3 minute read

Moumouni

Next Article
Surprise-Porträt

Surprise-Porträt

Was bedeutet eigentlich ...?

Asyl

Dass Verfolgte in der Schweiz Zuflucht suchen, ist nichts Neues: Schon Hugenotten aus Frankreich, Soldaten aus dem Deutsch-Französischen Krieg sowie Revolutionäre aus ganz Europa kamen hierher. Nach der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention 1951 nahm der Bundesrat zahlreiche Flüchtlinge aus Ungarn, Tibet und der Tschechoslowakei auf. Die «humanitäre Tradition» gilt darum als Teil der nationalen Identität. Allerdings hat die Schweiz seit jeher auch Geflüchtete ausgeschlossen. Vor und während des Zweiten Weltkriegs wurden Tausende jüdische Menschen abgewiesen.

Das erste Schweizer Asylgesetz von 1981 war von Offenheit gegenüber Schutz suchenden Personen geprägt. Danach wurde das Gesetz zunehmend verschärft. Ein Grund war, dass die Anzahl Gesuche stieg und damit auch die Angst, die «Aufnahmefähigkeit» der Schweiz sei bedroht. Seit Ende der 1990er-Jahre ist die Zahl der Gesuche rückläufig; mit Ausnahme eines kurzzeitigen Anstiegs zurzeit der grossen Flüchtlingsströme nach Europa: 2015 gingen 39 500 Gesuche ein. Bis 2020 sank diese Zahl auf rund 11 000.

Das Schweizer Asylwesen ist in den letzten vier Jahrzehnten bürokratisiert, verrechtlicht und politisiert worden. Nun soll das Asylverfahren beschleunigt werden. Dazu trägt das Konzept der «sicheren Herkunftsstaaten» bei. Bei Menschen aus diesen Ländern wird davon ausgegangen, dass sie nicht verfolgt werden. Zudem sollen 60 Prozent der Gesuche in Zentren des Bundes innerhalb von 140 Tagen abschliessend behandelt werden. Die restlichen Asylbewerber*innen werden für vertiefte Abklärungen den Kantonen zugeteilt. EBA

Christin Achermann: Asyl. Wörterbuch der Schweizer Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020.

Vor Gericht

Kuscheljustiz für Superreiche

Gerade ringen die Räte in Bern um die Sanierung der AHV. Gelingen soll dies mit einer Mehrwertsteuererhöhung, vor allem aber mit der Anhebung des Frauenrentenalters auf 65. Gewerkschaften und Frauenorganisationen sind empört und Mitte-Ständerat Beat Rieder erinnerte anlässlich der Debatten daran, dass eigentlich die soziale Umverteilung Kern der Altersvorsorge sei. Weshalb die Lösung doch eher wäre, vermögendere Schichten stärker zur Kasse zu bitten, etwa mit der Besteuerung von Börsengeschäften. Als «geradezu revolutionär» kommentierten Medien diese Idee.

In der Umsetzung dürfte das einen schweren Stand haben. Sozialbetrug der Ärmeren ist ein Schwerverbrechen, Steuerhinterziehung der Reichen ein Kavaliersdelikt. Wie tief diese Mentalität in der Schweiz verankert ist, zeigt ein Blick in die Geschichte: 1944 liess die eidgenössische Steuerverwaltung in einem Merkblatt zu einer Steueramnestie rundheraus verlauten: «Die Steuermoral ist ein leidiges Kapitel; wollte man die geistige Gesundheit und Widerstandskraft unserer Eidgenossenschaft danach beurteilen, so stände es bös um unsere Aussichten.» Die Steuerhinterziehung sei ein nationales Übel, sie habe leider ein gewisses Bürgerrecht erlangt.

Die Aussichten haben sich seither nicht verbessert. Dieses «Bürgerrecht» übt der Besitzer des Zürcher Edelhotels Dolder Grand, Financier und Kunstsammler Urs E. Schwarzenbach aus wie einen Sport. Bereits vor einigen Wochen war sein Fall von Steuerhinterziehung Thema in diesen Spalten. Inzwischen hat das Bezirksgericht Zürich das Urteil gefällt: Es sei erwiesen, dass der Beschuldigte über achtzig Kunstwerke – alles nur vom Feinsten: Picassos, Miros, Warhols – wissentlich und willentlich als Kommissionsware einer Galerie im Verlagerungsverfahren importieren liess, um damit zu verhindern, dass er bei einer Einfuhr jeweils eine Einfuhrsteuer schuldete. Die Bilder habe er gar nie verkaufen wollen.

Während nun das Gesetz bei Sozialhilfebetrug mehrjährige Freiheitsstrafen vorsieht, bei Ausländer*innen gar die Landesverweisung, kennt das Mehrwertsteuergesetz bei der Steuerhinterziehung als einzige Sanktionsmöglichkeit die Busse. Also: Nicht einmal eine Geldstrafe, kein Eintrag ins Strafregister. Ganz günstig kommt es Schwarzenbach nicht: 6 Millionen Busse und Nachzahlung der Einfuhrsteuern von 11 Millionen Franken sowie Zinsen von 2,5 Millionen.

Nicht, dass er die Zeche begleichen würde – Schwarzenbach zieht das Urteil weiter, wohl bis vor Bundesgericht. Schon früher versuchte die Zahlungsstelle des Steueramts des Kantons Zürich bei ihm 162 Millionen einzutreiben. Zu Recht, wie das Bundesgericht in jenem Fall letztes Jahr bestätigte. Der 72-jährige Milliardär aber, der sein Vermögen im Devisenhandel machte und stets auf der Liste der 300 reichsten Schweizer verzeichnet ist, macht geltend, dass ihm dies leider nicht möglich sei: als «armer AHV-Bezüger», dem es im Grossen und Ganzen sehr schlecht gehe. Zum Weiterprozessieren scheint es aber bestens zu reichen. Allein für diese Arroganz sollte man ihn ins Gefängnis stecken dürfen.

YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.

This article is from: