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Verkäufer*innenkolumne

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Corona

Corona

Im Augenblick das Nichts

Wer kennt die Lehre der Achtsamkeit nicht? «Das ist eben die Eigenschaft der wahren Aufmerksamkeit, dass sie im Augenblick das Nichts zu allem macht», schreibt J.W. Goethe (1749–1832). So zu leben, das müsste doch einfach sein, gerade in dieser Krisen-Corona-Zeit. Nur heute, hier, jetzt. Keine Überlegungen, wie es wohl weitergehen wird.

Es geht weiter, das ist gewiss. Im Moment ist es einfach schwer, die Realität zu ertragen. Das Wetter ist schlecht, die Leute sind trostlos (fast alle), die vielen Angebote zur Zerstreuung sind geschlossen, abgesagt. So ist man gezwungen, mit sich selber auszukommen. Das Denken für einmal zur Seite schieben, jede Handlung ganz bewusst erledigen, nach Buddha: «Jede aufmerksame Handlung, jeder achtsame Schritt führt unweigerlich zum Erwachen. Wo du gehst, bist du.» Diese Lebensweisheit muss ich mir noch an die Wohnungstür hängen, damit ich auch sicher in diesem Jahr keine Unfälle mehr erleben muss. Zuerst stolperte ich im Dunkeln über den eigenen Stubentisch, kurz danach verpasste ich auf der Treppe eine Stufe. Zwei gebrochene Füsse reichen mir für lange Zeit.

Nun sitze ich noch öfter zuhause, ich muss warten, bis es taut, bevor ich dann wieder regelmässig zur Haustür hinaus kann oder muss. Manchmal bin ich durch das viele Zuhause-Sitzen recht antriebslos. Dabei sollte ich doch zufrieden sein, da ich die Corona-Problematik bis heute kaum als Belastung erlebt habe. Nun mache ich jeden Morgen zehn Minuten Achtsamkeitsübungen, nur dasitzen, die Augen schliessen, nach innen gehen, versuchen, sich zu spüren, des Atems bewusst werden und dann bis in die Zehenspitzen und Fingerkuppen nachfühlen, ob alles heil ist. Nach dem Mittag mal noch zehn Minuten meditieren wäre dann der zweite Schritt, das klappt aber oft noch nicht.

Yoga im Sitzen wäre auch sehr gut für mich. Nur vergingen pro Woche fünf bis sieben Tage, an denen ich das Bedürfnis nach Dehnung und Bewegung einfach ignorierte. Das ist ein mir bewusstes persönliches Problem, da ich mich in meinem Körper einfach nicht wohlfühle. Inzwischen gehören 30 Minuten Yoga und Achtsamkeitsübungen aber zu meinem Tagesbeginn. So lerne ich, achtsamer mit mir zu umzugehen.

KARIN PACOZZI, 54, verkauft Surprise in Zug. Und sie liest sehr viel – von Sokrates, Euklid und Konfuzius über Goethe bis zu Hermann Hesse und James Joyce (der ja in Zürich begraben liegt). Im Speziellen gibt sie Ernest Hemingway mit seinem erzählerischen Eisbergmodell recht: Was in einer Kurzgeschichte erzählt wird, ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Wesentliche liegt darunter.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

Moumouni …

… will mehr Modegesetze!

Haben wir den Extremismus mit der sogenannten Burkainitiative nicht ein wenig extrem gestoppt? Grad mit einem Verbot? Und das in der freiheitsliebenden Schweiz? Wenn man SVPParteichef Marco Chiesa glaubt (der seinen ParteiPapa Christoph Blocher beeindrucken will, indem er ihm nachplappert), dann leben wir sowieso schon in einer Diktatur.

Man muss aber sagen: Wenn es um Mode geht, wäre das gar nicht so schlecht. Die Abstimmung zum Verhüllungsver bot war quasi der Traum einer jeden Modeikone. Wir haben gezeigt: Über Mode lässt sich streiten. Und wer sich mit Mode auskennt, weiss: Mode MUSS abschliessend diskutiert werden, sonst kommt sie immer wieder. Und deshalb war es wohl richtig, das mit dem Niqab grad in die Verfassung zu schreiben. Ich meine, welcher Modeschöpfer kennt es nicht, kaum liegt man im Grab, wird die Jogginghose zum Trend – obwohl man doch gesagt hat, dass sie hässlich und untragbar ist. Das kann mit dem Niqab jetzt einfach nicht mehr passieren. Ich persönlich hätte gesagt, dass die Gefahr, dass Arschgeweihe wieder trendy werden, etwas grösser ist als die, die von Gesichtsschleiern ausgeht. Einfach, falls es jetzt dann mit dem Kopftuch weitergehen soll. Stopp! Kümmern wir uns erstmal um die wirklich wichtigen Dinge!

Wer in den 1990er und 2000erJahren bei Sinnen war, wird wissen: Wir hätten damals schon abstimmen sollen. Schon vor spätestens fünfzehn Jahren. Damit wir als Gesellschaft entscheiden: Netzhemden? Latzhosen? Buffalos? Absolute NoGos. Wehret den Anfängen. Extremismus stoppen! Früh genug! Ist ja nahezu die Steigerungsform von Demokratie: per Volksentscheid durchgesetzte Kleidervorschriften! Der nächste Schritt sind weitere Kleidervorschriften, die etwas genauer definieren, was für eine Gesellschaft wir sein wollen. Als ehemalige EthnologieStudentin glaube ich zum Beispiel, dass Goahosen nicht tragbar sind. Das wirft ein problematisches Licht auf die seriöse Arbeit von Ethnolog*innen. Wer soll uns jemals wieder ernstnehmen, zum Beispiel bei der ernsthaften Aufgabe des Schädelausmessens?

Oder das Problem mit den Deutschen! Ganz einfach lösbar mit einem Verbot der Kombination «weisse Socken und Birkenstocks» – Extremismus stoppen. Jetzt.

Motorradhelme! Das Problem mit den vielen, vielen Verkehrsunfällen in unserem Land! Ein Verbot von Motorradhelmen würde helfen! Das ist nämlich die Kluft von Verkehrsrowdys. Wenn wir Motorradhelme stoppen, werden die Strassen wieder sicherer, glauben Sie mir.

Weiter: Speedos. Wenn man mich fragt, sind Speedos, diese knappen Schwimmunterhosen – meist in radikalem Rot, aber auch anderen Farben vertreten –, der Ursprung allen Übels. Männer, die sich zu wohl in ihrem Körper fühlen. In der Verhüllungsdebatte wurde klar: Es gibt ein Recht darauf mitzubestimmen, was man vom Gegenüber sehen will und was nicht. Etliche Kommentare versuchten so etwas wie einen Schweizer Grundsatz festzulegen, wie viel man denn nun mindestens sehen dürfen muss vom Körper einer Frau. «In diesem Land schaut man sich ins Dekolleté», war die Devise. Nun ist jedoch die Frage: Wie tief? Wo hört das Verhüllungsverbot auf? Ich würde sagen: allerspätestens da, wo man nicht mehr weiss: Sind das noch Bauchhaare oder schon Schamhaare? Deshalb: Extremismus stoppen! Speedo Verbot an öffentlichen Badeorten jetzt!

FATIMA MOUMOUNI

wünscht sich weiter ein entschiedenes Auftreten der Schweiz gegen modische Fauxpas!

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