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Kam er aus dem Eisacktal? Im Interview auf Ötzis Spuren
Das Museum
+ Die Dauerausstellung des Südtiroler Archäologiemuseums dreht sich rund um Ötzi, den Mann aus dem Eis. Sie erstreckt sich über drei Etagen, zeigt die Mumie selbst sowie weitere Fundstücke: Kleidung und Ausrüstung.
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+ Dem Besucher werden zudem die Umstände des Fundes, die aufwendige Bergung, die Datierung des Alters der Mumie sowie die komplizierte und anspruchsvolle Konservierung erklärt.
+ Das Museum befasst sich auch mit dem Alltag unserer Vorfahren in der Kupferzeit. Ein Highlight der Ausstellung ist die lebensnahe Rekonstruktion des Mannes aus dem Eis.
+ Südtiroler Archäologiemuseum, Bozen Museumstraße 43, Tel. 0471 320 100, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Eintritt für Erwachsene 9 Euro
www.iceman.it
Ötzi
1991 war Ötzi von Bergsteigern am Schnalstaler Gletscher zufällig entdeckt worden. Bald stellte sich der Fund als Sensation heraus: Die Mumie ist über 5 300 Jahre alt und im Eis natürlich konserviert worden. Nach intensiven Untersuchungen wurde eine Pfeilspitze im linken Schulterblatt entdeckt – der Mann war ermordet worden! Ötzi war zu Lebzeiten rund 1,60 Meter groß und 50 Kilogramm schwer. Er hatte dunkles, mittellanges Haar und wurde 45 Jahre alt.
Interview
Kam er aus dem Eisacktal?
Ötzi, die über 5 000 Jahre alte Gletschermumie, birgt noch viele Geheimnisse. Angelika Fleckinger, Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums, spricht über überraschende Entdeckungen, das Eisacktal zu Ötzis Zeit – und warum man dem Mann aus dem Eis in den Mund schauen muss, um etwas über seine Herkunft zu erfahren
Interview — LISA MARIA KAGER Fotos — MICHAEL PEZZEI
„Ötzi ist kein Objekt, er war ein Mensch. Ein Mensch, dem wir mit Würde begegnen müssen.“
Dr. Angelika Fleckinger
wurde 1970 geboren und studierte an der Universität Innsbruck Ur- und Frühgeschichte, Kunstgeschichte sowie klassische Archäologie. Von 1998 bis 2004 war sie Koordinatorin im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen, seit Januar 2005 leitet Fleckinger das Museum als Direktorin. Sie hat unter anderem die Bücher „Ötzi, der Mann aus dem Eis“ und „Ötzi 2.0“ publiziert.
Sie arbeiten seit über zwei Jahrzehnten im Archäologiemuseum in Bozen, seit 13 Jahren als Direktorin. Was war für Sie das spannendste Detail, das in all der Zeit im Zusammenhang mit Ötzi entdeckt wurde? Die Pfeilspitze in Ötzis Schulter. Damit war bald klar, er ist ermordet worden und seine Geschichte musste völlig neu erzählt werden. Der Mann aus dem Eis ist kein herkömmliches Ausstellungsstück. Er wird von Besuchern und natürlich auch von uns Museumsmitarbeitern und Forschern immer als eine einst lebendige Person wahrgenommen. Ötzi ist kein Objekt, er war ein Mensch. Ein Mensch, dem wir mit Würde begegnen müssen.
Ötzi werden immer wieder Proben entnommen, um an neue Erkenntnisse zu seinem Leben zu gelangen. So hat man auch herausgefunden, dass er wohl Eisacktaler war. Wie kam es dazu? 2003 hat der österreichische Forscher Wolfgang Müller eine kleine Probe von Ötzis Zahnschmelz entnommen, um dort Isotope von Strontium zu untersuchen. Solche Isotope aus dem eigenen Lebensumfeld lagern sich bis zum vierten Lebensjahr im Zahnschmelz ein und bleiben dort für immer konserviert. Anhand dieser Ablagerungen kann festgestellt werden, wo jemand die Kindheit verbracht hat. In Südtirol hat man daraufhin die Isotopenwerte in Erdproben aus verschiedenen Gegenden untersucht. Den Befunden nach zu urteilen, lebte Ötzi als Kind auf kristallinen Böden, wie sie im oberen Eisacktal vorkommen. Bodenproben aus Feldthurns weisen dabei die höchste Übereinstimmung auf.
Hat Ötzi sein Leben auch in anderen Teilen Südtirols verbracht? Isotope in seinem Oberschenkelknochen weisen darauf hin, dass er sich zumindest während seiner letzten Lebensjahre im Vinschgau aufgehalten hat. Wir wissen, dass Menschen in der damaligen Zeit ihren Lebensraum durchaus auch verlagert haben. Vor allem Frauen haben ihr Leben durch Beziehungen oder Heirat auch weit weg vom ursprünglichen Geburtsort verbracht.
Hat Ötzis Familie alleine gesiedelt? Nein, sie hat in einer kleinen dörflichen Gemeinschaft gelebt. Wie die Gesellschaft damals genau strukturiert war, wissen wir nicht, klar ist nur: Südtirol war damals wesentlich dünner besiedelt als heute.
Warum das Eisacktal als Siedlungsgebiet? Die Menschen haben ihre Siedlungen immer im relativ flachen Gelände angelegt, welches die Möglichkeit zur Tierhaltung und zum Anpflanzen von Getreide bot. Wasservorkommen spielte natürlich auch eine wichtige Rolle. Das Eisacktal ist ein sehr steiles Tal. Lieblicher wird es dort erst im Mittelgebirge wie etwa den Hochflächen in Villanders oder Feldthurns. Dort ließ es sich bestimmt auch schon zu Ötzis Zeit gut leben.
Den Befunden nach zu urteilen, lebte Ötzi als Kind auf kristallinen Böden, wie sie im oberen Eisacktal vorkommen.
Auch der Nahrung wegen? Sicherlich. Die Menschen in der Kupferzeit ernährten sich von gezüchteten Tieren und angebauten Getreidesorten, aber das Jagen und Sammeln waren ebenso wichtiger Ernährungsbestandteil. Schafe, Ziegen und Rinder wurden im Sommer wohl auf die Hochalmen getrieben. So konnte man – genau wie heute – Heu ernten, um die Tiere im Winter zu füttern.
Gibt es heute im Eisacktal noch Spuren aus der Zeit vom Mann aus dem Eis? Es gibt einige Funde aus dem Neolithikum, zum Beispiel die archäologische Fundstätte Plunacker in Villanders oder das Kultareal Tanzgasse in Feldthurns, die man beide besichtigen kann. An Kultplätzen in weiten Teilen Südeuropas wurden steinerne Statuen, sogenannte Menhire, gefunden. So auch in Brixen-Tötschling. Ein Stein aus dieser Kultstätte, der eine männliche Figur darstellen soll, steht heute im Archäologiemuseum in Bozen. Bei genauem Hinschauen erkennt man Waffen und Dolche, die in die harte Oberfläche graviert wurden.
Welche Rolle spielten Kulte und Riten zu Ötzis Zeit? Es ist ganz sicher, dass die Menschen von damals religiöse Vorstellungen hatten. Leider hat man aber keine
schriftlichen Überlieferungen und kann die genauen religiösen Inhalte nicht rekonstruieren. Ahnenkult wird bestimmt eine wichtige Rolle gespielt haben. Natürlich barg Religion auch damals schon eine starke soziale Komponente, denn ihr Urzweck ist die Regulierung von sozialen Gemeinschaften. Die zehn Gebote sind ja eigentlich ein Gesetzbuch, eine Anleitung für eine funktionierende Gesellschaft. Solche Regeln des Zusammenlebens gab es bestimmt zu Zeiten Ötzis auch schon. Die gefundenen Statuen haben entweder Götter symbolisiert oder – was unserer Ansicht nach jedoch wahrscheinlicher ist – bedeutende Ahnen.
Wie sieht es mit Ötzis Nachfahren aus, leben die heute noch im Eisacktal? Das Genom von Ötzi ist zu 97 Prozent entschlüsselt. Die weibliche genetische Linie ist mittlerweile ausgestorben, aber Ötzi-DNA aus dem Y-Chromosom kann immer noch nachgewiesen werden. Demnach gibt es zahlreiche Menschen, die derselben genetischen Gruppe angehören wie der Mann aus dem Eis. Was jedoch nicht bedeutet, dass sie direkte Verwandte von ihm sind. Vorwiegend leben diese Menschen heute auf Sardinien oder Korsika. Auf dem europäischen Festland haben sich die unterschiedlichen genetischen Linien viel stärker vermischt. Eine eigene Verbindung mit ihm
Die Menschen in der Kupferzeit ernährten sich von gezüchteten Tieren, sie waren gleichzeitig aber auch noch Jäger und Sammler.
kann aber niemand ausschließen. Immer wieder erreichen uns E-Mails von Menschen, die uns mitteilen, derselben genetischen Gruppe wie Ötzi anzugehören. Vor allem aus Amerika, wo DNA-Tests mittlerweile im Trend liegen. Menschen lassen sich dort auf eigene Initiative hin testen, um mehr über ihre genetische Herkunft zu erfahren, aber auch Informationen zu genetischen Veranlagungen zu erhalten.
Seit über 27 Jahren wird an Ötzis Mumie geforscht. Was bleibt noch zu entdecken? In den vergangenen Jahren hat sich die Forschung stets weiterentwickelt – und sie wird es weiter tun. Wir bekommen jährlich ein halbes Dutzend Forschungsanfragen aus aller Welt. Ötzi ist weltweit einzigartig. Er wurde durch das Eis unverfälscht konserviert – anders als ägyptischen Mumien, die durch Chemikalien oder Trocknung künstlich mumifizierten. Ötzi ist daher ungemein wertvoll und hilft, unser Wissen über seine Zeit zu vermehren.
Welche offenen Fragen würden Sie gern in naher Zukunft geklärt wissen? Ich möchte seine letzten Tage noch detaillierter rekonstruieren können. Was genau ist passiert? Warum wurde er ermordet? All das finde ich sehr spannend.
Ein Menhir aus Brixen-Tötschling steht heute im Archäologiemuseum in Bozen.
Entdeckungsreise in ein Künstlerstädtchen
Shopping, Genuss und Kultur in Klausen
Klausen, das „Stadtl“ im unteren Eisacktal, gehört zu den „Borghi più belli d’Italia“, reiht sich also in die Riege der schönsten historischen Ortschaften Italiens ein. Seit jeher zieht das Künstlerstädtchen mit seinem mittelalterlichen Flair, den engen Gassen und schönen Bürgerhäusern mit schmalen, bunten Fassaden Künstler und Dichter in seinen Bann. Weithin überragt der Säbener Berg das Tal, auf seiner Kuppe thront der ehrwürdige, einst in ganz Tirol sehr bedeutende ehemalige Bischofssitz. Das heutige Kloster der Benediktinerinnen ist zusammen mit den gotischen Kirchen der Stadt, dem Kapuzinerkloster und der mächtigen Burg Branzoll ein stummer Zeuge der einstigen mittelalterlichen Zollstadt. Das kleine Städtchen mit seinen rund 2500 Einwohnern liegt eingebettet in eine malerische Kulisse aus Weinbergen und Kastanienhainen, die von Jahrhunderten der Bewirtschaftung und Tradition erzählen. Es inspirierte Albrecht Dürer zu seinem Kupferstich „Das große Glück“, in dem die griechische Göttin Nemesis auf einer Kugel über Klausen dahinschwebt.
Heute laden zahlreiche kleine, inhabergeführte Geschäfte und modische Boutiquen zum Bummeln und Flanieren entlang der historischen Altstadtmeile ein. Das Angebot reicht vom bunten Blumenladen über traditionelles und modernes Handwerk bis zur hochwertigen Mode und beinhaltet heimische, regionale und fair gehandelte Produkte. In den verschlungenen Gassen Klausens warten traditionsreiche Gasthäuser, in denen schon vor Jahrhunderten Gäste bewirtet wurden, als die Straße vom Brenner nach Süden noch mitten durch die Ortschaft führte. Heute kommt man hier in den Genuss hausgemachter und traditioneller Südtiroler Gerichte sowie mediterrane Spezialitäten.
Mit ihren bunten, historischen Bürgerhäusern und zahlreichen, inhabergeführten Läden bietet die Altstadt von Klausen viele Anreize zum Bummeln und Flanieren.
Öffnungszeiten der Geschäfte
+ Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 19 Uhr Samstag von 9 bis 12 Uhr
www.klausen.it/shopping
Stadtmuseum Klausen
+ Das Museum ist vom 24. März bis zum 3. November von Dienstag bis Samstag von 9.30 bis 12 Uhr und von 15.30 bis 18 Uhr geöffnet. Am Sonntag, Montag und an Feiertagen ist das Stadtmuseum geschlossen.
www.museumklausenchiusa.it
Kostenlose Stadtführungen
+ Jeden Dienstag im Juli, August und September Treffpunkt: Infobüro Klausen, Marktplatz 1, Tel. 0472 847 424