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­ eschränkter öffentlicher Nutzung b ­(PmböN). Insbesondere wird darauf hin­ gewiesen, dass es sich nicht um einen Spiel- und Sportplatz, sondern um einen Ort der Begegnung für jedermann handle. Die Bänke dienten zum Verwei­ len und nicht als Hindernisse für Roll­ brett-Akrobatik. Rollbrettfahren ist oh­ nehin nicht erlaubt. Das ist einerseits verständlich, andererseits kleinlich. Na­ türlich können Rollbretter einen or­ dentlichen Krach veranstalten, doch ist gerade diese Umnutzung architekto­ nischer Elemente kreativer Akt, Training und Mutprobe in einem. Solchen Unfug zu veranstalten gehört nun mal zur ­Jugend. «Skateboarding is not a crime» hiess vor Jahrzehnten ein Slogan, der ­offenbar noch immer umstritten ist.

Tour de Suisse

Pörtner in Worb Surprise-Standort: Bärenzentrum Einwohner*innen: 6291 Sozialhilfequote in Prozent: 4,8 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 17,0 «Dr schnäuscht Wäg nach Worb»: TV-Sketch aus 1954 mit Ernst Mischler und Karl Streuer über das blaue Bähnli

«Dr schnäuscht Wäg nach Worb» wurde einem ja schon unzählige Male erklärt, und tatsächlich ist er noch immer zu fin­ den, via Kirchenfeldbrücke, Thunstrasse, Gümligen und dann immer der Worb­ strasse entlang. Allerdings ist es an die­ sem Tag auch der heisseste Weg nach Worb, auf einem Klappvelo über den neuen, schwarzglühenden Asphalt, auf dem an engeren Stellen gelb «Velo» ­gesprayt ist. Besser wäre man zu Fuss gegangen oder hätte das blaue Bähnli ge­ nommen, das inzwischen die blau-rote Tramlinie 6 ist. Oder ein oranges Bähnli. Der Bärenplatz ist heiss und leer. Viel wird orakelt über das Sterben der Innen­ städte und der Flaniermeilen. Weniger Mutmassungen werden über die Zukunft dieser klassischen Grossverteiler-Post­ filiale-Coiffeursalon-Optiker-Apotheke-­ Surprise 485/20

Zentren auf dem Land geäussert. Sie wurden in den 1980er- und 1990er-Jah­ ren auf dem Reissbrett eines ansäs­sigen Architekturbüros entworfen, ver­ sprachen Leben und Schwung ins Dorf zu bringen. Heute sind sie zu alt, um ­modern zu sein, aber noch nicht alt ge­ nug, um nostalgische Gefühle zu wecken. So stehen sie irgendwie etwas schief in der Landschaft, raumplanerische Ver­ sprechen, die nicht so richtig eingelöst wurden. Es will keine rechte Stimmung auf­ kommen, die eingetopften Bäume und Blumen laden nicht wirklich zum Ver­ weilen auf den originell gestalteten Bän­ ken ein. Ein Plakat liefert die Erklärung, warum hier, dem Namen zum Trotz, nicht der Bär boxt. Beim Bärenplatz han­ delt es sich um einen privaten Platz mit

Es scheint das Dilemma der ländlichen Gemeinden, die um Familien mit Kindern werben und dann auf einmal mit einem Haufen Jugendlicher konfrontiert sind, mit denen niemand etwas anzu­ fangen weiss, ehe sie in die Stadt ziehen und vielleicht später mit der eigenen Fa­ milie zurückkehren. Immerhin gibt es eine Jugendarbeit, die sich in einem alten Bauernhaus am Rand des Dorfes befindet. Sport und Spiel kann im nahegelegenen Wislepark gefrönt werden, einer Badi mit allem Drum und Dran, die im Winter auch als Eisbahn dient. Auf dem Weg zur Badi kann vor der Voliere der Gemeinde und Kleintierfreunde Worb verweilt und einer Schar von Sittichen und anderen Vögeln gelauscht werden. Weiter vorne befindet sich ein neuer kleiner Platz mit Discounter und Polizeiposten, viel­ leicht eine Konkurrenz zum Bärenplatz. Rollbrettakrobatik ist aber auch hier keine zu sehen.

STEPHAN PÖRTNER  Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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