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Alle Jahre wieder die Krankenkasse wechseln? Der moderate Anstieg der mittleren Krankenkassenprämie für das Jahr 2021 um 0,5 Prozent ist eine Schlagzeile wert. Sie macht darauf aufmerksam, dass der Herbst ins Land gezogen ist. Jetzt rufen sie wieder an. Die Leute aus den Call Centern erinnern uns daran, dass es an der Zeit ist, die Krankenkasse zu wechseln, wenn es für die Grundversicherung günstigere Angebote gibt. Man hofft, so bei den Ausgaben für die Krankenversicherung zu sparen, sicher ist das aber nicht. Denn die Krankenversicherung hat es in sich.

das, dass man die ersten 1000 Franken an den anfallenden Ausgaben bei Krankheit selber zahlen muss, bei der maximalen Franchise von 2500 Franken sind dies sogar 3200 Franken. Nicht alle können dieses Risiko eingehen, auch wenn man dadurch bei der Kopfprämie sparen kann. 20 Prozent der Haushalte geben an, dass sie eine unerwartete Rechnung von 2500 Franken nicht begleichen könnten, bei Alleinerziehenden sind es sogar bei 48 Prozent. Diesen Haushalten ist die freie Wahl des Versicherungsmodells faktisch verwehrt. Gehen sie das Risiko trotzdem ein und kommt es zu einem teuren Krankheitsfall, droht eine finanzielle Überforderung. Schliesslich muss man sich bei der Wahl der Krankenversicherung auch um die Abrechnungsmodalitäten kümmern. Vor allem günstige Kassen lassen ihre Versicherten die Rechnungen für medizinische Behandlungen vorschiessen. Auch das kann zu finanziellen Engpässen führen, wenn man auf keine Reserven zurückgreifen kann und die Rückvergütung durch die Krankenkasse auf sich warten lässt.

Da ist zunächst die Kopfprämie. Sie richtet sich nicht nach dem Lohneinkommen wie andere Sozialversicherungen, sondern hängt vom Wohnort, der Wahl der Krankenversicherung und Versicherungsmodells ab. Da kommen dann beträchtliche Unterschiede zwischen den Anbietern zum Vorschein, obwohl im Kern alle das gleiche Produkt anbieten, nämlich die Abgeltung der Behandlungskosten im Krankheitsfall. Die Kopfprämie bringt viele Haushalte in Schwierigkeiten, in der Corona-Krise noch mehr als vorher. Die kantonalen Prämienverbilligungen helfen da ein bisschen, die Belastung bleibt aber für viele armutsgefährdete Haushalte zu hoch.

Diskussionen um die Krankenversicherungen sind verstummt. Wiederholt hat das Stimmvolk zu einer Einheitskasse und zu einem Wechsel von der Kopfprämie zu einer einkommensabhängigen Prämie Nein gesagt. So bleibt nur der jährliche Wechsel der Krankenkasse zur Optimierung der selbst zu tragenden Gesundheitskosten. Nach Schätzungen von comparis.ch könnte eine Million erwachsene Versicherte ihre Prämienlast im nächsten Jahr um mehr als 40 Prozent reduzieren. Doch längst nicht alle werden dies tun.

Etwas Entlastung kann die richtige Wahl der Franchise bringen. Zur Franchise kommt allerdings noch ein Selbstbehalt von 10 Prozent (bis zu einer maximalen Höhe von 700 Franken). Wählt man die tiefste Franchise von 300 Franken, so bedeutet

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL  ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Mittlere Jahresprämie in Franken pro versicherte erwachsene Person (ab 26 Jahren) pro Jahr für die ganze Schweiz

4488

4500

2020

2021

4373

4476

3734 2014

2019

3661 2013

4224

3633 2012

3866

3563

3124 2009

2011

3113 2008

3377

3148 2007

3001 2005

3120

2945

2353 2001

2004

2257 2000

2768

2190 1999

2554

2142 1998

2000

2024

3000

2006

4000

4040

5000

1000

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2018

2017

2016

2015

2010

2003

2002

0 1997

INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR GESUNDHEIT: PORTAL STATISTIK DER OBLIGATORISCHEN KRANKENVERSICHERUNG, BERN.

Die Sozialzahl

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