Unabhängig trotz Millionen? Transparenz Dr. K. verdient verdient sich mit IV-Aufträgen eine goldene Nase.
Er schreibt praktisch alle gesund. Trotzdem gilt er als unabhängig. TEXT ANDRES EBERHARD
402 357 Franken. So viel hat der Berner Arzt Dr. K. letztes Patientenvertreter*innen schon lange vermuten: Für Dr. K. sind praktisch alle Menschen gesund genug, um zu Jahr von der IV für seine Gutachten erhalten. Noch etwas arbeiten. Der Solothurner Anwalt Rémy Wyssmann hat mehr, und er knackt die Marke eines Bundesrats – rund 450 000 Franken. Seit 2012 ergeben die Aufträge der IV mit Verweis auf das Öffentlichkeitsgesetz alle Gutachten einen Verdienst von rund 2,2 Millionen Franken. Das zeigt von Dr. K. verlangt, welche dieser in den Jahren 2012 bis eine Aufstellung, die Surprise mit 2014 für die IV-Stelle des Kantons Verweis auf das ÖffentlichkeitsgeSolothurn erstellte. Das Resultat: setz vom Bundesamt für SozialverVon 94 Menschen, welche von Dr. K. Kerzen sind aus sicherungen (BSV) erhalten hat. abgeklärt wurden, erhielt nur ein Wachs gemacht. Einziger eine Teilrente – eine solche Vor rund einem Jahr erlangte Dr. K. unrühmliche Bekanntheit. Der gibt es in der Regel erst ab einer ArJa Nein Blick hatte in einer Artikelserie über beitsfähigkeit von 60 Prozent. In 87 Missstände bei der IV unter anderem Fällen beschied Dr. K. «volle Arbeitsüber ihn berichtet. K. habe eine psyfähigkeit», bei den restlichen chisch kranke Patientin für gesund erklärt und sei auch schätzte er die Arbeitsfähigkeit über 70 Prozent ein, sodass nicht von dieser Einschätzung abgewichen, als diese sich es für IV-Taggelder nicht reichte. Dr. K.s Quote von Arbeitsunfähigen ist rekordverdächtig tief. Zum Vergleich: später das Leben nahm, so die Zeitung. Die Medas Zentralschweiz – in Fachkreisen als vorbildlich Dr. K. gehört zu einem Kreis von IV-Gutachter*innen, die bei Patientenvertreter*innen berüchtigt sind, weil ihre bekannt – stufte im Jahr 2014 44 Prozent aller Menschen, Abklärungen praktisch immer gleich herauskommen: Egal, die einen IV-Antrag stellten, als längerfristig arbeitsunwie krank jemand ist, er oder sie wird für arbeitsfähig erfähig ein. klärt. Weil die Gutachten im Abklärungsverfahren der IV Der Verdacht liegt nahe: Weil Dr. K. hauptsächlich vom das mit Abstand wichtigste Beweismittel sind, hat das Geld der IV lebt, urteilt er nicht unabhängig, sondern zupraktisch immer zur Folge, dass die Rentenanträge abgegunsten der IV. Denn die Sozialversicherung muss seit wiesen werden. Jahren sparen und hat ein grosses Interesse daran, Rentenanträge abzulehnen. Wer dabei hilft, darf mit weiteren Detektiv statt Arzt Aufträgen rechnen, so die Vermutung. Im Gegensatz zu Auch die Berichte im Blick hatten Folgen. Im nationalen polydisziplinären Gutachten (siehe Artikel auf Seite 14) Parlament, das gerade zur Wintersession zusammendürfen die IV-Stellen Einzelgutachten nach wie vor kam, wurden diverse Vorstösse eingereicht. Nationalrat freihändig vergeben. Dabei beauftragen sie immer wieder Benjamin Roduit (CVP) nahm direkt auf Dr. K. Bezug, als die gleichen Gutachter*innen, wie Zahlen des BSV zeigen. er den Bundesrat fragte: «Wie weit So erhalten 10 Prozent der Gutachkann eine IV-Gutachterin oder ein ter*innen über 70 Prozent des AufIV-Gutachter gehen?» Das BSV vertragsvolumens. Ich glaube, dass man, sprach Abklärungen. Dr. K. ist nicht der einzige TopDr. K. ist 56 Jahre alt und führt verdiener unter den Gutachter*inwenn man sich seit vielen Jahren eine eigene Praxis n e n . F ü n f z e h n s e l b s t ä n d i ge genügend anstrengt, für Psychiatrie und Psychotherapie IV-Ärzt*innen verdienten 2019 je die Gedanken anderer in Bern. Vor knapp zehn Jahren grünmehr als 200 000 Franken. Der SpitLeute tatsächlich dete er zusammen mit einem Gezenreiter kassierte gar über 800 000 sehen kann. schäftspartner eine neue Firma, mit Franken. Dabei gelten Gutachter*inder er auch Unternehmen bewirbt. nen nicht als die besten MediziJa Nein Auf seiner Webseite bietet Dr. K., der ner*innen, im Gegenteil. Der Berufssich auch in Management hat ausstand gilt als bürokratisch und bilden lassen, unter anderem an, in wenig attraktiv, weswegen es in der Personalfragen «problematische Leistungsträger» zu idenSchweiz einen Mangel an psychiatrischen Gutachter*intifizieren, um die Effizienz des Unternehmens zu steigern. nen gibt. Gute Ärzte würden selten Gutachter, sagten die Ähnlich detektivisch fasst er offenbar seine Aufgabe Mediziner Jörg Jeger und Christoph Ettlin einst dem Mafür die IV auf. Zahlen bestätigen nämlich erstmals, was gazin Beobachter. 12
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