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Buch


Ein Held aus Papier
Buch Das Bilderbuch «Ein Blatt im Wind» ist eine heiter-melancholische Liebes e rklärung an die Zeitung.
Es ist selten geworden: Das Rascheln von Zeitungspapier in Cafés oder Zügen. Vor allem das der grossen Blätter, in denen zu lesen eine Kunst ist, die Platz beansprucht. Auf Schlagzeilen, Sensationen und kurzes Lesefutter getrimmte Gratiszeitungen im Tabloid-Format und das Flimmern von Tablets und Smartphones haben überhandgenommen. Und auch wenn sich das Medium Zeitung trotz schwindender Auflagen noch hält, so hat es doch etwas Nostalgisches an sich.
Doch ganz abgesehen von der Diskussion um Wert und Bedeutung von Zeitungen, um Inhalt und Relevanz – eine Zeitung kann noch mehr sein als bedrucktes Papier. Daran erinnert uns das Bilderbuch «Ein Blatt im Wind» des kolumbianisch-argentinischen Autorenduos José Sanabria und María Laura Díaz Dominguez. Das Buch erzählt eine heiter-melancholische Geschichte, in der eine Zeitung höchstselbst der Protagonist ist. Ein Held aus Papier, der mit vielen anderen an einem etwas unwirtlichen Ort geboren wird und in die grosse Welt aufbricht. Doch während all seine Geschwister schon bald über die Kiosktheke hinweg ihre übliche Bestimmung finden, wird unser Held von einem Wind erfasst, seine Seiten flattern auseinander und treten jede für sich eine Reise an.
Es sind lauter kleine Abenteuer, die vor uns aufblättern. Manches, was die Blätter erleben, mag rein praktischer Na- tur sein, anderes ist dafür umso poetischer. Denn die Zeitungsseiten dienen nicht nur zum Putzen, Auslegen und Einwickeln. Natürlich kann man sie auch falten, zum Schiffchen oder zur bunt gefleckten Malermütze. Oder Schutz darunter finden, wie etwa ein Liebespaar im Schneegestöber (welches Tablet oder Smartphone wäre dazu in der Lage?). Die Seiten trösten und wärmen, begegnen Freude und Leid. All das gesehen aus den Augen der Zeitung selbst, die dabei immer auch auf der Suche nach ihrer eigentlichen Bestimmung ist. Zu guter Letzt findet sie diese auch. Und macht durch eine Nachricht einen Mann so glücklich, dass er – wie «ein Blatt im Wind» – beflügelt abhebt.
Mit diesem bunten Geschichtenreigen und den farben - reichen Illustrationen, die Anklänge an die naive Malerei haben, liest sich «Ein Blatt in Wind» wie eine Liebeserklärung an das Medium Zeitung. Eine Liebeserklärung, die an Kindheitserinnerungen anknüpft, an eine Zeit, in der Zeitungen über ihren Inhalt hinaus die Fantasie beflügeln konnten. CHRISTOPHER ZIMMER
FOTO: ZVG
José Sanabria, María Laura Díaz Dominguez: Ein Blatt im Wind NordSüd 2018 CHF 23.90