menschen zu. Das einzige, was mich heute wirklich interessiert, ist der andere Mensch.

Nochmal zurück zu meinem Geburtsort Neudek. Ich wäre glücklich, wenn ich durch meine Freundschaften zu Einwohnern des heutigen Nejdek ein klein wenig beitragen könnte zum gegenseitigen Verstehen, zur Freundschaft und zum – ein großes Wort – Verzeihen. Das Verzeihen erlittener Verletzungen ist der einzige Weg in die innere Freiheit. Es gibt keinen anderen Weg.

Und so werde ich weiter nach Nejdek fahren und jetzige Nejdeker treffen, und ich werde weiter Transporte in die Ukraine fahren. Beides hängt auf geheimnisvolle Weise unterschwellig miteinander zusammen.

Mir ist etwas aufgefallen: Drei von uns vier Fahrern haben einen Vertreibungshintergrund.

Was die Ukraine anbelangt, rechne ich mit dem Schlimmsten, aber ich versuche, mein Bestes zu geben, damit es vielleicht nicht gar so schlimm wird. Wir vier Männer können das Grauen, das gegenwärtig in der Ukraine herrscht und wohl noch lange Zeit herrschen wird, nicht stoppen. Aber wenn es uns gelingt, ein Quentchen Menschlichkeit in dieses Grauen hineinzutragen, dann hat sich jede Anstrengung gelohnt.

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