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Surprise-Porträt
FOTO: KLAUS PETRUS
«Mein Name ist Fana Tesfay. Aufgrund meines Aussehens werde ich oft gefragt, ob ich aus Brasilien stamme. Dann sage ich, dass ich stolze Eritreerin bin. Eritrea ist ein sehr schönes Land. Ich hatte dort einen eigenen Kiosk, konnte mit den Leuten plaudern und Kaffee trinken. Doch wegen der angespannten politischen Lage musste ich meine Heimat verlassen. Ich bin vor acht Jahren über Libyen in die Schweiz geflüchtet. Vor dem Krieg war das auch alleine als Frau möglich. Ich habe mich mit sechs anderen Frauen zusammengeschlossen und eine Wohnung gemietet. Über zwei Jahre lebte ich so in Libyen und arbeitete als Putzfrau. Meine Schwester möchte ebenfalls in die Schweiz kommen, aber im Moment ist das zu gefährlich. Man hört immer wieder Geschichten von Frauen, die spurlos verschwinden. Wahrscheinlich werden viele irgendwo auf ihrer Flucht entführt und verkauft.
Fünf meiner sieben Geschwister leben in der Schweiz. Ich bin froh, dass ich hier eine grosse Familie habe. Meine Tochter lebt mit ihrem Mann im Sudan. Da sie bereits achtzehn Jahre alt ist, kann ich sie nicht über den Familiennachzug in die Schweiz holen. Wir telefonieren jeden Tag. Dennoch fehlt sie mir sehr. Es ist quasi ein Glück im Unglück, dass sie im Sudan lebt. So kann ich sie wenigstens besuchen. Seit ich in der Schweiz bin, habe ich das einmal geschafft. Auch mei nen Mann vermisse ich sehr. Er ist vor drei Jahren an einer Zuckerkrankheit gestorben. Ich war damals bereits in der Schweiz, er noch in Eritrea. Ich weiss nicht ge nau, was passiert ist, aber es war anscheinend niemand da, um ihm Insulin zu spritzen. Kurz danach verstarb auch meine Mutter. Ich wäre gerne bei ihnen gewesen, aber ich darf nicht zurück in mein Heimatland, auch nicht bei Krankheits- oder Todesfällen in der Familie.
Ich bin froh, dass ich in der Schweiz leben und arbeiten darf. Hier ist vieles sehr gut. Zum Beispiel liebe ich die Weihnachtszeit. Die ganze Stadt wird so schön dekoriert, und ich kann mit meinen Geschwistern und Nachbarn feiern. Zudem mag ich auch das Essen in der Schweiz, besonders Käse und Lyoner-Wurst. Zwar koche ich zuhause oft traditionelle eritreische Gerichte, ich probiere aber immer auch neue Lebensmittel aus. Ich habe gelernt, mich über solche Kleinigkeiten zu freuen. In der Schweiz fühle ich mich auch genug sicher, um alleine auf die Strasse zu gehen. Ich spaziere gerne durch die Stadt, war schon immer ein Stadtmensch, auch in Eritrea. Ich schätze es, dass es in der Schweiz so ruhig und sicher ist, von der politischen Stabilität bis zur Krankenkasse. Das ist nicht selbstverständlich.
Fana Tesfay, 48, verkauft Surprise in Albisrieden und möchte noch einmal in ihrem Leben einen Kiosk eröffnen.
Seit einigen Jahren arbeite ich als Putzfrau für ein gros ses Unternehmen. Weil ich damit nicht genügend Geld verdiene, verkaufe ich noch Surprise-Hefte. Diese Arbeit erinnert mich an meinen Kiosk in Eritrea. Auch beim Surprise-Verkauf kann ich mit den Leuten schwatzen und Kaffee trinken. Manchmal werde ich von älteren Frauen sogar auf ein heisses Getränk eingeladen. Ich schätze es sehr, dass die Leute hier so nett sind. Oft fragen sie mich nach meiner Geschichte. Dann erzähle ich ihnen von Eritrea, meinem Mann und meiner Tochter. Die Leute reagieren meistens mit grossem Mitgefühl, das spendet mir Trost.
Wenn ich meine Kunden für ein paar Tage nicht sehe, beginne ich sie zu vermissen. Darum werde ich wahr scheinlich auch für Surprise arbeiten, wenn ich irgendwann einen besser bezahlten Job habe. Am liebsten würde ich wieder einen eigenen Kiosk eröffnen. In der Schweiz verkauft man an einem Kiosk jedoch andere Dinge als in Eritrea. Hefte, Blumen und viele kleine Dinge, welche die Leute hier brauchen. Vielleicht könnte ich ja auch Surprise-Hefte verkaufen. So hätte ich verschiedene Leidenschaften in einem Job vereint – lachen, schwatzen, Kaffee trinken und den Kontakt zu meinen Surprise-Kunden pflegen.»
Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren.
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