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Verkäufer*innenkolumne

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Moumouni

Moumouni

Moumouni …

… landet fast in Lörrach

Lörrach ist meine persönliche Hölle. Lörrach, oh Schreckliches! Und die Sprache! Die Leute da sprechen so, wie ich es auf keinen Fall tun will: Schweizerdeutsch deutscher Grenzgänger. Und Alemannisch, das klingt so ähnlich. Mein hart antrainiertes Züri-Aargau-Schweizerdeutsch würde beim kleinsten Kontakt vergiftet werden zu einer scheusslichen Brühe aus melodiösem Genuschel.

Und das Ganze auf nur 294 Metern über Meer, ich würde ersaufen in diesem Sumpf aus badischer Geselligkeit, Maultaschen und Lörrachigkeit. Lörrach, das klingt wie der gefährliche Schlund der Provinz. (Ganz anders als Zürich, oder?)

Einmal, am Tiefpunkt, googelte ich: «Ist Lörrach schön?» Es war der Horror. Die ersten drei Attribute im zuoberst erscheinenden Artikel lauteten: «Aufenthaltsqualität, guter Branchenmix in den Geschäften, schöne Fußgängerzone», was sich wohl in das folgende Paradoxon übersetzen lässt: «Hier gibt es nichts, aber Schweizer*innen kommen gerne hierher, wenn sie was brauchen.» So hätte es mir auch ergehen können. Denn beinahe wäre es passiert. «Sehr geehrte Frau Moumouni – Wir beabsichtigen […], Ihre Aufenthaltsbewilligung nicht zu verlängern und Ihnen eine Frist zum Verlassen der Schweiz anzusetzen», begann der Brief vom Migrationsamt, der mir ein verbeamtetes «Ausländer*innen raus» mitteilte.

Ich hatte circa drei Wochen Zeit, eine Stellungnahme zu verfassen. In dieser Zeit malte ich mir mein Leben in Lörrach aus. Was hätte ich sonst tun sollen? Ich wäre nach Lörrach gezogen, denn ich habe in der Schweiz meinen Lebensmittelpunkt. Ich wäre in die Hölle gezogen und folglich gependelt, damit ich meine Liebsten weiter sehen, meiner Arbeit weiter nachgehen kann, und auch ein bisschen, um weiter in Schweizer Supermärkten einkaufen zu können.

Ich muss jedes Jahr aufs Neue um ein weiteres Jahr Aufenthaltsbewilligung betteln. Letztens gab es mal wieder Komplikationen. Kurz: Wissend, dass ich ausreichende Gründe für eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz habe, hatte ich aus Frust ein Dokument nicht eingeschickt, das ich von einem anderen Amt aus mir unersichtlichen Gründen und nach ungewöhnlich langer Wartezeit nicht erhalten hatte. Zack! Schon sollte ich nach Lörrach abgeschoben werden.

Dann meine Stellungname: Ein fast zehnseitiger Brief, der einem Nacktfoto glich, so sehr musste ich mich ausziehen: über meine Lebensumstände mit Belegen und Bescheinigungen und Kontoauszügen und einer grässlichen Schilderung davon, wie gut ich integriert bin. Wortlos kam eine Bewilligung zurück, die zwar nicht meiner Tätigkeit entspricht und mir ein Arbeitspensum vorschreibt, von dem ich nicht leben könnte, aber ich darf doch nochmal ein Jahr bleiben. Alhamdulillah!

Es kommen regelmässig Leser*innenReaktionen auf diese Kolumne, in denen es heisst, dass ich zu viel jammere. Schon gut! Ich kann «dann ziehe ich halt nach Lörrach!» sagen – nicht gut mit Trotz und auch nicht mit Stolz, aber wenigstens mit Sicherheit: Mein deutscher Pass würde es mir erlauben. Und Lörrach ist gar nicht so schlimm.

Viel schlimmer ist, dass ich deutsch kann, sogar Beamtendeutsch verstehe, studiert habe, einen Pass mit Schengenraumzugehörigkeit besitze und arbeite. Wenn ich schon ständig mit meinem Aufenthaltsstatus zu kämpfen habe – was ist dann mit all denen, die diese Privi legien nicht haben?

FATIMA MOUMOUNI

wohnt seit ca. 10 Jahren in der Schweiz und unterstützt die Aktion 4/4 – nicht für ihr eigenes verwöhntes Dasein, sondern für ein zeitgemässes Bürgerrecht. aktionvierviertel.ch

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