Sudetendeutsche Zeitung 26. Januar 2024 Ausgabe 4

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„Nationalismus ist die Pest“: Hunderttausende gegen Rechts (Seite 3)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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Jahrgang 76 | Folge 4 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 26. Januar 2024

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Die Verwerfungen in der Visegrád-Gruppe mit Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei wirken sich auch auf die Europäische Union aus 74 . S U D E T E N D E U T S C H E R TAG 17 . B I S 19 . M A I 2 0 2 4 IN AUGSBURG

Sudetendeutsche und Tschechen – miteinander für Europa

Die neue Achse Budapest–Preßburg: So stärkt Robert Fico Viktor Orbán Zwei Populisten gemeinsam gegen die Europäische Union: In Budapest hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán seinen slowakischen Amtskollegen Robert Fico mit demonstrativer Freundlichkeit empfangen. Auf der anschließenden Pressekonferenz machten die beiden Regierungschefs dann deutlich, daß sie zwei Feindbilder vereinen: die EU und die Migration.

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VOLKSBOTE Umfrage unter Politologen

Viel Lob für Präsident Petr Pavel Vor einem Jahr, am 28. Januar 2023, gewann Petr Pavel die Stichwahl gegen Andrej Babiš und wurde am 9. März als neuer Staatspräsident der Tschechischen Republik vereidigt. Zum Jubiläum hat die tschechische Nachrichtenagentur ČTK eine Umfrage unter Politologen in Deutschland gemacht. Das Ergebnis war sehr positiv.

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ai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik betonte laut ČTK, daß sich Pavel nicht nur als Gegenpol seiner Vorgänger Václav Klaus und Miloš Zeman erwiesen habe, sondern auch versuche, etwa im Fall des Euro, die Diskussion zu europäischen Themen anzustoßen. Ähnlich positiv über die europäische Dimension von Pavels Engagement äußerte sich Milan Nič von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Der Präsident präsentiere ein anderes Gesicht Tschechiens, so Nič. Der Politologe Jan Němec von der Universität in Leipzig hob hervor, daß sich Petr Pavel auch dann schon für eine Unterstützung der Ukraine eingesetzt habe, als die deutsche Seite noch sehr zögerlich gewesen sei. In den deutschen Medien wenig beachtet, aber dennoch besonders eindrucksvoll war, als Präsident Pavel im Mai in der KZ-Gedenkstätte Theresienstadt nicht nur der Holocaust-Opfer gedachte, sondern generell vor Extremismus und Nationalismus warnte und dabei auch an die tschechischen Verbrechen an der sudetendeutschen Zivilbevölkerung erinnerte: „Wir müssen die Verantwortung für die von unseren Vorfahren begangenen Verbrechen übernehmen und aus ihnen lernen.“ Torsten Fricke

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uch die Entwicklungen in den anderen Hauptstädten der vier Visegrád-Staaten, in Prag, Warschau und Preßburg, zeigen, daß im Vorfeld des Sonder-EU-Gipfels am 1. Februar 2024 die Spannungen zunehmen. Prag: Seit 1. Juli 2023 hat Tschechien den Vorsitz in der Visegrád-Gruppe inne und hat demnach die Aufgabe, Treffen der vier Staaten einzuberufen, um sich abzustimmen und die gemeinsame Agenda abzuarbeiten. Während die Slowakei, die 2022/23 den Vorsitz hatte, 14 Treffen organisierte, hat Tschechien – laut der offiziellen Webseite der Visegrád-Gruppe – noch keine einzige Konferenz einberufen. Im Gegenteil: Erst vor wenigen Tagen erklärte Tschechiens Premierminister Petr Fiala, er halte das – eigentlich obligatorische – Treffen der Regierungschefs derzeit für sinnlos: „Ich bin jedoch bereit, in Zukunft auf höchster Ebene zusammenzukommen, aber wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß das Treffen zu einem Ergebnis führt.“ Warschau: In der polnischen Hauptstadt haben am 11. Januar mehrere zehntausend Anhänger der national-konservativen Oppositionspartei PiS gegen die neue Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk demonstriert. Auf vielen Plakaten stand die Aufschrift: „Hier ist Polen, kein Tuskoland“ – eine Weiterverbreitung der Unterstellung der PiS, Tusk handle im Auftrag Deutschlands. Zusätzlich angeheizt war die Stimmung unter den Demonstranten durch die Verhaftung von zwei rechtskräftig verurteil-

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Gilt als Favorit bei der slowakischen Präsidententwahl: Peter Pellegrini von der Partei HLAS. Foto: FacebookPeter Pellegrini

„Vitajte“ – „Herzlich willkommen“: Das Bild, das Ungarns Regierungschef Viktor Orbán über seine Social-Media-Kanäle postete, zeigt den demonstrativ herzlichen Empfang des slowakischen Amtskollegen Robert Fico in Budapest. Foto: Facebook/Viktor Orbán ten PiS-Politikern. Ex-Innenminister Mariusz Kaminski und sein früherer Staatssekretär Maciej Wasik waren im Dezember in einem Berufungsverfahren von einem Warschauer Bezirksgericht wegen Amtsmißbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und sollten ihre Strafe antreten. Staatspräsident Andrzej Duda hatte die beiden nach einem ersten Verfahren 2015 begnadigt. Das Oberste Gericht hatte diese Begnadigung aber für nicht rechtmäßig erklärt, da seinerzeit das Berufungsverfahren noch lief. Duda kündigte kurz vor Beginn der Demonstration an, er wolle Kaminski und Wasik ein zweites Mal begnadigen. Preßburg: Am 23. März wählt die Slowakei einen neuen Präsidenten. Die bisherige Amtsinhaberin Zuzana Čaputová hatte erklärt, sie habe keine Kraft mehr für eine weitere Amtszeit. Grund seien Beschimpfungen und Ver-

leumdungen aus dem Lager von Robert Fico sowie massive Drohungen gegen ihre Familie. Die sozialliberale Umweltaktivistin hatte sich stark für die Aufklärung der Morde an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciak, der Verstrickungen von slowakischen Politikern mit der Mafia aufgedeckt hatte, und dessen Verlobter Martina Kušnírová im Jahr 2018 engagiert. Dieser Fall hatte auch zum Rücktritt des damaligen (und jetzigen) Ministerpräsidenten Robert Fico geführt. Nachfolger wurde damals dessen Stellvertreter Peter Pellegrini, der derzeit Parlamentspräsident und Vorsitzender der Partei Hlas ist. Ende vergangener Woche kündigte der Fico-Vertraute an, daß er als Staatspräsident kandidieren werden. Politische Beobachter gehen davon aus, daß Pellegrini beste Chancen hat, die Wahl zu gewinnen.

Budapest: Traditionell führt die erste Auslandsreise eines neuen slowakischen Regierungschefs nach Prag. Diesen Antrittsbesuch hat Robert Fico bereits im November, kurz nach seiner Vereidigung, absolviert und dabei für einen Eklat gesorgt (Sudetendeutsche Zeitung berichtete). Neben den sachlich-unterkühlten Treffen mit Premierminister Petr Fiala und Staatspräsident Petr Pavel nutzte Robert Fico seinen Aufenthalt in Tschechien für ein herzliches Wiedersehen mit Ex-Premierminister und AnoChef Andrej Babiš und brüskierte damit seine offiziellen Gastgeber. Auslandsreise Nummer zwei führte Fico vergangene Woche nach Budapest, wo er von Ungarns Premierminister Viktor Orbán demonstrativ freundschaftlich empfangen wurde. In der anschließenden Pressekonferenz nannte Orbán seinen Gast aus Preßburg „Lieber Robert“ und verwies darauf, daß dieses bilaterale Treffen das 33. sei. Ungarn und die Slowakei hätten, so Orbán, „zu mindestens 99 Prozent“ die gleichen Interessen: „Wir sind überhaupt nicht glücklich über die Superstaatsinitiativen aus Brüssel. Wir sind ganz und gar nicht glücklich über die Bemühungen, die illegale Migration zu legitimieren. Wir wollen unsere Grenzen schützen, und

wir selbst wollen bestimmen, wen wir in unsere Länder hereinlassen.“ Fico betonte auf der Pressekonferenz, daß die Slowakei unter seiner Führung die Abschaffung des Vetos der EUMitgliedstaaten gegen Mehrheitsentscheidungen auf europäischer Ebene nicht unterstützen werde. „Lieber Robert, ich danke dir für deine Hilfe in Bezug auf Migranten, und ich bitte dich, uns auch weiterhin auf diese Weise zu helfen“, flötete Viktor Orbán auf der Pressekonferenz. Auch bei der Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen den Aggressor Rußland untergraben Ungarn und die Slowakei den Anti-Putin-Kurs der EU. So sagte Fico, der in seinem Wahlkampf angekündigt hatte, keine einzige Patrone mehr in die Ukraine liefern zu wollen, er stimme mit Orbáns Position überein, daß die EU ein geplantes Hilfspaket für Kiew in Höhe von 50 Milliarden Euro nicht aus dem gemeinsamen Haushalt finanzieren sollte, und wiederholte Orbáns Behauptungen, daß der Krieg in der Ukraine nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden könne. „Wir haben uns die Vorschläge, die Ministerpräsident Orbán im Zusammenhang mit der Überprüfung des Haushalts und der Hilfe für die Ukraine bereits gemacht hat, sehr genau angehört, und ich möchte wiederholen, daß wir sie für vernünftig und sinnvoll halten“, sagte Fico. Die Spannungen zwischen den beiden Visegrád-Staaten und der EU dürften im Laufe dieses Jahres noch zunehmen. Zum einen wächst die Kriegsmüdigkeit auch in den anderen EUStaaten, zum anderen wird Ungarn am 1. Juli den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernehmen. Anschließend folgt ViségardMitglied Polen, wo der Wandel von einer rechts-populistischen zu einer demokratischen Regierung noch längst nicht in trockenen Tüchern ist. Torsten Fricke

Mit 36 Prozent liegt das Bündnis von Premierminister Petr Fiala knapp vor der Ano-Partei von Andrej Babiš

Hauchdünne Mehrheit für die Regierung Nach der neuesten Wahlumfrage in Tschechien liegt die AnoPartei von Ex-Premierminister Andrej Babiš mit 35 Prozent klar in Führung, aber die Fünfer-Koalition von Premierminister Petr

Umfrage des Instituts Median von Dezember. Angaben in Prozent. Grafik: Sudetendeutsche Zeitung

Fiala hätte dennoch wieder eine hauchdünne Mehrheit, hat das Meinungsforschungsinstitut Median gemeldet. Die Umfrage wurde im Dezember durchgeführt.

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ie Fünfer-Koalition von Premierminister Petr Fiala aus ODS, Piraten, Stan, Top 09 und KDU-ČSL würde mit 36 Prozent knapp vor Ano landen. Eine Koalition von Babiš mit der rechtsradikalen SPD, die mit 9 Prozent ins Abgeordnetenhaus einzieht, gilt als ausgeschlossen. Demnach könnte Fiala weiter regieren, allerdings nur mit einem Vierer-Bündnis, da laut Umfrage die KDU-ČSL an der Fünf-ProzentHürde scheitert – ebenso wie die Sozialdemokraten (Socdem) und die Kommunisten (KSČM). Die nächste Abgeordnetenhauswahl findet voraussichtlich im Oktober 2025 statt. Dabei werden die 200 Mandatsträger des Abgeordnetenhauses gewählt.

Laut der Meinungsforscher ist Ano die am häufigsten gewählte Partei in der Altersgruppe der über 35jährigen. In der Gruppe der über 65jährigen wählt fast jeder Zweite die Partei von Babiš. Sie ist auch die erste Wahl für alle Bildungsgruppen, einschließlich derjenigen mit Hochschulbildung. Die einzige Ausnahme bilden die Studenten, bei denen die Ano fast keine Unterstützung erhielt. Die ODS würde vor allem von Unternehmern und Arbeitnehmern mit hohem Einkommen gewählt. Die Piraten dominieren in der Altersgruppe der 18- bis 24jährigen, wo zwei von fünf Personen für sie stimmen würden. Torsten Fricke


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