Sudetendeutsche Zeitung 15. März 2024 Ausgabe 11

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❯ Vierthöchster Wert im Vergleich aller EU-Regionen beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftstandards Prag steigt zu

Regionen in Europa auf

Prag hat innerhalb der Europäischen Union den vierthöchsten Lebensstandard, hat die Europäische Statistikbehörde Eurostat jetzt für 2022 ermittelt. 2021 war die tschechische Hauptstadt noch auf Platz fünf.

DNeudeker Heimatbrief

Die Präsidenten Zuzana Čaputová und Petr Pavel besuchten im April 2023 gemeinsam die Ukraine.

Foto: Kancelář Prezidenta Republiky

❯ Slowakische Präsidentin: Čaputová

zum Abschied nach Prag

Bevor am 23. März in der Slowakei ein neues Staatsoberhaupt gewählt wird, besucht die scheidende Präsidentin Zuzana Čaputová am kommenden Montag Prag – eine Abschiedsvisite mit Symbolcharakter.

Seit dem Amtsantritt des Populisten Robert Fico in Preßburg sind die Beziehungen zwischen Tschechien und der Slowakei auf einem Tiefpunkt. Ein Streitthema ist die Unterstützung der Ukraine. Mit Peter Pellegrini könnte ein Fico-Anhänger jetzt auch noch Staatspräsident werden.

Vor einem Jahr war das noch anders. Im April 2023 besuchten die Präsidenten Petr Pavel und Zuzana Čaputová gemeinsam die Ukraine, um die Solidarität ihrer Länder gegen den russischen Überfall auszudrücken. In Prag werden die beiden Präsidenten an der Premiere eines neuen Dokumentarfilms über Václav Havel teilnehmen.

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ie wirtschaftliche Lage ist innerhalb der Europäischen Union sehr unterschiedlich. Die Statistiker haben deshalb die sogenannte Nuts-Hierachie (Nomenclature des unités territoriales statistiques) entwickelt. Dabei stellt die Hierachieebene Nuts 0 die Nationalstaaten dar. Viel interessanter ist aber die Ebene Nuts 2, in der mittelgroße Regionen zusammmengefaßt werden.

Um die Wirtschaftskraft dieser Regionen miteinander vergleichen zu können, analysieren die Statistiker das jeweilige Bruttosozialprodukt, also den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen abzüglich aller Vorleistungen innerhalb eines Jahres. Hier ist die Île-de-France mit Paris mit 783 Milliarden Euro deutlicher Spitzenreiter vor der Lombardei (440 Milliarden Euro) und Oberbayern (320 Milliarden Euro).

Manko dieser Betrachtung: Ein hohes Bruttosozialprodukt sagt wenig über den Lebensstandard der Bürger aus, zumal dann nicht, wenn auch ein vergleichsweises gutes Einkommen durch hohe Ausgaben, zum Beispiel bei der Miete, wieder egalisiert wird. Die Statistiker haben deshalb für die einzelnen Regionen das sogenannte Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftstandards errechnet, indem das Währungs- und Preisniveau berücksichtigt wird. Dabei wird der EU-Durchschnitt als Indexwert 100 genommen.

Nach den jetzt veröffentlichten Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat ist die Region Prag vom fünften Platz in 2021 auf den vierten Platz in 2022 aufgestiegen. Mit einem Wert von 207 Prozent liegt die tschechische Hauptstadt mehr als dop-

Mit einem

pelt über dem EU-Durchschnitt. Spitzenreiter sind der Süden Irlands (286), Luxemburg (257) sowie Ost- und Mittelirland (239). Als erste deutsche Region kommt Hamburg mit 195 auf Platz sechs. Oberbayern, beim Bruttoinlandsprodukt noch mit Abstand Deutschlands führende Region, landet mit 169 auf Platz neun. Ein Grund sind die extrem hohen Mietkosten insbesondere in München.

Ähnlich, wenn auch auf einer weitaus simpleren Basis, ist der sogenannte Big-Mac-Index ein Gradmesser für die jeweilige Kaufkraft. Er richtet sich nach dem jeweiligen Preis des gleichnamigen Hamburgers von McDonald‘s.

Demnach kostete im November 2022 mit 7,75 Dollar ein Bic Mac in der Schweiz sowie in Liechtenstein weltweit am meisten. Zum Vergleich: In Pakistan verlangte McDonald‘s für das gleiche Produkt nur 1,91 Dollar, also rund ein Viertel.

Auch der Big-Mac-Index zeigt, daß man in Tschechien mehr für sein Geld bekommt. Während in Deutschland 6,08 Dollar und in Österreich 4,65 Dollar zu zahlen waren, waren es im Vergleichszeitraum in Tschechien 4,44 Dollar.

Dennoch ist das Einkaufen in Tschechien nicht generell günstiger. So hatte Premierminister Petr Fiala im November 2023 höchstpersönlich in Eger und

❯ Auf dem Kaadener Friedhof am Mahnmal für die Toten des 4. März 1919

Gedenkakt und Eklat

Eine eindrucksvolle, vom Heimatkreisbetreuer von Kaaden an der Eger, Lothar Grund, liebevoll organisierte Gedenkfeier am Mahnmal für die Kaadener Toten des 4. März 1919, verlief am Samstag würdig, aber endete mit einem Eklat.

Nachdem in versöhnlichen Ton und mit historischem Tiefgang gehaltenen Reden des Bürgermeisters Jan Losenický von der tschechischen Stadt Kaaden, die das zweisprachige Mahnmal vorbildlich ehrt und pflegt, des Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt und – auf tschechisch – der stellvertretenden Landesobfrau der SL Bayern, Margaretha Michel,

ergriff das Mitglied einer von der Sudetendeutschen Landsmannschaft abgesplitterten Gruppe aus Sachsen, das der AFD angehört, das Wort.

Er relativierte Putins Schuld am von Rußland entfesselnden Angriffskrieg, äußerte sich antieuropäisch und brachte einen scharfen, national geprägten Ton in die sensible Feierstunde. Dabei hob er auch die Anwesenheit eines AfD-Bundestagsabgeordneten hervor, ohne dessen Namen zu nennen.

Volksgruppensprecher Bernd Posselt reagierte prompt mit einem lautstarken Widerspruch, indem er betonte, daß die Sudetendeutsche Landsmannschaft „mit dem Rechtsextremisten

von der AfD“ nichts zu tun habe und kritisierte den „Nationalismus und Putinismus“ des Redners. Solche Töne hätten auf einer Gedenkfeier für die Toten des 4. März 1919, die friedlich für Demokratie und Selbstbestimmungsrecht demonstrierten, nichts zu suchen, so Posselt.

Die Feierstunde, an der auch Bayerns Landesobmann Steffen Hörtler und der Regionalvorsitzende der Deutschen Minderheit, Richard Ŝulco, als Ehrengäste teilnahmen, endete würdig mit einem geistlichen Wort und einem Gebet des Kaadener Dekans Josef Čermák.

Weitere Berichte über das Gedenken zum 4. März 1919 auf den Seite 9 und 10.

Waldsassen unter anderem Nutella, Ketchup sowie Eier, Milch und Tomaten eingekauft und danach in seinem Facebook-Video geklagt: „In Tschechien ist alles entweder teurer oder wird in kleineren Verpackungen verkauft.“ Selbst tschechisches Bier gibt es in den grenznahen Getränkemärkten in Bayern und Sachsen oft deutlich günstiger.

Zumindest in seinem Heimatland kam die Einkaufstour im Stil einer RTL-Reportage damals nicht besonders gut an. So beteiligten sich an einer Umfrage von novinky.cz 26 000 Leser. Davon bewerteten 86,4 Prozent die Aktion des Regierungschefs als negativ.

Nebeneffekt: Petr Fiala, lang-

dem sechsten Platz. Gra k: Sudetendeutsche Zeitung, Foto: Czech Tourism/DaLiu/shutterstock.com

jähriger Professor für Politikwissenschaften und von 2004 bis 2011 Rektor der Masaryk-Universität in Brünn, bekam einen Spitznamen: „Prof. Nutella“. Mittlerweile dürften sich die Wogen aber geglättet haben, da die Inflationsrate auch im NichtEuro-Land Tschechien sinkt. So hatte das Tschechische Statistikamt noch für den Januar 2023 einen schwindelerregenden Wert von 17,5 Prozent gemeldet. Ein Jahr später, im Januar 2024, waren es 2,3 Prozent und im Februar sogar nur noch 2,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch EU-weit sinkt die Inflationsrate und wird für das gesamte Jahr 2024 auf 2,8

54 Sudetendeutsche wurden bei der blutigen Niederschlagung der landesweiten Demonstrationen am 4. März 1919 erschossen. Mit 25 Toten gab es die meisten Opfer in Kaaden. Bei dem Gedenken auf dem Friedhof (von links): Übersetzerin Irena Lenčová, Bürgermeister Jan Losenický, Volksgruppensprecher Bernd Posselt und Heimatkreisbetreuer Lothar Grund. Foto: Ulrich Möckel

Torsten Fricke
Prozent geschätzt.
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Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Reicenberger Zeitung MdB Knut Abraham: Müssen Pavel-Initiative unterstützen (Seite 3) Postvertriebsstück Deutsche Post AG Entgelt bezahlt Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH Hochstraße 8 D-81669 München eMail zeitung@sudeten.de B 6543 Jahrgang 76 | Folge 11 | 2,80 EUR 75 CZK | München, 15. März 2024 HEIMATAUSGABEN IN DIESER ZEITUNG Sudetendeutsche Zeitung HEIMATBOTE Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft Reicenberger Zeitung Zeitung VOLKSBOTE
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Mitteilungsblatt für den früheren Gerichtsbezirk Zuckmantel im Altvatergebirge
einer der reichsten
74. SUDETENDEUTSCHER TAG 17. BIS 19.MAI 2024 IN AUGSBURG Sudetendeutsche und Tschechen –miteinander für Europa
Wert von 207 Prozent ist das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt in Prag mehr als doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Spitzenreiter ist der Süden Irlands mit 286 Prozent. Als erste deutsche Region kommt Hamburg mit 195 Prozent auf

SL-Büroleiter

Peter Barton

macht auf ein interessantes Buch des Historikers Prokop Tomek aufmerksam, das unter dem Titel „Estébáckou Prahou“ (Führer durch Stasi-Prag) erschienen ist. Zu den bevorzugten Objekten der tschechoslowakische Stasi (StB) gehörten vor 1989 natürlich die Botschaften westlicher Staaten.

Seit 1974, dem Beginn der diplomatischen Beziehungen zwischen der ČSSR und der Bundesrepublik Deutschland, residierte die Botschaft zuerst in zwei Stockwerken des Hotels „Jalta“ am Wenzelsplatz. Erst zwei Jahre später durfte sie in das renovierte Gebäude des Palais Lobkowitz auf der Kleinseite umziehen. An mehreren Häusern gegenüber der Botschaft wurden Kameras angebracht, und 1976 hatte die StB ihren Standort auf dem Dachboden des Hauses 334/32 eingerichtet. Vor dem Haus hielt

AUS UNSEREM PRAGER BÜRO

ein StB-Angehöriger in einfacher Polizeiuniform Wache. Botschafter Gerhard Ritzel (1923–2000) mußte ziemlich isoliert in der Botschaft residieren. An Heiligabend 1976 wollte er die Abhörung in der Botschaft testen, deshalb sagte er in seinen Privaträumen, er wolle an Silvester punkt Mitternacht seinen „Beschützern“ zuprosten. Zu besagter Zeit ging er mit seiner Frau ans Fenster, und tatsächlich wurde im Haus gegenüber das Rollo hochgezogen und zwei StB-Angehörige zeigten sich mit einem Glas Sekt in der Hand. Tomek

PRAGER SPITZEN

benutzt die Erinnerungen Ritzels zur Schilderung eines weiteren Vorfalls, zu dem es im Frühling 1976 gekommen war: Mit

❯ Nachrichtenagentur ČTK hat ein großes Interview mit Bernd Posselt verbreitet

physischer Gewalt verhinderten StB-Angehörige, daß Ritzel am Prager Flughafen Mitglieder der Berliner Philharmoniker begrüßen durfte.

Volksgruppensprecher in den tschechischen Medien

Die Nachrichtenagentur ČTK, deren Ursprung auf 1918 zurückgeht, ist eine der wichtigsten Medienmarken in Tschechien. Rund um die Uhr werden von der Zentralredaktion in Prag aus Zeitungen, Zeitschriften, Online-Magazine sowie Radio- und Fernsehsender mit Nachrichten und Berichten beliefert. Das, was ČTK meldet, hat in Tschechien und darüber hinaus Gewicht. Insofern ist es ein besonderes Ereignis, daß der Berliner Korrespondent von ČTK, Aleš Zápotocký, ein großes Interview mit dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, geführt und am Wochenende veröffentlicht hat. Die Sudetendeutsche Zeitung dokumentiert den Bericht in deutscher Übersetzung.

Berlin – Die Erweiterung der Europäischen Union im Jahr 2004 um zehn Länder, darunter die Tschechische Republik, war ein großer Erfolg für alle. Das sagte Bernd Posselt, der höchste politische Vertreter der Sudetendeutschen, in einem Interview mit der ČTK. Er unterstützte damals den Beitritt Tschechiens, stimmte aber gleichzeitig im Europäischen Parlament gegen den tschechischen Beitritt. Heute spart Posselt nicht mit Lob, wenn er von Fortschritten in den Beziehungen zwischen Tschechen, Deutschen und Sudetendeutschen spricht. In dem Interview bezeichnete er die Tschechische Republik als eines der konstruktivsten Mitglieder der Union und lobte Prag auch für seine klare Unterstützung der Ukraine, die sich seit über zwei Jahren gegen die von Präsident Wladimir Putin angeordnete russische Militärinvasion wehrt.

„Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, die Frieden und Stabilität anstrebt. Putin will Europa zerstören und (US-Präsidentschaftskandidat Donald) Trump will sich von Europa abwenden. Deshalb müssen wir eng zusammenarbeiten und zusammenhalten. Die nationalen Interessen Tschechiens und Deutschlands unterscheiden sich nicht, im Gegenteil, sie stimmen überein“, sagte Posselt auf die Frage, was die EU den Tschechen bringt und wie die Deutschen von der tschechischen Mitgliedschaft profitieren.

Allerdings waren die Beziehungen zwischen Berlin, Prag und den Sudetendeutschen in der Vergangenheit nicht so harmonisch, wie sie heute von al-

Volksgruppensprecher Bernd Posselt als Brückenbauer bei einer Podiumsdiskussion im vergangenen Jahr beim Brünner Kulturfestival Meeting Brno. Foto: Torsten Fricke

len drei Seiten beschrieben werden. Posselt selbst stimmte 2003 im Europäischen Parlament gegen den tschechischen Beitritt, ebenso wie zwei Dutzend deutsche konservative Abgeordnete. Er begründete dies damals in einem offenen Brief damit, daß sich seine Ablehnung nicht gegen die Tschechen richte, sondern ein Protest dagegen sei, daß die Dekrete von Präsident Edvard Beneš Teil der tschechischen Rechtsordnung bleiben. Die Dekrete, mit denen nach dem Zweiten Weltkrieg rund drei Millionen Deutsche aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden, sind für die Sudetendeutschen ein sensibles Thema. Die Tschechische Republik betrachtet die Dekrete als rechtlich erloschen. ... Posselt hat wiederholt für den Beitrag der Sudetendeutschen zum Nationalsozialismus um Verzeihung gebeten. Jetzt, mehr als 20 Jahre nach der Abstimmung, sagte Posselt, er habe sein ganzes politisches Leben lang für die Erweiterung des europäischen Blocks gekämpft. „Das war vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. Ich war immer davon überzeugt, daß der Vorhang eines Tages verschwinden würde. Und als die Tschechoslowakei frei wurde, war das einer der schönsten Tage in meinem Leben“, sagte er. „Natürlich habe ich auch dafür gekämpft,

daß das Land meiner Vorfahren Teil der EU wird, aber ich habe dagegen gestimmt, um zu zeigen, daß es noch offene Probleme gab, weil die tschechische Regierung damals absolut keinen Kontakt zu den Sudetendeutschen wollte“, sagte er.

Er merkte an, daß es damals mehr solcher symbolischer Stimmen gegen den Beitritt gab. „Viele Sozialdemokraten, obwohl sie für die Erweiterung waren, stimmten gegen Polen, weil sie eine Reform der Agrarpolitik für notwendig hielten. Und eine Reihe von Grünen hat gegen Malta gestimmt, weil die Vogelschutzrichtlinie nicht umgesetzt wurde“, erklärte er.

„Aber ich war immer grundsätzlich für den tschechischen Beitritt, wie ich damals in einem offenen Brief gesagt habe. Und heute halte ich Tschechien für einen der positivsten und konstruktivsten EU-Mitgliedstaaten“, betonte der Sudetendeutsche.

Posselt hält die Erweiterung der EU um vor allem mittel- und osteuropäische Länder für einen außerordentlichen Erfolg. „Die zehn Länder, die damals (2004) beigetreten sind, aber auch Rumänien, Bulgarien und Kroatien, die später beigetreten sind, haben von der EU-Mitgliedschaft enorm profitiert. Das sehen wir zum Beispiel an der klaren Hal-

US-Präsident Biden

empfängt Petr Fiala

Es ist eine besondere Geste: US-Präsident Joe Biden wird Tschechiens Premierminister Petr Fiala am 15. April im Weißen Haus empfangen. Die beiden Politiker wollen, so eine Sprecherin des Präsidenten, mit dem Treffen in Washington die anhaltende Unterstützung der Ukraine bekräftigen. Außerdem sollen Sicherheitsfragen, die wirtschaftliche Lage und der Kampf für demokratischen Werte auf der Tagesordnung stehen. Tschechien hatte im Herbst den Kauf von 24 Überschall-Mehrzweckkampfflugzeugen des Typs F-35 des amerikanischen Rüstungsunternehmens Lockheed Martin für fünf Milliarden US-Dollar beschlossen. Dabei handelt es sich um die größte Rüstungsinvestition seit Bestehen der Tschechischen Republik.

Umfrage: Ano steigt auf 38,5 Prozent Nach der aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar wäre die Oppositionspartei Ano des ehemaligen Premierministers Andrej Babiš mit 38,5 Prozent der klare Wahlsieger. Es ist der höchste Wert seit 2014. Von dem regierenden Fünfer-Bündnis würden vier Parteien den Wiedereinzug in das Parlament schaffen. Die ODS von Premierminister Petr Fiala käme demnach auf 14,5 Prozent, die Piraten auf 10,0 Prozent, Stan auf 7,5 Prozent und Top 09 auf 5,0 Prozent. Die KDU-ČSL würde mit 2,0 Prozent deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Die Rechtsaußenpartei SPD würde 9 Prozent der Stimmen bekommen.

Babiš beleidigt Außenminister

Eine falsch verschickte eMail des Ano-Vorsitzenden Andrej Babiš sorgt in Tschechien für Aufsehen: „Besorgen Sie mir Hintergrundinformationen über diesen ... (nicht druckbares Schimpfwort). Hat er Kinder?“, forderte Babiš ein Dossier über Tschechiens Außenminister Jan Lipavský an. Als die eMail öffentlich wurde, hat sich Babiš zwar für die vulgären Worte ent-

schuldigt, aber erklärt, er habe nichts Kompromittierendes über den Außenminister haben wollen, sondern er wollte ihn angeblich nur fragen, ob er seine Kinder in den Krieg schicken würde. In einer TV-Sendung konterte Lipavský und erklärte, Babiš sei mittlerweile ein Sicherheitsrisiko für das Land.

Ex-Präsident

Bill Clinton in Prag

Zum 25. Jahrestag des Nato-Beitritts hat der ehemalige US-Präsident Bill Clinton am Dienstag in Prag eine Rede auf der Jubiläumskonferenz „Unsere Sicherheit ist keine Selbstverständlichkeit“ gehalten. Im Zuge der ersten NatoOsterweiterung war Tschechien am 12. März 1999 gemeinsam mit Polen und Ungarn dem westlichen Militärbündnis beigetreten. Clinton, der sich seit vergangenem Samstag in der tschechischen Hauptstadt aufhielt, wurde auch von Präsident Petr Pavel und Premierminister Petr Fiala zu persönlichen Gesprächen empfangen. Gemeinsam mit dem Präsidentenehepaar Petr Pavel und Eva Pavlová besuchte Clinton am Sonntagabend den Jazzclub Reduta, in dem er 1994 seinen legendären Saxophon-Auftritt vor dem damaligen Präsidenten Václav Havel und der ehemaligen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright, hatte.

Böhmischer Löwe für Spielfilm

„Brüder“

Der tschechische Filmpreis Böhmischer Löwe (Český lev) für den besten Spielfilm des Jahres 2023 geht an „Brüder“ („Bratři“) von Regisseur Tomáš Mašín. Der Film handelt von den Gebrüdern Mašín, die eine Widerstandsgruppe gegen das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei gegründet hatten und 1953 über die DDR nach Berlin (West) flohen. Die meisten Auszeichnungen erhielten die TV-Retroserie „Volha“ und der Science-Fiction-Film „Bruchstelle“ („Bod zlomu“) mit jeweils fünf Preisen. Der Böhmische Löwe für das Lebenswerk wurde an den Kameramann Vladimír Smutný verliehen.

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tung Polens, der Tschechischen Republik und Rumäniens zum Krieg in der Ukraine, die sich wohltuend von der Schwäche einiger Mitgliedsstaaten unterscheidet“, so Posselt. Er sieht auch Vorteile in der Umwandlung eines einst geteilten Mitteleuropas.“ Bayern und die Tschechische Republik waren jahrhundertelang das blühende Zentrum Europas und sind es heute dank der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der europäischen Einigung wieder“, sagte er. Posselt sieht in einem von Moskau dominierten Eurasien von Wladiwostok bis Lissabon die einzige realistische Alternative zur EU.“ Aber das wollen wir auf keinen Fall“, sagte er. Er wies darauf hin, daß Putin offen über die Idee eines solchen Eurasiens spreche und daß er nicht nur in Deutschland eine fünfte Kolonne habe, die er in der Alternative für Deutschland (AfD) und ähnlichen nationalistischen Parteien gewonnen habe. Trotz der hohen Wahlbeteiligung fürchtet Posselt den Aufstieg der Radikalen in Deutschland nicht. „Die rechtsradikale AfD und die linksnationalistische Partei von (Sahra) Wagenknecht haben zum Glück keine Chance, ihre antieuropäische Politik durchzusetzen, denn die meisten Deutschen haben aus der Geschichte gelernt.“

ISSN 0491-4546

Erscheint wöchentlich freitags Redaktionsschluß Veranstaltungstermine: Freitag 18.00 Uhr. Redaktionsschluß Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in TeplitzSchönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München.

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Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.

AKTUELL · MEINUNG Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15.3.2024 2

„Der Krieg Putins wütet weiter mit voller Brutalität“, berichtet MdB Knut Abraham. Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat sich in der vergangenen Woche im ukrainischen Odessa sowie in Moldawien ein Bild von Rußlands Aggression gemacht. Abraham, der Mitglied des Sudetendeutschen Rates ist, war Teil einer Bundestagsdelegation, der auch Falko Droßmann (SPD), Ottmar von Holtz (Grüne) und Peter Heidt (FDP) angehörten.

Herr Abraham, was war der aktuelle Anlaß, nach Odessa und Moldawien zu fahren?

Knut Abraham: Weltweit stellt Getreide die wichtigste Ernährungsgrundlage da. Experten schätzen, daß rund 400 Millionen Menschen auf Getreide aus der Ukraine angewiesen sind. Wir müssen deshalb alles tun, um weitere humanitäre Katastrophen in Folge des russischen Angriffskriegs zu verhindern. Als Kornkammer der Welt wickelt die Ukraine ihre Getreidetransporte unter anderem über das Schwarze Meer, aber auch über die Donau, und somit über Moldawien, ab.

Vor zwei Jahren, kurz nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, war die Route über das Schwarze Meer unterbrochen. Es drohte eine Hungersnot in Afrika. Jetzt exportiert die Ukraine vom Hafen Odessa aus wieder Millionen Tonnen über den Seeweg. Wie kam es dazu?

Abraham: Den Ukrainern ist es gelungen, einen Getreidekorridor entlang der SchwarzmeerKüste zu errichten und wieder Rekordmengen für den Weltmarkt zu liefern. Die Getreidefrachter fahren dabei von Odessa aus direkt an der Küstenlinie von Rumänien, Bulgarien und der Türkei entlang und sind so geschützt vor Angriffen der russischen Marine.

Wie reagiert Rußland?

Abraham: Für die Russen hat die Störung der ukrainischen Getreideexporte weiterhin eine hohe Priorität, deshalb gibt es ständig Raketen- und Drohnenangriffe auf Odessa. Allein am Mittwoch, als wir vor Ort waren, sind bei einem Angriff auf den Hafen fünf Ukrainer getötet worden. Die Bedrohungslage für Odessa ist sehr hoch, weil die Entfernung zur russisch besetzten Krim gering ist. Es gibt deshalb so gut wie keine Vorwarnzeiten.

Wenn jederzeit an jedem Ort eine Rakete einschlagen kann, wie reagieren die Menschen in Odessa auf diese permanente Bedrohung?

Abraham: Odessa ist eine Millionenstadt, und sie funktioniert, aber diese ständige Bedrohung liegt wie Blei über der Stadt. Am Mittwoch war auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Odessa, um an einer Beerdigung teilzunehmen. Am Wochenende war eine russische Rakete in einem Wohnhaus, übrigens weit entfernt vom Hafen, eingeschlagen, und hatte zwölf Menschen getötet – darunter ein Baby. Die Gefahr ist allgegenwärtig. Man hält sich in einer Wohnung auf und blickt auf die Nachbarschaft, wo ganze Häuser von russischen Raketen zerstört worden sind. Die Stimmung ist gedrückt und bedrückend.

Ein entscheidendes Thema für die Ukraine, um sich gegen die russischen Angriffe wehren zu können, ist die nachhaltige Versorgung mit Munition. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz hat der tschechische Staatspräsident Petr Pavel eine internationale Initiative zum Ankauf von 800 000 Artilleriegranaten gestartet. Sollte sich Deutschland beteiligen?

Abraham: Das ist eine hervorragende und verdienstvolle Initiative des tschechischen Staatsoberhaupts, der als ehe-

SUDETENDEUTSCHE GESPRÄCHE

❯ Interview mit MdB Knut Abraham, Mitglied des Sudetendeutschen Rates

❯ Zur Person: Knut Abraham

❯ Geboren am 4. Juni 1966 in Hamburg, verheiratet, fünf Kinder.

❯ 1985 Abitur am Hansa-Gymnasium Bergedorf.

❯ 1985 bis 1987 Soldat auf Zeit im integrierten Dienst der Nato im HQ AFCENT in Brunssum/Niederlande.

❯ Studium der Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Erstes Juristisches Staatsexamen am OLG Düsseldorf 1993. Referendariat am Kammergericht in Berlin. Dort Zweites Juristisches Staatsexamen 1998.

❯ 1987 bis 1996 Büroleiter von Dr. Otto von Habsburg, MdEP, am Deutschen Bundestag in Bonn und Berlin. 1994 bis 1996 auch am Europäischen Parlament.

❯ 1990 bis 1998 Bundesvorsitzender der Paneuropa-Jugend Deutschland.

❯ Seit 1998 Angehöriger des Auswärtigen Dienstes.

❯ 2003 bis 2005 Tätigkeit als Referent im Nato-Referat des Auswärtigen Amtes.

❯ 2018 bis 2021 Gesandter an der Deutschen Botschaft Warschau.

❯ Seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

❯ Seit 2021 Mitglied des Sudetendeutschen Rats.

maliger General und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses sehr genau weiß, was die Ukraine in der aktuellen Lage dringend benötigt. Pavel ist weltweit tätig geworden, um verfügbare

Artilleriegranaten für die Ukraine zu sichern. Was jetzt dringend benötigt wird, ist eine Finanzierung des Ankaufs dieser Munitionsbestände. Es geht um rund 1,4 Milliarden Euro, wobei die

Die Bundestagsdelegation vor dem Büro des deutschen Honorarkonsuls Oleksandr Kyfak mit dem stellvertretenden Leiter der ukrainischen Seehäfen, Dmytro Barinow. Fotos: Bundestagsbüro Knut Abraham

MdB Knut Abraham vertritt die CDU/CSU-Fraktion als Obmann im Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Außerdem ist der ehemalige Gesandte und Polen-Kenner Mitglied des Sudetendeutschen Rates.

Niederlande bereits erklärt haben, 250 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Für mich steht deshalb völlig außer Frage: Wir als Deutschland müssen die Initiative von Präsident Petr Pavel selbstverständlich unterstützen.

Warum hört man aber aus dem politischen Berlin nichts zu dieser Initiative der Tschechen?

Abraham: Die politische Debatte in Deutschland wird derzeit dominiert vom Taurus-Thema und dem irritierenden Verhalten des Bundeskanzlers in dieser Frage. Deutschland muß aber auch bei den anderen Waffensystemen weiter Munition liefern, wie bei Gepard, IrisT und Patriot. Die Dringlichkeit ist uns in Odessa immer wieder von ukrainischer Seite bestätigt worden. Und ich nehme das Thema auch mit nach Berlin in den Bundestag. Die Ukrainer haben allergrößte Sorge, und da

spielt sicherlich auch die aktuelle politische Entwicklung im USamerikanischen Wahlkampf eine Rolle, daß sie eines nahen Tages mit zu wenig Munition dastehen, um mit einer effektiven Luftverteidigung ihre Bevölkerung vor russischen Raketen zu schützen. Das wäre eine Katastrophe – insbesondere für die Ukraine, aber auch für uns in Westeuropa. Die Reise Ihrer Delegation ging auch nach Moldawien. Was bereitet Ihnen hier Sorgen?

Abraham: Es ging um zwei Punkte. Erstens, Moldawien massiv zu unterstützen auf dem Weg in die Europäische Union. Das passiert aktuell und trägt zu einer deutlichen Stabilisierung des Landes bei. Das ist auch für uns im Westen ein wichtiger Schritt für mehr Sicherheit in dieser Region. Zweitens müssen wir die Lage im abtrünnigen und von Rußland dominierten Transni-

strien weiter eng im Blick behalten, wo unlängst der sogenannte Volksdeputiertenkongreß einen Hilfsappell nach Moskau geschickt hat und bereits jetzt rund 1500 russische Soldaten stationiert sind. Auch wenn niemand damit rechnet, daß kurzfristig eine negative Entwicklung eintritt, hat Putin doch immer wieder gezeigt, daß er unberechenbar ist und jede Gelegenheit nutzt, um zu destabilisieren. Das ist Teil der hybriden Kriegsführung Rußlands. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, daß Moldawien ein sehr armes Land ist. Die Gefahr ist deshalb groß, daß es insbesondere im Vorfeld der kommenden Präsidentschaftswahlen zu von Moskau gesteuerten Unruhen kommen könnte. Wir müssen also alles tun, um die Republik Moldau auf einem stabilen Kurs zu halten. Deshalb ist es eine sehr gute Nachricht, daß die moldawische Präsidentin Maia Sandu am Donnerstag nach Paris gereist ist, um mit Staatspräsident Emmanuel Macron ein Sicherheitsabkommen zu unterzeichnen. Frankreich macht damit sehr deutlich, daß es auch in dieser Region Verantwortung übernimmt.

Putin hat Ende Februar in einer Rede an die Nation Stellung bezogen. Wie beurteilen Sie, was der russische Präsident gesagt hat?

Abraham: Putins Botschaft an den Westen war unmißverständlich. Erstens, er hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er den Weg des Krieges weitergehen wird. Und zweitens hat er deutlich gemacht, daß er keinerlei Interesse an einer vertraglich vereinbarten Friedenslösung hat. Stattdessen setzt Putin, und das war auch die Botschaft an sein Volk, auf Rußlands Stärke und fordert seine Bürger zum Patriotismus auf. Das ist deshalb so besorgniserregend und gefährlich, weil der Westen derzeit den Eindruck vermittelt, verwirrt und durcheinander zu sein. Es ist deshalb mehr als unglücklich, daß der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der französischer Staatspräsident Emmanuel Macron vor ein paar Tagen auf der Weltbühne deutlich gemacht haben, daß man sich in der einstigen Achse Berlin–Paris in wesentlichen Fragen der westlichen Unterstützung der Ukraine nicht auf einen Standpunkt einigen kann. Dabei braucht es gerade jetzt ein deutliches Signal der Geschlossenheit des Westens. Wir müssen deutlich machen, daß wir nach wie vor willens und in der Lage sind, Putin Einhalt zu gebieten. Putin hat in seiner Rede gesagt, er verteidige auch die Interessen der Mitbürger in „Neu-Rußland“. Wenn man sich anschaut, welche Regionen für Putin unter „Neu-Rußland“ fallen könnten, zeigt dies, daß die Ukraine in seiner Strategie nur ein erster Schritt ist. Putin versucht permanent den Westen unter Druck zu setzen, und das dürfen wir nicht zulassen.

Petr Pavel hat unlängst seine Bürger gewarnt, Rußland dürfte den Krieg nicht gewinnen, nur weil wir im Westen kriegsmüde werden. Dennoch stellt sich die Frage, wann dieses sinnlose Sterben ein Ende hat.

Abraham: Die Ukrainer werden nicht aufgeben. Auf der anderen Seite wird der russische Druck, insbesondere auf die ukrainische Schwarzmeerküste, nicht geringer werden. Man muß bedenken, daß die Kriegssituation die Grundlage für das politische Überleben der russischen Führung ist. Für Putin kann es deshalb keine vertragliche und faire Friedenslösung geben. Wir müssen deshalb unseren Bürgern immer wieder erklären, daß es wichtig ist, die Ukraine weiterhin zu stärken. Die Ukrainer kämpfen auch für unser Europa. Unsere Unterstützung dient dazu, diesen Krieg möglichst schnell zu beenden, aber es wird dauern. Torsten Fricke

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„Wir müssen die Initiative von Präsident Pavel unterstützen “ Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15.3.2024
Die Bundestagsabgeordneten (von links) Falko Droßmann, Knut Abraham, Peter Heidt und Ottmar von Holtz (rechts) mit dem Leiter der Militärverwaltung Odessas, Oleh Kiper (vierter von links). Über zwei Jahrzehnte hatte der postsowjetische Hotelbau die Skyline von Odessa dominiert. Während des Umbaus zum Kempinski wurde das Gebäude im vergangenen Herbst bei einem russischen Raketenangri zerstört.

❯ Zentrum gegen Vertreibungen erö net Wanderausstellung im DDR-Museum in Berlin

Das Leid der Vertriebenen in der DDR: Stillgeschwiegen und still geschwiegen

Im DDR-Museum in Berlin hat die Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen in Zusammenarbeit mit dem BdV ihre mittlerweile sechste Wanderausstellung präsentiert. Unter dem (bewußt doppeldeutigen) Titel „Stillgeschwiegen!“ wird das Schicksal der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR dargestellt. Jeder dritte DDR-Bürger, so der Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, Dr. Christean Wagner, habe ein Vertreibungsschicksal erlitten, und „still geschwiegen“, weil die SED dieses Leid „stillgeschwiegen“ und stattdessen von „Umsiedlern“ gesprochen habe.

Aufgebaut waren die 32 Tafeln und der multifunktionale Bildschirmtisch, der über die Deutschen in Mittelund Osteuropa informiert und schon aus den anderen Ausstellungen bekannt ist, im Konferenzraum des DDR-Museums, der oberhalb des an der Spree beheimateten Museums in der Sankt-WolfgangStraße liegt. Bis zum 20. April macht die Ausstellung bei freiem Eintritt ihren ersten Halt thematisch nachvollziehbar gleich gegenüber dem Berliner Dom in Berlins Mitte. Zur Eröffnung kamen fast 100 Gäste, was die räumlichen Möglichkeiten fast überforderte. Auch die detaillierten Beschreibungen vermochten die Premierengäste so kaum zu würdigen. Sie werden wohl noch einmal vorbeischauen müssen.

Dr. Christean Wagner, Vorsitzender der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen.

Der Hausherr und Direktor des DDRMuseums, Gordon Freiherrn von Godin, begrüßte die Gäste und verwies auf die inhaltliche Nähe seines Museums zu dieser Ausstellung. Der Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, Dr. Christean Wagner, geboren in Königsberg und langjähriger Kultus- und Justizminister des Landes Hessen, erläuterte das Anliegen der sechsten von der Stiftung ins Werk gesetzten Ausstellung: „Rund 4,3 Millionen Vertriebene fanden in den Provinzen Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zunächst Unterkunft, Arbeit und später eine neue Heimat. Das Schicksal dieser Menschen nach dem Krieg ist das Thema unserer Ausstellung, die wir unter den plakativen, mehrdeutigen Titel ,Stillgeschwiegen!‘ stellen. Der Begriff symbolisiert den Umgang mit dem Thema in der damaligen SBZ und dann in der DDR. Die Botschaft des SED-Systems an seine Bürger war eindeutig: ,Ihr dürft von Vertreibung nicht sprechen.‘ Es war jedem Vertriebenen klar,

Die Ausstellung „Stillgeschwiegen“ wird noch bis zum 20. April im Konferenzsaal des DDR-Museums gezeigt, dessen Eingang sich unweit des Museums in der St. Wolfgang-Straße 2–4 be ndet. Fotos. Ulrich Miksch

daß die öffentliche Thematisierung von Vertreibungen und des Verlustes von Heimat zu staatlichen Sanktionen führen konnte. Mit dem Ausstellungstitel wollen wir auch zum Ausdruck bringen, daß die Vertriebenen in der DDR, mit ihrem Schicksal, mit ihrer Herkunft und ihrer Identität gleichsam als Imperativ stillgeschwiegen werden sollten. Das Thema wurde tabuisiert. Die Heimatvertriebenen existierten als Gruppe in der Bevölkerung nicht. Der Titel weist darüber hinaus in seiner Mehrdeutigkeit darauf hin, daß die Vertriebenen die Botschaft verstanden. Sie haben ,still geschwiegen‘. Sie haben sich arrangiert mit der Situation, weil sie Schwierigkeiten mit dem Staat vermeiden wollten.“

Allerdings wanderten bis 1961 auch 900 000 der erstmal in der SBZ und der DDR gestrandeten nach Westdeutschland weiter. Der BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius erinnerte unter anderem an die Zeit nach der Wiedervereinigung, als in den neuen Bundesländern BdV-Landesverbände gegründet wurden. „Ganz so, als hätten die Menschen eine lange verschlossene Tür aufgestoßen, um frei atmen zu können. Plötzlich waren sie wieder sichtbar, die Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ost- und Siedlungsgebieten. Sie durften sich wieder zu ihrer Herkunft bekennen; das unter politischem Druck nur auf kleinster Sparflamme gelebte Selbstverständnis als Ostbrandenburger, Pommern oder Schlesier – um nur einige von vielen zu nennen – brach sich wieder Bahn.“ Und er gab im Blick auf den Sächsischen Landesbeauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler, Jens Baumann, der auch noch sprach, eine der nächsten Stationen der Wanderausstellung im Transferraum Heimat in Hoyerswerda-Knappenrode in den nächsten Monaten bekannt.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, dessen Mutter noch in Podersam zur Welt kam und

der deshalb in der letzten Zeit auch nach Aussig gefahren ist, um sich dort die Ausstellung über „Unsere Deutschen“ anzuschauen, die ja auch das Schicksal eines Teils seiner Familie thematisiert, kam nicht ohne Grund zur Eröffnung: „Vertriebene haben unser Land nach dem Zweiten Weltkrieg an vielen Stellen geprägt – wirtschaftlich, kulturell und auch sozial. Darüber ist lange nur wenig bis gar nicht gesprochen worden. Ich bin froh, daß sich das geändert hat. Die Ausstellung ,Stillgeschwiegen – Die Vertriebenen in der SBZ und der DDR‘ trägt dazu bei, ihr Schicksal und ihre Leistungen sichtbar zu machen. Mich hat das Thema besonders berührt, weil ein Teil meiner Familie auch Vertriebene sind. Sie fühlen sich als Thüringer durch und durch, aber die Erinnerung an die alte Heimat bleibt präsent und prägend. Gefallen hat mir deshalb an der Ausstellung, daß sie Menschen selbst zu Wort kommen läßt, die ihre Heimat verlassen mußten. Da finden sich ganz unterschiedliche Lebenswege und individuelle Schicksale. Es ist gut und wichtig, mehr darüber zu erfahren und mehr darüber zu sprechen.“ Und zwar nicht nur in Deutschland. Denn noch etwas habe sich verändert, so Schneider: „Heute leben wir in einem gemeinsamen Europa in Freiheit. Die Erfahrung der massenhaften Vertreibung von ganzen Bevölkerungsgruppen überall im mittleren und östlichen Europa, die lange Zeit Nachbarstaaten voneinander getrennt hat, kann heute die Grundlage für eine engere Verbindung sein. Inzwischen geht es nicht mehr um Ansprüche und Schuld, sondern darum, aus dem gemeinsamen Schicksal auch gemeinsame Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Das kann uns verbinden.“

Die Ausstellung berührt viele Fragen der Einordnung der Vertreibungsakte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und die Bewältigung ihrer Folgen gerade in der SBZ und vor allem in der

❯ Direktorin Dr. Gundula Bavendamm hatte die Wanderausstellung abgelehnt

DDR. Sie schildert dabei aber viele interessante Facetten des Lebens, die unter dem Diktat des Stillschweigens lange Zeit nur im Privaten und damit eben nicht öffentlich erzählt werden konnten. Erfrischend dabei die Liste mit bekannten Persönlichkeiten der DDR und ihre Herkunft als Vertriebene. Oder die dargestellten Versuche wenigstens in der Literatur, im Theater oder auch im Fernsehen die Probleme mit den „Umsiedlern“, wie die Flüchtlinge und Vertriebenen genannt werden mußten, zu thematisieren. Viele wichtige Namen fallen da, ein wichtiger Sudetendeutscher fehlt jedoch: Der Schriftsteller Franz Fühmann aus Rochlitz an der Iser, der schon 1984 mit nur 62 Jahren starb, der aber doch eine Erzählung schrieb und auch veröffentlichte „Böhmen am Meer“, wo er seine Herkunft und die seiner zufälligen Bekannten bei einer Reise an die Ostseeküste thematisierte. Eine erhebliche Auflockerung erhalten die dargestellten Fakten, die hier wohl erstmals so konzentriert zusammengefaßt sind, durch die Originaltöne von Vertriebenen, die in der DDR gelebt haben, die größtenteils aus dem mittlerweile angewachsenen Fundus der Zeitzeugen-Interviews des Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung, Versöhnung entnommen sind. Sie schildern darin ihre persönlichen Umstände und Einschätzungen. Darunter die Sudetendeutschen Oswald Wöhl, geboren 1941 in Neustadt an der Tafelfichte, Edith Kiesewetter-Giese, geboren 1935 in Neu Titschein, oder Professor Otto Weiss, geboren 1932 in Arnau an der Elbe.

Der Ausstellung ist eine besondere Aufmerksamkeit in Ost- wie Westdeutschland zu gönnen, denn in beiden Teilen Deutschlands ist die Kenntnis des Schicksals der Vertriebenen in der DDR wenig entwickelt. An neuen Orten der Präsentation bekommt sie vielleicht auch etwas mehr Platz zur Aufstellung. Das wäre zu wünschen. Ulrich Miksch

Absage vom Dokumentationszentrum

Auf der Vernissage der Ausstellung „Stillgeschwiegen“ war es die Frage des Abends: Warum wird die Sonderausstellung des Zentrums gegen Vertreibungen nicht im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung gezeigt?

Man habe die Sonderausstellung im vergangenen Jahr dem Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung angeboten, dann fast drei Monate keine Antwort und am Ende eine Absage erhalten, erklärt Dr. Christean Wagner, Vorsitzende der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen, auf Anfrage der Sudetendeutschen Zeitung und sagt: „Natürlich war die Enttäuschung groß.“

Mittlerweile sei man aber über den Ausstellungsort glücklich. Das DDRMuseum paße nicht nur thematisch,

sondern liege zentral nahe des Berliner Doms und der Museumsinsel. Außerdem sei das DDR-Museum mit 500 000 Gästen pro Jahr ein echter Zuschauer-Magnet und man erschließe sich damit neue Zielgruppen.

In ihrem Schreiben an das Zentrum gegen Vertreibungen hatte Dr. Gundula Bavendamm, die Direktorin des Dokumentationszentrums, ihre Ablehnung un-

❯ Mut tut gut Mit den Augen fasten

Der fünfte Sonntag in der Fastenzeit wird auch als Passionssonntag bezeichnet. In katholischen Kirchen sind ab diesem Sonntag für gewöhnlich die Kreuze mit violetten Tüchern verhüllt. Der sogenannte Corpus, also der gekreuzigte Leib Jesu, ist dann nicht zu sehen. Erst am Karfreitag werden die Kreuze wieder enthüllt.

Wozu dient dieser besondere Brauch? Was sollen die Verhüllung und die Enthüllung ausgedrükken? Oberflächlich betrachtet ergibt es keinen Sinn, gerade in der Passionszeit die Figur des leidenden Jesus am Kreuz zu verstecken. Sollte es nicht genau umgekehrt sein? Sollte in den letzten Wochen vor Ostern der Blick auf das Leiden und Sterben des Herrn nicht eher ermöglicht als verhindert werden?

Die Verhüllung der Kreuze knüpft an einen anderen Brauch in der Fastenzeit an, nämlich daran, ab dem Aschermittwoch die Altarbilder in den Kirchen abzudecken. Dieser Brauch, der im späten Mittelalter aufgekam, hat in den letzten Jahrzehnten eine kräftige Wiederbelebung erfahren. In vielen Kirchen sind derzeit sogenannte Fasten- oder Hungertücher zu sehen. Teilweise sind es schlichte einfarbige Vorhänge. Teilweise sind es aber auch künstlerisch aufwendig gestaltete Textilien, mit denen die Altarbilder abgedeckt sind.

Der Brauch der Verhüllung hat zunächst einmal psychologische Gründe. Alles was ein Mensch tagtäglich sieht, wird zur Gewohnheit, und alles, was Gewohnheit ist, hat die Tendenz, nicht mehr bewußt wahrgenommen zu werden. Wenn deswegen in der Fastenzeit manche Altarbilder und ab dem Passionssonntag auch die Kreuze verdeckt sind, dann soll dies dazu beitragen, auf eine Sehgewohnheit zu verzichten, um später wieder besser schauen und betrachten zu können. Die Verhüllung will auf diese Weise zu einem Fasten mit den Augen beitragen. Der Blick auf das Kreuz und den Gekreuzigten soll gerade nicht zu einer Gewohnheit werden. Im Kreuz zeigt sich nämlich manches, was für ein christliches Leben von ungemein großer Bedeutung ist. Vor allem ist es ein Zeichen von Gottes grenzenloser Liebe. Indem unser himmlischer Vater es nicht vermied, daß sein Sohn am Kreuz schuldlos hingerichtet wurde und einen qualvollen Tod starb, offenbarte er seine hingebungsvolle Leidenschaft für die Menschen. Das ist eine Liebe, die bis zur letzten Konsequenz geht.

ter anderem damit begründet, daß das Dokumentationszentrum eine umfangreiche Kooperation mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. UNHCR, plane und das daraus zwei Sonderausstellungen entstehen würden. Auf Nachfrage der Sudetendeutschen Zeitung erklärte Dr. Bavendamm: „Als junges Haus verfolgt das Dokumentationszentrum in erster Linie die Strategie, selbst erarbeitete Sonderausstellungen zu präsentieren. Außerdem wird bei der Programmplanung Wert darauf gelegt, daß die thematische Vielfalt der Stiftungsarbeit zum Ausdruck kommt. Schließlich arbeiten wir bereits an einem Ausstellungsprojekt über die Geschichte der Vertriebenen in Deutschland nach 1945, in der auch die Situation in der DDR Thema sein wird.“ Der Stiftungsrat sei über diese Entscheidung informiert. Torsten Fricke

Für mich persönlich ist die Verhüllung der Kreuze ab dem Passionssonntag eine Gelegenheit, diese große Liebe weniger mit den Augen zu meditieren, sondern mehr mit den Gedanken und Gefühlen. Der Blick geht dann eben nicht so sehr nach außen, als vielmehr nach innen. Die am Kreuz offenbar gewordene Liebe ist ja mehr als ein historisches Geschehen. Sie betrifft mich in meinem ganz persönlichen Leben. Um dem besser nachzuspüren, hilft es, daß das äußere Zeichen des Kreuzes eine Zeitlang nicht zu sehen ist. Wie hat Antoine de Saint-Exupéry gesagt? „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Dr. Martin Leitgöb CSsR Provinzial der Redemptoristen Wien-München

· KOLUMNE Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15.3.2024 5
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Das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist im Sommer 2021 erö net worden. Foto: Ulrich Miksch

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❯ 60 Jahre Priester Karl

Wuchterl feiert

Am 8. März feierte Monsignore Karl Wuchterl, der ehemalige Visitator für die Sudetenund Karpatendeutschen sowie Ehrenvorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerks, sein diamantenes Priesterjubiläum.

Am 22. Juni 1937 kam Karl Wuchterl in Nedraschitz im Kreis Mies im Egerland zur Welt. Die Vertreibung brachte seine Familie und ihn nach Bayern. Wie viele heimatvertriebene Priesteramtskandidaten studierte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Königstein im Taunus und wurde am 8. März 1964 in Bamberg zum Priester geweiht und gehört seitdem dem Klerus der Erzdiözese Bamberg an.

Die Deutschen Bischöfe im Hof des Roncallihauses in Wiesbaden vor einem gemeinsame Gottesdienst in der Bonifatiuskirche während der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 2023. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) ist der Zusammenschluß der katholischen Bischöfe aller Diözesen in Deutschland. Neben den Diözesanbischöfen gehören der Bischofskonferenz die Koadjutoren, die Diözesanadministratoren und die Weihbischöfe an.

11/2024

Nach acht Jahren als Kaplan wurde er Jugendpfarrer und ab 1978 für den überdiözesanen Dienst als Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) freigestellt, verbunden mit der Leitung der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge im Jugendhaus Düsseldorf. 1984 kehrte er in den Pfarrdienst in die Region Nürnberg-Fürth zurück. Mit 70 Jahren ging er in den Ruhestand nach Edling im Kreis Rosenheim, wo seine Verwandtschaft lebt, und hilft dort noch fleißig in der Seelsorge mit.

Neben dieser beruflichen Vita gab es aber auch eine Karriere im Bereich der Vertriebenenseelsorge. 2009 wurde er zum Visitator für die Seelsorge an den Sudeten- und den Karpatendeutschen ernannt. Als solcher war er unermüdlich unterwegs bei Wallfahrten in Deutschland und in der Tschechischen Republik, feierte unzählige Gottesdienste bei Heimattreffen und erreichte mit seinen von Herzen kommenden Predigten die Herzen der Gläubigen. Er übernahm auch Verantwortung im Sudetendeutschen Priesterwerk und bekleidete ab 2012 das Amt des Ersten Vorsitzenden, das er 2017 in die jüngeren Hände von Holger Kruschina legte.

Der inzwischen zum Ehrenvorsitzenden Ernannte blieb weiterhin aktiv. So organisierte und begleitete er die Sudetendeutschen Schwesternkongresse und die Urlaubswochen für Tschechische Priester. Ein bleibendes Verdienst von Karl Wuchterl ist, daß er jüngere Priester für die Mitarbeit im Sudetendeutschen Priesterwerk gewinnen konnte und es damit zukunftsfähig machte.

Wir gratulieren dem Jubilar von Herzen und wünschen ihm Gesundheit und weiterhin den wachen Geist, mit dem er die Arbeit des Sudetendeutschen Priesterwerks belebt.

Mathias Kotonski

Die deutschen katholischen Bischöfe bezogen kürzlich eindeutig und unmißverständlich Position zum Umgang vor allem mit der rechtsextremen AfD. Das taten sie auch angesichts der heuer stattfindenden Europa- sowie Lantagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Wie sich kirchliche Vereine, Gruppen und Verbände gegenüber politischen extremen Parteien verhalten können oder sollen, darüber sprach der Münsteraner Kirchenrechtsprofessor Thomas Schüller beim jüngsten Themenzoom der Ackermann-Gemeinde.

Was heißt es für unsere Demokratie, wenn eine rechte politische Kraft – die AfD –sehr stark ist und andere Parteien herausfordert? Wie gehen wir damit um?“ Diese Fragen stellte einleitend Moderator Rainer Karlitschek mit Verweis auf das Positionspapier der deutschen Bischöfe über diese Thematik. Er verheimlichte auch nicht, daß sich der Referent des Abends und der Bundesvorsitzende der Akkermann-Gemeinde, Albert-Peter Rethmann, schon lange kennen und so der Kontakt schnell habe hergestellt werden können. Denn Schüller befasse sich aus einer anderen Blickrichtung ebenfalls mit diesem Sujet.

Natürlich seien ihm die Ackermann-Gemeinde und deren Arbeit vertraut, bekannte Schüller und berichtete – zum Vortrag überleitend – von an ihn gerichteten schlimmen eMails von falsch angegebenen Adressen. Das zeige den Grund, warum die Bischöfe besorgt seien, führte er aus. Aufgrund jüdischer Vorfahren in früheren Generationen mütterlicherseits habe er zudem einen besonderen Bezug zu dieser Materie. „Der Großteil ist im KZ umgekommen, deshalb setze ich mich gegen solche Ideologien und Fremdenfeindlichkeit ein“, erläuterte er.

Positiv findet der Kirchenrechtler, daß alle Bischöfe –auch die Weihbischöfe – auf diese Position gegen einen völkischen Nationalismus eingeschwenkt seien, wenngleich es sich bei der Verlautbarung um keinen Rechtstext, sondern um eine politische Erklärung handle, die aber durchaus politisches Gewicht habe. Und seiner Ansicht nach habe die Stellungnahme der Bischöfe die AfD auch getroffen, da viele Medien darüber berichtet hätten und auch die Evangelische Kirche dies dann aufgegriffen habe.

Für die Ebene der Pfarreien, Dekanate sowie der kirchlichen Gruppen, Vereine und Verbände nannte Schüller die seit dem 1. Januar 2023 gültige neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Hier seien arbeitsrechtliche Sanktionen etwa bei fremdenfeindlichen Aktionen, Diskriminierung und antisemitischen Verhalten festgehalten. Konkretere Ausführungen im Hinblick auf Pfarrgemeinderäte hätten inzwischen das Bistum Würzung und auch das Erzbistum Berlin erarbeitet. Das gehe bis hin zum Entzug des Mandats bei einem entsprechenden Verhalten. Bei Vereinen und Verbänden gelte die Verbandsautonomie, Regelungen – auch zur Aufnahme und zum Ausschluß von Mitgliedern – erfolgten über die Satzung. Häufiger sei in letzter Zeit, so Schüller, der Aspekt der Unvereinbarkeit erwähnt worden. Dieser werde in den meisten Fällen durch das faktische Verhalten von Personen, zum Beispiel durch rassistische Äußerungen, deutlich. Ein Kriterium für den Ausschluß oder die Nichtaufnahme sei damit gegeben – laut Satzung meist vereinsschädigendes Verhalten. Eine Zugehörigkeit zu einer Partei müsse beim Eintritt in einen Verein oder Verband nicht genannt

werden. Schüller plädierte zwar für Freiheit bei der Entscheidung des Verbandes, riet aber auch, über entsprechende Satzungsänderungen nachzudenken. Bei den Diskussionsbeiträgen ging es um die unterschiedlichen Notwendigkeiten bei katholischen Vereinen, Verbänden und Gruppen zum Handeln. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, daß beide politischen Extreme – rechts und links –in diesem Kontext zu benennen seien, eventuell auch Strömungen bei anderen Parteien. Einige Jugend- beziehungsweise Sozialverbände seien bereits von sich aus tätig geworden und hätten ihre Satzungen entsprechend

Dr. Albert-Peter Rethmann, Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde, und Professor Dr. Thomas Schüller kennen sich. Schüller, Jahrgang 1961, studierte in Tübingen, Innsbruck und Bonn Katholische Theologie. Seit 2009 ist er Professor für kanonisches Recht an der Universität Münster. Bekannt wurde er durch seine kritischen Stellungnahmen zur Aufarbeitung des sexuellen Mißbrauchs in der katholischen Kirche, zu den Kontroversen um den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki sowie zu den Auseinandersetzungen über die Anliegen des Synodalen Wegs. Er ist ein regelmäßiger Gesprächspartner und Beiträger für führende überregionale Medien und Buchautor. Bild (1): Nadira Hurnaus

geändert oder erweitert. Schüller bedauerte, daß es keine eigene kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit gebe und daher eventuelle Klagen in den weltlichen Gremien verhandelt würden.

„Den Bischöfen war es ein Anliegen, ihre Position zu Papier zu bringen. Es war ihnen ein Anliegen, damit deutlich zu sagen, daß extreme Positionen nicht mit dem christlichen Menschenbild zusammenpassen. Vor allem wankelmütige Katholiken sollen nachdenklich gestimmt werden“, faßte Thomas Schüller abschließend zusammen. Und Moderator Rainer Karlitschek sprach von einem Akt der Sensibilisierung und Wachsamkeit.

Markus Bauer

FORUM Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 6
Ein Weltbegri – ein Hochgenuß für Feinschmecker die meistgekauften ... … weil sie so gut sind! WETZEL Karlsbader Oblaten- und Wa elfabrik · Austraße 5 · 89407 Dillingen/Donau Internet: www.wetzel-oblaten.de · eMail: info@wetzel-oblaten.de KARLSBADER OBLATEN PERSONALIEN ❯ Ackermann-Gemeinde Die deutschen Bischöfe und der Extremismus

Im Sudetendeutschen Haus in München eröffnete die neue Sonderausstellung „Tracht(en) Kunst. Foto-Diptychon-Montagen zur Wischauer Festtagstracht“. Die Schau der Sudetendeutschen Heimatpflege in Kooperation mit dem Haus des Deutschen Ostens in München (HDO) in der Alfred-Kubin-Galerie zeigt Festtrachten der Deutschen aus der oberen Wischauer Sprachinsel in Südmähren. Den Festvortrag hielt der Ethnologe Jan Kuča. Kuratorinnen der Schau sind die HDO-Öffentlichkeitsreferentin Lilia Antipow und die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, Christina Meinusch, auf Basis von Bildern der Fotografin Annette Hempfling. Glanzstücke der neuen Ausstellung sind Originaltrachtenteile von der Gemeinschaft Wischauer Sprachinsel.

Die Wischauer Sprachinsel besteht nur aus ein paar kleinen Dörfern“, begann Jan Kuča seinen Festvortrag auf Deutsch. „Acht Dörfer bildeten zusammen die obere und untere Sprachinsel“, so der Ethnologe und frühere Kurator des Trachtenmuseums in Wostrow/Ostrov in Mittelböhmen. Sie habe an die Hanna angegrenzt, und insgesamt sei die Sprachinsel quasi ein extremes Grenzgebiet gewesen.

Da die meisten Bewohner Landwirtschaft betrieben hätten

und in ihrem jeweiligen Dorf geblieben seien, sei dort der Konservatismus stärker gewesen als anderswo. Das habe auf die deutsche Sprache, die altertümlichen Dörfer und besonders die Tracht zugetroffen. Von der Wischauer Tracht seien viele Fotos erhalten, die auch den Alltag in den Originaltrachten zeigten. „Die Tracht begleitete die Menschen das ganze Leben, angefangen mit der Jouppn, also dem Hemdchen, für Kleinkinder.“

Auch die Tracht der Erwachsenen sah man bei der Vernissage, denn Mitglieder der Wischauer Gemeinschaft in Tracht bevölkerten den Adalbert-Stifter-Saal.

Das Duo Hardl & Burgl musizierte und bot Stücke wie „Sternpol-

� Vernissage einer Ausstellung über traditionelle Bekleidung aus der Wischauer Sprachinsel

Berückend schöne Trachten

ka“, „Wißt‘s wo mei Hoamat is“ und „Ein schönes Fleckchen Erde“. Gemeinsam sangen alle zum Schluß das Wischauer Heimatlied „Über weite Hügel weht der Wind“.

Kuča beschrieb zunächst die Wischauer Männertracht und erklärte auch die mundartlichen Bezeichnungen für die einzelnen Teile. In der neuen Ausstellung stehen die Wischauer Mundartnamen ebenfalls bei den Trachten, denn Kuča hatte intensiv an der Beschriftung der Ausstellungstafeln mitgearbeitet. Da gab es die Brustfleck, ärmel-

lose Jacken, in rotgemustertem Samt, die über einer Foit, einem Hemd aus weißer Leinwand, getragen wurden. Umfangreicher fiel der Vortragsteil über die Frauentracht

aus, etwa mit den plissierten Rökken. Unter dem Überrock wurden mindestens zwei, drei Unterröcke getragen. Der glitzada Schuaz, der glänzende Oberrock,

war einRock, der nur zu besonderen Festlichkeiten getragen wurde. Einige Hauben, Halskrausen, Borten und steif gefalteten Röcke sind auch jetzt in der Ausstellung zu bewundern.

„Die Tracht war sehr farbig, und es gab auch viele Blumenmotive“, schilderte Kuča anschaulich. Die Jankerl der Frauen seien aus weißem, später aus buntem Tuch oder Samt gewesen, ähnlich wie in anderen Regionen Mährens. Auch die anderen Trachtenteile verglich Kuča mit ihren Pendants im restlichen Mähren, der Hanna und der Slowakei.

Kuča betonte, daß die Tracht auch variiert habe, etwa nach Anlaß, Alter und Familienstand. Dabei wies er immer wieder auf die Exponate und prachtvollen Fotos von Annette Hempfling in der aktuellen Ausstellung hin, die später auch in der Publikation zur Ausstellung zu sehen sein würden. „Da die umliegenden, meist eher slawischen Dörfer modernisiert wurden, blieben die Trachten eine Wischauer Besonderheit“, sagte Kuča, wobei er hinwies auf die große Leistung der Familie von Rosina Reim, der Ehrenvorsitzenden der Wischauer Gemeinschaft. „So ist diese einzigartige Kultur mit ihren Trachten noch heute zu bewundern“,schloß er.

Über die Ausstellung hatten zuvor die beiden Kuratorinnen bei ihrer Begrüßung informiert.

Heimatpflegerin Christina Meinusch freute sich als erstes über die vielen Gäste und die prominenten Besucher, darunter SLBundeskulturreferent Ulf Broßmann und Stefan Planker, der Direktor des Sudetendeutschen Museums.

Die spannende Geschichte der Ausstellung übernahm Lilia Antipow, die Öffentlichkeitsreferentin des Hauses des Deutschen Ostens (HDO) in München. Ursprünglich sei nur eine Fotodokumentation zur HDO-Ausstellung „Wer bin ich? Wer sind wir?“ geplant gewesen. Als Lieferantin für Trachten sei nur eine „Kandidatin“ in Frage gekommen. Rosina Reim sei dann zum ersten Fotoshooting mit vielen bunten Trachtenteilen gekommen, die sie für die Wischauer Gemeinschaft aufbewahrt habe. Gemeinsam mit Heimatpflegerin Meinusch und Fotografin Hempfling habe sie ab Dezember 2022 die Vorbereitungen begonnen. Neben Rosina Reim seien auch ihre Tochter Monika OfnerReim, deren Ehemann Gernot Ofner und Rosinas Schwester Christine Legner intensiv beteiligt gewesen. Ihr Dank gelte auch dem Verleger Michael Volk. Die Ausstellung bestehe aus zwölf Teilen, von denen jeder ein fotografisches Diptychon – also eine zweiteilige Tafel – zeige, dessen beide Elemente auf der Ebene der Bild- und Motivstruktur aufeinander bezogen seien, einan-

der ergänzten oder im Gegensatz zueinander stünden, so Antipow. Auch Monika Ofner-Reim erinnerte in ihrer Rede an das Entstehen der Ausstellung und dankte den vielen Helfern. Die Vorsitzende der Wischauer Sprachinsel dankte für die Ehre, die ihren Landsleuten durch die Ausstellung erwiesen worden sei. Als Mitglied der „Enkelgeneration“ vertrete sie die „Einheit in Vielfalt“, wie auch das Motto der Europäischen Union heute laute. Dem schlossen sich auch die Gastredner an. Sehr freundliche Grußworte sprachen Petra Loibl, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, HDO-Vize-Direktor Thomas Vollkommer und Bernd Posselt. Der Volksgruppensprecher erinnerte an den historischen Kampf der Sudetendeutschen für Minderheitenrechte und betonte, daß Vielfalt, Buntheit und Völkerverständigung die Basis für ein gutes Miteinander in Europa seien. „Trachten und kleine Gemeinschaften wie die der Wischauer machen Europa vielfältiger“, schloß Posselt sein Grußwort unter großem Applaus. Susanne Habel

Bis Donnerstag, 28. März: „Tracht(en)Kunst. Foto-Diptychon-Montagen zur Wischauer Festtagstracht“ in München-Au, Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8. Montag bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr.

KULTUR Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 7
Das Duo Hardl & Burgl umrahmen mit Mitgliedern der Gemeinschaft Wischauer Sprachinsel die Eröffnung. Blick in die Ausstellung in der Alfred-Kubin-Galerie. Jan Kuča, Heimatpflegerin Christina Meinusch, Monika Ofner-Reim und Dr. Lilia Antipow vom HDO.
Viele Original-Trachtenteile der Wischauer werden auch gezeigt. An den Beschriftungen war Museumsleiter Jan Kuča beteiligt. Bilder: Susanne Habel
Dr. h. c. Bernd Posselt, Dr. Petra Loibl und HDO-VizedirektorThomas Vollkommer. Lilia Antipow, Christina Meinusch (Hrsg.): „Tracht(en)Kunst. Die Anatomie der Wischauer Tracht.“ VolkVerlag, München, 2024; 96 Seiten. (ISBN 973-3-86222-501-9)

Fotografien in der Ausstellung „Grenzen und Fluidität“ mit Blick von der Grenze nach Böhmen, „Information & Reflektion“ mit Blick in ein Linzer Schaufenster, „Jetzt & Dann“ mit Blick vom Plöckenstein nach Österreich) und „Einsamkeit“ mit Blick durch einen Torbogen in Budweis. Bilder (4): Florian Eichinger

„Zusammen Wachsen“ ist der Titel des jüngsten Buches von Alexandra von Poschinger. Es ist eine vielseitige Dokumentation über das Zusammenleben in der Mitte Europas. Die Fotos für diese Reportage in der Dreiländerregion Deutschland-Österreich-Tschechische Republik stammen von Florian Eichinger aus Frauenau im Kreis Regen im Bayerischen Wald. Derzeit präsentiert Eichinger diese Fotografien in einer Sonderausstellung in der Galerie „Kuns(t)räume grenzenlos“ in Bayerisch Eisenstein in Niederbayern.

Landschaften halten mich lebendig“, sagt Florian Eichinger, weshalb er den Großteil seiner Freizeit draußen verbringt. „Dort komme ich in Situationen und Stimmungen, die mein Schaffen wie nichts anderes prägen.“ Der 30jährige sammelt Eindrücke, flüchtige Begegnungen, Szenen und kleine, fast unscheinbare Momente, die er in ausdrucksstarke Bilder packt.

Seine Fotos von der Dreiländerregion für das im renommierten KnesebeckVerlag erschienene Buch bedürfen keiner Worte und erzählen trotzdem Geschichten mit Tiefgang. Ausgerüstet mit einer Kamera, einer Reihe von Objektiven und gelegentlich einer Drohne machte Florian Eichinger sich auf den Weg ins Grenzland zwischen Bayerischem und Böhmerwald. In Städte und Dörfer, am liebsten aber in die Einsamkeit, die so viele Orte verbindet auf der Welt.

Der Verlag Tschirner & Kosová gibt in der nächsten Zeit auch spezielle Kochbücher mit Rezepten aus den böhmischen Ländern heraus, zwei davon sind soeben erschienen. Aktuell kam jetzt ein Buch mit Rezepten und Geschichten aus Nordböhmen heraus, das der vielseitige Pädagoge, Autor und Verleger Hans-Jürgen Salier zusammengestellt hatte.

Die Schwiegereltern von HansJürgen Salier brachten in den siebziger Jahren von einer Reise in ihre ehemalige Heimat Nordböhmen ein handgeschriebenes Kochbuch mit. Es stammte von Betty Kubik, einer ehemaligen Mitbewohnerin in Reichenberg. Die Aufzeichnungen in Sütterlin-Schrift leisteten danach in der Familie gute Dienste, um das Erbe der nordböhmischen Küche weiterhin zu pflegen. Kurz vor seinem Tod transkribierte Salier das Kochbuch von Betty Kubik, um es herauszugeben. Das umfangreiche Buch ist vor allem ein Zeitzeugnis und eine Botschaft aus der „alten“ Heimat, besser aus der nordböhmischen Küche in der Region von Reichenberg bis Gablonz.

Die dortige Küche wird in einem Einführungskapitel kurz vorgestellt. „Die Küche der deutschen Bewohner des JeschkenIsergebirges war stark beeinflußt von der Wiener Küche der alten k. u. k. Monarchie“, heißt es im Vorspann vom Neugablonzer Thomas Schönhoff. Diese überraschende Tatsache merkt man beim Blättern und Stöbern sofort, denn die Auswahl und Namen der Rezepte klingen oft nach der Donaumonarchie.

Eine Menge Suppen und Soßen machen den Anfang. Was

� Neue Ausstellung in der Galerie in Bayerisch Eisenstein

Bilder vom Herzen Europas

Farben und Stimmungen setzt Eichinger als dramaturgisches Stilmittel ein. Sie öffnen den Blick für eine neue Ästhetik der Motive, lassen still werden – und überwältigen. So wird die Ausstellung im Dachgeschoß der „Kuns(t)räume“ zu einer eindrucksvollen Entdekkungsreise in die Landschaften und Orte im Herzen Europas. Florian Eichinger wuchs in Frauenau im Bayerischen Wald und in einem Europa ohne Grenzen auf. Der Design- und Produktmanager arbeitete nach seinem Studium in Salzburg zunächst in einer Agentur, bevor er sich 2018 als Fotograf selbständig machte. Liegt der Schwerpunkt seiner Arbeit in der Produkt- und Werbefotografie, so zeichnet er auf seinen innerund außereuropäischen Reisen dokumentarisch inspirierte Bilder des Gesehenen und Erlebten. Die Kurzlebigkeit einer Stimmung oder einer Bewegung ist es, die er festhaltenswert fin-

Die Galerie „Kuns(t)räume grenzenlos“ wurde im ehemaligen Grenzbahnhof von Bayerisch Eisenstein 2013 eröffnet. Bild: Wikipedia

� Neue Kochbücher mit Rezepten aus der Heimat: Nordböhmen und Egerland

det: Emotionen eines bestimmten Moments, zum Betrachten, Nach- und Weiterdenken. Wer die schöne Galerie nicht besuchen kann, sollte sich das Buch mit den 25 schwarz-weißund 64 farbigen Abbildungen ansehen. Die Autorin Alexandra von Poschinger lebt im Bayerischen Wald und in München. Nach ihrem Studium der Germanistik und Geographie arbeitete sie zehn Jahre lang für die „Passauer Neue Presse“ und den Bayerischen Rundfunk sowie im Anschluß als PR-Redakteurin und Projektmanagerin in einer Agentur. 2012 machte sich die Journalistin, Buchautorin und Kulturmanagerin selbständig. Alexandra von Poschinger schreibt heute für Zeitungen und Magazine sowie als Buchautorin. Neben ihrer Leidenschaft für die Natur engagiert sie sich aktiv in der Kultur. Bei Knesebeck erschien im Jahr 2020 ihr Buch „Wilder Wald. Europas Pionier für die Wälder der

Hobelspäne und Powidlschnapper

sich hier schon andeutet, wird bei den Hauptgerichten klar. Neben Fleischspeisen aus Rind, Schwein, Geflügel und Wild widmet sich ein Kapitel ganz den Innereien Nieren, Kutteln, Herz, Hirn und Leber. Sie waren in der heimatlichen Küche immer selbstverständlich, und ihre Wiederentdeckung nach der Devise „from nose to tail“ längst fällig.

Gigantisch ist der Bereich der Mehlspeisen: Kartoffel-Topfen-Täschchen, Kartoffelbuchte, Kolatschen und die bei Kindergeburtstagen beliebte Torte aus Karlsbader Oblaten sind nur einige der Spezialitäten, die mit „K“ beginnen. Unbekannter dürften Schwarze Hobelspäne sein, die nicht verbrannt, sondern mit Kakao geschwärzte Räderkuchen sind.

Einen großen Raum bei den Rezepten nehmen auch eingekochte oder fermentierte „Konserven“ aus Salat, Gemüse und Obst ein: Vorratshaltung aus Zeiten von Keller statt Kühlschrank. Natürlich darf hier Zwetschkenröster nicht fehlen wie auch die Marmelade aus Vogelbeeren der Eberesche. Interessant sind Rezepte für Getränke, denn wer macht heute Likör, Schnaps und Limonade noch selbst?

Das Buch wird abgerundet mit Exkursen über Hotels und Gasthäuser in Gablonz sowie über die Küchensprache, Löffelmaße und das Sütterlinalphabet – alles hilfreich, wenn man sich mit altüberlieferten Rezepten befaßt.

Auch ein Rezept- und Geschichtenbuch aus dem Egerland, das das eghalandrische Ehepaar Lorenz zusammengetragen hatte, ist im Verlag Tschirner & Kosová neu erschienen. So können Hobbyköche sich rechtzeitig zur Osterzeit mit Leckereien aus der Küche des Egerlands vorbereiten.

Erna und Heinz Lorenz, beide Jahrgang 1930, stammen aus Falkenau im Egerland. Sie haben sich 1949 – bald nach der Vertreibung – in Burglengenfeld in

der Oberpfalz kennen- und liebengelernt – und waren 67 Jahre glücklich verheiratet, bis zum Tod von Heinz Lorenz im August 2022. Die Liebe zum Egerland, zu seiner deftigen und genußreichen Kost und zu seinem Brauchtum mit geselligen Sprüchen und Musik hat sie immer begleitet.

„Schreib‘s aaf“ – dieses Motto galt Heinz Lorenz sehr viel, und er hat vielfältig dokumentiert. Meist in wunderschöner Handschrift, in sehr hohem Alter noch mutig den Computer entdeckend. So war er auch die lie-

Hans-Jürgen Salier: „Wahre Schätze aus der Nordböhmischen Küche. Rezepte und Geschichten.“ Verlag Tschirner & Kosová, Leipzig 2024, 184 Seiten, 35 Euro. (ISBN 978-3-9825526-2-0)

Zukunft“ über den Nationalpark Bayerischer Wald. Susanne Habel

Bis Sonntag, 7. April: „Zusammen Wachsen“ in Bayerisch Eisenstein, Kuns(t)räume grenzenlos, Bahnhofstraße 52, Telefon (0 99 25) 1 82 97 52. Mittwoch bis Sonntag 11.00–17.00 Uhr, Ostermontag, 1. April, und 2. April geöffnet.

Alexandra von Poschinger, Florian Eichinger: „Zusammen wachsen. Starke Stimmen für Europa.“ Knesebeck-Verlag, München 2023, 224 Seiten, 30 Euro. (ISBN 9783-95728-609-3)

bevoll-beharrlich treibende Kraft im Hintergrund, die seine Frau Erna animierte, ihr recht intuitives Kochen in die Form von nachvollziehbaren Rezepten zu bringen. Ein teilweise mühsamer Prozeß startete, der insgesamt wohl an die fünf Jahre dauerte und viele sorgfältige Test-Kochereien einschloß. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und macht Lust auf Nachkochen.

Erna und Heinz Lorenz: „Wahre Schätze aus der Egerländer Küche. Rezepte, Brauchtum & Verse.“ Verlag Tschirner & Kosová, Leipzig 2024, 184 Seiten, 35 Euro. (ISBN 978-39825526-3-7)

Am Anfang des Buches steht die Lebensgeschichte des Lorenz-Paars. In diesem Teil werden auch die Vertreibungen von Erna und Lorenz ergreifend geschildert,. Im Teil „Familienrezepte“ regt schon das Inhaltsverzeichnis den Appetit an. Die Kapitel beginnen oft mit „GrundRezepturen“, etwa mit einer Rindssuppe, aus der sich dann weitere Suppen machen lassen können, dann spezielle Suppen. Hier rätselt man etwas über den Namen Schpoutz‘n in da Kniadlsupp‘n, ein „Arme-Leute-Essen“, bei dem Mehlspatzen in Brühwürfelsuppe garen. Nach den Suppen gibt es kräftige Soßen zur Ergänzung der kräftigen Fleischgerichte von

Lungenbraten über Schwartlbratl und faschiertem Braten bis hin zu Gulasch halb und halb. Einen großen Raum bei den Beilagen nehmen Kniadla ein wie Reiwa Kniadla aus rohen Kartoffeln und Magerquark oder Båchana Kniadla alias Kartoffelpuffer. Unter verschiedenen Gemüsebeilagen findet sich Pumberskraut, was sich als süßsaure Weißkrautspezialität entpuppt. Bei den Mehl- und Nachspeisen bieten die Autoren zuerst wieder eine Reihe Grundrezepte, in denen sie diverse Massen, wie der Profikoch Teige nennt, und Füllen oder Füllungen vorstellen. Das Hefegebäck Buchteln kennen wohl die meisten, aber was sind Powidlschnapper, Stoppala oder Kartoffelsterz? Der Nicht-Egerländer wird viele Entdeckungen machen. Am besten nachlesen und ausprobieren!

Die meisten Mehlspeisrezepte gibt es für das Kuchen-Buffet, darunter natürlich Kleckslkouchn und Mohntascherln. Ein Extrakapitel ist weihnachtlichen Spezialitäten gewidmet, darunter weitere Neuentdeckungen wie Mandelknacker und Marzipanschwammerl.

So familiär wie die Rezepte sind auch die schönen Beispiele heimatlichen Brauchtums, die den Band beschließen. Hier findet sich auch „Vuar Åstern in Eghalånd“ ein mundartliches Gedicht zu Ostern, dazu paßt ein Rezept für Osterlaib nach dem Grundrezept für Hefeteig. Beide Bücher sind liebevoll illustriert, teils mit Zeichnungen und Aquarellen von Verlegerin Kateřina Tschirner-Kosová, teils mit historischen Fotos. Und natürlich ist diese Kulinarik immer regional und saisonal. Susanne Habel

KULTUR Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 8

BdV-Bezirksvorsitzender Paul Hansel, Brunhilde Reitmeier-Zwick, Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft, Dr. Michael Nusser, Kulturreferent und Leiter des Kulturwerks der Banater Schwaben in Bayern, Dr. h. c. Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und SL-Bundesvorsitzender, der langjährige LdO-Landesvorsitzende Damian Schwider, der neue LdO-Landesvorsitzende Damian Bednarski, Norbert Gröner, Stellvertretender LdO-Landesvorsitzender, Gertrud Müller, Ehrenvorsitzende des LdO-Kreisverbandes München, und Hans Slawik, Obmann der oberbayerischen SL-Kreisgruppe München-Stadt und -Land.

Bilder: Ulf Broßmann (2), Nadira Hurnaus (2), Tobias Hase (1)

❯ SL-Kreisgruppe München-Stadt und -Land/Oberbayern

Verletztes

Selbstbestimmungsrecht

Zur Erinnerung an den 4. März 1919 im Sudetenland und der Volksabstimmung am 20. März 1921 im oberschlesischen Annaberg hatte die SL-Kreisgruppe München-Stadt und -Land in Kooperation mit dem BdVKreisverband München, dem BdV-Bezirkverband Oberbayern und der Landesgruppe der Landsmannschaft der Oberschlesier (LdO) zu einer Gedenkfeier für Anfang März in das Sudetendeutsche Haus in München eingeladen.

Den Einzug der Fahnen- und Trachtenträger der Böhmerwäldler, der Egerländer, der Kuhländler, der Oberschlesier und der Riesengebirgler begleitete das Blechbläserquintett Höhenkirchen-Siegertsbrunn unter Florian Till mit „Grüßen aus dem Egerland“ von Florian Wenzl und der überlieferten „Intrada aus der Steiermark“. Johann Slawik, Obmann der SL-Kreisgruppe München-Stadt und -Land, begrüßte die Gäste und die Vertreter der Heimatlandschaften. Besonders hieß er Beatrix Zurek, Gesundheitsreferentin der Stadt München, Brunhilde ReitmeierZwick, Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft und BdV-Präsidiumsmitglied, Damian Bednarski, neuer LdO-Landesvorsitzender, und

SL-Bundeskulturreferent Professor Ulf Broßmann, gleichzeitig Betreuer der Heimatlandschaft Kuhländchen, willkommen. Das quittierten die Bläser mit dem „Bayerischen Militärgebet“ von Johann Caspar Aibling. Birgit Unfug, als Mitglied der Sudetendeutschen Bundesversammlung Vorsitzende des Öffentlichkeitsausschusses, gedachte der Toten.

Dabei ging Unfug auf die Geschehnisse sowohl im Sudetenland als auch in Oberschlesien 1921 ein. Sie machte allerdings auch auf die aktuellen Krisen in Europa aufmerksam.

Das von dem Russen Dmitri Stepanowitsch Bortnjanski (1751–1825) vertonte geistliche Lied „Ich bete an die Macht der Liebe“ spielten die Bläser nun.

Ausdruck, daß die LdO die Gedenkfeier zusammen mit der SL und dem BdV durchführe. Bei der Volksabstimmung am 20. März 1921 am Annaberg in Oberschlesien hätten 59 Prozent für einen Verbleib bei Deutschland gestimmt, trotzdem sei Oberschlesien vor allem mit der Unterstützung von Frankreich an Polen abgegeben worden. „Trumpet Voluntary“ von Jeremiah Clark beschloß die Grußworte.

Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und SL-Bundesvorsitzender, gab in seinem Grußwort einen historischen Überblick bezüglich des Geschehens 1919 und ging dann auch auf die aktuelle Situation in Europa ein, auch mit Hinblick auf die diesjährigen Europawahlen.

Damian Bednarski gab in seinem Grußwort seiner Freude

❯ SL-Kreisgruppe Hof/Oberfranken Jung, unerfahren, unsicher

Anfang März beging die oberfränkische SL-Kreisgruppe Hof den Tag des Selbstbestimmungsrechts der Völker und Volksgruppe an den Mahnmalen in Schwarzenbach und Bad Steben. Die zentrale Gedenkfeier für beide Orte war in Bad Steben.

In der Bad Stebener katholischen Kirche Maria Königin des Friedens begrüßte Kreisobmann Adalbert Schiller alle Gottesdienstbesucher und Landsleute. Sein besonderer Gruß galt dem Zelebranten Pfarrvikar Sebastian Schiller, Margaretha Michel, SL-Bezirks- und Stellvertretende Landesobfrau, und Bannerträgerin Eva Maria Herrmann. Der katholische Kirchenchor mit Ellen von Kieseritzky an der Orgel begleitete die Messe musikalisch. Die Musikstücke waren dezent auf die Dramaturgie des Tages abgestimmt.

der Ukraine – damals als Galizien bezeichnet – habe bis 1919 zu Österreich gehört. USA-Präsident Woodrow Wilson habe weitab von den betroffenen Orten vom Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen. Das habe aber nur für die Sieger gegolten. Die Deutschen hätten zu den Verlierern gehört.

Mit der neuen Tschechoslowakischen Republik habe man wieder einen Vielvölkerstaat geschaffen, ohne die Minderheiten wie Deutsche, Ungarn oder Ruthenen richtig einzubinden. Deshalb habe der Führer der deutschen Sozialdemokraten zu Demonstrationen für das Selbst-

sei erst 1937 gegründet worden, und der wachsende Einfluß vom Deutschen Reich hätten zur Katastrophe geführt: Adolf Hitlers Einmarsch in das Sudetenland, die Besetzung der sogenannten Resttschechei und schließlich die wilde Vertreibung nach Kriegsende 1945 und 1946 die sogenannte Aussiedlung in angeblich geordneten Bahnen.

Festredner Michael Nusser ist Historiker sowie Kulturreferent und Leiter des Kulturwerks der Banater Schwaben in Bayern. In seinem hochinteressanten Beitrag beleuchtete er die oberschlesische und sudetendeutsche Frage während der Weimarer Republik aus dem Blickwinkel bayerischer Politik. Danach wurde der „Marsch“ von Ludwig van Beethoven geblasen. Zum Schluß sprach Paul Hansel, Vorsitzender des BdV-Bezirks Oberbayern. Er dankte allen Mitwirkenden und Gästen und lud zu einem kleinen Umtrunk mit guten Gesprächen ins Otto-vonHabsburg-Foyer des Sudetendeutschen Hauses ein. Zuvor erklangen die „Bayernhymne“ und das „Deutschlandlied“. Und zu den Klängen des „Tölzer Schützenmarsches“ zogen die Fahnenabordnungen wieder aus.

Die Heimatfahnen der Böhmerwäldler, der Egerländer, der Kuhländler, der Oberschlesier und der Riesengebirgler sowie die Kuhländler Abordnung aus Christl Rösch und Professor Dr. Ulf Broßmann, Landschaftsbetreuer und SLBundeskulturreferent, in Tracht und mit Fahne im Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses in der Münchener Hochstraße.

Vor einigen Jahren habe ein australischer Historiker gesagt, Europa sei gleichsam mit einem Schlafwagen 1914 in den Krieg gerauscht, begann Michel ihre Gedenkrede. Bald sei bekannt gewesen, daß die Mittelmächte nicht in der Lage gewesen seien, den Krieg zu gewinnen. Aber man habe lieber einen Stellungskrieg gespielt. „Millionen Menschen starben im Feld und noch mehr an der Spanischen Grippe. Und für die erkrankten Menschen gab es zuletzt nur noch den Rübenwinter. Ohne Brot und andere feste Nahrung waren die Menschen zu sehr geschwächt.“

Bei den Friedensschlüssen in Paris von 1919 sei über die Köpfe der Beteiligten entschieden worden. Österreich-Ungarn und die Türkei seien zerlegt worden mit Folgen, unter denen wir heute noch litten. Auch der Westteil

bestimmungsrecht aufgerufen. „In Kaaden war am 4. März 1919, einem Faschingsdienstag, der riesige Marktplatz von einer Menschenmenge bevölkert. Dieser Masse stand eine kleine Einheit von Tschechen gegenüber, jung, unerfahren und unsicher. Es fielen Schüsse, und es starben Menschen. Es wurden Kleinkinder getroffen, Heranwachsende, Frauen und alte Männer. Meist waren es Querschläger, die das Unglück anrichteten.“

Die Deutschen, etwa ab dieser Zeit als Sudetendeutsche bezeichnet, hätten in diesem neuen Staat leben müssen. Sie hätten sich von der neuen tschechischen Politik zurückgesetzt gefühlt. Gerade ihre Industrien hätten im so klein geworden Land Absatzschwierigkeiten gehabt. Unkluge Diskriminierungen, ein deutscher Rundfunk

❯ SL-Kreisgruppe Nürnberg-Stadt/Mittelfranken

Michel: „Mögen mehr als 100 Jahre nach 1919 und 78 Jahre nach Kriegsende die Bitternis und der Schmerz aus den Herzen verschwinden.“ Gleichzeitig sei notwendig, das noch bestehende Unrecht in wissenschaftlichen Diskursen aufzuarbeiten. Besonders religiöse Menschen seien in der neuen Tschechischen Republik unzufrieden gewesen. Der neue Staat habe eine liberale Politik betrieben und die katholische Kirche schwächen wollen, unter anderem dadurch, daß die tschechische Nationalkirche gefördert worden sei. In der katholischen Kirche von Wettel hatten sie 1919 sogar einen Maskenball abgehalten.

„In dem Sinne gedenken wir aller Menschen, die Opfer wurden und gelitten haben, und hoffen auf einen künftigen Frieden“, schloß Michel ihre zu Herzen gehende Rede.

Nach dem Gottesdienst zog man unter Orgelklängen zum Mahnmal für die Toten der Heimat. Dort legten Kreisobmann Adalbert Schiller und Bezirksobfrau Margaretha Michel mit den SL-Vorständen einen Kranz nieder. Anschließend fuhr man nach Schwarzenbach und legte auch dort ein Blumengebinde nieder. Pfarrsekretär Bernhard Kuhn sprach an beiden Gedenkstätten ein Gebet für die Toten des 4. März sowie für alle Kriegsopfer. dn

4. März und Karl IV.

Die erste Bewährungsprobe bestand die zu neuem Leben erweckte mittelfränkische SLKreisgruppe Nürnberg-Stadt bei der mit rund 50 Teilnehmern gelungenen Veranstaltung anläßlich der tragischen Geschehnisse des 4. März 1919.

Der erst kürzlich zum SLKreisobmann gewählte Erich Ameseder und sein Stellvertreter Peter Konstantin Schlegel (Schlegels Lebensgeschichte ➝ SdZ 7/2021) hatten diese Gedenkveranstaltung in Kooperation mit der SL-Bezirksgruppe Mittelfranken vorzüglich organisiert. Mit einem anfänglich und abschließenden Solo verlieh Trompeter Alois Schmid von der Geigenbauerkapelle Bubenreuth der Veranstaltung einen feierlichen Rahmen. Obmann Ameseder hieß eingangs alle herzlich willkommen. Anschließend begrüßte Manfred Baumgartl, Gedenkredner und Stellvertretender SL-Bezirksobmann, Helmut Reich, Stellver-

tretender Präsident der Sudetendeutschen Bundesversammlung und Altlandrat, den Nürnberger Stadtrat Werner Henning, Ingrid Deistler, Vüarstäihare der Eghalanda Gmoi z‘ Nürnberg, und den SL-Bezirksobmann Eberhard Heiser.

Baumgartl hielt eine weit ausholende Rede, die Ursachen und Bewegründe beleuchtete, die zu den Ereignissen am 4. März 1919 führten, als 54 sudetendeutsche Frauen, Männer und Kinder im

Kugelhagel tschechischer Miliz ihr Leben ließen und Hunderte Verletzte auf den Straßen mehrerer sudetendeutscher Städte liegen blieben, nur weil sie friedlich für das Selbstbestimmungsrecht demonstriert hatten.

Baumgartl erwähnte das goldene Zeitalter Böhmens unter Kaiser Karl IV., in dem Tschechen und Deutsche in recht gutem Einvernehmen zusammengelebt hätten. Beide Volksgruppen verehrten diesen Kaiser bis heute. Zu Zeiten von Jan Hus seien die ersten nationalistischen Gegensätze aufgekommen. Baumgartl vermied einseitige Schuldzuweisungen. So geißelte er nicht nur die Unwahrheiten, die Edvard Beneš den Siegermächten in Saint Germain erzählt habe, um sich Wohlwollen für die Durchsetzung seiner nationalistischen Interessen zu erschleichen. Baumgartl verurteilte auch das Schreckensregiment der Gestapo-Schergen während der widerrechtlichen Besetzung der sogenannten Resttschechoslowakei.

Mit einer Schweigeminute für die März-Opfer im Sudetenland endete das Gedenken. Kreisobmann Erich Ameseder freute sich über das Gelingen der Veranstaltung und lud zu einem anschließenden Umtrunk ein. dr

Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 9
VERBANDSNACHRICHTEN
Birgit Unfug gedenkt der Toten. Beatrix Zurek vertritt die Stadt. Pfarrvikar Sebastian Schiller, Kreisobmann Adalbert Schiller, Bezirksobfrau Margaretha Michel und Bannerträgerin Eva Maria Herrmann. Referent Manfred Baumgartl, Obmann Erich Ameseder und Fahnenträger Peter Konstantin Schlegel am Vertreibungsmahnml auf dem Nürnberger Hallplatz. Bild: Reinhard Schmutzer

� SL-Ortsgruppe Königsbrunn/Wehringen und Kreisgruppe Augsburger Land

Austellung und Ehrungen

Anfang März eröffnete die bayerisch-schwäbische SL-Ortsgruppe Königsbrunn/Wehringen mit der SL-Kreisgruppe Augsburg-Land im neuen Königsbrunner Bürgerservicezentrum die Ausstellung „Wir Sudetendeutschen“.

Bis zum heutigen 15. März präsentierte die sudetendeutsche Volksgruppe auf 18 Tafeln ihr Wirken und Handeln. Königsbrunns Stadtoberhaupt Franz Feigl, sein Stellvertreter Maximilian Wellner, SL-Landesobmann Steffen Hörtler, SL-Kreisund -Ortsobmann Kurt Aue hießen die zahlreichen Gäste der Ausstellungseröffnung herzlich willkommen. Unter ihnen waren der SL-Bezirksobmann Edmund Schiefer, der Augsburger Stadtrat Josef Hummel, Altstadtrat Heinrich Bachmann, Rebecca Ribarek, Leiterin des Kulturbüros der Stadt Königsbrunn, Norberta Steingruber, Obfrau der SL-Ortsgruppe Bobingen, Gisela Thiel, Obfrau der SL-Kreisgruppe Augsburg-Stadt, Ortfried Kotzian, Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung,

Neumitglied Gertraud Raab, David Heydenreich von der SL-Bundeszentrale in München, der Stellvertretende Kreisobmann Leo Schön, Leiter der Ausstellung, Horst Bergmann, Herbert Bombeck, Herbert Kinzel, Helga Aue, Christa und Walter Eichler vom Vorstand der SL-Kreisgruppe Augsburger Land.

Bürgermeister Franz Feigl

Opfer des 4. März 1919 im Sudetenland ehrten Landesobmann Steffen Hörtler und Kreisobmann Kurt Aue einige Landsleute. Für 60 Jahre Treue wurden Heinz Streubel, Karl Weisser und Werner Fritsch ausgezeichnet. Streubel erhielt zusätzlich die RudolfLodgman-Plakette, Weisser und Fritsch das Große Ehrenzeichen der SL.

Zwischen der Ausstellungseröffnung und dem Gedenken der

Zum Schluß erinnerte Hörtler an den Aufstand der Sudetendeutschen am 4. März 1919 in Kaaden und anderen Städten, der blutig niedergeschlagen worden sei und 54 Todesopfer zu beklagen gehabt habe. Bevor Zeitzeuge und Mundartsprecher Leo Schön vom SLOrsvorstand die Besucher durch die Ausstellung geleitete, gab Obmann Kurt Aue einen Überblick über kommende Veranstaltungen und lud zum Sudetendeutschen Tag zu Pfingsten nach Augsburg ein.

� SL-Ortsgruppe Bayreuth/Oberfranken

Toleranz und Respekt

Die oberfränkische SL-Ortsgruppe Bayreuth gedachte Anfang März am Denkmal an den Schloßterrassen der Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes am 4. März 1919.

Als Obmann der SL-Ortsgruppe Bayreuth begrüßte ich folgende Ehrengäste: Oberbürgermeister Thomas Ebersberger, die frühere Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, Stefan Specht, Vorsitzender der CSUStadtratsfraktion, Torsten Lange, Fraktionsvorsitzender der BG, Günter Dörfler, Zweiter Bürgermeister von Weidenberg, Sabine Habla, Geschäftsführerin der CSU-Kreistagsfraktion und frühere Bezirksvorsitzende der CSU-Arbeitsgemeinschaft Union der Vertriebenen und Aussiedler (UdV), Werner Krempl, Geschäftsführer der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern, BdV-Kreisvorsitzender

Helmut Hempel, Karl Heider, langjähriger SLOrtsobmann, und Gerda Mühlbacher stellvertretend für alle Vorstandsmitglieder.

Am 4. März 1919 hatten Demonstrationen der Sudetendeutschen in der Ersten Tschechoslowakischen Republik stattgefunden. Die Sudetendeutschen forderten die Angliederung an Deutsch-Österreich anstatt der Inkorporation des Sudetenlandes in das Hoheitsgebiet

des tschechoslowakischen Staates. Diese friedlichen Demonstrationen wurden mit Waffengewalt und 54 Toten aufgelöst. Das darf sich nie wiederholen. Deshalb und weil wir wieder einen sinnlosen völkerrechtswidrigen Krieg in Europa erleben, gedenken wir Sudetendeutsche der März-Ereignisse 1919. Und wir appellieren: Legt die Waffen nieder und schafft Frieden für alle Menschen.

3,5 Millionen Deutsche sind infolge der Beneš-Dekrete nach 1945 aus der Tschechoslowakei nach Deutschland gekommen, 1,9 Millionen nach Bayern. Dennoch ist das Wissen über diese Volksgruppe begrenzt. Wer sind die Sudetendeutschen, wer ist Bayerns Vierter Stamm? Weitere Aufklärung ist erforderlich.

� SL-Kreisgruppe und Ackermann-Gemeinde Erlangen/Mittelfranken

Ein Film und seine Folgen

Tief beeindruckt waren die Mitglieder der mittelfränkischen Kreisgruppe Erlangen und der dortigen Ackermann-Gemeinde von der Film-Dokumentation eines Projekts, das deutsche und tschechische Schüler zusammengeführt hatte, um sich gegenseitig kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. Dank einer einmaligen Sondergenehmigung der Produzenten konnte der Film in Erlangen gezeigt werden.

ie Filmemacher Rainer Brum-

Dme und Wolfgang Spielvogel hatten mit dem früheren hessischen SL-Landesobmann Markus Harzer deutsche Jugendliche von der Carl-Rehbein-Schule in Hanau mit tschechischen Gleichaltrigen der American Academy Brno/Brünn zusammengeführt.

Die getrennte Vorbereitung der Schüler in Hanau und Brünn erfolgte anhand des tschechi-

schen Propaganda-Romans „Nástup – die ersten Schritte“, in dem die damaligen Stereotypen über die Sudetendeutschen demonstriert und deren Vertreibung gerechtfertigt wurde.

Die tschechischen Schüler erkannten in dieser Phase, daß diese problematischen Stereotypen bis heute in die tschechische Gesellschaft hinein wirken. Tief bewegt erlebten insbesondere die selbst noch von der Vertreibung betroffenen Erlanger Zuschauer, mit welcher Ernsthaftigkeit die tschechischen Jugendlichen sich mit den daraus resultierenden Vorurteilen auseinandersetzten.

Die deutschen Schüler hatten zwar selbst zu einem erheblichen Anteil Vorfahren aus dem Sudetenland, mit Tschechien und der Vertreibung hatten sie sich aber kaum auseinandergesetzt. Für sie bestand der Lerneffekt der ersten Phase vor allem in der Erkenntnis ihrer persönlichen Betroffenheit.

� SL-Ortsgruppe Naila/Oberfranken

In einer zweiten Phase trafen sich deutsche und tschechische Schüler zum unmittelbaren Kontakt in der Sudetendeutschen Bildungsstätte auf dem Heiligenhof. Sehr ernsthaft wurden dort Vorurteile diskutiert, Wissenslücken geschlossen und Vertrauen aufgebaut.

In der anschließenden Diskussion hoben die Erlanger Zuschauer insbesondere das Interesse und die Offenheit hervor, mit der die Schüler sich einander und den Themen genähert hätten. Sie erwarten sich einen Einfluß auf das Bewußtsein nicht nur bei den Jugendlichen selbst, sondern auch in deren Umfeld, in das sie ihre neuen Erkenntnisse einbrächten. Die hessische Landeszentrale für politische Bildung hält den Film für die Nutzung in weiteren hessischen Schulen vor. Hoffentlich wird dieses Angebot reichlich genutzt.

Christoph Lippert

Voraussetzung für Frieden

Mit einen Gottesdienst und der anschließenden Kranzniederlegung am Sudetendeutschen Mahnmal an der katholischen Kirche Naila gedachte die oberfränkische SL-Ortsgruppe Naila der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien.

Unter den zahlreichen Teilnehmern auch aus der Nailaer Umgebung begrüßte SLOrts- und SL-Bezirksvizeobmann Adolf Markus besonders den Nailaer Bürgermeister und Stellvertretenden Hofer Landrat Frank Stumpf, Dekan Andreas Seliger und die SL-Bezirks- und SL-Landesvizeobfrau Margaretha Michel.

Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik begann eine zwei Jahrzehnte dauernde Zeit der Benachteiligungen für die Sudetendeutschen. Und dann kam, nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht, die sogenannte Befreiung und der völkermordende Zweite Weltkrieg. 78 Jahre ist die Vertreibung – auch als Folge des Zweiten Weltkrieges – der Sudetendeutschen jetzt her. Etwa

Unser Gedenken richtet sich nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Zukunft. Es liegt in unserer Verantwortung, aus der Geschichte zu lernen und sicherzustellen, daß solche Ereignisse nie wieder geschehen. Wir sollten uns für den Frieden, die Verständigung und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern einsetzen. Wir wollen unsere Geschichte und unsere reiche Kultur für die Zukunft lebendig halten. Sie gibt uns die Schubkraft für unsere grenzüberschreitenden Aktivitäten. Sie stärkt unseren steten Einsatz für eine gerechte Völker- und Staatenordnung, mit dem wir zur europäischen Verständigung beitragen. Möge dies Gedenken uns inspirieren, für eine Welt einzutreten, in der Toleranz, Respekt und Zusammenarbeit die Prinzipien sind. Laßt uns eine Zukunft gestalten, in der die Lehren der Geschichte als Wegweiser dienen und in der die Würde aller Menschen geachtet wird. Manfred Kees

Bürgermeister Stumpf hob in seiner Gedenkrede hervor, daß die Frage des Selbstbestimmungsrechts der Völker an Aktualität nichts eingebüßt habe. Gerade für Sudetendeutsche sei dies eine bittere Erfahrung. Den 3,5 Millionen Sudetendeutschen habe der neue Nationalstaat Tschechoslowakei dieses Recht verweigert. Versuche sudetendeutscher Politiker, mit der tschechoslowakischen Regierung zu verhandeln, seien schroff zurückgewiesen worden mit der Begründung: „Das Selbstbestimmungsrecht ist eine schöne Phrase, jetzt entscheidet die Gewalt.“

Daher hätten am 4. März 1919 alle deutschen Parteien im Sudetenland zu einem Generalstreik mit friedlichen Kundgebungen aufgerufen. Tschechoslowakisches Militär habe diese Demonstration mit Waffengewalt aufgelöst. 54 Menschen seien durch Gewehrsalven in den seit Jahrhunderten von Deutschen besiedelten Sudetengebieten gestorben, Hunderte seien verletzt und viele verhaftet worden.

Das Gedenken der Sudetendeutschen in Naila nach 105 Jahren sei heute angesichts

des Ukraine- und Nahostkrieges notwendiger denn je, mahnte Stumpf. Auch am Beginn des dritten Jahrtausends würden Konflikte um Selbstbestimmungsrecht, Vergangenheitsbewältigung und Verständigung zwischen Ethnien immer häufiger. So wie es den deutschen Vertriebenen 1945 leidvoll ergangen sei, so würden auch heute wieder Millionen von Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, und unzählige Unschuldige hätten dabei ihr Leben verloren. Gewalt dürfe niemals siegen.

Margaretha Michel zeigte in ihrer Gedenkrede Parallelen von den schrecklichen Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen zu der 1918/19 erfolgten Okkupation des 800 Jahre alten Sudetenlandes. Immer wieder seien Konfliktpotentiale durch unzureichende Problem- und Friedenslösungen entstanden.

Der australische Historiker Christopher Clark habe in seinem Buch darauf hingewiesen, daß es die europäischen Mächte 1914 wie „Schlafwandler“ in den Ersten Weltkrieg gezogen habe mit der Folge einer millionenfach geschwächten und erkrankten Bevölkerung. Bei den Friedensschlüssen 1918/19 in Paris sei über die Köpfe der Beteiligten hinweg Deutschland die alleinige Schuld zugeschoben worden. Die Monarchie Österreich-Un-

garn und die Türkei seien zerlegt worden mit Auswirkungen bis heute. Trotz Selbstbestimmungsrechtsproklamation des USA-Präsidenten Woodrow Wilson habe der neue tschechoslowakische Nationalstaat einen Vielvölkerstaat gegründet, die 3,5 Millionen zählende deutsche Volksgruppe ohne Selbstbestimmungsrecht einverleibt und das Schweizmodell-Versprechen gebrochen. Die Sudetendeutschen seien wirtschaftlich, schulisch und demokratisch benachteiligt worden. Michel erinnerte an die sudetendeutschen Demonstrationen am 4. März 1919 in Kaaden und allen größeren Städten des Sudetenlandes mit Toten und Hunderten von Verletzten jeden Alters durch tschechisches Militär. In der Folge sei es zu weiteren Diskriminierungen der Sudetendeutschen gekommen, zum wachsenden Einfluß des Nazi-Reiches mit dem Einmarsch Adolf Hitlers in das Sudetenland, zur Bildung des Protektorats Böhmen und Mähren, zum verheerenden Zweiten Weltkrieg und zur unseligen Vertreibung aus der Heimat. Die SL arbeite das noch bestehende Unrecht in intensiven Dialogen und wissenschaftlichen Diskursen auf, schloß Michel ihre Gedenkrede.

Vor dem Auszug zum Sudetendeutschen Mahnmal sagte SL-Bezirksvizeobmann Adolf Markus: „Die Opfer des 4. März 1919, der Kriege und Vertreibungen verpflichten uns zu bürgerlichem Engagement für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Völkerverständigung. Das schulden wir auch der nachwachsenden Generation. Und zwar gegen alle Ideologien. Deshalb gelte: Nie wieder Nazi-Faschismus, Stalin-Putinismus, Antisemitismus, Islamismus und Religionsverfolgungen.“

Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 10
VERBANDSNACHRICHTEN
Lektor Horst Kaschel, Vizeortsobmann Jürgen Nowakowitz, Frank Stumpf, Dekan Andreas Seliger, Margaretha Michel, Pater Eugen und Adolf Markus. Manfred Kees (links) gedenkt bei den Schloßterrassen der Opfer des 4. März 1919 im Sudetenland und wirbt für eine gute Zukunft. Leo Schön führt durch die Ausstellung. Maximilian Wellner, Dr. Ortfried Kotzian, Steffen Hörtler, Kurt Aue, Heinz Streubel, Werner Frischs Tochter Angelika Schuler und Schwabens Bezirksobmann Edmund Schiefer. Bilder: David Heydenreich

Am ersten Märzwochenende trafen sich wieder Freunde der Mundarten aus Böhmen, Mähren und Schlesien auf dem Heiligenhof. „Feste und Bräuche im Jahreslauf“ waren Thema des von Heimatpflegerin Christina Meinusch und Ingrid Deistler, Vorsitzende des Arbeitskreises sudetendeutscher Mundarten, vorbereiteten Seminars.

Mehr als 40 Landsleute genossen die Gastfreundschaft des Heiligenhofes und die Vorträge und Workshops. Zunächst begrüßten uns Nino Schmitt, der Assistent des Stiftungsdirektors, und Christina Meinusch. Ingrid Deistler hieß uns mit einem Gedicht willkommen und gedachte der verstorbenen Mitglieder des Freundeskreises. Dann stimmte sie mit dem Lied „Im Märzen da kommt man am Heiligenhof zamm“ aufs Programm ein. Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, sprach über die „Bewahrung Sudetendeutscher Mundarten durch die Landesversammlung“. Eingangs stellte er seine Organisation vor. Dann erklärte er, wie die deutsche Sprache in Tschechien gesetzlich geschützt wird und wie es mit dem Deutschunterricht aussieht. Er erwähnte auch die Bedeutung der Muttersprache für die Identität.

Dzingel präsentierte weitere Projekte in der Republik, die die Sprache unterstützten wie Debattierclubs, Mundartvideos oder Bücher. Er zeigte dann Filme mit Mundartaufnahmen, die die Landesversammlung aufgenommen hatte und die man auf YouTube sehen kann. Auch ein zweisprachiges Märchenbuch in Mundart stellte er vor, welches die Landesversammlung herausgab. Dazu gibt es auch eine CD mit Mundartaufnahmen.

Lieber Herr Dr. Maier

Wachtl/Deutsch Brodek, Olmütz, Bautsch, Bradelstein und Sudetenschlesien. In Langenlutsch gingen die Kinder am Karfreitag mit einer Schnarre durch den Ort, welche die Glocken ersetzt haben. Denselben Brauch

Der Abend brachte Mundartlesungen und Mundartvorträge zum Seminarthema. Vor den einzelnen Geschichten folgte eine Vorstellungsrunde, weil viele neue Gesichter dabei waren.

Der nächste Tag begann mit dem Vortrag „Enklitika (abgeschwächte Pronominalformen) in den deutschen Dialekten Mährens und Schlesiens“ von Dr. Mojmír Muzikant aus Brünn. Bei den Erhebungen für den „Atlas der deutschen Mundarten in Tschechien“ sei es ziemlich schwierig gewesen, Mundartsprecher zu finden. Wenn man die Karte im Mundartatlas zum Beispiel nur im Schönhengstgau anschaue, könne man viele verschiedene Endungen bei den Personalpronomen finden.

Über „Osterbräuche in Mähren und Schlesien“ berichtete Richard Rothenhagen. Er sagte, daß für die Tschechen der Ostermontag der wichtigste Tag der Osternzeit ist. Rothenhagen widmete sich den ehemaligen deutschen Sprachinseln Schönhengstgau, Iglau, Brünn,

sei die Ortschaft Sedlnitz gewesen.

Nun trugen wir Mundartfreunde unsere Hausaufgaben vor und erzählten von Osterbräuchen in unseren jeweiligen Gebieten. Dann stellte Štěpánka

haben wir im Egerland auch heute noch am Karfreitag.

Das Umhergehen mit einer Osterrute am Ostermontag sei fast überall zu sehen gewesen, was der Einfluß des tschechischen Brauchtums gewesen sei. Ein fast vergessener Brauch sei das Osterreiten, bei dem man mit geweihten Palmzweigen und einem Kreuz um die Felder ritt, um sie für eine gute Ernte zu segnen. In Schöllschitz in der Brünner Sprachinsel würden an den Osterruten keine bunten Bänder hängen, sondern Pajätzen, Figuren aus Wolle.

Der Begriff Schmeckostern komme vom tschechischen šmikat für schnell schneiden oder sägen. Ganz unterschiedlich seien die Sprüche gewesen. In Dohle bei Sternberg hätten die Kinder gesungen: „Ich stieh uff an Stään, miech freßt oo de Bään, gatt mr a Stickl Striezl und ann Klecks Honig drauf, dann gieh ich wieder hääm./Ich stehe auf einem Stein, mich friert an die Beine, gebt mir ein Stückl Striezel und einen Klecks Honig drauf, dann geh ich wieder heim.“ Der einzige Ort in dieser Region, in dem die Kinder Geschenke hätten suchen müssen,

Projekt könne man komplett mit allen Aufnahmen auf der Homepage des BGZ Trautenau finden. Šichová erwähnte speziell Ursula Ludwig, mit welcher sie bei vielen Projekten zusammengearbeitet habe.

Šichová, die Leiterin des Trautenauer Begegnungszentrums (BGZ), mit Unterstützung von Margit Bartošová und Renata Smutná das erfolgreiche BGZProjekt „Paurisch“ vor. In Schatzlar könne man heute noch alten Leute begegnen, die miteinander auf der Straße Paurisch redeten. Wissenschaftlich bearbeitet hätte das Thema der Mundart in dieser Gegend einst der aus

Den nächsten Vortrag hielt Lorenz Loserth über „Sudetendeutsches Mundartmemory“. Nach der Auswertung der einzelnen Begriffe wählte Loserth passende Bilder zu diesen Begriffen aus, die Rückseite wurde entworfen und die einzelnen Karten wurden gedruckt. Und schon probierten wir das Spiel aus.

Etta Engelmann hatte den „Workshop“ „Verlust einer

Düsseldorf stammende und am 25. Februar 1852 geborene Georg Wenker. Mit den sogenannten Wenkersätzen sei die Mundart in der Region aufgezeichnet. Ein solcher Satz sei zum Beispiel: „Der gute alte Mann ist mit dem Pferde durch‘s Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen.“ Ein wichtiger Teil des Projektes seien die Audioaufnahmen. Das ganze

Handschrift“ vorbereitet. Zuerst erklärte sie, daß man sich nach der Kaffeepause leider in einer Nachmittagsdepression befinde, die durch „Neurogene Deprivation“ ausgelöst werde und die hoffentlich den „Workshop“ nicht zu sehr beeinträchtigt. Heute schreibe man selten mit einer Füllfeder, sondern eher mit einem Kugelschreiber. „Warum verschwindet

die Kunst des Schreibens immer mehr?“, fragte sie. Das liege an Smartphone, Schreibmaschine, Computer, Telefon, SMS, eMail, Kugelschreiber und Abkürzungen, von denen es laut Duden 96 Arten gebe. Für jede Art Schriftverkehr könne man das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ benutzten.

Wenn man mit der Hand schreibe, bringe das Vorteile. Das sei persönlicher, man trainiere die Finger, und man falle auch auf. „Wie baut man einen Brief richtig auf?“ Zuerst solle man das richtige Briefpapier wählen und einen Füller, Tinte könne man mit einem Tintentod gut wegbekommen. Die Anrede am Briefanfang sei ganz wichtig. Ort und Datum müsse man angeben, und zwar alphanumerisch: „Lieber Herr Dr. Maier.“ Die Anrede „Hallo“ sowie eine elektronische Briefmarke solle man vermeiden. Jeder Absatz müsse sein eigenes The­

ma beinhalten. Den Brief sollte man mit Abstand noch mal durchlesen. Bei privaten Briefen solle man Umschläge ohne Fenster benutzen und den Absender links oben und ohne Titel schreiben.

Engelmann hatte einen Musterbrief vorbereitet, welchen man verbessern mußte. Auch die Formulierungen wurden trai­

niert. Nach diesem theoretischen Teil teilte Engelmann Briefpapiere aus, dazu die Umschläge, auch Briefmarken waren dafür vorbereitet worden. Jeder suchte sich eine Person aus, die sich über unseren mit der Hand geschriebenen Brief freuen würde, und schrieb ihr einen persönlichen Brief. Es war schon ein ganz außergewöhnliches Gefühl, mit eigener Hand so etwas zu schreiben. Der obligatorische Morgenspaziergang hatte den Titel „Willkommen im Märzenwald.“ Ingrid und Gerald Deistler hatten mehrere Stationen mit Informationen und Aufgaben für die Mundartfreunde vorbereitet. Nach dem Pflichtfoto an der Treppe hinter dem Haus ging es los. Ingrid Deistler, ausgestattet mit einer „Osterglocke“, begleitete die Wanderer mit ihrem Fachwissen und kommentierte die einzelnen Stationen. Bei ihnen wurden die einzelnen Bräuche erklärt und Fragen gestellt. Auch für mich war der Brauch mit dem „Summadockn­Aastrogn“ neu. Gelungen war das Palmbüschel für den Palmsonntag, das aus Palmzweigen und Tannenreisig zusammengebunden war. Die größte Freude bereitete die Ratsche an einer Station, auf welcher Stefan Busch aus dem Riesengebirge gleich sein Sprüchel aus der Heimat vortrug. Das Schönste an solchen Spaziergängen ist, daß man Zeit hat, sich zu unterhalten, sogar in Mundart. So erfuhr ich im Gespräch mit Edwin Bude etwas über sein neues Buch „Sagen, Märchen und Mythen aus den Sudetenländern und den ehemaligen deutschen Ostgebieten“. Am Ende des Spaziergangs war an der Kapelle eine praktische Übung vorbereitet. Jeder konnte seine Wünsche oder Bitten auf Ostereier aus gelbem Papier schreiben. Nach dem österlichen gesungenen „Halleluja“ ging es wieder zurück zum Heiligenhof. Dort erklärte Meinusch die problematische Finanzierung der Begegnung am Jahresanfang. Gegen den Vorschlag, die Begegnung in die zweite Jahreshälfte zu verlegen, gab es keine Einwände, und so wird es ab 2025 gehandhabt. Schließlich wurde das Seminar bewertet. Das nächste Mal wird die Sitzordnung geändert, und Namensschilder werden vorbereitet. Auch die Einblendung der Texte zum Mitsingen wäre wünschenswert. Ansonsten waren alle Teilnehmer sehr zufrieden und freuen sich auf die Begegnung im nächsten Jahr.

Als Vortragsthemen für die nächste Begegnung schlug Richard Rothenhagen „Gartengeräte, Feld­ und Gartenarbeit“ vor. Als Hausaufgabe schlug Lorenz Loserth die Aufbereitung eines Heimatliedes vor. Eine schöne Idee war auch, einen komplizierten Begriff in Mundart zu erraten und zu erklären. Nach dem guten Mittagessen ging es für alle wieder nach Hause. Wir hatten ein schönes und lehrreiches Wochenende verbracht, das dem Erhalt unserer Muttersprache gedient hatte. Schließlich ist unsere Mundart Teil unserer Identität.

Måla Richard Šulko

VERBANDNACHRICHTEN Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 11
� Mundarttagung auf dem Heiligenhof
Inge
Eflerová, Štěpánka Šichová und Margit Bartošová. Etta Engelmann erklärt ihre Liebe zur Füllfeder. Kurt Hammer und Gustav Reinert spielen Mundart-Memory.. Die Mundartfreunde an der Treppe hinterm Haus. Bilder (10): Richard Šulko Dr. Mojmír Muzikant Martin Dzingel Dr. Richard Rothenhagen Lorenz Loserth Gustav Reinert mit 92 Jahren. Måla Richard Šulko mit Osterwunsch. Ingrid Deistler mit Glocke

Reicenberger Zeitung

Nordböhmi [ e Um [ au

Nur ein Stück Metall

Erika Dietrich berichtet über den Wert eines Eheringes im oberbayerischen Ingolstadt und im nordböhmischen TetschenBodenbach.

Ein fesselnder Vortrag über das Werden einer Stadt: Ingolstadt trete aus dem Dunkel der Geschichte, hebe sich ab vom Umland, befestige sich und hole den Donau-Hauptarm an seine Südseite, referiert die Leiterin des Stadtmuseums. Schauplatz der akademischen Veranstaltung ist der 400 Zuhörer fassende Hörsaal der neuen Technischen Hochschule. Beim anschließenden Empfang entwickelt sich ein Gespräch mit Paul M. Ostberg, dem Herausgeber und Autor der Ingolstädter Geschichten in seinem Werk „Rund um den Scherbelberg“.

Wechsel der Bühne am selben Tag. Kurze nächtliche Autofahrt in den Süden der Stadt.

Am Auwaldsee, in der ländlich-gemütlichen Gaststätte, beginnt das monatliche Kollegentreffen. Zwei Sprachenlehrer mit Partnern sind schon anwesend, ein Mathematiker, eine Mathematikerin, einmal Deutsch mit Geschichte. Gespräche kreisen um Urlaub in Korsika, um Gewaltexzesse im Alltag, um Operationsmethoden.

Beim Erzählen Spiel mit den Händen, Gestikulieren.

Da plötzlich, es fehlt etwas! Die rechte Hand ist so leer. Da steckt doch immer der Ehering. Links ein Ring mit Saphir und rechts? Nichts! Wie kann das sein?

Hab ich ihn in Gedanken abgezogen? Liegt er irgendwo?

Ich sehe nichts.

Ich sage es den Kollegen. Mein Ehering ist plötzlich weg.

Wie kann das nur sein? Das ist mir noch nie passiert. Ein Kollege frotzelt. Ach so ein Ring, das hat doch nichts zu sagen. Womöglich steht innen „Auf ewig Dein“ oder „In ewiger Treue“. Das trifft mich. Ich bin nervös und grüble. Ich fahre heim.

hatte ich ihn in den Geldbeutel gesteckt. Sicherheitshalber. Aber jetzt?

Ich bin ahnungslos. Ich erzähle es Hans. Der überlegt mit mir. Am Vormittag war ich im Garten. Der Gärtner war hier, und ich habe alle Birkenreiser eingesammelt, die der Wind vom Baum gerissen hatte. Dort werde ich morgen zuerst suchen. Der Ring, er fehlt mir. Das Datum auf der Innenseite, es bedeutet mir etwas. Der 17. Januar 1975. Nur einmal hab ich ihn vergessen, unseren Hochzeitstag, in 44 Jahren. Damals sprang Hans ein. Er hatte zwei kleine Bocksbeutel Beerenauslese bereit und sagte zunächst nichts über den Anlaß der Feier. Der übliche Kuchen fehlte also. Aber das war kein Beinbruch. Der Wein war vorzüglich.

nen Ring nicht trägt, ihn aber gut aufbewahrt, könnte ich ihn als Muster nehmen, um wieder einen ähnlich verzierten und innen mit unserem Datum und dem Namen des Partners versehenen Trauring zu erhalten. Ich durchkämme das Gras und die Traubenhyazinthen. Ich suche zwischen Tulpen und Erdbeerpflanzen. Da kommt Hans aus der Garage, hält mir die geschlossene Faust hin und öffnet sie. „Ist es vielleicht der?“ Mein Ring! Ich bin sprachlos! Hatte ich ihn beim Gartenwerkzeug in der Garage abgelegt? Die Antwort ist: „Nein. Er steckte in deinen roten Gartenhandschuhen.“ Ich bin erleichtert und wie befreit und immer noch erledigt. Ich kann es fast nicht glauben, daß ich ihn doch wieder habe. Und ich verstehe nicht, warum es mir derart naheging, daß ich den Ring nicht mehr hatte.

Letzte Tage in der Heimat 1945

� Die Geschichte der nordböhmischen Stadt Deutsch Gabel – Teil XVI und Schluß

Endstation Jonsdorf

Niedergeschlagen und mutlos fanden sich die betroffenen Deutschen früh um fünf Uhr am Viadukt ein. An einem Tisch mußten Wertgegenstände abgegeben werden. Nach einer von Tschechen vorgenommenen, teilweise sehr willkürlichen Leibesvisitation und Gepäckdurchsuchung mußten sie durch den Viadukt gehen.

Ende der Kolonne wurden die Menschen eingeschüchtert.

Jonsdorf vertrieben. Die zurückgebliebenen Deutschen erhielten am nächsten Tag Lebensmittelkarten.

Ich denke an meine Mutter, die mir erzählte, daß die Tschechen ihr bei der Vertreibung aus unserer Heimatstadt Tetschen-Bodenbach den Ehering abgenommen hätten. Die deutschen Bewohner der Stadt waren 1945 vor dem Schützenheim, ihrem alten Treffpunkt, zusammengetrieben worden und mußten alle Wertgegenstände abgeben. Eine peinliche Leibesvisitation war eingeschlossen. Es hieß: „Der Ring ist jetzt Eigentum des tschechischen Volkes.“

Zu Hause Nachdenken. Wo kann ich ihn verloren haben? Auf dem dunklen Parkplatz am Auwaldsee? Im Hörsaal beim Gespräch mit dem Zuhörer neben mir? Beim festlichen Brötchenessen danach? Natürlich saß der Ring in letzter Zeit etwas locker. Ich hatte ein paar Kilo abgenommen. In der Gymnastikstunde bei der Freien Turnerschaft Ringsee und im neuen Sportbad der Stadt

Hans will wissen, welche Handschuhe ich bei der Gartenarbeit getragen habe. Es waren die üblichen roten Gartenhandschuhe, nicht die normalen aus Leder.

Am nächsten Morgen bin ich beschäftigt. Bei der Technischen Hochschule anzurufen und nach dem Ring zu fragen, ist mir zu peinlich. Am Nachmittag durchforste ich erst einmal den Garten. In der Immergrünecke, wo ich am Vortag auch war, ist es natürlich sinnlos zu suchen. Da ist alles sehr dicht zugewachsen. Da müßte ich die grünen Schlingen massenhaft herausreißen, um den Ring zu finden. Ich denke schon an Neukauf. Da Hans sei-

Meine Mutter wollte ihn nicht hergeben. Mein Vater sah aber, daß tschechisches Militär schon mit Peitschen um die Menschen herumstrich. Er beruhigte meine Mutter und drängte sie. „Gib ihn heraus“, sagte er. „Den kann man ersetzen.“ Der Macht der Herrschenden beugt man sich – zunächst –, so sah er es.

Ich lasse mir jetzt vom Juwelier meinen Ehering enger machen. Er ist ein Stück von mir. Ich will ihn nie wieder verlieren. Meine Mutter war nicht so glücklich wie ich, ihr wurde der Ring geraubt. Er war unwiederbringlich verloren. Damit war aber auch Hab und Gut verschwunden, das Geschäft in der Brückengasse, die Wohnung, die Möbel und auch Freunde und Nachbarn und Kunden.

Mein Vater behielt schließlich Recht. Ein neuer Ring wurde später gekauft, und eine neue Existenz konnte im schwäbischen Bayern, in Dillingen, aufgebaut werden.

In Viererreihen wurden die Deutsch Gabler Richtung Grenze über Hermsdorf, Großmergthal, die Wache nach sächsisch Jonsdorf getrieben. Während des Gewaltmarsches ritten und gingen tschechische Soldaten an der Kolonne auf und ab und trieben die Leute durch Schläge mit langen Peitschen immer wieder zu rascherem Tempo an. „Wer zurückbleibt, wird erschossen“, hieß es, und mit einem strikten Verbot, nach rückwärts zu schauen, und mit Gewehrschüssen am

Einigen wurde ihr Gepäck zu schwer, und sie warfen einen Teil weg. Bei einer Rast wurde wieder gedroht, immer noch vorhandenes Geld, Uhren, Schmuck und so weiter abzuliefern, andernfalls sie spätestens an der Grenze von den angeblich dort wartenden Russen erschossen würden. Aus Angst gab mancher auch noch seine letzte Habe her.

Nach einer zweiten Rast an der Grenze und einer nochmaligen Visitation hieß es: „Ihr seid frei und könnt nun heim ins Reich gehen!“ Dann verschwanden die Bewacher. Jetzt wurde den Vertriebenen bewußt, daß es vielleicht kein Zurück in die Heimat mehr gab. Am selben Tag gegen Mittag wurden in einem zweiten Transport weitere Deutsch Gabler über Großmergthal nach

� Heimatgruppe Deutsch Gabel/Zwickau in München

Krieg und Vertreibung brachten unsere Heimatfreunde in viele europäische und außereuropäische Länder. Die meisten wurden jedoch überwiegend im Gebiet der späteren DDR und im südlichen Teil der Bundesrepublik Deutschland ansässig. Das Suchen nach Verwandten, Bekannten und Freunden begann.

Zwei Männer unseres Ortes hatten sich damals zum Ziel gesetzt, möglichst alle Landsleute unseres Gebietes zu erfassen. Kurt Wendler gab am 6. Dezember 1949 einen ersten Heimatbrief heraus, dem Ostern 1950 der zweite folgte. Später erfolgte eine Zusammenarbeit mit „Zwischen Lausche und Bösig“, bis dann die Reichenberger Zeitung 1951 das offizielle Mitteilungsblatt für den Heimatkreis wurde.

Am 28. August 1949 fand in München-Allach ein erstes Flüchtlingstreffen statt, an dem einige Deutsch Gabler teilnahmen. Hier reifte bei Heinrich Brabetz der Gedanke, für die in München wohnenden Landsleute auch ein solches Treffen zu arrangieren. Am 3. Dezember 1949 trafen sich das erste Mal nach der Vertreibung diese Heimatfreunde im Löwenbräukeller zu München, dem am 30. April 1950 das zweite Treffen folgte.

Später wurde beschlossen, im August 1950 unser Kirchenfest Laurenzi mit einem Großtreffen

aller Landsleute unseres Bezirkes in München zu feiern. Dieser Tag war die Geburtsstunde des Laurenzifestes fern der Heimat. Alle im Westen wohnenden, erfaßten Landsleute wurden eingeladen. Das waren mehr als 350 Personen. Schon am Samstagabend fand sich eine große Zahl Landsleute ein, und am Sonntag waren es dann mehr als 350, die sich in der Gaststätte „Zum Kriegerdenkmal“ in MünchenMoosach trafen. Der am Vormittag in der Kirche Allerheiligen am Kreuz in der Münchener Kreuzstraße von Heimatseelsorgern zelebrierte Gottesdienst war von vielen Teilnehmern besucht, die die Kirche kaum fassen konnte. Bei der anschließenden Stadtführung zeigte Professor Gustav Scholze den interessierten Landsleuten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Nachher kamen sie teils mit Omnibussen, teils mit der Straßenbahn ebenfalls nach Moosach zum gemeinsamen Mittagessen. Welcher Teilnehmer erinnert sich nicht gern der damals ver-

In Abständen erfolgten weitere Vertreibungen; so mußten am 22. Juli 1945 überwiegend Landwirte Haus und Hof verlassen. Sie wurden zu Erntearbeiten ins Tschechische geschafft, später von dort ebenfalls nach Deutschland ausgewiesen. Am 23. Juli 1945 wurden wieder einige Hundert vertrieben. Sie mußten diesmal am Gürtlerplatz aufgestellt sein. Nach einer Leibes- und Sachkontrolle wurden sie mit rund 50 Pferdefuhrwerken über Petersdorf nach Oberoderwitz in Sachsen gebracht. Weitere Ausweisungen folgten am 29. August, am 4. September 1945 und 1946 bis alle Deutschen aus unserer Heimatstadt vertrieben waren. Hans Brabetz

brachten schönen Stunden? Welche Freude herrschte an den beiden Tagen bei allen Anwesenden. Diese wenigen Stunden des ersten Wiedersehens nach der Vertreibung, des Erzählens der Erlebnisse, ließen all die Not, das Elend, das Leid der seit Mai 1945 vergangenen Zeit für einige Stunden vergessen. Aus diesem Treffen entstand die Heimatgruppe München, die ab September 1950 bis Corona regelmäßig monatliche Treffen abhielt und die Interessen der Landsleute aus dem ehemaligen Gerichtsbezirk Deutsch-Gabel und später auch die des ehemaligen Gerichtsbezirkes Zwickau seitdem vertrat. Das Laurenzifest mit dem Großtreffen wurde seit 1950 jeweils im August in München abgehalten und erlebte 1974 das Silberjubiläum. Diese Entwicklung aus einem kleinen Heimattreffen in 25 Jahren zu einer Interessensvertretung der Bewohner der ehemaligen Gerichtsbezirke Deutsch Gabel und Zwickau ist das Werk von Heinrich Brabetz.

Treffpunkt Löwenbräukeller
Stadt und Kreis Reichenberg Kreis Deutsch Gabel Kreis Friedland Kreis Gablonz Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 12
Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Erika Dietrich in Ingolstadt. Jonsdorf in Sachsen.
Tetschen-Bodenbach heute.
Mutter Irmgard Klein mit den Kindern Walter, Hans, Susanne und Erika 1945 in Tetschen-Bodenbach. Die Eltern Irmgard und Emil Klein mit ihren Kindern Hans, Susanne, Walter und Erika 1950 in Dillingen.
Ingolstadt und Tetschen-Bodenbach

Stanislav Přibyl CSsR zum Bischof geweiht

Im Dezember hatte Papst Franziskus den Redemptoristenpater Monsignore Stanislav Přibyl als Nachfolger von Jan Baxant zum Bischof der Diözese Leitmeritz ernannt. Anfang März empfing Přibyl im Leitmeritzer Stephansdom die Bischofsweihe. Festprediger war der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn, der auf Schloß Skalken bei Leitmeritz zur Welt gekommen war und Träger des Europäischen Karls-Preises 2018 ist. Und Gregor Maria Hanke OSB, Bischof des Leitmeritzer Partnerbistums Eichstätt, war an der Weihe beteiligt.

Der 1948 in Karlsbad Geborene Apostolische Administrator Jan Baxant ist seit 1973 Priester und war 15 Jahre lang Bischof von Leitmeritz. Er schreibt in seiner Einführung zur Bischofsweihe seines Nachfolgers:

„In den letzten 35 Jahren fanden mehrere Bischofsweihen in dieser Kathedrale statt. 1989 wurde Monsignore Josef Koukl und 2004 Monsignore Pavel Posád zum Bischof geweiht. Nach der dritten Bischofsweihe 2008 feiern wir heute die vierte, und zwar die von Monsignore Stanislav Přibyl zum 21. Bischof von Leitmeritz.“

Die Kathedrale gelte als Mutter aller Kirchen in der hiesigen Diözese. Dank ihres Barocks sei sie herrlich und freundlich. Der Dom glänze durch seine Einmaligkeit, auch weil die bischöfliche Kathedra hier stehe, so Baxant.

Die Diözese Leitmeritz erstrecke sich über fünf Regionen der Tschechischen Republik. Als Teil der böhmischen Kirchenprovinz zeichne sie sich sowohl durch ihre Naturvielfalt als auch durch ihr Geschichtsdrama aus.

Der neue Diözesanbischof betrete nicht nur einen Steinbruch, sondern auch einen Garten. Es sei allerdings nicht anzunehmen, daß er zu einem Steinbruchmeister oder Obergärtner bestellt werde.

Heute werde er der höchste geistliche Hirte für alle in der Diözese. Durch die Bischofsweihe vertraue ihm Christus die Fülle des Priestertums an. Sein jetziges Hirtenamt sei nicht nur mit der Herrlichkeit der Erwählung, sondern auch mit dem Joch der Verantwortung verbunden. „Bitte, schließen wir ihn in unsere Gebete ein“, schließt der emeritierte Bischof.

Stanislav Přibyl kam am 16. November 1971 in Prag-Straschnitz zur Welt. 1990 maturierte er an der Prager Fachoberschule für Vermessungswesen. Bereits als Oberschüler spielte er in Prager Pfarreien, vor allem in seiner Heimatpfarrei Straschnitz, Orgel. Nach dem Schulabschluß trat er im polnischen Lubaszowa der Ordensgemeinschaft der Redemptoristen bei und legte nach dem Noviziat 1991 die erste Profeß ab.

1991 bis 1996 studierte er an der Theologischen Fakultät der Karls-Universität und absolvierte gleichzeitig die Ausbildung am Erzbischöflichen Seminar in Prag. Am 22. Juni 1996 empfing er das Sakrament der Priesterweihe. Anschließend war er Wallfahrts- und Pfarrseelsorger am Marienheiligtum im Kloser Svatá Hora/Heiliger Berg, bis 1999 als Kaplan und bis 2008 als Pfarrer. 2002 bis 2011 war er Provinzial der Redemptoristenprovinz Prag. 2004 bis 2008 war er Direktor der Prager Dözesancaritas. In dieser Funktion organisierte er auch den Bau eines Krankenhauses in Uganda. 2008 wurde er Mitglied des Priesterrates im Erzbistum Prag. An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Prager Karls-Universität erwarb er 2012 das Lizenziat in Theolo-

Monsignore Stanislav Přibyl, Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn, der emeritierte Prager Bischof und Tschechiens Primas Dominik Kardinal Duka sowie der emeritierte Leitmeritzer Bischof Jan Baxant auf dem Weg zum Stephansdom.

Bevor die Weihe beginnt, hält der gebürtige Leitmeritzer Christoph Kardinal Schönborn die Festpredigt. Bilder: Diözese Leitmeritz

Die lateinische Ernennungsurkunde von Papst Franziskus zum Beweis, daß Přibyl in dessen Auftrag geweiht wird. Karel Havelka, Dekan des Domkapitels Leitmeritz, Sprößling einer tschechisch-deutschen Familie und begehrter Zelebrant von Heimatmessen, liest die Papstbulle auf Tschechisch vor.

Bei der Prostratio genannten Niederwerfung legt sich Přibyl mit dem Gesicht zum Boden vor den Altar. Damit begibt er sich ganz in Gottes Hände. Anschließend weiht Graubner durch Handauflegung und Gebet. Das versinnbildlicht die ungebrochene Verbindung der Bischöfe zu den Aposteln.

Auch alle anderen Bischöfe legen ihre Hände auf wie der Apostolische Nuntius in der Tschechischen Republik, Jude Thaddeus

Während des Weihegebets – dieses geht zurück bis auf die Traditio Apostolica, eine Kirchenordnung aus dem dritten Jahrhundert – halten zwei Diakone ein aufgeschlagenes Evangeliar über das Haupt des neu geweihten Bischofs.

gie und wurde zwei Jahre später promoviert. Ab 2016 studierte er Kunstgeschichte an der dortigen Philosophischen Fakultät. 2009 bis 2016 war er Generalvikar des Bistums Leitmeritz. Seit 2016 ist er Generalsekretär der Tschechischen Bischofskonferenz. 2019 schloß er sein Masterstudium in Finanzen und Management an der Fakultät für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Jan-EvangelistaPurkyně-Universität Aussig ab. Seit 2021 gehört er außerdem dem nationalen Vorbereitungsstab für die Weltsynode zur Synodalität an. Nun wurde er zum Bsichof geweiht.

Hauptzelebrant war Jan Graubner, Erzbischof von Prag, Metropolit, Primas von Böhmen und Präsident der Tschechischen Bischofskonferenz. Neben ihm wirkten Jan Baxant, emeritierter Bischof von Leitmeritz, und der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke OSB bei der Weihe mit. Konzelebranten waren Jude Thaddeus Okolo, Apostolischer Nuntius in der Tschechischen Republik, sowie böhmische, mährische und ausländische Bischöfe und Priester.

Die zweite Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an Timotheus trug Alexandr „Saša“ Vondra MdEP vor. Vor der Samtenen Revolution hatte er sich in Dissidentenkreisen engagiert und deshalb im Gefängnis gesessen. Danach war der ODS-Politiker Diplomat, vertrat den Kreis Leitmeritz im Senat, war Außenminister und Vizepremier. Seit 2019 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments.

Der im Bistum Leitmeritz geborene Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hielt die Festpredigt, die er auf Tschechisch begann und die folgendermaßen endete: „Viel hat sich seit der Samtenen Revolution in Tschechien geändert. Ich erinnere mich noch gut an meinen Besuch im Priesterseminar von Leitmeritz in den ersten Jännertagen 1990. Vojtěch Cikrle war noch Regens. Es war eine wunderbare Aufbruchstimmung seit der Heiligsprechung der Agnes von Böhmen in Rom am 12. November 1989. Ich durfte sie miterleben.

Was ist aus dieser Stimmung 34 Jahre später geblieben, geworden? Wie sieht die Zeit aus, in der Du, lieber Stanislav, jetzt Bischof wirst? Ich darf Dir etwas verraten: Wir schauen zur Zeit mit wachsendem Interesse auf die Kirche in Tschechien. In Wien speziell, aber in Österreich insgesamt und wohl im Westen Europas erleben wir eine rasante Säkularisierung mit allem, was dazu gehört. Ihr habt das durch Kommunismus und Wirtschaftsliberalismus fast schon hinter euch. Wir schauen in der letzten Zeit auf euch, um besser zu lernen, wie als Kirche in einer so säkularen Gesellschaft zu leben ist, auch mit viel bescheideneren finanziellen Mitteln. Papst Benedikt XVI. wies schon 2009 darauf hin, daß wir von Tschechien lernen können, wie sich in dieser säkularen Gesellschaft Christsein heute gestalten kann. Ein Wort der kleinen Heiligen Thérèse von Lisieux möge überleiten zum nun beginnenden Akt der Bischofsweihe. In einem ihrer Gedichte steht der Satz: ,Pour t‘aimer, je n‘ai que aujourd‘hui.‘/,Um dich, Jesus, zu lieben, habe ich nur heute.‘ Möge dieses Heute dich, lieber Bischof Stanislav, alle Tage deines Lebens begleiten, bis ins ewige HEUTE Gottes!“ Nach der Weihe feierte Stanislav Přibyl, der neue Bischof von Leitmeritz, mit Geistlichen und Laien aus mehreren Ländern die Heilige Eucharistie. Nadira Hurnaus

Okolo, Dominik Kardinal Duka oder Christoph Kardinal Schönborn. Graubner setzt Přibyl die Mitra auf, steckt ihm den Bischofsring an den Finger und überreicht ihm den Hirtenstab als Zeichen, daß der Bischof bestellt ist, die Kirche zu leiten. Bischof Gregor Maria Hanke von der Partnerdiözese Eichstätt gratuliert dem frisch geweihten Bischof. Graubner überreicht Přibyl das Evangeliar … … und salbt ihn.
❯ Diözese Leitmeritz
REICHENBERGER ZEITUNG Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 13 Bischof Hanke spricht das Erste Hochgebet auf Deutsch. Rechts: Bischof Přibyl feiert Eucharistie.

Dux Ossegg

für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau

Bilin Teplitz-Schönau

Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt

Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin –Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. Heimatkreis Dux –Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail erhard. spacek@gmx.de Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

Kürzlich bat Karl Schmotz (➞ Kasten), langjähriger Kreisarchäologe des niederbayerischen Landkreises Deggendorf, Jutta Benešová, ob sie etwas über die Geschichte des Biliner Heimatmuseums schreiben könne. Die Bitte kam von einem Archäologen, der im Rahmen seiner Tätigkeit enge Verbindungen zur Tschechischen Republik hatte. Ein Museum in Bilin? Nachdem Benešová festgestellt hatte, daß es in Bilin kein Museum gibt, wurde sie neugierig. Und sie denkt, daß das Schicksal dieses einst reichen Museums die Heimatruf-Leser Leser interessieren könnte. Sie berichtet.

Die Geschichte der Museen in Bilin hat nicht nur zwei historische, sondern auch thematische Linien. Die Schloß-Linie beginnt, als Joseph Franz Maximilian Fürst von Lobkowicz (1772–1816) den sehr prominenten Arzt und Naturforscher Franz Ambrosius Reuß (1761–1830) engagierte. Im Jahr 1785 zog dieser nach Bilin und wurde dort herrschaftlicher Brunnenarzt. Gleichzeitig fungierte er als Direktor der Unternehmensbetriebe des Fürsten Lobkowicz.

Reuß verwaltete den Biliner Sauerbrunn, das Saidschitzer Bitterwasser, den Granatbergbau

❯ Die Geschichte des verschwundenen Biliner Museums – Teil I

Die Schloß-Linie

bei Meronitz, die Kohlengruben und den Erzbergbau in Zinnwald sowie eine Reihe von Ziegel-, Kalkstein- und kleinen Steinbrüchen. Während dieser Tätigkeit fielen den Mitarbeitern oft inter-

schnell. Bald gab es, entsprechend der Menge der gewonnenen Funde, eine regelmäßige Sammlung von Mineralien und Fossilien aus dem umliegenden Mineralbergbau. Die Sammlung

Karl Schmotz †

Karl Schmotz war nicht nur 33 Jahre lang Kreisarchäologe von Deggendorf.

Er war 1990 auch Mitbegründer der Archäologischen Arbeitsgemeinschaft Ostbayern/West- und Südböhmen – Archeologická pracovní skupina východní Bavorsko/ západní a jižní Čechy.

essante Steine und Fossilien auf, die an die Betriebskanzlei Bilin geschickt wurden. So wie das Interesse von Reuß und seine wichtigen Kontakte zunahmen, so wuchs auch die Sammlung von Naturobjekten

Die Seite des

wuchs auch durch einen regen Austausch mit vielen führenden Forschern in ganz Europa, mit denen Reuß als Wissenschaftler in Kontakt war.

In zwei kleineren Räumen des Schlosses war damals bereits ei-

… und die andere Seite für August Emanuel Reuß.

ne kleine Mineraliensammlung ausgestellt. Die Privatsammlung von Reuß wurde in der Direktion für Industrieunternehmen auf dem Gelände des Alten Schlosses in der jetzigen KomenskýStraße aufbewahrt. Nach dem Tod von Josef Franz Maximilian Lobkowicz im Jahre 1816 wurde Ferdinand Joseph Fürst von Lobkowicz Eigentümer der Herrschaft Bilin, der ein großes Interesse an Naturwissenschaften und insbesondere Mineralogie hatte. Im Jahr 1821 verkaufte Franz Ambrosius Reuß seine gesamte Mineralien- und Fossiliensammlung, darunter eine umfangreiche Bibliothek, für die stattliche Summe von 10 000 Gulden an den Schloßherrn. Es kam zu einer Vereinigung mit einer kleineren Sammlung von Naturprodukten auf Schloß Eisenberg, und so entstand die größte geologische Sammlung der Habsburger Monarchie, die in mehreren Sälen des Biliner Schlosses ausgestellt war.

Reuß verwaltete die Sammlung bis zu seinem Lebensen-

de. Durch die Ausstellung führte er damals persönlich bedeutende Naturforscher, zum Beispiel Alexander von Humboldt. Auch andere berühmte Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe besuchten ihn oder kurten in Teplitz oder Bilin. Nach Reußens Tod im Jahr 1830 war Josef Rubesch bis 1869 Direktor des Mineralogischen Kabinetts. Dazu gab er auch eine detaillierte Beschreibung heraus.

liner Museums. Sein Schicksal in Ungarn sei noch kurz beschrieben.

Einen schweren Schlag erlitten die Sammlungen während des revolutionären antikommunistischen und antisowjetischen Aufstands von 1956, als das Gebäude des Nationalmuseums in Budapest bei Straßenkämpfen in

Die Sammlung umfaßte 30 000 Inventargegenstände und wurde jährlich von mehreren hundert Interessenten im Schloß besichtigt. Die Sammlungen beeinflußten auch Reußens Sohn August Emanuel, der Mediziner, Geologe und Paläontologe war und in die Fußstapfen seines Vaters trat.

2007 wurde diese um Oberösterreich erweitert und schloß eine große geographische und kulturhistorische Lücke zwischen Niederbayern und Südböhmen. Von Beginn an bis zu seinem unerwarteten Tod am 25. Februar mit 75 Jahren organisierte er die jährliche archäologische Veranstaltung auf bayerischer Seite. ■

Schirmherr der geologischen Sammlungen in Bilin war Ferdinand Joseph Fürst von Lobkowicz. Er starb 1868, und seine in Südtirol lebende Tochter Leopoldina wurde Erbin der Sammlungen. Am 9. März 1870 verkaufte ihr Gemahl, Anton Maria Graf von Bossi-Fedrigotti die gesamte Lobkowicz‘sche Sammlung für 35 000 Gulden an das Ungarische Nationalmuseum in Budapest.

Laut Liste umfaßte diese bedeutende Sammlung 41 217 Mineralien, Gesteine und Fossilien. Die Sammlung wurde drei Monate lang verpackt, wog 30 Tonnen, und für den Transport wurden elf Eisenbahnwaggons bestellt. In Budapest wurde der größte Teil im Nationalmuseum aufbewahrt, ein Teil wurde an eine Reihe anderer Museen und verschiedene Schulen verteilt. In den nächsten hundert Jahren diente die naturhistorische Sammlung trotz aller Kriege zur Freude der Ungarn als Studienmaterial für die ungarischen Wissenschaftler.

Damit endete die sogenannte Schloß-Linie des Bi-

Brand geriet. Ein Teil der Sammlungen verbrannte, darunter auch die Fossilien aus der Lobkowicz-Sammlung. Der Brand beschädigte unwiederbringlich die Sammlung versteinerter Tiere, insbesondere tertiärer Tiere aus Kutschlin, Schichhof, Kostenblatt und Fundstellen mesozoischer Meeresschichten in der Umgebung von Bilin. Die Mineralien- und Gesteinssammlung blieb unbeschädigt und befindet sich noch heute in den Sammlungen des Ungarischen Nationalmuseums. Auch die umfangreiche Sammlung versteinerter Pflanzen blieb unversehrt, da sie außerhalb von Budapest gelagert worden war. Die paläontologische Sammlung wurde von dem führenden Paläobotaniker Professor Zlato Kvaček (1937–2020) bearbeitet und als wissenschaftliche Publikation 2001 neu herausgegeben. Damit bleibt die Sammlung zumindest in dieser Form hier zugänglich. Fortsetzung folgt

Ladowitz Klostergrab Graupen Niklasberg
14 Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024
Schloß und Marktplatz 1912. Schloß und Rathaus 2012.
Donnerstag, 29. August bis Sonntag, 1. September: 10. Teplitz-Schönauer Heimattreffen. Einladungen und Programm werden rechtzeitig verschickt. Auskunft: Erhard Spacek, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail spacek@teplitz-schoenaufreunde.org TERMINE
beherbergt das Ungarische Nationalmuseum in Budapest die Reuß-Sammlung aus Bilin.
Heute
Reußdenkmals in Bad Sauerbrunn für Franz Ambrosius …

FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ

Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischof teinitz, Rai eisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

Von einer gelungenen Premiere sprach Kristýna Pinkrová bei der Eröffnung der Fotoausstellung „Grenzen bewegen“ des gebürtigen Furthers Herbert Pöhnl in Taus.

Erstmals würde hier, so Kristýna Pinkrová, der Verein Chodsko Žije!/Das Chodenland lebt!, in dem das grenzüberschreitende zweisprachige Projekt „Hindle“ beheimatet sei, mit dem Kunst- und Kulturverein Freiraum aus Furth im Wald zusammenarbeiten. Das Ergebnis sei die Präsentation dieser Fotoausstellung in den Räumen des Hindle-Zentrums am Tauser Stadtplatz.

Erfreulich viele Besucher waren gekommen, unter ihnen Freiraum-Vorsitzender Alfred Bruckner, Kulturreferent Heinz Winkl-

Mit Bildern Grenzen bewegen

müller, Katharina Drescher-Seidl vom Kulturamt der Stadt Furth im Wald und Ludmila Mathauserová vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Hindle-Projektleiterin Pinkrová wies darauf hin, daß die Ausstellung versuche, die Menschen von beiden Seiten der Grenze in Verbindung zu bringen.

Der Fotograf und Autor Herbert Pöhnl dankte Pinkrová für die Möglichkeit, in Taus ausstellen zu dürfen. Er bemerkte, daß sich die Ausstellung der Grenzbegegnung widme, und stellte danach einige Besucher vor,

die sich ebenfalls für Begegnungen über die Grenze hinweg einsetzten. Unter den Besuchern habe er auch neue Leute kennengelernt, die viel grenzüberschreitend unterwegs seien wie Vaclav Cordier. „Vaclav Cordier hat eine interessante Biographie und wird mir nun nicht mehr auskommen“. Auch die Pläne von Felix Bruckner fand Herbert Pöhnl sehr interessant.

Erfreut zeigte er sich auch über den Besuch von Marta Klimmer aus Kollnburg im niederbayerischen Kreis Regen, die mit Veronika Němcová ein deutsch-tschechischbayerisches Wörterbuch verfaßt hatte. Einen besonders herzlichen Dank richtete er an seine Frau Gisela, die seit zehn Jahren dieses Projekt unterstützt.

Hindle

Hindle bedeutet im chodischen Dialekt der Ort zwischen hier und dort. Hindle ist die Region zwischen Pilsen und Regensburg, in der es nicht darauf ankommt, welche Sprache man spricht, sondern daß man sich versteht. Trotz der schwierigen Vergangenheit gibt es viel mehr, was uns eint, als was uns trennt. Hindle ist ein Ort, an dem es keine Grenzen geben muß, wenn wir das wollen und etwas dafür tun.

Er habe, so Pöhnl, in den vergangenen zehn Jahren rund 1500 Personen von beiden Seiten der Gren-

ze portraitiert. Als Schlüssel zu den Menschen auf beiden Seiten der Grenze habe er die Bürgermeister kennengelernt, wofür er danke. Erstaunlich sei, „wie wir heute Grenzen bewegen“. „Laßt uns weiter die Grenzen bearbeiten, bis wir die Grenzen gar nicht mehr merken“, schloß er. Anschließend wurde ein Video über die Arbeit von Herbert Pöhnl vorgeführt. Dabei wurde deutlich, daß Pöhnl nicht verbissen an seinen Fotos arbeitet, sondern daß dabei auch der Humor nicht zu kurz kommt.

Karl Reitmeier

Herbert Pöhnl: „Grenzen bewegen“ bis 20. Mai im Hindle-Zentrum, Náměstí Míru 122, Taus, Sonntag und Montag 13.00 bis 18.00 Uhr.

Die Pfarrei Muttersdorf ist mittlerweile zu einsam für einen Pfarrer.

Im Jahr 1352 wurde erstmals eine Pfarrei in Muttersdorf erwähnt. Zu dieser Zeit gehörte außer Muttersdorf noch Wasserau zur Pfarrei. 1360 und 1364 präsentierte Protiwetz von Muttersdorf einen Pfarrer für die Gemeinde. Bereits 1384 bestand eine Pfarrkirche. 1972 wurden bei einer Renovierung ein zugemauertes gotisches Fenster und Fresken entdeckt.

Aus diesen Funden kann man schließen, daß an dieser Stelle in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine gotische Kirche stand. Die Jahreszahl 1440 befindet sich auf einer Turmglocke neben dem Wappen der Wiedersperger.

1433 präsentierte Pawlik von Bělowic einen Pfarrer für Muttersdorf und stiftete die Glokken von 1434 und 1440.

Von 1517 bis 1555 war Muttersdorf von der Reformation betroffen. In dieser Zeit war Heinrich von Wiedersperg Herr von Muttersdorf. 1573 wurde die Kirche in Muttersdorf von pfälzischen Räubern geplündert. Daraufhin baten die Muttersdorfer Katholiken den Erzbischof von Prag um eine Spende zur Behebung des angerichteten Schadens. 1614 stiftete Heinrich von Wiedersperg der Muttersdorfer Kirche eine große Glocke mit dem Wappen der Wiedersperger.

Im 16. und 17. Jahrhundert dehnte sich die Pfarrei Muttersdorf jeweils auf weitere fünf Ort-

schaften aus. 1644 wurde der Friedhof Sankt Sebastian angelegt. In seiner Mitte stand die alte Sankt-Sebastian-Kirche.

Im 18. Jahrhundert umfaßte die Pfarrei Muttersdorf 14 der umliegenden Ortschaften. 1707

ger wurde in der Mitte der Kirche angelegt. 1736 bekam die Pfarrei eine Kaplanstelle. 1759 spendete der Gutsherr eine große zinnerne Ampel, verziert mit dem Wiedersperger Wappen. Diese wurde als ewiges Licht genutzt.

dorf 38 Pfarrer und 53 Kapläne.

wurde die Kirche Sankt Bartholomäus im romanischen Stil erbaut. Sie erhielt einen 32 Meter hohen Kirchturm mit sechs bronzenen Glocken und ein kunstvoll gegossenes Taufbecken aus Zinn. Die Gruft der Wiedersper-

Nachdem der alte Pfarrhof beim großen Brand 1877 den Flammen zum Opfer gefallen war, wurde er 1878 neu aufgebaut. Die Pfarrei hatte drei katholische Friedhöfe. Von 1359 bis 1945 wirkten in Mutters-

Zur Pfarrei Muttersdorf gehörten: Muttersdorf, Schwanenbrückl, Rindl, Althütten, Wasserau, Groß Gorschin, Klein Gorschin, Pfaffenberg, Putzbühl, Altgramatin seit 1784, gehörte vorher zu Hostau, Horouschen, gehörte seit 1784 zur Pfarrei Hostau.

Bis 1784 gehörte Waier mit Oberhütten, Unterhütten, Friedrichshof, Bernstein, Böhmisch

Schwarzach, Neid, Neuhütten und Schnaggenmühl zur Pfarrei Muttersdorf. Seit 1784 bildete Waier mit diesen Orten eine eigene Pfarrei. Zur Gemeinde Rindl gehörte die Gemeinde Jungrindl, die aber nach Stockau eingepfarrt war.

Das sehr alte Sebastianskirchlein wurde 1813 vom russischen Militär als Quartier benutzt. Alles Holzwerk im Kirchlein wurde zur Feuerung verwendet. Das Kirchlein verfiel in der Folge.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Muttersdorf und Umgebung die deutsche Bevölkerung, die weitgehend Träger der katholischen Religiosität gewesen war, vertrieben. Die Einwohnerzahl von Muttersdorf sank dadurch plötzlich von 1200 auf 200 Einwohner. Die wenigen verbliebenen und neuangesiedelten Tschechen hatten nur sehr wenig Interesse an Religion.

Die Tschechen gehören zu den atheistischsten und religionslosesten Menschen in Europa. Im Jahr 2010 war in der Tschechischen Republik mit 16 Prozent der Anteil der Menschen, die an einen Gott glauben, am niedrigsten von allen EU-Staaten.

Im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert herrschten ein allgemeiner Gläubigenschwund und Priestermangel. Dies führte zu einer Zusammenlegung vieler kleiner Kirchengemeinden zu immer größeren Gebilden.

Im Jahr 2020 gehörte Muttersdorf zur Pfarrgemeinde Ronsperg. Zu dieser Pfarrei gehörten

2020: Trohatin, Berg, Metzling, Hoslau, Münchsdorf, Muttersdorf, Neugramatin, Wottawa, Wilkenau, Ronsperg und Weier. Dagegen gehörte das benachbarte Hostau zur Pfarrgemeinde Bischofteinitz. Zur Pfarrei Bischofteinitz gehörten 2020 Weißensulz, Bischofteinitz, Hostau, Meßhals, Mirschigkau, Pfraumberg, Hochsemlowitz, Sirb, Zemschen, Großmallowa und Wiedlitz.

Selbst diese riesigen Pfarrgemeinden hatten keine eigenen Priester, sondern wurden durch Beauftragte des Vikariats Taus sporadisch versorgt. Diese Beauftragten lebten nicht in ihrer Pfarrgemeinde, so wie das in früheren Zeiten für den Gemeindepfarrer üblich war, sondern sie wohnten in Taus und kamen nur bei Bedarf in die Pfarrgemeinde. Als Ursache dieser Praxis wurde angegeben, daß sich die Pfarrer in ihrer Pfarrei zu allein und einsam fühlen würden. So die Antwort des Pilsener Bischofs Tomáš Holub am 9. Juli 2019 auf die Frage des Tauser Tageszeitung „Domažlický deník“, ob ein Pfarrer gefunden werden soll, der in Ronsperg seinen Beruf ausübt: „Nein. Weil sich die Gemeinde Ronsperg als eine Gemeinde erwies, die für einen Priester, der dort allein in der Pfarrei lebt, unter den gegenwärtigen Bedingungen und der Anzahl der Gläubigen, nicht lebenswert ist. Wir dürfen auch die Einsamkeit nicht vergessen, die ihn dort später erwartet. Daher habe ich im nächsten Schritt beschlossen, daß die Gemeinde Ronsperg direkt von Taus aus verwaltet wird.“

❯ Muttersdorf Die wechselvolle Geschichte einer Pfarrei Blick in die Muttersdorfer Bartholomäuskirche vor zehn Jahren
❯ Taus
Heinz Winklmüller, Katharina Drescher-Seidl, Vladana Kubisková, Ludmila Mathauserová, Kristýna Pinkrová, Herbert Pöhnl, Vaclav Cordier, Herbert Mückl, Richard Unverdorben und Alfred Bruckner. Bild: Karl Reitmeier
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otter ng, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de,
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HEIMATBOTE Bischofteinitz Ronsperg Hostau

Heimatbote

für den Kreis Ta<au

Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

Oben rechts: In den Jahrzehnten nach der Vertreibung setzte die rauhe Witterung dem Kirchenbau immer mehr zu. Der Außenputz löste sich teilweise vom Mauerwerk, so daß die alten gotischen Fenster zum Vorschein kamen, die im Rahmen der barocken Umgestaltung zugemauert worden waren. Die großen Fenster wurden um 1750 in die Wand geschlagen. An der Stirnseite des einfachen Kirchenbaus kam hinter dem Hochaltar ein schmales romanisches Fenster zum Vorschein (Mitte). Das beweist, daß die Speierlinger Kirche (rechts) in der Zeit der Romanik zwischen 1000 und 1200 erbaut worden ist. Die Bilder dokumentieren den Zustand um 1985. Bilder: Wolf-Dieter Hamperl

Franz Heller, der langjährige Ortsbetreuer von Speierling, hat im Jahr 2001 anläßlich der Renovierung der Kirche Sankt Peter und Paul in seinem Heimatort eine schöne Broschüre herausgegeben. An den Beginn der Dokumentation der Renovierungsmaßnahmen stellte er folgende Erzählung.

Träume geben oft Anregung für wundersame Geschichten. Sie deuten nicht immer die Wirklichkeit des Geschehens, erreichen aber in ihrer Phantasie mögliche Annäherungen an das gelebte Leben.

So war es wohl in Speierling, einem kleinen Dorf in Westböhmen, weit ab von dem pulsierenden Leben im ehemaligen Egerland. Das Dorfleben wurde geprägt von der Landwirtschaft, dem Löwensteinschen Meierhof, der für viele kleine „Haislleute“ der Hauptarbeitgeber war. Die Bewohner waren meist auch Handwerker, vorwiegend Maurer und Zimmerleute, die in der Saison in das angrenzende Deutschland fuhren, um dort zu arbeiten, und somit ihren Lebensunterhalt verdienten.

Eine einklassige Volksschule, die schon 1838 als Gemeindeprivatschule errichtet worden war, brachte der heranwachsenden Jugend Lesen und Schreiben bei. Die fast 800jährige romanische Kirche mit einem ebenso alten Friedhof steht im Osten des Dorfplatzes auf einem Hügel. Im Laufe der Jahrhunderte gab es im kirchlichen Leben viel auf und ab, das Gotteshaus war sogar nach den Hussitenkriegen und dem Dreißigjährigen Krieg über mehr als 100 Jahre lang dem Verfall ausgesetzt gewesen. 1749/50 entriß der Stadtpfarrer von Haid, Joseph Schmidt, die Kirche dem Verfall, baute sie wieder auf und renovierte sie. 200 Jahre später, nach der Vertreibung der Sudetendeutschen, war sie erneut dem Ruin ausgesetzt. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts ergriff Vikar Vladimír Born aus Haid wieder die Initiative, und unter Mithilfe der ehemaligen Speierlinger Bewohner sanierte er die Bausubstanz und renovierte die Kirche. Der heutige Zustand, so Gott will, wird wohl die Kirche die nächsten 200 Jahre überleben lassen. Und da beginnt der Traum, der Wirklichkeit wurde.

� Erzählung von Franz Heller – Teil I

Die Speierlinger im Himmel

Die Toten, die auf dem Friedhof von Speierling ihre letzte Ruhe gefunden hatten, kamen sich verlassen vor, als ihre Kinder und Enkel und all die Verwandten aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Kein Leben in der Kirche und um sie herum. Die Häuser verfallen, nur wenige Tschechen wohnen im Ort. Die alten Speierlinger, die weit ab von ihrer Heimat in der Fremde gestorben waren und dort ihre letzte Ruhe gefunden hatten, fanden sich in der ewigen Heimat wieder im Himmel und beklagen diese Entwicklung. Fast alle fanden sich dort wieder, denn sie waren anständige und biedere Menschen gewesen und hatten wegen der vielen Arbeit keine Zeit in ihrem irdischen Leben, Unredliches zu tun und auf dumme Gedanken zu kommen. Nun sahen sie den Verfall ihres Dorfes, in dem sie zur Welt gekommen waren, und den Verfall ihrer uralten Kirche, in der sie, wenn es schwierige Zeiten zu überstehen gegegeben hatte, immer Trost und Zuspruch gefunden hatten. Sie wollten helfen und konnten nicht. Ab und zu fanden sie den Weg dorthin. Es war kalt und frostig. Der Putz fiel von den Mauern. Der Wind strich durch die kaputten Fenster, und durch das undichte Dach drang Feuchtigkeit in die Mau-

ern. Im Himmel, wo sie jetzt eingebunden waren, war es heimelig und warm, keine Last lag mehr auf ihren Schultern. Sie fügten sich in ihr Schicksal, und ihr Hauptaugenmerk galt ihren Kindern und Verwandten, die sie, so Gott will, auch einmal im Himmel erwarteten.

Die ehemaligen Speierlinger im Himmel betreute der Haislseff, der frühere Mesner. Er war, obwohl ein fleißiger Streiter im Glauben und Organisator von Wallfahrten nach Pleystein und

nach Sankt Anna bei Tirna, schon 1937 im 64. Lebensjahr abberufen worden.

Der Paffareas kam 1946 und erzählte, was in Speierling Schlimmes geschah. Der Haislseff, dem dies alles erspart geblieben war, sprach sofort bei Petrus vor und drängte ihn, etwas dagegen zu unternehmen. Aber der winkte ab und versuchte ihm zu erklären, daß die Dämonen mit ihrer atheistischen Weltanschauung versuchten, die Welt neu zu ordnen. Durch Kriege und Ver-

treibung der Menschen aus ihrer Heimat würden sie viel Unheil anrichten. Sein Vater, der Alte Pfaff, kam 1951 zu ihnen und erzählte noch Schlimmeres. 1952 kam der alte Büallat und wußte von den besseren Zeiten in Speierling zu berichten. Von großen Hochzeiten, die meistens zu Hause abgehalten worden seien, von schönen Festen und vom Fastnachtstreiben im Dorf. Dem Haislseff‘n seine Frau war seine Schwester, und die Verwandtschaft beflügelte seine Berichterstattung. Es war schön, mit jemandem zu reden, der die besseren Zeiten miterleben durfte. Dabei vergaß er die Grausamkeiten, die der Krieg und seine Folgen über seine Familie gebracht hatten. Sein Sohn, der Seff, der 1963 aus dem irdischen Leben abberufen wurde, langjähriger Bürgermeister von Speierling gewesen war und sich für die Gemeinde verantwortlich fühlte, berichtete von Speierlinger Familien, die im hessischen Okarben ihr neues Zuhause gefunden hätten. Für viele Ältere war der Abstieg von der Selbständigkeit in ein Abhängigkeitsverhältnis, um das tägliche Brot für die Familie zu beschaffen, mit großen Demütigungen verbunden. Diese Sorgen und Entbehrungen nagten an ihrer Gesundheit.

Der Nopfnwenzel, der schon zu Weihnachten 1940 seine Frau plötzlich verloren hatte, 1944 seinen Sohn in Rußland hatte lassen und nach der Vertreibung schlimme, fast unmenschliche Dinge in der ihm zugewiesenen neuen Heimat hatte erleben müsssen, wurde 1956 aus dem irdischen Leben abberufen. Er gesellte sich zu den Speierlinger Familien und fand Ruhe und Frieden.

Von Jahr zu Jahr wurden es mehr. 1962 kamen der Annerlreas und seine ehemalige Nachbarin, die Schütznmutter, beide viel zu früh aus dem Leben gerissen. 1964 stieß der Lutznbauer dazu, der ebenfalls mit seiner Familie Schlimmes zu ertragen gehabt hatte. Er war in das Landesinnere verschleppt worden und mußte über längere Zeit Zwangsarbeit leisten. Er ist davon krank und nur 64 Jahre alt geworden.

Auch der Gouterlwenzel mußte als Vertriebener in Bayern nach dem Verlust seines Hofes und seiner Habschaften nur noch zehn Jahre im irdischen Leben ertragen. 1956 wurde er abberufen, seine Frau Kathl acht Jahre später. Im großen, unendlich weiten Himmelreich wurde das Häuflein der Speierlinger immer größer, und es gesellten sich auch Frauen dazu, die die kleine Gemeinschaft belebten. Im irdischen Bereich scharten sich die ehemaligen Speierlinger, die fast alle in die Bundesrepublik aufgenommen worden waren, um den Guaslseffen. Der versuchte, die Geschehnisse um Speierling zusammenzutragen und die ehemaligen Gemeindebürger zu registrieren, um ihre neuen Anschriften zu erfahren. Hier halfen alle zusammen, um das Umfeld der Einzelnen zu erforschen. Nach seinem Tode im Jahre 1978 übernahm diese Aufgabe der Faoltatone und fungierte dann als Ortsbetreuer von Speierling. Beide waren aufgrund ihres hohen Alters unbeweglich geworden und konnten die Tagungen des Heimatkreises nicht mehr besuchen.

Diese Aufgaben übernahm dann ab dem Jahre 1990 sein Sohn Franz. Der war zu diesem Zeitpunkt in den Ruhestand versetzt worden. Nun hatte er Zeit und versuchte, die ehemaligen Speierlinger näher zusammenzuführen. Fortsetzung folgt

Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 16
Das Foto dürfte im Winter 1940 gemacht worden sein. Bild: Franz Heller
Die alte Speierlinger Kirche mit der Friedhofsmauer und den mächtigen Linden seitlich der Aufgangstreppe. Rechts von der Kirche der Friedhof.

Heimatkundliches Mitteilungsblatt für die Vertriebenen aus dem Isergebirge/Organ des Gablonzer Heimatkreises e.V. Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Ho mann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail isergebirge@sudeten.de

❯ Rudolf Burkert aus Polaun

Der lange Oswald

In Folge 7 der IsergebirgsRundschau wurde über den Skifahrer und Olympioniken Rudolf Burkert berichtet. Im Skiclub Windsbraut gab es einen zweiten, ebenfalls bedeutenden Wintersportler, es war Oswald Bartel, geboren 1888.

Der „lange Oswald“, so war sein Rufname, ist auch verbunden mit der tragischen Geschichte des tschechischen Skisports. Am 24. März 1913 war auf dem Riesengebirgskamm ein 50-Kilometer-Langlauf angesagt, die Meisterschaft der Böhmischen Krone. Für die tschechischen Spitzensportler Bohumil Hanč, Emerich Rath, Karel Jarolimek und andere war Bartel der größte Konkurrent von der deutschen Seite.

In einem unerwartet starken Schneesturm kamen Hanč und sein Helfer Vrbata in der Nähe der Elbfallbaude ums Leben. Das tragische Ereignis wurde nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Titel „Söhne der Berge“ (Synové hor) verfilmt.

Es gibt auch ein gleichlautendes Buch.

❯ Tag der Muttersprache im Sudetendeutschen Haus

Paurisch in Museum und Saal

Anläßlich des Tags der Muttersprache war im Sudetendeutschen Haus und im Museum Paurisch zu hören. Am Nachmittag stellte Leo Schön einen Gegenstand aus der Dauerausstellung des Sudetendeutschen Mu-

seums auf Paurisch-Braunsch vor (➝ SdZ 9/2024), wobei ihm Mauke-Fans interessiert folgten. Am Abend erfreute Die Band mit Musik und Kabarett ein begeistertes Publikum mit ihrem Programm „Ohne Untertitel“.

■ Schumburg-Gistei, Unterschwarzbrunn. Am 8. April gratuliert die Ortsgemeinschaft Selma Reckziegel/Reckziegel zum 84. Geburtstag in KaufbeurenNeugablonz. Hans Theileis Ortsbetreuer

■ Labau-Pintschei. Die Ortsgemeinschaft gratuliert zum Geburtstag im April:

zum 94. am 5. Heinz Heidrich in Bad Reichenhall; zum 92. am 7. Cäcilia Piwernetz/Baumann in Linsengericht; zum 91. am 15. Marga Strinzel/Könnecke in Sargstedt; zum 89. am 2. Ewald Bernt in Weidenberg; zum 86. am 4. Hans Lau in Smrzovka; zum 85. am 9. Christa Schulz/ Dubsky in Möglingen; zum 84. am 29. Rudolf Kretschmer in Mosbach; zum 81. am 11. Klemens Posselt in Kaufbeuren-Neugablonz; zum 79. am 23. Hertwig Simm in Kaufbeuren-Neugablonz; zum 77. am 23. Christiane Delese in Texarkana/Arkansas (USA); zum 76. am 13. Hans-Peter Bernt in Ebenhofen; zum 74. am 22. Helmut Fabian-Krause in Kaufbeuren;

Oswald Bartel, in die DDR vertrieben, war zufällig zu Besuch bei seiner Tochter in Unter Polaun, als in Dessendorf der erwähnte Film im Kino aufgeführt wurde. Bartel, der Großvater meiner Frau, wurde als Ehrengast eingeladen und bekam das Buch überreicht. Das von den Filmschauspielern signierte Buch ist jetzt in unserem Besitz. Oswald Bartel war in den Jahren 1922/23 besonders erfolgreich. Am 20. Jänner 1923 siegte er in einem gesamtdeutschen 12-Kilometer-Rennen im Erzgebirge. Am 8. Februar gewann er in Harrachsdorf ein 50 Kilometer langes Kongreßrennen, in dem es Teilnehmer aus acht Ländern gab. Fünf Wochen später wurde er zweiter in einem 50 Kilometer langen reichsdeutschen Rennen in Schreiberhau. In der mitteleuropäischen Meisterschaft in Johannesberg wurde der 37jährige in seiner Altersgruppe achter, unter 140 Teilnehmern. Herbert Fischer

TERMINE

■ Freitag, 15. März, 15.00 Uhr, Isergebirgs-Museum: „Ich bin ein Geschichtenerzähler“. Lesung aus der gleichnamigen Publikation von Otfried Preußler, die einen Einblick in Leben und Werk, persönliche Überzeugungen und Weltanschauung gibt. Kosten: 2,00 Euro. Anmeldung telefonisch über (0 83 41) 96 50 18 oder per eMail verwaltung@ isergebirgs-museum.de

■ Samstag, 16. März, 10.00 Uhr, Isergebirgs-Museum: „Der kleine Wassermann“. Kindgerechte Lesung mit anschließendem Kreativangebot. Materialkosten: 3,00 Euro. Anmeldung telefonisch unter (0 83 41) 96 50 18 oder per eMail verwaltung@ isergebirgs-museum.de

■ Mittwoch, 3. April, 10.00 Uhr, Isergebirgs-Museum: „Der Räuber Hotzenplotz“. Kindgerechte Lesung mit anschließen-

WIR GRATULIEREN

zum 64. am 30. Thomas Theileis in Kaufbeuren-Neugablonz; zum 50. am 18. Cornelia Pinkert in Bonn. Hans Theileis Ortsbetreuer

■ Dalleschitz. Am 10. April gratulieren wir Hannelore Pavlata/Kovar zum 82. Geburtstag in Pforzheim. Hans Theileis Ortsbetreuer

■ Polaun. Wir gratulieren allen Heimatfreunden, die im April Geburtstag feiern können, und wünschen ihnen ein gesundes neues Lebensjahr. Hans Pfeifer Ortsbetreuer

■ Albrechtsdorf. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 79. am 9. Helmut Bartel; zum 84. am 11. Gerlinde Trostl/Ullmann.

■ Antoniwald. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 82. am 8. Susi Krüger/ Bergmann in Neugablonz; zum 80. am 29. Herbert Krompholz in Oberursel.

■ Karlsberg. Am 19. April gratulieren wir Anneliese Ranzinger/Dressler zum 91. Geburtstag in Steinholz.

■ Friedrichswald. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 86. am 28. Horst Blaschke; zum 85. am 11. Erna Gärtner/ Jäger in Teublitz.

■ Gablonz. Zum 95. Geburtstag am 24. Februar gratulieren wir nachträglich Anita Kaiser/ Prade in Lindau am Bodensee auf das Herzlichste und wünschen ihr von Herzen alles Gute.

Im April gratulieren wir zum 99. am 21. Margit Rössler (Seidenschwanzer Straße 4) in Neugablonz; 88. am 14. Dr. Horst Zappe (Bartelberg) in Weidenberg; 85. am 9. Wolfgang Weyer in Steyr (Österreich).

■ Gränzendorf. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 85. am 4. Edeltraud Popp/ Klamt in Teneriffa; zum 84. am 27. Sieglinde Klamt in Kaufbeuren.

■ Grünwald. Am 12. April gratulieren wir Ursula Cimander/Porsche zum 81. Geburtstag.

■ Johannesberg. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 90. am 29. Herta Krause/ Schöler;

dem Kreativangebot. Materialkosten: 3,00 Euro. Anmeldung telefonisch unter (0 83 41) 96 50 18 oder per eMail verwaltung@ isergebirgs-museum.de

■ Samstag, 6. April, 15.00 Uhr, Isergebirgs-Museum: „Reikuckn. Paurischer Mundartnachmittag“ mit Thomas Schönhoff. Isergebirgs-Museum, Kleine Galerie, Bürgerplatz 1 (Gablonzer Haus), Kaufbeuren-Neugablonz. Anmeldung telefonisch unter (0 83 41) 96 50 18 oder per eMail verwaltung@ isergebirgs-museum.de

■ Samstag, 20. April, 12.00 Uhr, Isergebirgs-Museum: „Reikuckn. Paurische Mundart rund um die Gablonzer Küche“ von Thomas Schönhoff. Anmeldung telefonisch unter (0 83 41) 96 50 18 oder per eMail verwaltung@ isergebirgs-museum.de

zum 88. am 30. Magda Rössler/ Jäger in Neugablonz; zum 87. am 1. Brigitte Hesche/ Posselt; zum 81. am 19. Manfred Schier.

■ Kukan. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 86. am 22. Gudrun Kreutzberg/Filip; zum 79. am 23. Hertwig Simm in Neugablonz; zum 78. am 27. Dieter Kittel.

■ Morchenstern. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 86. am 4. Hans Lau, zuhause in Morchenstern; zum 85. am 17. Elfriede Ausmus/Scheibler.

■ Seidenschwanz. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 88. am 13. Gertrud Kittel/ Preissler; zum 88. am 14. Brigitte Schmidt/Zinke.

■ Maxdorf. Im April gratulieren wir zum Geburtstag: zum 89. am 5. Hilde Mayer/ Bönsch in Mauerstetten; zum 68. am 21. Gerhard Mitlehner in Linsengericht.

Thomas Schönhoff Ortsbetreuer

Bilder: David Heydenreich (1), Kathrin Ho mann (2)

WIR BETRAUERN

■ Seidenschwanz. Im Dezember 2023 starb zu Hause in Seidenschwanz Heinz Zinke im Alter von 93 Jahren. Als Spätaussiedler kam er 1965 nach Biberach und zog nach dem Tod seiner Gattin Margit wieder zurück in die Heimat.

■ Friedrichswald. In Neugablonz starb im Januar Helmut Usler im Alter von 90 Jahren. Seine Mutter Edith war einige Jahre Ortsbetreuerin von Friedrichswald und sehr heimatverbunden.

■ Polaun. In Neugablonz starb Peter Bergmann (Judengaßl/Unter-Polaun) im Alter von 78 Jahren. Sein Vater Kurt bekleidete einige Jahre das Amt des Ortsbetreuers von Polaun.

■ Gablonz. In Prag verstarb im Januar Walter Hofirek aus Gablonz im Alter von 85 Jahren. Um ihn trauert seine Schwester Margit zu Hause in Gablonz, Waldzeile 48.

Nach langer Krankheit starb im Pflegeheim Neugablonz un-

sere liebe Heimatfreundin Giselheid Staffa/Lahmer aus der Glasschleiferstraße, im Alter von 93 Jahren. Wie ihre Mutter war sie Damenschneiderin von Beruf und aktives Mitglied des Mundartkreises Neugablonz. Ihrem Lebensgefährten Gunther Brosche herzliches Beileid.

Am 4. Februar verstarb Brigitte Müller/Ullrich nach schwerer Krankheit im Alter von 89 Jahren. Ihrem trauernden Gatten Heinz mit Familie in Kaufbeuren herzliche Anteilnahme. Das Ehepaar Müller arbeitete viele Jahre ehrenamtlich im Isergebirgs-Museum Neugablonz.

Am 17. Februar starb in Neugablonz Isolde Böhm/ Preissler (Tochter von Bruno und Laura Preissler) im 80. Lebensjahr. Um sie trauern ihre Kinder Norbert und Christina mit Familien. Thomas Schönhoff

■ Reichenau. In Kaufbeuren verstarb im 90. Lebensjahr Max Preissler (Sohn vom PreisslerFlejschr), betrauert von seinen Kindern und Enkeln.

❯ Neues Kochbuch mit Rezepten aus der Heimat Wahre

Schätze

Von einer Reise in die ehemalige Heimat, das Sudetenland, brachten die Schwiegereltern von Hans-Jürgen Salier in den 1970er Jahren ein handgeschriebenes Kochbuch mit. Es stammt von einer ehemaligen Mitbewohnerin in Reichenberg (heute Liberec).

Die Aufzeichnungen in Sütterlin-Schrift leisteten danach in der Familie gute Dienste, um das Erbe der nordböhmischen Küche weiterhin zu pflegen. Kurz vor seinem Tod transkribierte der Thüringer Autor und Verleger Hans-Jürgen Salier das Kochbuch von Betty Kubik, um es herauszugeben. Erweitert hat er das Manuskript um die Fluchtgeschichte seiner Schwiegereltern von Böhmen nach Thüringen. Am 11. März erschien das Buch im Verlag Tschirner & Kosova, Leipzig. In der nächsten Ausga-

be werden wir das Buch genauer vorstellen.

17 Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024
Hans-Jürgen Salier: „Wahre Schätze aus der Nordböhmischen Küche. Rezepte & Geschichten“, 184 Seiten, Hardcover mit Leinenbezug, 35 Euro. ISBN 978-3-9825526-2-0

Heimatblatt für den Kreis Sternberg in Mähren (einschl. Neustädter Ländchen)

Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Ho mann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail sternberg@sudeten.de

❯ Das Heidebrünnl im Altvatergebirge

... und auf einer Postkarte aus dem Jahr 1940.

Bilder (2): https://ansichtskarten-lexikon.de/ak-56974.html

Wallfahrtsort heute oben ohne

Freilichtaltar und altes Kreuz auf den Fundamenten der ehemaligen Heidebrünnl-Kapelle.

Bild: heimatlandschaft-altvater.eu

❯ Das größte christliche Fest

Schon einige Male besuchte ich mit meinem Mann das Heidebrünnl im Altvatergebirge, 1333 Meter hoch am Roten Berg gelegen. Ein Ort, der mich immer wieder beeindruckt.

Da wir durch die „Frühlingsblumen“ schon in der Natur sind, können wir auch einen Spaziergang zum Heidebrünnl machen. Das fand ich zur Geschichte des Heidebrünnel: (nach J. Schön?)

Um 1300 war es, da beobachtete ein Jäger, wie ein angeschossener Hirsch durch das Quellwasser des Heidebrünnel gesund

Ostern

Ostern hat in unserem Kulturkreis eine besondere Stellung, denn für alle hat diese Zeit eine wichtige Bedeutung. Nichtgläubige feiern den Frühling, das Erwachen der Natur und die Fruchtbarkeit. Dies ist mit verschiedenen Bräuchen verbunden, die ihren Ursprung in der heidnischen Zivilisation haben. Der religiöse Feiertag hat eine jüdische Tradition, denn vor ungefähr 3500 Jahren verließ das jüdische Volk Ägypten. Das „Pascha-Fest“ wurde die Feier vom Ende der Sklaverei.

Für Christen ist Ostern das bedeutendste Fest im Jahr, bedeutender als Weihnachten. Die Gläubigen erinnern sich in diesen Tagen an die Ankunft Jesus in Jerusalem, seine folgende Inhaftierung, seinen Märtyrertod am Kreuz und die Auferstehung.

Die Tage vor dem Osterfest bilden den Höhepunkt des christlichen Jahres. Am Palmsonntag gedenken die Gläubigen Jesu Ankunft in Jerusalem und erinnern daran mit Palmzweigen. Gründonnerstag symbolisiert die Ein- setzung des

heiligsten Festes, die Eucharistie, welche Christus der Menschheit beim letzten Abendmahl als Mittelpunkt des christlichen Gottesdienstes übergibt. Danach wurde er vom Apostel Judas verraten und von römischen Soldaten gefangengenommen. Der Abendgottesdienst am Gründonnerstag ist der Beginn des Oster-Triduums. Am Karfreitag starb Jesus am Kreuz; das ist der Tag des strengen Fastens. Ostersamstag lag Jesu Körper im Grab. Das Wichtigste geschah in der Nacht vom Samstag auf den Ostersonntag, dann feiern die Christen die Auferstehung.

wurde. Die Familie des Jägers erkrankte später an Aussatz, und voller Verzweiflung ging man zur Heidequelle, betete und flehte die Jungfrau Maria an, wusch sich in der Quelle und ... fand Heilung. Zum Dank wurde ein aus Ahornholz gefertigtes Gnadenbild auf einem Steinsockel angebracht. Fürst Liechtenstein baute eine Kapelle darüber und ließ auch die Quelle fassen. Das war der Anfang eines berühmten, weit bekannten Wallfahrtsortes.

Der österreichische Kaiser Joseph II. (1765–1790) ließ aber leider alle Wallfahrtsstätten schließen. So kam das Gnaden-

bild in die Pfarrkirche Großullersdorf. Um 1800 stellten beherzte Männer die verfallene Kapelle wieder her, und das Gnadenbild kam an den alten Platz zurück. 1814–1850 wurde eine neue Kapelle errichtet, die 96 Jahre ihren Dienst tat. Tausende Touristen und Pilger besuchten sie und beteten darin, bis mit der Vertreibung auch ihr Ende kam.

An Christi Himmelfahrt 1946, am 30. Mai, schlug der Blitz in die Kapelle ein, und sie brannte bis auf die Grundmauern nieder. Das Gnadenbild wurde gerettet. Sigrid Lichtenthäler

Wenn man „Heidebrünnl“ googelt, erhält man Treffer zu einer Heidebrünnl-Kapelle im Altmühltal. Dort, zwischen Kaisheim und Gunzenhausen, steht eine Nachbildung der Kappelle aus dem Altvatergebirge.

Als 1946 das Vertreibungsschicksal den damals 15jährigen Ernst Seifert zusammen mit seiner Familie, die in Winkelsdorf im Tesstal (Kreis Mährisch Schönberg) ihr Zuhause hatte, traf, fiel es besonders Mutter Anna Seifert/Praus schwer, die Heimat zu verlassen. Als tiefgläubige Frau hatte sie die nahe gelegene Heidebrünnl-Kapelle in Freud und Leid oft aufgesucht.

Da Ernst der Kummer der Mutter sehr zu Herzen ging, versprach er, eine neue Heidebrünnl-Kapelle zu bauen, sobald es ihm möglich sei. Fleiß und Tatkraft erlaubten es dem späteren Kaisheimer Neubürger, eine gut zwei Hektar große MagerrasenHeidefläche zwischen Kaisheim und Gunzenhausen zu kaufen und mit mehr als 8000 Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen. 1998 begann Seifert mit dem Neubau der Kapelle sein Versprechen einzulösen. An Christi Himmelfahrt 2004 wurde das dem Original nachempfundene Bauwerk, das etwa 45 Personen Platz bietet, vom damaligen Augsburger Bischof Dr. Walter Mixa in einem festlichen Gottesdienst eingeweiht. Die Kapelle ist an Sonn- und Feiertagen von 14.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Führungen bitte bei der Marktgemeinde Kaisheim erfragen.

❯ Restaurierung des Kirchendachs nach traditionellem Verfahren

Vor einem halben Jahr wurde vor dem Haupteingang der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt ein Schaden entdeckt. Es geht nun um die Sicherheit und den Schutz der Passanten vor möglicherweise herabfallenden Teilen des Mauerwerks. Fachleute stellten fest, daß das Holz des Daches gequollen ist und neben dem allmählichen Zerfall eines Teils des hölzernen Daches auch der Druck auf die Form des zusammengesetzten Daches eine Lockerung des Gesimses zur Folge hat.

Allein das Dach ist aus der Zeit nach dem letzten großen Brand im August 1779. Das Gesims wurde gefertigt in der Zeit 1889 von dem Baumeister Zděnek Vodička.

Aus dem „Mährisch Neustädter Berichterstatter“, April 2023, übersetzt und leicht gekürzt von Sigrid Lichtenthäler.

Ostern ist ein beweglicher Feiertag; man feiert ihn am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Fällt dieser auf einen Sonntag, ist Ostern eine Woche später. Dieser Termin wurde im Jahre 325 festgelegt beim Konzil von Nicäa, zu dem der römische Kaiser Konstantin I. gerufen hatte. Zur

Das fast 250 Jahre alte Dach ist größtenteils gut erhalten. Aber Teile, die Feuchtigkeit abbekommen haben, sind sehr beschädigt, einige sind buchstäblich als Staub runtergefallen. Jetzt läuft die Erneuerung. Von den ursprünglichen Balken schneiden die Zimmerleute die beschädigten Teile ab, und das gesunde Holz wird neu imprägniert. Sie arbeiten dabei mit traditionellen Methoden ohne eine Schraube oder Nagel zu benutzen. Die neuen Balken im gut erhaltenen Teil werden getränkt mit der ursprünglichen Holzverbindung (?) mit Hilfe von Einschnitten, Stiften und Hauben. Erneuert wird das Dach nach historischem Vorbild. Pfarrer Dariusz Tomaš Třaskalik meint, daß 600 000 Kronen nicht reichen werden. Die Stadt wird einen Zuschuß von etwa 300 000 Kronen geben. Für diesen Betrag ist der Pfarrer sehr dankbar. „Für die üblichen Umstände halten wir uns an das Programm der Erneue-

rung der Kirche, zum Beispiel stufenweise Restaurierung einzelner Altäre. Aber im Falle des beschädigten Daches und Simses geht es um Schäden, mit denen wir wirklich nicht gerechnet hatten. Deshalb würden wir es begrüßen, wenn sich jemand finden würde, der bei der Erneuerung dieses außergewöhnlichen Denkmals uns finanziell unterstützen würde“, sagte der Neustädter Pfarrer. Die Geschichte der Pfarrkirche begann im Jahre 1330. Die erste schriftliche Erwähnung aus dem Jahre 1381 belegt, daß damals schon in Mährisch Neustadt eine Pfarrei existierte. Der Bauplatz für die Kirche war schon bei Gründung der Stadt festgelegt worden. Das Presbyterium, also der Ort, an dem sich der Altar befindet, war das erste, das im Mittelalter errichtet wurde. Erst danach kam es, nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stadt, zum Bau der restlichen Kirche. Nach historischen Unterlagen dauerte der Bau der Mährisch Neustädter Kirche fast 100 Jahre. Im Laufe der Zeit wurde das Tabernakel durch mehrere Brände beschädigt, die schlimmsten waren 1531, 1643 und 1779.

Das jetzige Aussehen erhielt die Kirche 1889. 100 Jahre später machte sich der damalige Mährisch Neustädter Pfarrer Max Jarosch an eine umfangreiche Renovierung, bei der die Kirche ein neues Dach, Fassade und Fußboden bekam, und es wurden alle Fensterscheiben restauriert. Marek Juráň

Aus „uničovský zpravodaj“ (Mährisch Neustädter Berichterstatter), Februar 2024, übersetzt und leicht gekürzt von Sigrid Lichtenthäler.

Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 18
Erinnerung an die
in vielen Regionen Palmbuschn aus Palmkätzchen und Buchsbaum
Bild: Kathrin Ho mann
Palmzweige werden
gebunden.
Die Kapelle am Heidebrünnl auf einer Postkarte aus dem Jahr 1913 ... Bild: landesecho.cz
Allmählicher
Zerfall

Sudetendeutsche

WIR GRATULIEREN

■ Mährisch Neustadt. Wir gratulieren herzlich allen Landsleuten, die im April Geburtstag feiern können, und wünschen ihnen alles Gute! Am

2. April Hans-Jürgen Bunde (Olmützer Gasse) zum 79. Geburtstag in Kassel und Robert Heger (Obere Alleegasse) zum 86. Geburtstag in Wenden;

3. April Theresia Woller/ Meixner (Wallgasse) zum 88. Geburtstag in Freiberg;

4. April Margit Ruhland/Hoplitschek (Sternberger Gasse) zum 91. Geburtstag in Rüsselsheim;

5. April Mansuet Heidenreich (Olmützer Gasse) zum 88. Geburtstag in Taunusstein;

6. April Marie Luncoy (Feldgasse) zum 92. Geburtstag in Brett da noux (Frankreich);

8. April Margarete Pschierer/ Wenzlitschke (Stadtplatz) zum 89. Geburtstag in Rodenbach;

10. April Manfred Brixel (Lange Gasse) zum 88. Geburtstag in Dillenburg;

11. April Marta Urban/Volkmer (Sternberger Gasse) zum 94. Geburtstag in Bad Camberg und Liesbeth Vetter/Höchsmann (Sternberger Gasse) zum 85. Geburtstag in Süsel;

12. April Manfred Roland (Gr. Neustadt) zum 84. Geburtstag in Wehrheim und Brunhilde Spies/ Brixel (Herrengasse) zum 83. Geburtstag in Illerkirchberg;

13. April Margot Müller/Kaulich (Sternberger Gasse) zum 85. Geburtstag in Puchheim und Edith Wagner/Seuchter (Stadtplatz) zum 87. Geburtstag in Kassel;

14. April Robert Breitenbach/ Wepil (Siedlung) zum 91. Geburtstag in Bad Camberg;

16. April Anni Demme/Frömel zum 91. Geburtstag in ON.L6X 2 A4 (Kanada), Gerhard Hampel (Olmützer Gasse) zum 83. Geburtstag in Hünstetten-Bechtheim, Gerhard Richter (Wallgasse) zum 88. Geburtstag in Bad Vöslau (Österreich) und KarlHeinz Wontka (Untere Alleegasse) zum 79. Geburtstag in Heusenstamm;

17. April Gerlinde Weinforth (Schubertgasse) zum 94. Geburtstag in Erlangen;

18. April Elisabeth Lenz/Rabenseifner (Lange Gasse) zum 89. Geburtstag in 3733 Monrovia/Ca. (USA);

19. April Rotraud Fassl/Pustina (Müglitzer Gasse) zum 89. Geburtstag in Eppstein und Inge Morgenstern/Fritsch (Schönberger Gasse) zum 86. Geburtstag in Eppstein;

20. April Marlies Fahlke/Wagner (Kl. Neustift) zum 79. Geburtstag in Gernsheim;

22. April Dietmar Grätzer (Siedlung, Gartenstraße) zum 83. Geburtstag in Kahl und Günther Maneth (Schönberger Gasse) zum 81. Geburtstag in Lohmar; 23. April Anneliese Hirsch/ Höbling (Olmützer Gasse) zum 86. Geburtstag in Meißner-Abterode;

24. April Rudolf Brixel (Herrengasse) zum 93. Geburtstag in Wernau und Horst Klement (Untere Alleegasse) zum 84. Geburtstag in Weinbach; 25. April Magda Speet/Falz (Wallgasse) zum 79. Geburtstag in Diepholz; 27. April Helga Harzenetter/ Parsch (Mittelgasse) zum 94. Geburtstag in Lindenberg; 28. April Renate Prokscha/ Gans (Theoderichstraße) zum 80. Geburtstag in Ettlingen; 30. April Monika Meister/Riedel (Stadtplatz) zum 84. Geburtstag in Villmar.

Sigrid Lichtenthäler Ortsbetreuerin

Er ist‘s

Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte; süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist‘s! Dich hab‘ ich vernommen!

Eduard Mörike

Der Frühling ist da, und bei einem Spaziergang durch die erwachende Natur sind auch die ersten Frühlingsblumen zu entdecken. Im „Neustädter Ländchen“ fand ich einen Artikel, der vielleicht Erinnerungen wachruft.

Eine unserer ersten Frühlingsboten auf Weiden, offenen Plätzen und Waldungen ist das Butterschmiergerl, so genannt wegen seiner buttergelben und fettglänzenden Blumenblätter. Der Botaniker bezeichnet es als Scharbockskraut. Der Name Scharbockskraut hängt damit zusammen, daß man früher die Blätter als Heilmittel gegen die schwere und langwierige Ernährungskrankheit, den Skorbut oder Scharbock, verwendete.

Eine nahe Verwandte des Butterschmiergerl ist die Butterblume oder Sumpfdotterblume, die jetzt überall auf feuchten Wiesen, an Gräben und Bächen anzutreffen ist.

Einen herrlichen Schmuck unserer Wiesen im Frühjahr bilden die rötlichweißen, mitunter lilafarbenen Blütentrauben des Wiesenschaumkrauts. Der Name Wiesenschaumkraut kommt von den Schleimflocken her, die man später häufig am Stängel findet. Dieser „Speichel“ stammt von der Larve der Schaumzikade. Sie bläht die flüssigen Auswurfstoffe durch Einblasen von Luft zu Schaumbläschen auf. Da diese klebrig sind, haften sie lange aneinander. Ein zierliches Pflänzchen, zu den Lippenblütlern zählend, ist der Gundermann, den man vom April bis Juni an Hecken, Wegen und Wiesen häufig findet.

❯ Mit dem Rad ins Bad

Neuer Radweg

Bild: facebook.com/sternberkorg

❯ Frühlingsblumen im Volksmund Butterschmiergerl und Giftgerligigack

Allgemein bekannt ist der an Wegen und Hecken überall zu treffende „Giftgerligigack“, der wegen seines ätzenden, rotgelben Milchsaftes, mit welchem die Stängel gefüllt sind, so bezeichnet wird. Vielfach verwendet man bei uns den giftigen Saft des Schöllkrautes zum Vertreiben von Warzen.

Weit verbreitet kommt auf Wegen und Schutthaufen ein Weidengewächs vor, der „Gute Heinrich“ oder Löwenzahn, der mit seinen Blüten unsere Wiesen gelb erscheinen läßt. Er ist der Liebling der Kinder. „Kettenblume“, nennen ihn die einen, „Pusteblume“ die anderen. „Kuhblume“ wird er auch genannt, weil das Rind die Blätter gerne verzehrt.

Šternberk und das Naherholungsgebiet Dolní Žleb werden durch einen Radweg für 20,5 Millionen Kronen verbunden, der im Oktober fertig sein soll. Am vergangenen Montag begann der Bau des zweiten Teils des Radweges, der Sternberg mit Dolní Žleb verbindet.

Der neue Teil des Weges für Radfahrer und Fußgänger wird 811 Meter lang sein und den ersten Teil aus dem Jahr 2019, der 170 Meter lang ist, forsetzen. „Wir wollen Radfahrer und Fußgänger jenseits des Hauptverkehrsstroms sicher unterbringen“, teilt das Rathaus auf seiner Webseite mit.

Der neue Teil des Radweges führt rechts der Straße III/44429 im Grüngürtel am Zaun der Forstgärtnerei entlang. Nach der Einfahrt zum Parkplatz biegt der Radweg nach links ab, ist in einen bewaldeten Hang eingebettet und verläuft dann parallel zur Straße III/44429 bis zum Beginn des Ortsteils von Dolní Žleb. „Wir werden den ausgehobenen Hang für die Radwegtrasse mit einer Stahlbetonstützmauer mit einer Gesamtlänge von 180 Metern sichern. Die Mauer wird

stellenweise bis zu sechs Meter hoch sein“, heißt es in der Mitteilung des Rathauses.

Aufgrund des Baus des Radwegs und der Stützmauer ist die Straße nach Dolní Žleb von Montag, 11. bis Sonntag, 31. März, komplett für den Verkehr gesperrt und die Einfahrt nur mit Linienbussen möglich. Die Umgehungsstrecke für alle Fahrzeuge führt von Dolní Žleb in Richtung Horní Žleb, Dalov, Horní Loděnice, Lipina und Šternberk. Von Montag, 1. April, bis 31. Oktober kommt es zu weiteren teilweisen Sperrungen zwischen Šternberk und Dolní Žleb.

Der Bau des Radwegs erfordert das Fällen von Bäumen am Hang und den Abtransport großer Mengen Erde. „Beim Bau einer Stützmauer besteht ein hohes Gefahrenrisiko. Der Arbeitsraum ist hier begrenzt und der Umgang mit schweren Maschinen und Materialien erhöht die Gefahr für Nichtmitarbeiter der Baustelle. Der Sicherheitsingenieur hält es daher für erforderlich, den Bauabschnitt des Radweges zu sperren, um das Risiko von Personen- und Sachschäden zu minimieren“, teilte das Rathaus mit.

❯ Wenn die Vögel wieder zwitschern

Zitzipui und tschilp

Wie die Blumen uns durch ihre Farbenpracht erfreuen, so ergötzen uns die gefiederten Sänger. Jedem dieser Tonkünstler ist ein bestimmtes Liedchen eigen, mal kürzer, mal länger, aber immer so bezeichnend, daß man ihn daran erkennen kann, auch wenn man ihn nicht sieht.

Die Feldlerche mit ihrem „tirili“ klingt hell und klar, und man sagte: „An ihren bunten Liedern klettert die Lerche selig in die Luft.“ Während die Feldlerche am Tage singt, läßt die Wachtel das Abendlied ertönen. Der Wachtelschlag ist nicht lang und besonders an schönen Sommerabenden zu vernehmen.

Die Goldammer hat gerne buschreiches Waldgelände. Aus mehreren gleichhohen Kurztönen und einem langen Schlußton ertönt ihr Lied etwa so: „Zi, zi, zi, zi, zi, zeet“.

Der Buchfink ist ein zutraulicher Geselle. Kaum ist der Winter vorbei, hört man ihn von Baum und Strauch laut schmetternd schlagen, seine Töne sind regelmäßig und wiederholend.

Der Ruf des Hausrotschwänzchens besteht aus zwei Reihen gleich hoher Töne, zwischen denen man einen klingenden Ton vernimmt. Morgens nach 8.00 Uhr beginnt er zu singen und ist oft bis 9.00 Uhr abends zu hören „tschtsch – sch-sch-sch-sch“.

Das Gartenrotschwänzchen hat eine ähnliche Stimme, während der Zeisig so klingt: „zlielipp, zielipp, zielipp“, öfter auch länger.

Unermüdlich ist die Kohlmeise mit ihrem Ruf „zitzipui, zitzipui“. Eintönig ruft der Spatz sein „tichilp, tschilp“ in unzähligen Wiederholungen; schön klingt dagegen das Lied des Schwarzplättchens, sein Gesang ist dem des Rotkehlchens sehr ähnlich. Aus dem Laubgehölz hört man den Vogelspotter, der ist leicht zu verwechseln mit der Amsel und dem Star. Der gelbgrüne Vogel hat eine feine Singkehle.

Viel zu erzählen hat auch die Hausschwalbe. Ihr zutrauliches und angenehmes Gezwitscher begleitete die Dorfleute von morgens bis abends. Die Stare pfeifen ihr Liedlein. An ihrem eigentüm-

lichen Gesang fällt besonders auf, daß lang aufwärts gezogene Töne mit schwatzendem Gezwitscher abwechseln. Gesagt werden muß, daß die Stare andere Vögel nachzuahmen verstehen.

Ein Vogel, dessen Stimme alle kennen, aber den die wenigsten schon gesehen haben, ist der Kuckuck. Er ist scheu und hält sich im Gehölz gut versteckt, ruft aber trotzdem manchmal: „kukkuck, kuckuck!“

Zum Schluß sei noch der Krähen gedacht. Wenn im Winter der Schnee die Felder weiß bedeckt, ist für die schwarzen Gesellen Schmalhans Küchenmeister. In großen Scharen kamen sie in die Nähe menschlicher Wohnungen und suchten nach eßbaren Abfällen, öfter dazwischenrufend: „krah, krah“. Jetzt haben wir uns die bekanntesten unserer gefiederten Freunde wieder ein wenig ins Gedächtnis gerufen.

Aus dem „Neustädter Ländchen“ von 1931 (Hans Stolz), stark gekürzt von Sigrid Lichtenthäler.

Gartenrotschwanz Goldammer

Buch nk

Kohlmeise

Feldlerche

19 STERNBERGER HEIMAT-POST
Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024
Bild: Waewkidja auf Freepik
Star
Kuckuck
Bilder: www.nabu.de

❯ 800 Jahre Zuckmantel

Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Ho mann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail zuckmantel@sudeten.de

Besuch in der Patenstadt

Dieses Jahr feiert Zuckmantel sein 800jähriges Bestehen. In Vorbereitung dieses Ereignisses besuchte eine Delegation aus Zuckmantel Bietigheim-Bissingen. Darüber berichtet die Patenstadt auf ihrer Webseite:

Die freundschaftlichen Beziehungen zur Stadt Zlaté Hory/Zuckmantel in Tschechien verstärken sich: Eine kleine Delegation mit Bürgermeister Milan Rác, seinem Stellvertreter Jiri Kozel, dem Museumsleiter Marian Cep und Dolmetscherin Petra Sosnová Rozbrojová kam am 4. und 5. November 2023 nach Bietigheim-Bissingen. Sie besuchten die Heimatstube Zuckmantel in der Schieringer Straße und baten um die Leihe einiger Ausstellungsobjekte.

Die kleine Stadt Zuckmantel mit ihren rund 3700 Einwohnern, im ehemaligen schlesischen Landesteil nahe der

Neuntöter

Wo die Gebirgsflüsse schon ruhigeren Lauf angenommen haben und durch tief gelegenes, fruchtbares Ackerland hinfließen, wo sich an ihren Ufern umfangreichere Weidendickichte bilden und Hopfen, Weiden und mannshohe Nesseln das Durchkommen erschweren, da ist der Lieblingsaufenthalt eines unserer herrlichsten Sänger, des Sumpfrohrsängers, welcher auch nächst dem die Gärten und Anlagen bevölkernden gelben Gartensänger ein Meister in der Kunst ist, anderer Vögel Ruf und Gesang täuschend nachzuahmen. Gar oft habe ich mich an seinen Muster-Leistungen in der Imitation ergötzt und mit großem Vergnügen gelauscht, wenn mir tief aus dem Dickicht mit täuschender Ähnlichkeit der charakteristische Ruf der Mehlschwalbe oder der Triller der Feldlerche zu Ohren drang.

Ein anderer solcher Spötter ist der rotrückige Würger oder Neuntöter, der sein Nest mit Vorliebe in Dornengesträuch baut und auch sonst am liebsten dort seinen Aufenthalt nimmt, wo stachelbewehrtes Gestrüpp den Boden bedeckt. Seine Nachahmungsgabe, vielleicht auch noch seine Farbenschönheit, sind aber die einzigen Eigenschaften, welche für diesen Vogel einnehmen können; denn er ist, obwohl systematisch selbst zur Ordnung der Singvögel gehörig, einer der gefährlichsten Feinde der kleinen Sänger, aus deren Nestern er mit großer Frechheit, trotz des Geschreies und der heroischen Angriffe der rechtmäßigen Inhaber, eines der nackten Jungen nach dem anderen herausholt,

polnischen Grenze in Tschechien gelegen, feiert 2024 ihr 800jähriges Bestehen. Dazu soll im dortigen Museum die Geschichte der Stadt und Region in einer Ausstellung aufbereitet werden. Die Geschichte der Stadt wurde einige Jahrhunderte lang von deutschen Aussiedlern geprägt, die fast 90 Prozent der Bevölkerung in Schlesien stellten, jedoch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vertrieben wurden.

Bild: Presseamt Bietigheim-Bissingen

Die Vertriebenen aus dem ehemaligen Gerichtsbezirk Zuckmantel fanden in Baden-Württemberg eine neue Heimat, auch in Bietigheim-Bissingen, und

gründeten hier im Jahr 1965 eine Patenschaft mit der Stadt, die viele Jahre lang Ort der zweijährig durchgeführten Heimattreffen und später auch der Heimatstube wurde, die mit zahlreichen Ausstellungsstücken die Geschichte der Zuckmantler bewahrt. Die Heimatstube

❯ Die Vogelwelt des mährisch-schlesischen Gebirges – Teil II

ist inzwischen in den Besitz der Stadt übergegangen und wird vom Stadtmuseum verwaltet.

Erster Bürgermeister Michael Hanus und Museumsleiterin Dr. Catharina Raible begrüßten die Delegation zusammen mit den Vertretern der Heimatgruppe Zuckmantel, Helmut Schindler und Irmtrud Kutzer, in der Heimatstube und besprachen die Leihe der gewünschten Ausstellungsobjekte. Im nächsten Jahr werden einige Teile der Ausstellung nach Zlaté Hory reisen, evtl. begleitet von einer städtischen Delegation zur Ausstellungseröffnung 800 Jahre Zuckmantel/Zlaté Hory.

Lange unerforscht

WIR GRATULIEREN

■ Zuckmantel. Wir gratulieren herzlich allen Landsleuten, die im April Geburtstag feiern, und wünschen alles Gute. Zum

95. Professor Dr. Helmut Schmidt (Hauptstraße 389/390) am 2.; Gertrud Deseyve/Krebs (Viktor-Heeger-Straße 330), Im Kirschenwäldchen 56, 60437 Frankfurt, am 14.; Josef Bock (Hauptstraße 239) am 26.;

91. Elisabeth Führich/Richter (Gattin von Kurt Führich, Hauptstraße 52) am 12.; Elisabeth Mock/Ronge (Miserich 466), Föhrenstraße 4, 82380 Peißenberg, am 16.; 87. Anni Hanschu/Fischer (Hermannstädter Straße 309) am 9.; 85. Margarete Drechsler/Pfützner (Rosenthal 4) am 3.; Erika Schleich/Kratzei am 5.; Waltraud Jeräbek/Weiß (Lerchenfeld 13), Terminiusstraße 4, 71726 Benningen, am 10.; Heinz Klemme (Rosenthal 1) am 26.;

83. Alfram Wolf (Hans-Knirsch-Straße 632) am 24.; Dr. Winfried Kausch (Schießstätte 546) am 25. Rudolf Heider Ortsbetreuer

Das erste Vogelgezwitscher ist wieder in den Gärten hörbar und stimmt auf den Frühling ein. Deshalb wollen wir uns etwas genauer mit der heimischen Vogelwelt beschäftigen, die Rechtsanwalt Kollibay in der Zeitschrift „Altvater“, dem Organ des mährisch-schlesischen Sudeten-Gebirgsverein, 1894 beschrieben hat. Rudolf Heider sandte den Bericht ein.

um sie auf einen spitzen Dorn zu spießen und dort zu zerfleischen. Alle Vogelfreunde sollten es sich zur Aufgabe machen, die Nester dieses leider sehr häufigen Räubers, welcher selbst Nachstellungen mit dem Schießgewehre bald zu entgehen weiß, unbarmherzig zu vernichten; denn ein solcher Vogel wiegt zwanzig arme Weber und Schuhmacher auf, die sich zu ihrer Unterhaltung einen Piepmatz fangen und über die von hypersentimentalen Vogelschützern so entsetzlich als über die Vernichter der Vogelwelt gejammert wird. Gehen wir am Fluß aufwärts, immer begleitet von der zierlichen weißen Bachstelze, so gelangen wir allmählich in jene Gegend, wo Berg und Ebene sich hinsichtlich der Vogelwelt gewissermaßen die Hand reichen. Dies ist dort, wo das seichter werdende Wasser in eiligem Laufe über das Geröll des Bettes dahinsprudelt, wo immer größere Felsblöcke ihm den Weg versperren, wo die steilen sandigen oder lehmigen Uferwände ein Ende nehmen. Bis dahin wohl haben wir zuweilen Gelegenheit, den scharfen Ruf eines Vogels hinter der letzten Flußkrümmung zu vernehmen und bald darauf zu sehen, wie aus jener Richtung her der Rufer, einer leuchtenden blauen Linie gleich, pfeilschnell über das Wasser schießt.

Es ist der Eisvogel wie der Pirol und die Mandelkrähe ein Gesandter der Sonne des Südens, bestimmt, durch wundervollen Schmelz des Gefieders uns Nordländern die Sehnsucht nach der glühenden Farbenpracht, nach dem bestrickenden Formen-

reichtum der tropischen Gefilde zu erwecken. Der Eisvogel bedarf tiefen Wassers, um dem Fischfange durch Stoßtauchen nachgehen zu können, und steiler Uferwände, da er nur in solchen sein Nest, eine selbstgegrabene, einen Meter lange Röhre mit backofenförmiger Erweiterung am hinteren Ende, anlegt; er kann daher ein Bewohner des eigentlichen Gebirges nicht sein. Statt seiner sehen wir alsdann am Wasser zwei reizende Vögel erscheinen: die schwefelgelbe Bachstelze und die Bachamsel oder den Wasserstar. Jedem Naturfreund muß das Herz aufgehen, wenn er am rauschenden, vom hohen Nadelwalde umgebenen Gebirgsbache sich niederläßt, wenn aus den Tannen das Lied der Amsel und der Singdrossel erschallt, wenn vor ihm auf den moosigen Steinen im Flußbette leicht geschürzt die Gebirgsstelze nach Insekten haschend, einher trippelt und der Wasserstar seine blendend weiße Brust im Bache spiegelt. Läßt dann noch von unterkühltem Wurzelwerk am Ufer der winzige Zaunkönig sein munteres Liedchen ertönen, begleitet von dem leisen Gesänge der Tannen- und Haubenmeisen und des Vogelzwerges Goldhähnchen in dem Tannengezweig, so mag wohl der Beobachter vergessen, was sonst ihm das Herz bedrückt, und sich glücklich fühlen im ungetrübten Genuß des Augenblicks.

Der Wasserstar ist nicht nur für den Beobachter in der freien Natur von besonderer Anziehung, er bietet auch dem Orni-

thologen am grünen Tische ein hervorragendes Interesse. Während natürlich der Laie nur eine Art dieses Vogels kennt, streiten sich die Forscher über deren vier bis fünf in Europa. So viel scheint indessen sicher zu sein, dass wir in Deutschland zwei gute Subspezies haben, von denen die eine Cinclus merula schlechthin, die andere Cinclus merula septentrionalis Brehm genannt wird. Letztere, zum Beispiel in Ostpreußen heimisch, scheint in Schlesien sehr selten zu sein. Da sie jedoch bereits im Glatzer Gebirge angetroffen wurde, ist es wahrscheinlich, dass sie auch von unseren Sudeten beherbergt wird. Ich würde die Zusendung erlegter Sudetenexemplare mit großem Danke begrüßen.

Solange der Beobachter, aufwärtsstrebend, den hohen Nadelwald durchschreitet, wird ihm

wenig Gelegenheit zu Vogelstudien gegeben. Die majestätische Ruhe der Natur wird nur selten durch den munteren Schlag eines Finken oder den hellen Ruf der Kohlmeise unterbrochen. Nur leise zirpen in den Zweigen Hauben- und Tannenmeisen, das Goldhähnchen und der zierliche Baumläufer. Auch letzterer bietet, wie der Wasserstar, besonderes ornithologisches Interesse, weil es anscheinend eine ständige Unterart dieses Vogels gibt.

Das gleiche gilt von den beiden Formen der Spechtmeise. Dieser Vogel, welcher auch Kleiber und Baumrutscher genannt wird, ist einer der bemerkenswertesten Vögel hochstämmiger Waldungen. Nicht nur, daß sein flötender Lockruf „tti tü tü“ in angenehmer Weise die allgemeine Stille unterbricht, auch die Kletterkünste des Vogels, welcher kopfoberst, kopfunterst die Baumstämme nach Nahrung absucht, bereiten dem Beobachter viel Vergnügen. Ist man im Frühjahr besonders glücklich, so kann man auch die absonderliche Anlage des Nestes der Spechtmeise beobachten. Dasselbe wird in einem hohlen Baume derartig angebracht, daß der Eingang bis auf ein zum Ein- und Ausschlüpfen eben ausreichendes kleines Loch mit Lehm oder klebriger Erde vermauert wird. Andere Kletterer sind die Spechte. Ich habe im Gebirgswald ihren lachenden Ruf nicht oft gehört und bin bezüglich ihres Vorkommens zum größten Teil auf die Angaben des Forst-

Wasseramsel

Bachstelze

personales angewiesen. Freilich ist dieses, namentlich die unteren Beamten, vielfach mit den Unterschieden der einzelnen Arten nicht recht vertraut, und es scheint mir, daß sogar Grau- und Grünspecht nicht immer auseinandergehalten werden, von den fünf Buntspechtarten ganz zu schweigen. So viel habe ich indessen überall erfahren, daß der Grünspecht und ein Buntspecht häufig, und der prächtige und stattliche Schwarzspecht wenigstens nicht selten sind. Den seltenen Grauspecht konnte ich zweimal konstatieren. Den einen besitzt Förster König in Adelsdorf; er hatte sich im Mai 1890 bei Böhmischdorf in einem auf den Eichelhäher aufgestellten und mit einem Hühnerei geköderten Tellereisen gefangen. Das zweite Exemplar war in ähnlicher Weise verunglückt: Förster Heisig in Ziegenhals fand es im November 1893 in einem auf Krammetsvögel aufgestellten Dohnenbügel stranguliert vor und sandte es mir zu.

Was die Buntspechte anlangt, so wäre es von hohem Interesse, sichere Mittheilungen oder Belegexemplare bezüglich des Vorkommens des Weißrückenspechtes und des Dreizehenspechtes zu erhalten; sie dürften kaum fehlen. Letzterer ist namentlich im Riesengebirge schon einige Male erlegt worden, ja der alte schlesische Ornithologe Constantin Gloger behauptet von ihm, freilich ohne nähere Beweise zu erbringen: „Gehört weder tief im Riesengebirge noch im Gesenke und Altvater zu den Seltenheiten und ist dort allgemein bekannt.“ Wird fortgesetzt

Wintergoldhähnchen

Sudetendeutsche Zeitung Folge 11 | 15. 3. 2024 20
Dreizehenspecht Zaunkönig
Sumpfrohrsänger Eisvogel Bilder: www.nabu.de

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