Surprise 486/20

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Ein tolles Land sei die Schweiz, sagt Idris Niazi. Sorgen macht er sich über den Rassismus.

Angekommen Der damals 17-jährige Idris Niazi trieb während seiner Flucht aus Afghanistan im östlichen Mittelmeer, sass wegen geschlossenen Grenzen monatelang fest. Ende 2016 ist er in der Schweiz angekommen – und heute sehr zufrieden. TEXT  BENJAMIN VON WYL FOTO  OLIVIER VOGELSANG

Idris Niazi tritt in seine erste eigene Wohnung bei Vevey am Genfersee. Aber das Seeufer ist weit weg, und anders als einst Charlie Chaplin hat Niazi keine Sicht auf die französischen Alpen, sondern bloss auf eine Autogarage. Niazi gefällt es. Kürzlich hat er die Wohnung einem Freund, der weniger Platz hat, für dessen Geburtstagsparty überlassen. Der heute 21-Jährige ist glücklich mit der Zweizimmerwohnung samt Galerie ganz für sich alleine. Schuhe abziehen. Fast in der ganzen Wohnung sind Teppiche ausgelegt. Nur oben, gegenüber dem breiten Flachbildfernseher, steht eine Polstergruppe. «Die ist nur für Gäste», sagt Niazi und setzt sich auf den Teppich, nimmt die Fernbedienung und startet einen Film über 16

ein riesiges Kreuzfahrtschiff auf Youtube. Kletterwand, Schlittschuhbahn, Sushi-Restaurants – auf diesem Schiff scheint es alles zu geben. Niazi ist begeistert: «Wenn du dort Minigolf spielst, merkst du gar nicht, dass du auf einem Schiff bist!» Eines Tages vielleicht, falls er es sich leisten kann, will er selbst so verreisen. «Ich bin auch mit einem Schiff gekommen», erzählt er, «aber nicht so eines.» Das war von Kos nach Athen. «Wir waren im Wasser, zu zehnt. Da hat uns ein Schiff mitgenommen. Es war Glück, viele Menschen sind umgekommen.» Ende 2015 ist Niazi in Afghanistan losgezogen. Über den Iran in die Türkei gekommen, in der Ägäis fast ertrunken. Von den griechischen Inseln gelangte er mit der Surprise 486/20


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