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Südtirol für Anfänger Folge 1: Die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung

Südtirol für Anfänger

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FOLGE 1:

Die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung

E„Ich merke, es geht um kulturelle Identität.“ twa eine Woche, nachdem ich mit meiner Familie nach Südtirol gezogen bin, klingelt es an unserer Haustür. Mein Mann Lorenzo hört sich an, was der freundliche Besucher zu sagen hat, und übersetzt für mich: Es handle sich um eine Art Volkszählung. Ich schlendere zurück Richtung Kinderzimmer, zu unserem Baby. Es sollte nicht allzu lange dauern, bis drei zu zählen. Doch ein paar Minuten später ruft Lorenzo auf Englisch herüber: „Du musst ihm deine Sprachgruppe mitteilen.“ „Sag ihm Englisch. Und ein bisschen Niederländisch“, rufe ich zurück. Er kommt ins Kinderzimmer und erklärt mir geduldig: „Nein, sweetie, es geht nicht darum, welche Sprache du sprichst. Du musst dich entscheiden, zu welcher Sprachgruppe du gehörst.“ Nun bin ich ja grundsätzlich eine sehr kooperative Person. Ich fülle stets voller Enthusiasmus Kundenfragebögen aus und trage an Autogrill-Autobahnraststätten immer mein Tablett mit dem schmutzigen Geschirr zurück. Aber unsere Wohnung steht voller Kisten zum Auspacken. Unsere Tochter will und will nicht einschlafen. Und ich weiß zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe grundlegend für die Südtiroler Gesellschaft ist: Je nach Sprachgruppenzugehörigkeit besucht man hier zum Beispiel die italienische oder deutschsprachige Schule und werden Arbeitsstellen im öffentlichen Dienst vergeben. Mir egal – ich werde langsam ungeduldig, mein Baby quengelt. Aber ich gehe zur Eingangstür: „Okay. Welche Auswahlmöglichkeiten habe ich?“ „A, Deutsch oder B, Italienisch“, erklärt mir Lorenzo. Der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärungsbeauftragte (Ja, ich habe sehr lange gebraucht, um dieses Wort korrekt in die Tastatur zu tippen. Nein, ich kann es beim besten Willen nicht aussprechen) kann unserem Gespräch nicht recht folgen, und ich bin sicher, der Arme will einfach nur sein Kreuzchen in eins der kleinen Kästchen malen und schnell wieder aus dem Haus der verrückten Amerikanerin verschwinden. Aber er sammelt noch einmal seine Kräfte, um die Ehre der ladinischen Minderheit in Südtirol hochzuhalten, und verkündet die für mich absurde, aber in dieser Gegend natürlich sehr wichtige dritte Möglichkeit: „Oder C, Ladinisch.“ Lorenzo, der Verräter, wechselt die Seiten und pflichtet ihm bei: „Ja genau, Ladinisch. Was du ehrlich gesagt genauso gut sprichst wie die anderen beiden Sprachen …“ Ich denke einen Augenblick lang nach – und verkünde stolz meine Sprachgruppe: „D, Sonstige.“ Es folgt eine längere, hitzige Diskussion im Südtiroler Dialekt. Mein Mann überbringt mir mit gequältem Blick die schlechte Nachricht: „Tut mir leid, Sonstige gibt es nicht.“ Ich steige auf die Barrikaden. „Wie kann das sein? Was ist, wenn man weder Deutsch noch Italienisch noch Ladinisch spricht?!“ Die beiden Männer betrachten mich mit einer Mischung aus Mitleid und Verzweiflung. Ich beschließe, der Sache ein Ende zu setzen. „Was hast du denn angegeben?“, frage ich Lorenzo. Er zögert keine Sekunde. „Italienisch.“ Ich bin verwirrt. „Aber deine Muttersprachen sind doch Italienisch und Deutsch.“ „Ich fühle mich aber mehr Italienisch.“ Er sagt es mit seelenruhiger Selbstverständlichkeit.

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