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Opioid-Krise

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Surprise-Porträt

Surprise-Porträt

Elend und Alltag sind auf den Strassen von Tenderloin manchmal dasselbe.

Balázs Gárdi

Der Fotograf der Bildstrecke aus dem San Franciscoer Stadtteil Tenderloin stammt ursprünglich aus Ungarn, pendelt aber schon seit langem zwischen San Francisco, Los Angeles und New York hin und her. Seine Arbeiten wurden mehrfach mit Fotopreisen ausgezeichnet. balazsgardi.com

Menschen, die reglos am Strassenrand liegen

Opioid-Krise Ende des letzten Jahres rief die Regierung von San Francisco in einem Stadtviertel den Notstand aus. Der Grund: Fentanyl. Ein Besuch in Tenderloin.

TEXT SEBASTIAN SELE

San Francisco

Tenderloin – ein knapp ein Quadratkilometer grosses Quartier, nur wenige hundert Meter von den Sehenswürdigkeiten in San Franciscos Innenstadt entfernt: von Chinatown, dem imposanten Theatre District und den Hochhäusern des Union Square. Seit Jahrzehnten gilt der Stadtteil als sozialer Brennpunkt, wo Armut und Obdachlosigkeit, Gewalt und Drogenkonsum aufeinandertreffen. Während der Pandemie ist das Elend hier in einem Ausmass weiter eskaliert, dass London Breed, die liberale Bürgermeisterin der Stadt, im Dezember 2021 den Notstand ausrief. Dabei war sie zunächst noch für «defund the police» eingestanden, also die Kürzung des Polizeietats. Breeds Büro liegt gleich neben dem Tenderloin, das Chaos auf den Strassen des Quartiers sei «völlig ausser Kontrolle» geraten, so die Bürgermeisterin. Drogenhandel. Drogenkonsum. Drogentote. «Wir verlieren mehr als zwei Personen pro Tag an Überdosen», sagte der Fachverantwortliche in Breeds Stadtregierung. Den Grund dafür benennt er klar: Fentanyl.

Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das naturbasierten Opiaten wie Morphium ähnelt, aber mindestens 50-mal stärker ist. Seit einigen Jahren rollt eine regelrechte Welle über die USA, die Medien sprechen von der Opioid-Krise. Die Statistiken weisen so viele Drogentote auf wie nie zuvor, deutlich mehr als die Hälfte davon sind auf Opioide wie Fentanyl zurückzuführen. Ungewöhnlich ist, dass auch die Mittelschicht stark betroffen ist. Die Ursachen sind vielschichtig – für die hohe Verfügbarkeit der Opioide machen manche eine der reichsten Familien der USA dafür verantwortlich, andere lieber eines der mächtigsten Drogenkartelle der Welt.

Eine halbe Million Tote seit 1999

Die Sackler-Familie, Inhaberin von Purdue Pharma, hat ihr Vermögen grösstenteils durch den Verkauf des Medikaments OxyContin angehäuft. Dieses schmerzstillende Opioid wurde nach der Markteinführung 1996 aggressiv vermarktet. Ärzt*innen wurde empfohlen, es möglichst oft zu verschreiben, beispielsweise nach Arbeitsunfällen. Das Präparat hat eine hohe Sucht-

gefahr, weshalb eine enge Begleitung durch die verschreibenden Mediziner*innen angezeigt gewesen wäre. Im deregulierten Arbeitsmarkt der USA, wo die Menschen oft nicht krankenversichert und zudem auf eine schnelle Rückkehr in den Job angewiesen sind, legte man darauf keinen Wert. Seit 1999 sind mehr als eine halbe Million Menschen an Opioiden gestorben. «Vor der Einführung von OxyContin hatten die USA keine Opioid-Krise», schreibt Patrick Radden Keefe, Autor einer Publikation über die Sackler-Dynastie, «nach der Einführung schon.»

Inzwischen haben fast alle der 50 US-Bundesstaaten Verfahren gegen die Sackler-Familie eröffnet, deren Mitglieder ihre Schuld vor Gericht jedoch nicht eingestehen. Die Familie bot stattdessen an, sich mit acht bis zehn Milliarden US-Dollar aus dem Unternehmensvermögen aussergerichtlich zu einigen. Infolge einer dieser Einigungen erklärten sie ihr Unternehmen Purdue Pharma kurzerhand als bankrott. Sie kündigten eine Spende von drei Milliarden US-Dollar aus ihrem Privatvermögen an Betroffene der Opioid-Krise an. Das Vermögen der Familie umfasste anschliessend immer noch rund 10,8 Milliarden US-Dollar.

Aber vermehrt kümmern sich auch die mexikanischen Drogenkartelle um die Nachfrage nach Opioiden – in erster Linie das weltbekannte Sinaloa-Kartell und das paramilitärisch auftretende Kartell Jalisco Nueva Generación. Sie importieren die Rohstoffe für die Herstellung von Opioiden aus China, wo es mehrere Hunderttausend illegale bis semi-legale Chemiefabriken geben soll. Die Chemikalien werden in der Wüste nahe der US-mexikanischen Grenze zu einer Paste eingekocht und anschliessend über die Grenze geschmuggelt. Manche Expert*innen gehen davon aus, dass weltweit bald mehr synthetische als naturbasierte Drogen im Umlauf sein werden. Die USA sind einer der grössten Märkte.

Eine Strassenecke im Tenderloin. «Hast du Feuer?», fragt ein Mann. In der rechten Hand hält er eine Crackpfeife, für seine leere Linke sucht er etwas zum Zünden. Es fällt ihm schwer, konzentriert zu bleiben. Der Mann möchte seinen richtigen Namen nicht in Zeitungen lesen, er heisst darum James. James kam erst vor Kurzem nach Tenderloin. Geboren wurde er in Irland, aufgewachsen ist er im Umland San Franciscos, der Bay Area. 2014 habe er sich das Bein gebrochen und anschliessend vier Jahre lang Medikamente gegen die Schmerzen genommen, erzählt James. Wie Abertausende andere sei er dadurch in die Abhängigkeit gerutscht. Er erzählt vom Fentanyl, das kam, und vom Heroin. Immer wieder habe er sich gesagt, dass er morgen aufhören werde, und immer wieder seien aus dem Morgen Wochen geworden. Doch dann, irgendwann, der Durchbruch. Endlich clean.

Ersatz für Liebe, Wärme, Geborgenheit

James erzählt weiter, vom Haus, das er hatte, von seinem Auto, dem guten Einkommen. Noch heute sieht er gepflegter aus als viele andere hier auf der Strasse. Wären da nicht die verbrauchten Augen und die Konzentrationsschwäche, man könnte meinen, er käme aus einem der Hochhäuser am Union Square. «But I fucked it up, man.» James klaut, um durch den Tag zu kommen, Essen, Trinken, Kleidung, aber nur von Läden, nie von Leuten, weil «fuck the corporations, man». Hier draussen, sagt er, hier sei sich jeder selbst der nächste. «Fentanyl gibt dir das Gefühl, dass der ganze emotionale und physische Schmerz verschwindet.» Und einer, der ebenfalls mit einer Crackpfeife, aber auch mit einem Feuerzeug in den Händen dazukommt, ruft dazwi-

2 Milligramm

Fentanyl können einen Menschen töten. Es ist etwa 50-mal stärker als Heroin.

Bis zu 500000

Menschen kann ein Kilogramm Fentanyl das Leben kosten.

Über 360 kg

Fentanyl beschlagnahmte der US-Zoll 2021 pro Monat.

schen: «Du driftest komplett ab. Nach nur einem Hit bist du für zwölf Stunden weg.» Bevor er sein Feuerzeug ein weiteres Mal zündet, dieses Mal für James, sagt er noch: «Die meisten von uns vermissen einfach ein Zuhause, etwas Liebe. Sie können das Leben nicht so leben, wie sie es sich erträumen.» Die Drogen, sie seien ihr Ersatz für etwas weniger Einsamkeit.

Ein paar Strassen weiter im Hinterzimmer eines Büros sitzt Joel Yates. «Fentanyl ist eine sehr starke Droge», sagt auch er, und auch er spricht aus eigener Erfahrung. Zwanzig Jahre lang konsumierte der heute 43-Jährige: Ab 15 Jahren Alkohol, ab 17 Cannabis, ab 23 dann Ecstasy, Crack, Kokain, Meth. «Irgendwann war ich obdachlos, arm und süchtig», blickt Yates zurück. Wie viele Gefährten er auf seinem Weg verloren hat? Schweigen. Yates will es nicht beziffern. Oder er hat irgendwann einfach aufgehört zu zählen. Er setzt hinzu: «Man hat keine wirklichen Freunde.» In all der Zeit habe er nie bewusst Opioide konsumiert, doch auch bei ihm wurde in einem Bluttest Fentanyl nachgewiesen. «Es wird vielen Drogen beigemischt», erklärt er, denn Fentanyl ist nicht nur hoch potent, sondern auch enorm günstig. Rein wirtschaftlich betrachtet lohnt es sich, Kokain, Meth oder Heroin zu strecken und mit dem Opioid aufzupushen – für die Dealer*innen, um mehr zu verdienen, und für die Konsument*innen, um weniger zu bezahlen. Wohl auch darum hat sich die Situation in Tenderloin, einem Sammelbecken für alle, die an den Rändern der Gesellschaft leben, während der Pandemie zugespitzt.

Yates steht auf, zieht sich vor dem Verlassen des Büros eine weisse Mesh-Weste über. In schwarzen Lettern stehen darauf dieselben Buchstaben wie auf der Fassade des Büros: «Code Ten-

1 Billion $ kostet die Opioid-Krise die US-Regierung Schätzungen zufolge im Jahr. Mehr als 91000

Menschen starben 2020 in den USA an einer Überdosis, 1999 waren es nur 20 000. derloin». Als Yates einerseits mit dem Tod durch drohendes Nierenversagen und andererseits mit einem neuen Leben, der Geburt seiner Tochter, konfrontiert war, schaffte er es, die Drogen hinter sich zu lassen. Die Organisation, bei der er arbeitet, verfolgt eigentlich das Ziel, unterversorgten Bevölkerungsgruppen in San Francisco langfristige Arbeitsplätze zu sichern. Doch nun ist auch sie damit beschäftigt, dem Viertel wieder auf die Beine zu helfen. Yates öffnet die Tür und geht die Market Street, die Hauptstrasse des Tenderloins, entlang nach Süden, vorbei an Körpern, die vornübergebeugt über dem Asphalt hängen.

«Die Opioide sind bloss die neueste Generation einer laufenden Krise», sagt Yates nach zwanzig Jahren Konsum und zwei Jahren NGO-Arbeit in einem der Epizentren der Opioid-Krise. «Sie betrifft viele junge, weisse Kids und bringt die Konsequenzen der Drogen dadurch näher an die Entscheidungsträger*innen heran.» Ob das für das Tenderloin gut oder schlecht sei? «Jede Hilfe ist willkommen», sagt er und winkt in Richtung eines anderen Büros, vor dem mehr Männer in Mesh-Westen stehen. Die knallgrüne Aufschrift auf schwarzem Grund: Urban Alchemy. Die Organisation ist auf den Strassen des Tenderloin am präsentesten. An jeder Ecke sieht man ihre Westen.

Das Besondere an Urban Alchemy: Die Organisation beschäftigt fast ausschliesslich ehemalige Häftlinge. «Unserer Erfahrung nach wird eine Gesellschaft am besten von denjenigen geheilt, die wissen, was es bedeutet, ihr zu schaden», beschreibt Urban

Etwas Ordnung schaffen: Dazu gehört auch das Tragen von Einzeldosen des Gegenmittels Naloxon, mit dem man Überdosierte retten kann.

Alchemy ihre Haltung. Die ehemaligen Häftlinge helfen heute Leuten im Quartiers beim Tragen von Einkäufen, beim Überqueren der Strasse und vor allem dabei, inmitten der Krise etwas Sicherheit und Stabilität zu empfinden. Zudem bieten sie jenen Menschen sinnstiftende Arbeit, die es in den USA schwer haben, nach der Haft zurück in die Gesellschaft zu finden. An einer Ecke haben sie einen Gemeinschaftspark eingerichtet. Musik dröhnt aus Boxen, den Gästen wird Kaffee angeboten. Die Grundatmosphäre in Tenderloin ist angespannt. Auch die Omnipräsenz von Urban Alchemy ist umstritten: Manchen ihrer Angestellten wird von Anwohner*innen vorgeworfen, gegenüber den Dealer*innen zu tolerant zu sein.

Joel Yates geht die Market Street weiter südwärts, sein Ziel ist das Tenderloin Linkage Center. Nach ihrer Notstandserklärung kündigte Bürgermeisterin Breed an, die bisher mit Abstand grösste Anlaufstelle für Drogenkonsument*innen einzurichten. In einem Wohnblock am UN Plaza gibt es nun für rund hundert Personen frisches Essen, Schlaf- und Duschmöglichkeiten sowie Unterstützung beim Finden einer Unterkunft und dem Beantragen von Sozialhilfe. Mehrere Stunden lang stehen die Menschen morgens in der Schlange. Immer wieder komme es dabei auch zu Schlägereien, ständig würden offen Drogen konsumiert, beschweren sich Anwohner*innen im Netz. In Zusammenarbeit mit Code Tenderloin und Urban Alchemy versucht die Stadt, Ordnung zu schaffen. Medienbesuche sind strikt untersagt.

Fünf bis sechs Überdosen am Tag

Etwas abseits vom UN Plaza trifft Joel Yates auf seine Kollegin Lucy. «Die Drogen haben die Community drastisch verändert», sagt die 28-jährige Pflegerin. Sie ist in Tenderloin geboren und aufgewachsen, und egal, was komme, sie werde immer wieder hierher zurückkehren. Lucy spricht von einer Krise, die alle hier betreffe: «Entweder du nimmst selbst Drogen oder du versuchst, Konsumierenden zu helfen.» Vermutlich um sich abzugrenzen, nennt sie die Menschen, die reglos am Strassenrand liegen, lediglich «Überdosen». Fünf bis sechs dieser Überdosen begegne sie jeden Tag bei der Arbeit – und auch nach dem Ende ihrer Schicht geht die Arbeit weiter: Erst gestern Abend habe sie auf dem Heimweg einen Mann auf der Strasse liegen sehen, mit blaugrauen Lippen und langsamer Atmung. Lucy griff zu Naloxon, dem ohne Rezept verfügbaren Gegenmittel bei Fentanylüberdosen, verabreichte es dem Mann über die Nase und begann mit seiner Beatmung. Naloxon blockiert die Effekte des Opioids. Innert zwei bis drei Minuten soll es die Atmung wiederherstellen. Erfolgreich: 93 Prozent aller Betroffenen, denen das Gegenmittel verabreicht wird, überleben.

Lucy wiederholt immer wieder: «Die Situation hier ist uns über den Kopf gewachsen.» Sie sei grösser als die Gemeinschaft des Tenderloin. Grösser als die Bürgermeisterin London Breed. Grösser gar als die ganze Politik der Vereinigten Staaten von Amerika. Im Frühjahr erhöhte die Biden-Regierung das Budget für nationale Drogenkontrollprogramme auf das Rekordhoch von 42,5 Milliarden US-Dollar. Seine Pfeiler: Prävention, Schadensbegrenzung, Behandlung und Entzug sowie der Kampf gegen die Versorgung. Zusätzliche 1,5 Milliarden US-Dollar gehen an die Bundesstaaten, um explizit gegen Fentanyl vorzugehen.

Schweiz: bisher unauffällig

In der Schweiz hat sich der legale Verkauf von Opioiden von 2000 bis 2020 fast verdoppelt. Entsprechend sind auch die Vergiftungsfälle gestiegen. Zwar ist der Anstieg signifikant, die Gesamtzahlen bewegen sich jedoch auf einem geringen Niveau; die Verkaufszahlen sind vergleichbar mit denen in Kanada in den frühen 2000er-Jahren. Zahlen zum Fentanylkonsum in der Schweiz sind bisher nicht verfügbar. Es wird jedoch in der Regel nur bei Patient*innen mit Krebs im Endstadium eingesetzt.

«Opioide nur sehr zurückhaltend einsetzen»

Suchtmediziner Marc Vogel beobachtet die Opioid-Krise in Nordamerika seit vielen Jahren – auch in Hinblick auf eine mögliche Ausbreitung auf die Schweiz.

INTERVIEW SARA WINTER SAYILIR

Ist die Fentanyl-Krise auch in der Schweiz angekommen?

Nein, es gibt lediglich einzelne Berichte, dass Fentanyl gebraucht wurde, auch ist es noch nicht auf der Gasse aufgetaucht. Ich persönlich erwarte und befürchte aber, dass Fentanyl zukünftig häufiger auftauchen wird. Doch das ist ein Stück weit spekulativ.

Was ist anders als in Nordamerika?

Wir gehen davon aus, dass in der Schweiz unser gut aufgestelltes Behandlungs- und Schadensminderungssystem einen Schutz gegen Opioidüberdosen bietet. Fentanyl ist zwar vielfach potenter als Heroin, die damit verbundene Abhängigkeit kann aber mit den gleichen Medikamenten wie Methadon, Morphin, Burpenorphin oder Diacetylmorphin behandelt werden. Auch hatte die Schweiz nicht das gleiche Problem mit der weitreichenden Verschreibung opioidhaltiger Schmerzmittel bei nicht-tumorbedingten Schmerzen wie Nordamerika.

Besteht trotzdem eine Gefahr?

Es besteht ein Risiko, dass das Behandlungssystem nach und nach abgebaut wird. Immer weniger Hausärzte übernehmen sogenannte Opioid-Agonistenbehandlungen, die Substitution beispielsweise mit Methadon, auch weil das Problem nicht mehr so im Bewusstsein der jüngeren Ärztegeneration ist – ein Erfolg der Schweizer Drogenpolitik. Wir erleben daneben im Moment Bestrebungen der Krankenkassen, die Tarifverträge mit den Substitutionsinstitutionen zu verändern. Wenn sich die Vorstellungen der Krankenkassenverbände durchsetzen, besteht die Gefahr, dass gerade kleine Zentren, die heroingestützte Behandlungen auch anbieten, wirtschaftlich nicht überleben – mit der Folge, dass erstens die Patient*innen nicht mehr versorgt werden können und zweitens man einer neuen Opioidwelle nicht adäquat begegnen könnte.

Und auf der Konsument*innenseite?

Bei den Jugendlichen sehen wir eine leicht zunehmende Einnahme von Opioiden mit dem Ziel, sich zu berauschen. Hier ist vor allem Codein zu nennen, welches in einigen Hustensäften zu finden ist und in Kombination mit anderen Medikamenten wie Benzodiazepinen in den letzten Jahren auch zu vereinzelten Todesfällen geführt hat. Aber die Entwicklung ist noch nicht so ausgeprägt, dass man schon von einem echten Trend sprechen kann. Leider fehlen uns aktuelle Zahlen, das sogenannte Suchtmonitoring wurde vor einigen Jahren eingestampft.

Was könnte man tun?

In der Schmerzbehandlung sollte noch mehr darauf geachtet werden, Opioide nur sehr zurückhaltend einzusetzen, wenn die Schmerzen nicht tumorbedingt sind, um der Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen vorzubeugen. Die Zusammenarbeit zwischen Schmerztherapeut*innen und Suchtärzt*innen sollte intensiviert, sowie darauf hingearbeitet werden, dass das Thema «Abhängigkeit» auch in der Aus- und Weiterbildung präsent ist. So können Berührungsängste mit Betroffenen ab- und Know-how aufgebaut werden. Im Übrigen wird die Betäubungsmittelsuchtverordnung (BetmSV) gerade überarbeitet. Dort werden die Mitgaberegelungen etwa zu Diacetylmorphin, also pharmakologischem Heroin, voraussichtlich verändert, so dass auch längere Mitgaben möglich sein werden. Das ist begrüssenswert, weil es zu einer Entstigmatisierung und Flexibilisierung der Behandlung führt.

ZVG

FOTO: MARC VOGEL, 47, ist Ärztlicher Leiter am Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen der UPK Basel-Stadt.

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