Surprise 397

Page 1

Nr. 397 | 31. März bis 20. April 2017 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Der Sozialarbeiter Vladimir Petkovic´ im exklusiven Interview


Anzeigen:

HAUPTSPONSOR DER SURPRISE STRASSENFUSSBALLLIGA Ein attraktives und erfolgreiches Fussballspiel braucht eine geschickt zusammengesetzte Mannschaft. Die Vielfalt prägt die Stärke einer Mannschaft massgeblich mit. Ausgrenzung schwächt ein Team. Surprise unterstützt Menschen in sozialen Schwierigkeiten und will mit der Kraft des Strassen-Fussballs ihr Selbstvertrauen stärken. Die Swiss Football League trägt dieses Engagement gerne mit. Claudius Schäfer

“ Foto: Ruben Hollinger

CEO SFL

Schön und gut. Im Winter unverzichtbar! Die Surprise Mütze mit eleganter Werbung heizt das Hirn und gibt warme Ohren. Nur bei uns in Einheitsgrösse erhältlich. Zugreifen! Sonderangebot Grosses Badetuch 100 x 180 cm aus sehr langlebigem Zwirngarn, 100% handgepflückte Baumwolle. Mit Surprise Logo eingewebt und von A bis Z in der Schweiz hergestellt. Vorder- und Rückseite verschiedenfarbig: vorne kühles Aquablau, hinten heisses Rot.

Strandtuch (100 x 180 cm) Aktionspreis: CHF 38.– (anstatt CHF 65.–)

Surprise Mütze Aktionspreis: CHF 10.– (anstatt CHF 30.–) rot schwarz 50 Prozent des Verkaufspreises kommt Surprise zugute.

Alle Preise exkl. Versandkosten.

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

*gemäss Basic 2008-2. Seite bitte MACH heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

397/17


Frühlingsanfang, Neubeginn. Was für Anna und Otto Normalverbraucher das Ende der Winterdepression und den Beginn der Sonnenbrillen-Saison einläutet, bedeutet für Menschen, die auf der Strasse leben, eine ganz konkrete Erleichterung: das vorläufige Ende der Angst. Auch diesen Winter hat die Kälte wieder zahlreiche Menschenleben gefordert, eine davon war die Strassenzeitungsgründerin Raven Canon aus den USA. Lesen Sie den Nachruf auf unsere Kollegin ab Seite 18. Quasi das Gegenteil eines Nachrufes ist der Brief eines jungen Vaters, der seiner inzwischen schulpflichtigen Tochter gesteht, dass sie ein Unfall war. Einer, den er lieber vermieden, sogar gern rückgängig gemacht hätte. Warum es an- SARA WINTER SAYILIR REDAKTORIN ders kam, erzählt er in zärtlich-offenen Worten ab Seite 14. Sie sind beide Trainer einer Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Der eine im Spitzensport, der andere in der Strassenliga. Und beide profitieren bei der Arbeit von ihrer Erfahrung als Sozialarbeiter: Was Vladimir Petkovic´ und David Möller sonst verbindet und was sie trennt, darüber haben sie sich unterhalten im Doppelinterview ab Seite 10.

BILD: TOBIAS SUTTER

Titelbild: Ruben Hollinger

Editorial Kreislauf

Ich wünsche Ihnen eine wärmende Lektüre Sara Winter Sayilir

BILD: SARAH WEISSHAUPT

BILD: RUBEN HOLLINGER

10 Fussball Trainer und Sozialarbeiter SURPRISE 397/17

BILD: MARK REIS, THE GAZETTE

Inhalt 04 Aufgelesen Geflutet 04 Vor Gericht Fake Swissness 05 Die Sozialzahl Werden wir wirklich immer älter? 06 #WirAlleSindSurprise Bei Regen, Sonne, immer 07 All Inclusive Hauptsache diskriminiert 08 Porträt Der Vagabund von der Belalp 22 Wörter von Pörtner Gespenster 23 Visions du Réel Wie wenn einer zum Fenster hinausschaut 24 Kultur Was unter dem Herbstlaub liegt 26 Ausgehtipps Waldkultur 28 Verkäuferporträt «Wir gingen immer zurück zu Oma» 29 Surplus Eine Chance für alle 30 In eigener Sache Impressum

14 Ethik Brief an ein geborenes Kind

18 Strassenzeitungen Eine von uns

3


Aufgelesen News aus den 115 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Geflutet Stuttgart. 200 Millionen Menschen werden in den nächsten 30 Jahren vom Klimawandel in die Flucht getrieben, wenn sich an den aktuellen Emissionswerten nichts ändert, so eine aktuelle Greenpeace-Studie. Schon heute befinden sich 20 Millionen auf der Flucht vor Flut und Dürre, mehr als die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit. Dabei trifft es vor allem diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen: die Länder der Sahel-Zone in Afrika, Bangladesch und viele südpazifische Inseln.

Bewaffnet Hamburg. 2513 Hamburger beantragten vergangenes Jahr einen Kleinen Waffenschein, der zum Tragen einer Gas- oder Schreckschusspistole berechtigt. Damit stieg die Zahl derart Bewaffneter in der Hansestadt auf insgesamt 6339 an. Auch in Berlin wollen immer mehr Menschen einen Waffenschein: 4413 erhielten 2016 entsprechende Papiere. Der Trend hat ganz Deutschland erfasst: Bundesweit bekamen vergangenes Jahr 470 000 Menschen den Kleinen Waffenschein, fast dreimal so viele wie im Jahr zuvor.

Verarmt London. Das Leben auf dem Land ist laut The Big Issue in Grossbritannien signifikant teurer als in der Stadt. Landbewohner müssen zwischen 1200 und 4200 Pfund mehr im Jahr verdienen, um aufs Existenzminimum zu kommen. Der Grund dafür sind die höheren Lebenshaltungskosten: Lebensmittel und Transport sind bis zu 20 Prozent teurer als in der Stadt. Das hat Folgen: 18 Prozent der Engländer, 14 Prozent der Schotten und etwa 20 Prozent der Waliser auf dem Land leben in Armut.

4

Vor Gericht Fake Swissness Seit seiner letzten Verurteilung habe er geheiratet, daran erinnerte der Angeklagte bei seiner Verhandlung immer wieder. Vielleicht hoffte er, damit die Richter zu überzeugen, dass er sein Leben inzwischen in feste Bahnen gelenkt habe. Eine besonders vertrauenserweckende Historie hat der Mann schliesslich nicht. In seinen 38 Jahren war der heutige «freiberufliche Programmierer» unter anderem als Bodyguard, InvestmentSpekulant oder Imker tätig. Sein Vorstrafenregister reicht von grober Verkehrsregelverletzung bis zu siebenfacher Steuerhinterziehung. Auch die laufenden Verfahren zeichnen kein sonderlich seriöses Bild des Beschuldigten: Drohung, Waffen, Irreführung der Rechtspflege, unlauterer Wettbewerb und Betrug. «Alles Vergangenheit», sagt der smarte Deutsche, der ansonsten die Aussage verweigert. Er wolle nur noch seine Ruhe. Er sei jetzt schliesslich «kirchlich getraut». Ein «süsser Fall» sei das, einer für die Medien, merkt dann der Verteidiger an. Da ist ihm beizupflichten: Es geht um fünf Tonnen Honig, den der Angeklagte einem grossen Discounter als Schweizer Ware von höchster Qualität verkaufen wollte. Da die Schweizer Imkerszene überschaubar ist und fünf Tonnen eine Menge Honig, wurden verschiedene Akteure argwöhnisch. Sie liessen den Honig vom Lebensmittelinspektorat prüfen – und siehe da: Der hohe Sonnenblumenanteil offenbarte, dass der Honig wohl «südosteuropäischer Herkunft» war. (Die Braut übrigens auch, aber das ist hier nicht weiter von Belang.) Da hatte sich der mysteriöse Angeklagte gehörig verschätzt. Bei Vergehen gegen die Swissness hört der Spass auf. Die Schweizer

Honig-Connection deckte ihn von Zug bis ins Tessin mit Anzeigen ein. Der Betrüger hatte schon versucht, den hiesigen Imkern deutsche Bienen als Schweizerinnen zu verkaufen. Die Polizei führte mehrere Hausdurchsuchungen durch. Bei der ersten fanden die Beamten den Beschuldigten beim Schreddern von Geschäftsunterlagen vor. Zudem lag eine durchgeladene Glock-20-Pistole in seinem Sicherungskasten. Und der beschlagnahmte Computer erwies sich als jenes Gerät, das der Mann als gestohlen gemeldet hatte – wofür er ein paar Tausend Franken Versicherungsgeld kassierte. Da helfen die Ausführungen des Verteidigers wenig, der Angeklagte hätte sich einfach im Gerät geirrt und der Versicherung das falsche angegeben. Jeder andere wäre glatt schuldig gesprochen worden. Ausgerechnet die in einem Nebenpunkt eingeklagten Verstösse gegen das Waffengesetz – in einem Schliessfach am Zürcher Paradeplatz fand die Polizei Schalldämpfer und Taser-Kartuschen – boten einen Ausweg: Bei den Kartuschen handle es sich einfach um Druckgas, Nitrogen, und keineswegs um verbotene Munition im Sinne des Waffengesetzes. Das Obergericht gibt dem Antrag des Verteidigers statt: Es sei nirgends wissenschaftlich belegt, dass es sich bei den Kartuschen um Waffen handelt – weshalb nun erstmal ein Gutachten erstellt wird. So ärgerlich es ist, dass ein so offensichtlich luscher Typ mit einem solchen Manöver zunächst einer Strafe entgeht, man muss auch froh sein, dass es vor Gericht keinen Raum für alternative Fakten gibt. Yvonne Kunz ist seit 2008 als akkreditierte Gerichtsberichterstatterin wöchentlich an den Gerichten des Kantons Zürich unterwegs.

Priska Wenger ist Illustratorin in Biel und New York. SURPRISE 397/17


BILD: WOMM

Rentenlebenszeit der 65-jährigen Frauen

und Männer in der Schweiz

25 20 15 10 5

Rentenlebenszeit der Frauen

2015

2014

2013

2012

2011

2010

2009

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

0

Rentenlebenszeit der Männer

Quelle: Bundesamt für Statistik BFS (2016): Lebenserwartung. Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung.

Die Sozialzahl Werden wir wirklich im

mer älter?

Der demografische Wa ndel der Schweiz be schäftigt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Von ein er doppelten Alterung ist die Rede. Ge meint ist damit, dass immer mehr Menschen immer älter we rden. Stimmt das? Tat sächlich kommen die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1955 und 1964 allmählich ins Rentena lter. Oft wird diese Alt erskohorte als die «Babyboomer» bezei chnet. Die Zahl der Me nschen über 65 wird darum in der Sch weiz in den nächste n 30 Jahren von heute rund 1,1 Millio nen auf 2,7 Millione n an steigen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im sogen an nten Altersquotienten: Orientie ren wir uns am Re fer en zsz enario des Bundesamtes für Statis tik BFS, so kommen he ute no ch 4,6 Erwachsene zwischen 20 und 64 auf eine Re ntnerin oder einen Rentner. Im Jahr 2045 wird diese Relation no ch 1 zu 2,1 betragen. Mehr Menschen werde n also alt. Doch werde n sie auch immer älter? Die Sta tistiken und Prognose n des Bundes basieren auf der Annahm e einer stetig wachsen den Lebenserwartung für Frauen un d Männer. So ist dem Referenzszenario zu entnehmen, da ss das Bundesamt für Statistik davon ausgeht, dass Frauen im Jahr 2035 durchsch nittlich noch 24,9 Jahre und Männer no ch 22,4 Jahre über ihr e Pensionierung hinaus leben werden. Gegenüber heute entsp räche dies einer Zunahme um 2,7 Jah re bei den Frauen un d um 3,2 Jahre bei den Männern. Die aktuellen Daten lassen nun aber die Vermutung aufkommen, dass dem nic ht so sein wird. So zei gen Zahlen aus der Todesfall-Statistik, dass die Zeitspanne nic ht mehr länger wird, die Menschen nach Erreichen des Rentenalters im

SURPRISE 397/17

10 uen, die im Jahr 20 erleben dürfen. Fra ,2 22 um Durchschnitt noch itt hn Sc im ihren 65. Geburtstag n. hte ac starben, überlebten ob be zu Wert äter ist der gleiche n Ma ar. Jahre. Fünf Jahre sp nb en uf erk ein ähnlicher Verla uNe r de Bei den Männern ist g erwartun gnierenden Lebens spricht von einer sta Gründe für diesen die er Üb Neurentner. rentnerinnen und rätselt. Trend wird noch ge mmenden Jahren obachtung in den ko se n Sollte sich die Be rende Auswirkunge so hätte dies gravie , en tig stä be ch r tra ite Be we ferenzierte e. Dabei ist eine dif org ors sv ter n Al de die i f au e Alterung be il sich die doppelt tung notwendig, we orsorge in unterter Säulen der Al sv en ch ris ato lig ob n beide hoch die Renten rkbar macht. Wie me be ise We r he lic schied tlich mit der Leausfallen, hat wesen sen as sk ion ns Pe n aus de sto länger muss länger wir leben, de Je : tun zu g un art benserw d desto geringer aben ausreichen un uth sg ter Al e art sp das ange gen aus. Nimmt die hen Rentenzahlun fallen die monatlic mehr zu, müssten benserwartung nicht e durchschnittliche Le tz, die entscheidend m Umwandlungssa n. rde die Kalkulationen zu we llt angeste ung der Rente, neu Grösse zur Berechn i der AHV aus: Hier be alt rh ve der Sach Etwas anders sieht idend, also das Vertersquotient entsche ist vor allem der Al V-Beziehenden. Diewerbstätigen und AH hältnis zwischen Er n Jahren tatsächlich h in den kommende ser Quotient wird sic boomer-Generation n, solange die Baby rweiter verschlechter über rund zwei Jah AHV wird deshalb ah sz au unter uns weilt. Die r nten weite benötigen, um die Re l tte Mi hr me te hn ze len zu können. ng, Institut Sozialplanu öpfel ist Dozent am chule chs Ho r de g Prof. Dr. Carlo Kn lun ick ndel und Stadtentw Wa r ale iz. ion we sat sch ani Org le Nordwest der Fachhochschu für Soziale Arbeit

5


Daniel Stutz ist eine inspirierende Persönlichkeit. Mein Mann und ich freuen uns jedes Mal, wenn wir ihn in Zürich antreffen. Er ist für uns eine Person, mit welcher man sich einfach gerne austauscht. Herzlich, voller Enthusiasmus begrüsst er die Passanten und schenkt jedem ein Lächeln. Bei Regen, Sonne, immer. Ein Vorbild für uns alle in einer oft ich-bezogenen Welt. Wir kennen Daniel kaum, und trotzdem fragt mein Mann mich oft: Hast Du Dani heute angetroffen? B. Kunz, Zürich

#WirAlleSindSurprise Wer das Strassenmagazin kauft, tauscht mehr als Geld gegen Ware: Fast immer gibt es ein Lächeln dazu, oft werden ein paar Worte ausgetauscht – und manchmal sogar gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Viele Leserinnen und Leser berichten uns von ihren Begegnungen mit den Verkaufenden. Und sie schreiben der Redaktion, was sie gut gefunden haben und was weniger. Wir bedanken uns herzlich für diese Rückmeldungen – und teilen hier einige davon mit Ihnen.

Facebook

Also ich muss sagen: Hut ab vor dieser Zeitung! Nur ein Strassenmagazin, macht aber richtig guten Journalismus! Danke. E. Echo, über Facebook

Leserbrief Ausgabe 390, Artikel «Ziegenmilch für den Präfekten» Ich habe in der Strassenzeitung Surprise Ihren Artikel über eine aussergewöhnliche Frau, Liselotte Hilb, gelesen. Die Geschichte ist mir so nah gegangen, direkt ins Herz. Ich erinnere mich an 1956 in Budapest, die Stadt mit russischen Panzern umgezingelt, kein Licht, bitter kalt, und gehungert haben wir. Ich war in der ersten Klasse des Gymnasiums damals. Wir haben uns im Keller versteckt, während über uns pausenlos geschossen wurde. Ich weiss heute nicht genau, ob der Hunger oder die Angst grösser war. So ein Engelchen wie die Liselotte Hilb haben sich damals viele Menschen in Budapest gewünscht. K.M. Simon, Eningen unter Achalm

6

Leserbrief Ausgabe 394, Kolumne «Moumouni … schaut unter die Burka» Seinen/ihren Körper freiwillig verhüllen dürfen: ja! Sein/ihr Gesicht verhüllen dürfen (oder eben auch müssen): nein! Das macht doch gerade unser Menschsein aus, dass wir einander visuell vor allem am Gesicht erkennen können. Und was Frau Moumouni im letzten Satz schreibt, ist genau der Punkt: Wo sind denn die Frauen, über die da diskutiert wird? Sie haben vermutlich grösstenteils nicht die Freiheit, sich zum Thema Burka überhaupt äussern zu dürfen – oder auch nur auf der Strasse gesehen zu werden. Darum sollten wir für sie einstehen: gegen jegliche aufgezwungene Bekleidung. D. Ott-Scheel, Basel

Oliver Guntli

ist für mich der aufgestellteste, freundlichste Verkäufer, der mir je über den Weg gelaufen ist. Ich arbeite in der Marktgasse in Bern, und wenn ich dort das fröhliche «Judihui, guete Morge», «Bonjour» oder «Bongiorno» höre, ist das Oliver Guntli! Ich kann gar nicht an ihm vorbeigehen, ohne ihm eine Zeitung abzukaufen. H. Starke, Toffen

Stadtrundgang

Die Tour war ein unvergessliches Erlebnis! All die Eindrücke und Themen, über die man sich nie Gedanken gemacht hat, und auch die Erkenntnis, wie viel die Kirche und die Stadt an sozialem Engagement aufbringen. Ich war ganz berührt und konnte viel mitnehmen. Bin sehr dankbar dafür. A. Giese, Zürich

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 oder vereinsurprise.ch/spenden-surprise Schreiben auch Sie uns – oder schicken Sie uns Bilder von Ihren Begegnungen mit Surprise! leserbriefe@vereinsurprise.ch oder Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel SURPRISE 397/17


All Inclusive Hauptsache diskriminiert Vor sechs Jahren reichte die Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller eine Motion ein, die den Bundesrat aufforderte, das Wort «invalid» aus der nationalen Gesetzgebung zu streichen. Der Ausdruck sei gegenüber Menschen mit einer Behinderung diskriminierend, da er übersetzt «wertlos, schwach» bedeute. Die kantonalen Behindertenkonzepte würden die Terminologie «Menschen mit Behinderung» verwenden, und auch das Behindertengleichstellungsgesetz spreche nicht von «Invaliden». Der Bundesrat antwortete, dass bereits im Rahmen der 5. IV-Revison geprüft worden sei, den Begriff «invalid» zu ersetzen, jedoch kein geeigneter Begriff gefunden werden konnte, der sich auch in alle Landessprachen übersetzen liesse. Zudem würde eine Änderung der Terminologie einen erheblichen administrativen Aufwand nach sich ziehen. Da das Geschäft unbehandelt abgeschrieben wurde, reichte Streiff-Feller dieselbe Motion unter neuem Titel vergangenes Jahr erneut ein. Unterstützt wurde die Forderung von Politikerinnen und Politikern verschiedener Couleur. Der Bundesrat wiederholte seine Antwort von 2010 und fügte an: «Eine Person kann (…) im Sinne einer gesundheitlichen Beeinträchtigung nach Artikel 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes behindert sein, aber im Sinne von Artikel 8 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts ist sie SURPRISE 397/17

nicht invalide, das heisst sie ist nicht in der Erwerbsfähigkeit eingeschränkt. Der Vorschlag der Motionärin hätte Folgen für den Anspruch auf die von beiden Gesetzen vorgesehenen Leistungen, was nicht vertretbar wäre.» Heisst: Eine Rollstuhlfahrerin kann zwar ganz offensichtlich «behindert» sein, wenn sie aber trotzdem voll erwerbsfähig ist, erhält sie keine IV-Rente. Sie ist im rechtlichen Sinne nicht «invalid». Die nationale Gesetzgebung bezeichnet nämlich nur jene Menschen als «invalid», die aufgrund ihrer Behinderung oder Erkrankung nicht (voll) erwerbsfähig sind und deshalb Anspruch auf Leistungen der IV haben. Die Motionärin Streiff-Feller ist Präsidentin von INSOS, dem nationalen Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderungen. Sie dürfte mit der entsprechenden Terminologie durchaus vertraut sein. Ausserdem könnte sie sich bei ihrem Fraktionskollegen, dem CVP-Nationalrat Christian Lohr, erkundigen, der, obwohl auf den Rollstuhl angewiesen, keine IV-Rente bezieht, sondern unter anderem als Nationalrat arbeitet. Wer sich so heroisch für Menschen mit Behinderungen einsetzt, sollte eine Ahnung von der Materie haben und nicht Probleme, sondern Lösungen präsentieren. Streiff-Feller hingegen erklärte gegenüber 20 Minuten unbeirrt, die IV könne ja auch «Versicherung für Menschen mit Beeinträchtigung» heissen. Warum das recht-

lich schlicht nicht korrekt ist, siehe oben. Verschiedene Behindertenverbände stimmten jedoch per Medien in das Lamento mit ein und drohten, eine Volksinitiative gegen die sprachliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen (sic!) zu lancieren. Statt sich medial selbst zu inszenieren, könnte man auch schlicht einen tauglichen Namen vorschlagen. Würde man die IV beispielsweise in Erwerbsunfähigkeitsversicherung umbenennen, wäre der Begriff der Behinderung klar von demjenigen der Erwerbsunfähigkeit getrennt. Das würde auch dem in der Bevölkerung verbreiteten Vorurteil entgegenwirken, dass jeder Mensch mit einer sichtbaren Behinderung automatisch eine IV-Rente erhält – statt dieses Bild noch zusätzlich zu zementieren. Denn Menschen mit einer Behinderung können selbstverständlich auch erwerbsfähig und -tätig sein.

Marie Baumann schreibt unter ivinfo.wordpress.com zu IV und Behindertenpolitik. Sie steht dabei allen Akteuren von links bis rechts gleichmässig auf den Zehen.

Rahel Nicole Eisenring zeichnet und baut visuelle Schranken ab.

7


Porträt Der Vagabund von der Belalp Sport an der frischen Luft, etwas anderes wollte Stefan Bodenmann nie machen. Deswegen schmiss er seinen Job hin und reiste um die Welt, bis er in einem Aushilfsjob als Skilehrer seine Berufung fand. VON SARA WINTER SAYILIR (TEXT) UND THOMAS ANDENMATTEN (BILD)

gehen, die machen es doch nicht. Dann ist die Zeit, wo du mit den Menschen in Kontakt kommst, wo du die Sprache lernst, doch längst vorbei», sagt Bodenmann. Er setzte lieber alles, wovon er geträumt hat, direkt um. Zwei Jahre arbeitete er als Skilehrer in Chile, reiste aus dem Schnee des Wallis in den Schnee der Anden. Fünf Winter hintereinander, dann war sogar ihm das ewige Weiss zu viel. Auf der Piste wird Bodenmann von ehemaligen Schülern gegrüsst und tauscht freundliche Worte mit den Kollegen aus. Er ist beliebt, über die Jahre ist die Schneesportschule Belalp zu einem festen Anker in seinem Leben geworden. «Irgendwann kommt das Alter, wo man ruhiger wird», stellt er fest. Noch bis vor gar nicht langer Zeit hat er alle Grenzen ausgereizt. Das Snowboarden hat er erst letztes Jahr aufgegeben und ein Motorrad hat er auch noch zuhause rumstehen, obwohl er es bald verkaufen will. Bodenmann wirkt fit, seine Figur ist schlank und drahtig, und verletzt hat er sich in den vielen Jahren auf der Piste noch nie ernsthaft. Nur im Auto wäre er mal fast gestorben, «damals gab es noch keine Leitplanken», da trug es ihn bei Blitzeis aus der Kurve und er fiel 80 Meter eine Felswand hinunter in die Tiefe. Er kam mit Kopfverletzungen davon. «Ich hatte immer viel Glück», sagt er und lächelt wieder. Einmal riefen die Kollegen aus Zermatt an: 50 saudische Prinzessinnen kamen für eine Woche eingeflogen und wollten allesamt Privatunterricht. Die Edelmarke Moncler lieferte massgeschneiderte Skianzüge, eine Equipe Schneesportlehrer den Unterricht. Stefan Bodenmann bekam eine 20-jährige Prinzessin zugeteilt. Es gab einen Verhaltenskodex, der unter anderem den Körperkontakt zwischen Lehrer und Schülerin verbot. «Es ist unmöglich, eine Anfängerin zu unterrichten, ohne sie zu berühren. Soll man sie im Schnee liegen lassen, wenn sie fällt?», so Bodenmann. Aber die Prinzessin sei ganz locker gewesen, habe sogar ihre Skier selbst getragen und mit ihm in der Pause Kaffee ge-

Stefan Bodenmann steht am Kopf der Piste und zeichnet mit seinem Skistock einen Halbkreis in den Schnee. «Das ist eure Kurve, schaut, dass ihr sie ganz ausfahrt und nicht zu früh wieder reinlenkt. Bei dieser Menge Schnee kostet euch das sonst zu viel Kraft», sagt der Walliser und zeigt auf die 30 Zentimeter Neuschnee auf der Piste. «Schaut mal, wie ich das mache», setzt er dann hinzu und fährt elegant in seinem roten Skilehrer-Anzug der Skischule Belalp vor. Das meiste lernt man über die Augen, weiss der 55-jährige. Da kann er noch so viel reden. Er kennt die Angst vor der Geschwindigkeit bei den Anfängern, den Respekt vor dem Abhang. «Vieles ist nur psychologisch», sagt er, tippt sich an den Kopf und lächelt. Eine sympathisch-schiefe Zahnreihe blitzt hinter schmalen Lippen hervor. Einfach entspannen, empfiehlt er. Seine stahlblauen Augen mit der schwarzumrandeten Brille schützt ein verspiegeltes Helmvisier vor der Sonne. Der diplomierte Schneesportlehrer erklärt geduldig und mit genau so vielen Worten, wie es braucht, sodass auch Kopflastige und Physikbegeisterte auf ihre Kosten kommen: Wo die Falllinie ist, wie das Gewicht ideal auf den Skiern verteilt ist und warum Anfänger sich fälschlicherweise zurück statt nach vorn lehnen. Bodenmann spricht unaufgeregt in gemächlichem Tempo. Er klopft keine Sprüche, lacht über die 360-GradSprünge der Kollegen, die mit den fortgeschrittenen Jugendlichen vorbeifahren. Bodenmann muss nichts mehr beweisen, er weiss, was er kann. Für ihn hat Skifahren mit Erfahrung zu tun, die Technik mag sich wandeln, die Kollegen kommen und gehen, all das ändert nichts daran, dass nur gut und sicher fährt, wer es von der Pike auf gründlich lernt. Als Profi in den Skisport einzusteigen, war für Stefan Bodenmann keine Option. «Wer kann davon schon leben?» Bodenmann kommt aus einer Mittelstandsfa«Das Wallis ist eigentlich ein grosses, enges Tal. Von Zeit zu milie, der Vater hatte ein Elektrogeschäft in Naters. «Er hat immer gearbeitet, und am EnZeit muss man da mal raus.» de blieb trotzdem nicht viel übrig.» Bodenmann wollte was anderes: mehr Leben, weniger Verzicht. Und er wollte wissen, was denn eigentlich hinter den Waltrunken. Berührungsängste mit anderen Kulturen hat Bodenmann keine. liser Bergen liegt. Nach der Schule begann er als Grenzwächter in Genf Wenn die Saison im April endet, hilft Bodenmann zwei Monate bei zu arbeiten. Aber ausser dass er für den Grenzschutz an Biathlon- und den Räumungsarbeiten auf den Passstrassen Grimsel und Furka, im Patrouillenlauf-Wettkämpfen teilnehmen durfte und so auch fürs TraiHerbst arbeitet er in einem Sportfachgeschäft. Der Vagabund steckt im ning bezahlt wurde, konnte er dem Job wegen der hierarchischen StrukSystem. Dass er heute weniger Risiko eingeht, hängt auch mit seiner Fatur nichts abgewinnen. «Auch das Militär hab ich gehasst», gibt er zu. milie zusammen. Stefan Bodenmann ist spät Vater geworden, sein Sohn Also absolvierte er eine zweite Ausbildung bei der Gornergratbahn. ist sechs Jahre alt. «Das ist eine Entscheidung, die war nicht einfach zu Doch auch da merkte er schnell: Er ist viel zu gern draussen für einen treffen, nach so vielen Jahren Freiheit», erzählt er. Mit der Mutter des Bürojob. Er bat um ein Jahr unbezahlten Urlaub. Als die GGB ablehnte, Kindes ist Bodenmann seit zwölf Jahren ein Paar. Karen kommt vom schmiss er alles hin. Da war er 29. Meer, für das Stefan Bodenmann ähnlich viel Leidenschaft empfindet Ein Jahr lang bereiste er mit dem Rucksack die Welt, lernte Spanisch, wie für die Berge. Die Sommerferien verbringt die Familie deshalb gern fuhr Ski in Lateinamerika. Als er um Weihnachten herum wieder zuan Nord- oder Ostsee. «Da hat es wunderbare Radwege», schwärmt Bohause in Naters ankam, jobbte er zunächst als Hilfsskilehrer. Doch denmann. Ob Velofahren, Skifahren oder Schwimmen, ohne Sport hält schon bald wollte er wieder weg, raus aus dem Wallis, «diesem grossen, Stefan Bodenmann es nicht lange aus. Dass der Kleine seine Leidenaber engen Tal». Bodenmann reiste mit dem Wohnmobil ans Meer und schaft fürs Skifahren nicht teilt, nagt am Vater, auch wenn er es sich landete in der nächsten Saison doch wieder als Lehrer auf der Piste. Und kaum anmerken lässt. «Nächste Woche kommt er mit mir mit, das hat so ging es immer weiter. «Die davon träumen, mit 65 endlich reisen zu er noch nie gemacht», sagt er mit verhaltener Vorfreude. ■

8

SURPRISE 397/17


SURPRISE 397/17

9


10

SURPRISE 397/17


Vladimir Petkovic´ und David Möller sind Schweizer Fussball-Nationaltrainer. Der eine trainiert Profis, der andere sozial benachteiligte Menschen. Unterschiedlicher könnten die Teams nicht sein, und doch gibt es Gemeinsamkeiten bei der Arbeit als Trainer.

Fussball «Manchmal tue ich so, als ob ich nichts gesehen hätte» VON BEAT CAMENZIND (INTERVIEW) UND RUBEN HOLLINGER (BILDER)

Herr Petkovic´, Sie haben als Sozialarbeiter gearbeitet. Könnten Sie sich vorstellen, Trainer der Surprise Strassenfussball-Nationalmannschaft zu werden und sie zum Homeless World Cup zu begleiten? Petkovic´: Ja. Ich habe als Sozialarbeiter mit verschiedenen Menschen gearbeitet. Meine erste Station als Trainer war ein Team mit Kindern von sechs bis acht Jahren. Als Team-Chef muss ich mich immer anpassen, schauen, wen ich zur Verfügung habe und dann die richtigen Spieler für die richtigen Positionen auswählen. Herr Möller, könnten Sie sich vorstellen, die Schweizer Nati zu trainieren? Möller: Nein. Ich habe zu wenig Erfahrung, was den Profi-Fussball betrifft. Nur schon all diese Manager und Spielerberater würden mich verwirren. Ich bin schon mit acht Spielern zeitweise überfordert. Und Herr Petkovic´ hat 23 Spieler zu betreuen. Wieso sind Sie mit Ihren acht Spielern manchmal überfordert? Möller: Ich bin mit meinem Team alleine. Ich plane die Reise, die Trainings, gehe mit verletzten Spielern ins Spital. Ich bin zuständig für alles: von der Aufstellung bis zum Pressetermin. Herr Petkovic´ hat einen Staff im Hintergrund. Petkovic´: Für meine jetzige Arbeit ist es ein Vorteil, dass ich früher auch so gearbeitet habe wie Herr Möller. Ich hatte zwar einen Goalietrainer und einen Mann, der mir bei der Organisation half. Aber die Trainings habe ich alleine zusammengestellt, auch die Konditionstrainings. Das hilft mir jetzt. SURPRISE 397/17

Die Spieler einer Mannschaft ziehen nicht automatisch am gleichen Strang: Wie machen Sie aus einem heterogenen Haufen Menschen ein Team? Petkovic´: Ich muss die verschiedenen Charaktere im Team dazu bewegen, dass sie näher zusammenkommen. Das ist der wichtigste und schönste Teil bei der Arbeit als Trainer: Diese Menschen zu einem Team zusammenzuschweissen. Und dass sie sich mögen, zumindest auf dem Platz. Dass ein Team auch neben dem Platz zu einer Gemeinschaft von Freunden wird, das wird wohl nie passieren. Dass alle immer zusammen essengehen. Aber die Akzeptanz und Toleranz des anderen ist wichtig. Damit sie auf dem Platz zusammenspielen. Möller: Bei uns ist der sportliche Erfolg Nebensache. Gegen afrikanische und südamerikanische Mannschaften haben wir keine Chance. Unsere Leute sind physisch nicht so stark, sie haben meistens eine Suchtvergangenheit und sind ein wenig älter als viele Spieler anderer Mannschaften. Wir wissen von Anfang an: Wir haben keine Chance auf den Weltmeistertitel. Deshalb ist es wichtig, die Erwartungen rechtzeitig zu klären. Jeder Spieler setzt sich ein Ziel für den Cup, zum Beispiel: Selbstbewusstsein tanken. Auch wie wir die Freizeit gestalten, ist ein wichtige Frage. Petkovic´: Das ist ja kein Leistungssport. Möller: Klar wollen wir als Team unser Bestes herausholen. Doch das geht nur, wenn die Spieler ihr Potenzial auch entfalten können. Wie gelingt es Ihnen, dass die Spieler sich wohlfühlen? Möller: Viel mit der Mannschaft reden: Wie wollen wir spielen, wer hat welche Stärken? Aber die Spieler brauchen auch oft persönliche Ermutigung. Einige haben ein tiefes Selbstwertgefühl, sie trauen sich wenig zu und schätzen auch Dinge schwieriger ein, als sie sind.

11


Möller (links): «Wir kochen zusammen.» Petkovic´ (rechts): «Dass alle immer zusammen essengehen, wird wohl nie passieren.»

Ist das bei Ihnen auch so, Herr Petkovic´? Petkovic´: Nein, im Gegenteil: Manche Spieler haben ein zu grosses Ego. In meinem Team ist jeder Spieler ein Star. So muss ich auch mit ihnen umgehen. Ihnen das Gefühl geben, dass sie wichtig sind. Gleichzeitig muss ich ihnen beibringen, dass sie nicht unersetzlich sind, dass man auch ohne sie ein Spiel gewinnen kann. Ist das sehr schwierig, einem Star klarzumachen, dass er auf die Ersatzbank muss? Petkovic´: Das ist nicht schwierig. Man muss den Stil, die Worte dazu finden. Es gibt auch Trainings und andere Momente, in denen sie selbst merken, was um sie herum geschieht, wie weit sie sind und ob sie bereit sind zu spielen – oder ob sie zweite Wahl sein werden. Manchmal erkläre ich das im Gespräch, manchmal sage ich nichts. Das ist ganz individuell, jeder Mensch hat seine Fähigkeiten und Schwierigkeiten und Charakteristiken. Kommunikation ist sehr wichtig. Gibt es Situationen, in denen Sie das Gespräch verweigern? Petkovic´: Das habe ich vor der Europameisterschaft in Frankreich gemacht. Zwischen November und März bin ich viel gereist und habe viel mit den Spielern geredet. Ich habe ja nicht so oft Gelegenheit, mit den Spielern vor Ort zu sprechen. Sie spielen in sieben verschiedenen Ländern und ich muss viel reisen. Das ist anders als im Vereinsfussball. Nach den Freundschaftsspielen Anfang 2016 war ich nicht zufrieden mit der Einstellung einiger Spieler. Einen Monat lang habe ich niemanden kontaktiert. Erst vor dem nächsten Freundschaftsspiel habe ich den Kontakt wieder aufgenommen.

12

Gibt es Regeln auf dem Feld, in der Freizeit, an die sich die Spieler halten müssen? Gibt es auch Strafen? Petkovic´: Das Wichtigste ist, Grenzen zu setzen, die Spieler zu fordern und sie in die Pflicht zu nehmen. In der Nati gibt es eine Pflichtenliste und einen Bussenkatalog. Das müssen sie unterschreiben. Wer zu spät kommt, muss eine Busse in die Teamkasse bezahlen. Damit geht die Mannschaft essen. Möller: Bei uns ist es wichtig, dass wir gemeinsam die Regeln über den Umgang miteinander definieren. Ich bringe Vorschläge ein und das Team entscheidet. Ich bin nicht Polizist, ich appelliere lieber an die Eigenverantwortung. Was geschieht, wenn ein Spieler sich nicht ausreichend erholt: Dann ist er nicht fit am nächsten Tag, und die anderen lei-

Die grösste Herausforderung für meine Spieler ist, nach einem verlorenen Spiel sich beim Gegner zu bedanken. Denn wir verlieren öfter als wir gewinnen. David Möller den. Oder wenn einer einen Joint raucht. Dann frage ich den Spieler, was ihm das bringt und ob er weiss, was das mit den Mitspielern macht. Ich kann nicht alles kontrollieren. Aber ich habe auch schon Spieler auf die Bank gesetzt, die sich nicht an die Regeln gehalten haben. Petkovic´: Manchmal ignoriere ich das Verhalten eines Spielers, kehre ihm den Rücken zu und tue so, als ob ich nichts gesehen hätte. Dann SURPRISE 397/17


versuche ich mit anderen Mitteln als Strafen den Spieler zur Vernunft zu bringen. Manchmal hilft es, einen anderen Spieler oder eine Gruppe mit einzubinden und ihn oder sie aufzufordern, mit dem Fehlbaren zu reden.

Wichtig ist der Respekt vor sich selbst, vor dem Team und dem Gegner während des Spiels. So kommt das Fairplay automatisch zustande. Vladimir Petkovic´

Im Strassenfussball hat Fairplay einen hohen Stellenwert, es gibt Punkteabzug für Fouls. Wie können die Profis fair spielen und trotzdem gewinnen? Petkovic´: Wir versuchen fair zu spielen, aber wir laden den Gegner nicht zum Toreschiessen ein. Wir pflegen das Eigeninteresse und respektieren den Gegner. Wir versuchen, eine positive Stimmung auf dem Platz zu bringen. Möller: Ich frage die Spieler oft, was für sie Fairplay ist. Da kommen ganz unterschiedliche Ansichten und Erfahrungen zusammen. Den Gegner nicht zu attackieren und Tore schiessen zu lassen, ist auch nicht fair. Es gehört zum Spiel, das zu verhindern. Ein Foul ist nicht schlimm, aber ich muss mich beim Gefoulten entschuldigen. Die grösste Herausforderung für meine Spieler ist, nach einem verlorenen Spiel sich beim Gegner zu bedanken und das Spiel abzuschliessen. Denn wir verlieren öfter als wir gewinnen. Petkovic´: Ich sehe die Spiele wie ein Paket. Was vorher und nachher geschieht, spielt keine Rolle. Wichtig ist der Respekt vor sich selbst, vor dem Team und dem Gegner während des Spiels. So kommt das Fairplay automatisch zustande. Gibt es Gruppenbildung in den Teams? Möller: Ja, das ist normal, denn die Spieler haben unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. In der Freizeit gibt es Gruppen. Diese haben auch Einfluss aufeinander. Schwieriger wird es, wenn einer immer alleine ist. Wenn einer Aussenseiter ist, den Zugang nicht findet. Dann helfe ich ihm.

Vladimir Petkovic´ trainiert seit Juli 2014 die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Der kroatisch-schweizerische Doppelbürger ist 53 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter. Als Fussball-Trainer arbeitet er seit 1998, erst nebenberuflich, später im Profibetrieb. Sein grösster Erfolg war der Gewinn des italienischen Cups mit Lazio Rom 2013. Als Spieler war er bei Sarajevo und anderen bosnischen Vereinen, später in der Schweiz bei kleineren Clubs wie Chur oder Sion unter Vertrag. Petkovic´ hat eine Ausbildung zum Erwachsenenbildner absolviert und bei der Caritas als Sozialarbeiter Arbeitslose betreut. SURPRISE 397/17

Petkovic´: Uns hat dieses Thema vor der Europameisterschaft 2016 viel beschäftigt. Im Team gibt es verschiedene Gruppen, die verschiedene Sprachen reden. Seit November 2015 habe ich viel Zeit ins Teambuilding investiert. Zuerst nur mit den Spielern, dann auch mit dem ganzen Staff, insgesamt 50 Leute. Ich habe mit Symbolen gearbeitet. Mit einem Puzzleball oder einem Bumerang. Diese Dinge haben nun eine Bedeutung im Team bekommen. Oder wir haben an einem grossen Tisch zusammen gegessen, und ich habe versucht, die Spieler vom rechten Teil des Tisches näher an die Spieler vom linken Teil des Tisches zu bringen. Das hat ziemlich gut geklappt. Und es hatte direkte Auswirkungen auf die Ausstrahlung des Teams. Die Spieler sind näher zusammengerückt und strahlen eine positive Energie aus. Das merkt jeder auf und neben dem Platz. Wir erhalten deshalb vermehrt positive Rückmeldungen. Welche Tipps können Sie einander geben? Möller: Wir kochen gemeinsam, stellen einander unsere Lieblingslieder vor oder erzählen uns, was uns neben Fussball noch interessiert, was wir miteinander teilen können. Das wirkt sich auch auf dem Spielfeld aus. Petkovic´: Mit jeder Mannschaft muss man einen Stil und eine Linie finden. Oft suche ich bei Problemen das direkte Gespräch. Auf lange Sicht kommt dann viel Positives zurück. Die Spieler schätzen es auch, wenn man ehrlich mit ihnen ist. Sie haben verantwortungsvolle Positionen und oft auch Stress. Wann lassen Sie beide Dampf ab? Petkovic´: Jeden Tag. Ich kann gut abschalten, das muss ich auch. Damit ich bereit bin für Neues. Das habe ich in der Zeit gelernt, als ich mehrere Aufgaben hatte. Ich ging zur Arbeit, traf meine Familie, war Spielertrainer, absolvierte eine Trainerausbildung und eine Schule für Erwachsenenbildung. Da habe ich gelernt abzuschalten: Ich konnte eine Tür zumachen und die nächste öffnen. Wer die Probleme vom einen zum nächsten Umfeld trägt, kommt nicht weiter. Möller: Am Homeless World Cup haben wir ein langes Programm. Ich treffe andere Trainer, rede mit den Spielern, schaue andere Spiele. Ein Spaziergang weg vom Spielfeld hilft mir, offen zu bleiben und nicht an einem Problem zu lang herumzunagen. Petkovic´: Mir reicht es auch manchmal, einfach im Auto zu sitzen und meine Musik zu hören. Oder in einem Restaurant essen zu gehen. Ich muss jeden Tag abschalten. Ich bin nicht ein Mensch, der sich sagt, jetzt maloche ich bis Sommer und dann ab ans Meer. Das kann ich nicht. ■

David Möller hat soziale Arbeit studiert und arbeitet seit sieben Jahren beim Verein Surprise. Er trainiert die Surprise Strassenfussball-Nationalmannschaft und nimmt mit ihr jedes Jahr am Homeless World Cup teil. Die Nati setzt sich jeweils aus acht Armutsbetroffenen zusammen, die Freude am Fussball haben. Möller ist 34 Jahre alt, wohnt in Basel, spielt selber gerne Fussball und verfolgt die Spiele der Schweizer Nationalmannschaft mit Interesse.

13


14

SURPRISE 397/17


Ethik Brief an ein geborenes Kind Unser Autor ist jung Vater geworden. Dabei war er damals eigentlich für einen Schwangerschaftsabbruch. Warum es nicht dazu kam, und wie er heute dazu steht, hat er in einem Brief an seine Tochter niedergeschrieben. Anonym natürlich, um das Kind zu schützen.

Liebe Juli, Kopfweh, ausgetrocknete Kehle, Übelkeit – und deine weinende Mama, die zitternd auf der Bettkante sitzt. Das sind meine Erinnerungen an einen Samstagmorgen im Sommer vor zehn Jahren: An den Tag, als ich von deiner Existenz erfuhr. Keine schönen Erinnerungen, ich weiss. Deshalb ahnst du vielleicht, was nun kommt. Liebe Juli, du bist ein Unfall. Ein eigentlich ungewolltes Kind, das unbeabsichtigte Produkt grosser Gefühle und grossen Leichtsinns. Das Resultat einer ersten Liebe, die Jahre später dann doch zerbrochen ist. Du aber, du bist geblieben – und mit dir alles, was du mitgebracht hast. Juli, bitte lies den Brief bis zum Schluss. Er beginnt mit harten Worten, endet aber im Glück. Das ist dein Verdienst. Du warst ein Unfall, du bist ein Glücksfall. Am Tag, als deine Mutter weinte, war sie neunzehn. Ich war ein Jahr älter und am Vorabend auf der Piste. Ich feierte, trank zu viel und torkelte am frühen Morgen nach Hause, wo deine Mama schlafend im Bett lag. Zu diesem Zeitpunkt begleitete sie mich schon länger nicht mehr auf meinen nächtlichen Ausflügen. Ihr war häufig übel, sie hatte keine Lust zu feiern. Trotzdem dachten wir uns nichts dabei. Ach, was waren wir naiv. An jenem Samstagmorgen hatte deine Mama einen Termin beim Frauenarzt. Ich blieb zuhause, das war so abgemacht. Es handelte sich nur um eine Routineuntersuchung. Frauensache, ihr Problem. Da siehst du, wie reif ich damals war. Um ehrlich zu sein: Ich bekam nicht mit, wie sie erst das Bett und dann das Haus verliess. Das Erwachen war dann weniger schön. Ein leises Schluchzen weckte mich, verwirrt versuchte ich, mich zurechtzufinden. Ich sah deine unglückliche Mama, zwischen dem pochenden Brummen in meinem Schädel blieben irgendwo ihre Worte hängen: «Ich bin schwanger.» Ich sank auf das Kissen zurück und wünschte mich weit fort. SURPRISE 397/17

Was folgte, war die quälendste Episode meines Lebens. Zwölf Wochen hat man in der Schweiz Zeit, ein ungeborenes Kind abzutreiben. Danach bleibt nur noch eine Option. Wir waren überfordert, konnten uns nicht entscheiden. In jeder freien Sekunde diskutierten wir, oft bis spät in die Nacht. Während die Zeit davoneilte, sahen wir Kinderwagen, Spielplätze und Familien mit anderen Augen. Plötzlich sahen wir Dinge, die wir bis dahin nur am Rande wahrgenommen hatten. Wenn überhaupt. Liebe Juli, es gibt ein Lied, das wir damals oft hörten. Eine Textpassage fasst unsere damalige Lage treffend zusammen: «… dein Gehirn blockiert, dein Herz steht still, du kannst es nicht fassen. Schwanger, auf einmal viel mehr nur als ein Wort. Wie war das jetzt mit Abtreibung, ist es richtig oder Mord?» Die Zeit drängte und wir drehten uns im Kreis. Die Entscheidung über dein Leben raubte uns den Schlaf, beinahe sind wir daran zerbrochen. Ich bin nicht gegen Abtreibungen, falls du dich das fragst. Es ist wichtig, dass werdende Eltern die Möglichkeit haben, über ihr Schicksal, ihre Zukunft und ihren Lebensweg zu bestimmen. Es gibt Situationen, in die ein Kind besser nicht hineingeboren wird. Zu seinem eigenen Schutz – und zum Schutz der Eltern. Das ist hart, aber: Wären Abtreibungen verboten, gäbe es mehr gescheiterte und zerbro-

Zwischen dem pochenden Brummen in meinem Schädel blieben irgendwo ihre Worte hängen: «Ich bin schwanger.» Ich sank auf das Kissen zurück und wünschte mich weit fort.

15


Ich fühlte mich nicht bereit, wollte meine Jugend leben, Träume verwirklichen. Ausserdem glaubte ich nicht an meine Fähigkeiten als Vater. chene Existenzen. Das wird dich vielleicht nur am Rande interessieren, liebe Juli. Bitte entschuldige, aber das muss gesagt werden: Militante, oft kinderlose Abtreibungsgegner wollen den Frauen das Recht auf Selbstbestimmung absprechen. Sie begründen ihre Haltung mit einer konservativen und religiösen Ethik. Ohne Empathie für die Beteiligten und ihre Lage stecken sie die Betroffenen in ihre säuberlich beschrifteten Schubladen. Als würde sich die Realität nach ihren Etiketten richten. Ich lache ihnen ins Gesicht, mit einem prachtvollen Kind an der Hand, dessen Existenz lange auf der Kippe stand. Zurück zu dir, liebe Juli. In der Zwischenzeit hatten sich zumindest die Fronten geklärt: Deine Mama wollte dich behalten, ich eher nicht. Ich fühlte mich nicht bereit, wollte meine Jugend leben, Träume verwirklichen. Ausserdem glaubte ich nicht an meine Fähigkeiten als Vater. Sicher, ich wollte Kinder. Irgendwann. Diesen wollte ich aber ein geordnetes Leben bieten – und nicht die winzige Zweizimmer-Wohnung, das mickrige Salär und die hohe Arbeitsbelastung eines Journalisten in Ausbildung. Die Diskussion gestaltete sich zunehmend schwierig. Ich vertrat meine Meinung, wollte deiner Mama aber auch keine Entscheidung aufdrängen. Sie sass in derselben Zwickmühle. Schliesslich rangen wir uns durch: Da ich mir derart unsicher war, lenkte sie ein. Sie wollte kein Kind mit einem Mann, der bereits vor der Geburt zweifelt. Also liessen wir uns beraten und vereinbarten einen Abtreibungstermin – mit dir und einem mulmigen Gefühl im Bauch. Der kurzfristig angesetzte Termin fiel auf den Tag, an dem ich zum ersten Mal ins Militär einrücken musste. Die Herren in Grün zeigten kein Verständnis. Ich wurde gebraucht, das Vaterland musste mal wieder dringend verteidigt werden. Deine Mama betrat die Klinik deshalb in Begleitung deiner Grossmama. Am Abend erhielt ich dann einen Anruf: «Du wirst bald Papa.» Der Arzt hatte die Zweifel deiner Mama bemerkt und trat erfolgreich für dein Leben ein. Für dich war das ein Glücksfall, ich fühlte mich erschlagen. Die banalen Ängste und Sorgen der übrigen Rekruten machten mich aggressiv. Ich fürchtete mich vor der Zukunft, vor dir. Einem kleinen, unfertigen Wesen. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Ich bediene mich Goethes Worte, um die restliche Zeit der Schwangerschaft zusammenzufassen. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, wobei die Vorfreude immer wieder aufblitzte, sich aber nie richtig durchzusetzen vermochte. Dann kam der Stress. Familie und Freunde informieren, Glückwünsche entgegenneh-

16

men, lächeln. Zimmer einrichten, Babyutensilien kaufen, Geburtsvorbereitungskurs besuchen, lächeln. Wir taten das, was die Gesellschaft von uns erwartete. Auch wenn Teile derselben Gesellschaft, darunter viele Abtreibungsgegner, mit grossen Augen auf den Kugelbauch deiner neunzehnjährigen Mama starrten und sie sich die Mäuler über uns zerrissen. Gerüchte machten die Runde. Wir reagierten mit einer Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Haltung, rückten näher zusammen und beschlossen, sie alle Lügen zu strafen. Dann kamst du, liebe Juli. Du hattest es eilig, warst bereit für die Welt. An deine Geburt erinnere ich mich nur verschwommen, noch immer habe ich Mühe, meine Gefühle in Worte zu fassen. Ich weiss noch, dass deine Mama starke Schmerzen hatte. Dass sie mich mit Schimpfwörtern eindeckte, weil es so weh tat und ich ihr keine Linderung verschaffen konnte. Ich hielt ihre Hand, Nägel gruben sich in Fleisch. Die Hebamme vermerkte in ihrem Büchlein: «Gute Unterstützung durch Partner.» So fühlte sich das aber nicht an, ich war hilflos, verloren und überfordert. Ich sah zu, wie du auf diese Welt kamst. Der erste Atemzug, der erste Schrei. Das Strampeln mit den winzigen, zerbrechlichen Gliedmassen. Deine Haut auf meiner Haut. Etwas regte sich in mir: Gefühle, die ich nicht kannte. Sie berührten mich im Innersten. An Orten, von denen ich nichts gewusst hatte.

Du kamst, und meine Welt stürzte ein. Dann hast du sie wieder aufgebaut und zu einem besseren Ort gemacht.

SURPRISE 397/17


Wir mussten um dich kämpfen. Einige in unserer Familie hätten dich am liebsten selber grossgezogen, sie trauten uns diese Aufgabe nicht zu. Ich schnitt die Nabelschnur durch, half der Hebamme, dich zu waschen, und legte dich in die Arme deiner Mama. Ein kleines, schutzbedürftiges Menschlein. Unser Kind. Bis heute ist deine Geburt mein eindrücklichstes Erlebnis. Du kamst, und meine Welt stürzte ein. Dann hast du sie wieder aufgebaut und zu einem besseren Ort gemacht. Nach einigen Tagen konnten du und deine Mama die Klinik verlassen. Wir richteten uns in unserem Leben ein und lernten, mit der neuen Situation umzugehen. Mit jedem Tag wuchsen wir an der Aufgabe, bis wir unsere Elternrolle ausfüllten. Wir mussten um dich kämpfen, einige von unseren Familienmitgliedern in die Schranken weisen. Am liebsten hätten sie dich selber grossgezogen, sie trauten uns diese Aufgabe nicht zu. Wir gaben nicht nach und dich nicht her. Unser Kind, unsere Aufgabe, basta. Ich gebe es zu, Juli: All die Erziehungsratgeber, die sie uns schenkten, sind noch immer ungelesen. Wir brauchten sie nicht. Manche Dinge funktionieren auch ohne Bücher, Fachwissen und Studien. Schau dich an, du bist der Beweis dafür. Natürlich waren nicht alle Zweifel ausgeräumt, natürlich gab es Tiefs. Und ja, liebe Juli: Manchmal verfluchte ich dich und deine Existenz, manchmal habe ich mich zurück in mein früheres, unbekümmertes Leben gewünscht. Nimm das nicht persönlich, Juli. So ist die Realität. Eltern, die behaupten, sie hätten ihr Kind zu jedem Zeitpunkt vorbehaltlos geliebt, lügen. Wir opferten einen Teil unserer Jugend, um dir gute Eltern zu sein. Ein kleines Opfer. Ausserdem gab es deine Grosseltern, die uns unterstützten und halfen, wo sie nur konnten. Das gab uns die Gelegenheit, durchzuatmen. Bei aller Liebe, kleine Juli: Wir brauchten das. Es war nicht immer einfach. Du halfst uns bei unserer Aufgabe, du gabst uns so viele wunderschöne Dinge. Das tust du noch immer. Zum ersten Mal krabbeln, brabbeln, lachen. Das erste Wort, der erste Schritt. Die ersten Zähne. Zum ersten Mal Gemüsebrei spucken. Vor Vergnügen quietschen, entrüstetes Weinen. Du, selig schlafend, der Abdruck deiner Träume im Gesicht. Deine Geschichten und Spiele, von dir selber kreiert. Deine Persönlichkeit, die mit dir wächst. Die ersten Widerworte, der erste Streit. So viele erste Male – für dich, für uns. Mit dir im Wald, auf dem See, beim Wandern, auf dem Spielplatz. Du, in der Kinderkrippe, traurig. Wo sind Mama und Papa? Trösten, ermutigen, schimpfen, scherzen. Du, lachend auf meinen Schultern, die Händchen auf meinen Augen: «Rechts, Papa! Nein, jetzt links!» Stundenlang. Obwohl du die Richtungen doch noch gar nicht unterscheiden konntest. Wir, im Regen, unser selbst gedichtetes Regenlied singend. Der erste Schultag, ein nervös zitterndes Vögelchen. Die ersten Noten, Hobbys, die beste Freundin. Geburtstage, Ferien, Wettkämpfe, Schultage. Die Zeit verfliegt, kleine Juli. Flieg mit, lass dich tragen. Ich weine, Juli. Und ich weiss nicht, warum. Ich habe so viele Erinnerungen, du füllst mich aus. Du bist mein persönliches Wunder, der Sinn in meinem Leben. Dank dir sehe ich die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Mit deiner Hilfe habe ich mich erinnert: an das Wunder des Lebens und wie Glück funktioniert. Du zeigst mir das Unkraut, das in SURPRISE 397/17

einem Riss des Strassenbelags wächst. Die Raupe am Wegrand, das Rascheln eines Blattes. Den Schmetterling am Strauch, den schön geformten Stein. Scheinbar alltägliche Dinge, die ich vergessen und dann jahrelang übersehen habe. Die Welt mit Kinderaugen sehen, was für ein Gewinn. Du stellt die richtigen Fragen, bringst mich in Verlegenheit. Entwaffnende Ehrlichkeit, ein reines Wesen auf der Suche nach der Wahrheit. Und ich, ich darf daran teilhaben. Du siehst mich mit deinen strahlenden Augen an, nimmst meine Hand. Deine Anwesenheit tröstet mich, macht mich glücklich. Ich vertraue darauf, dass auch du es spürst: Liebe, Geborgenheit und Zuneigung. Dinge, die sich niemals ändern. Egal was aus dir wird, egal was du tust. Ich bin immer für dich da, das schwor ich mir, als ich dich zum ersten Mal in den Händen hielt. Lange war nicht klar, ob es dich jemals geben würde, dein Leben hing an einem seidenen Faden. Nur dank Zufällen und mit viel Glück kamst du auf diese Welt. Nun ist diese Welt ein besserer Ort. Ich bin froh, dass du da bist. Ich liebe dich. Ich habe dir das Leben geschenkt, kleine Juli. Du hast mein Leben gerettet. Dafür danke ich dir von Herzen. Für immer, dein Papa PS: Nein, ein Pony schenke ich dir trotzdem nicht.

17


18

SURPRISE 397/17


Strassenzeitungen Eine von uns

Anfang des Jahres erntete die US-Amerikanerin Raven Canon begeisterte Anerkennung, als sie in ihrer Heimatstadt Colorado Springs eine neue Strassenzeitung gründete: «The Spring Echo». Etwas mehr als einen Monat später fand man die obdachlose Aktivistin tot auf. Ein Nachruf auf eine Kollegin. VON LAURA KELLY (TEXT) UND MARK REIS, THE GAZETTE (BILDER)

mich sexuell missbrauchte und ich ihn anzeigen musste», erzählte sie letztes Jahr der Nichtregierungsorganisation Coalition for Compassion and Action (CAA) in Colorado Springs. «Ich konnte nirgendwo hin und endete schliesslich in meinem Heimatort Pueblo, Colorado. Doch in Pueblo gibt es keinerlei Unterstützung, und so kam ich in die nächstgrössere Stadt mit sozialen Einrichtungen. Darum bin ich hier.» Rückblickend habe sie aber schon die letzten 20 Jahre darum gekämpft, nicht auf der Strasse zu landen, fügte sie hinzu. «Schliesslich konnte ich den Kopf nicht mehr über Wasser halten.»

Am 4. März um 9.30 Uhr wurde sie gefunden: auf der Strasse in Colorado Springs, nur unzureichend mit einer Decke gegen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt geschützt. Raven Canon war Aktivisten zufolge die neunte Person, die diesen Winter auf den Strassen der Stadt im mittleren Westen der USA ihr Leben verlor. Dabei war Canon auf dem besten Weg, zu einem Star ihrer Gemeinde zu werden: tatkräftig im Organisieren kommunaler Veranstaltungen, eine Vorkämpferin der Obdachlosenbewegung und zudem die Chefredaktorin der neusten StrasAllen Erwartungen zum Trotz senzeitung der Welt. Ravens enge Freundin Linda arbeitet als Suchtberaterin für das Oasis Zum ersten Mal kam Raven Canon als Verkäuferin des Real Change Empowerment Center im US-Aussengebiet Guam in Mikronesien, einer in Seattle in Kontakt mit Strassenzeitungen. Wenn auch ihr der Verkauf Inselgruppe im Pazifik, wo sie auch auf Raven traf. Damals hiess Raven nicht lag, so machte das Konzept doch Eindruck auf sie. Als sie sich noch Crystal Tippens. Erst kürzlich änderte sie ihren Geburtsnamen zu wohnungslos in Colorado Springs wiederfand, beschloss sie, dass die Raven Canon, was ein Symbol für ihr neues Leben sein sollte. Linda half Stadt ihre eigene Strassenzeitung brauchte – und machte sich unverihr, sich mit ihren inneren Dämonen auseinanderzusetzen. Als ehemazüglich an die Umsetzung ihrer Idee. Schwer beeindruckt von ihrer Vilige Obdachlose, die sich selbst aus der Sucht freigekämpft hatte, wurde sion und ihrem Einsatz, wurde Real-Change-Gründer und INSP-VorLinda für Raven zur Mentorin. Von sich selbst spricht Linda als Ravens standsmitglied Tim Harris zu ihrem Berater. Im Dezember brachte er sie in Kontakt mit dem Internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP. «Ich renne wie «Ich renne wie verrückt den letzten paar Hundert Dollar hinterverrückt den letzten paar Hundert Dollar her, die uns noch fehlen, damit wir in Druck gehen können.» hinterher, die uns noch fehlen, damit wir in Druck gehen können», schrieb sie mir in ihrer ersten Email. «All das tun zu können, woran ich gerade arbeite, ist für Schwester. Gerade hatten sie Ravens erstes Jahr ohne Alkohol gefeiert. mich eine Ehre. Ich bin verblüfft über die bisherige Entwicklung und al«Ich sah sie als einen Schatz – und sie hat bewiesen, dass ich Recht hatles, was noch vor uns liegt.» Erst als ich zum ersten Mal mit ihr telefote. Es war doch im letzten Jahr ganz offensichtlich, mit allem was sie ernierte, wurde mir klar, dass sie selbst ihre Nächte im Zelt oder in Nachtreicht hatte, dass sie eine grossartige Person war», erinnert sich Linda. cafés verbrachte. «Es ist ein ständiger Kampf», räumte sie damals ein. «Crystal hatte einfach ein gutes Herz und hätte nie zugelassen, dass je«Ich bin emotional am Ende.» mand leidet – sie hätte niemanden alleine sterben lassen.» Raven kämpfte viele Jahre ihres Lebens gegen die Obdachlosigkeit. Trygve Bundgaard aus Colorado Springs lernte Raven letztes Jahr Sie kam 1976 mit einer Bauchspalte zur Welt – einem Geburtsfehler, bei über ihr Engagement für Obdachlose in ihrer Gemeinde kennen. Als dem der Darm des Neugeborenen sich ganz oder teilweise ausserhalb Vorsitzender der lokalen Hilfsorganisation Blackbird Outreach und einer der Bauchhöhle befindet – und hatte zeitlebens gesundheitliche Probleder Gründer des CAA organisierte Bundgaard einen Sitzstreik gegen die me. Sie jobbte in Bars, immer hart an der Armutsgrenze. Als sie wegen drakonischen «Sitz-und-Liege-Verordnungen» der Stadt, mit denen ObSuchtproblemen mit dem Trinken aufhörte, verlor sie ihren Beruf und dachlose von öffentlichen Plätzen vertrieben werden sollten. «Raven damit ihr Einkommen. «Warum ich auf der Strasse bin? Der Auslöser nahm per Telefon mit mir Kontakt auf und hatte einige tolle Ideen, wie war ein ganz bestimmtes Ereignis, nämlich dass ein Polizeibeamter wir der Stadt ein paar Stiche versetzen und initiativ handeln konnten. SURPRISE 397/17

19


«Sie hat allen Erwartungen darüber, wie jemand, der auf der Strasse lebt, auszusehen und zu klingen hat, getrotzt.» Trygve Bundgaard, Aktivist aus Colorado Springs

Es war sofort eine Verbindung da», erzählt er. «Sie ist eine wirklich bean Issue» in Glasgow schickte, war sie überglücklich und machte die merkenswerte Person, besonders wenn man sich klarmacht, dass sie auf Ausstellung zum Titelthema der zweiten Ausgabe. Als Überschrift wählder Strasse lebt.» Wie Linda hat auch Bundgaard Probleme damit, in der te sie: «Ein Echo, das rund um die Welt gehört wird». Vergangenheitsform über Raven zu sprechen. «Sie war bis zum Ende eiRaven war dabei, ihr Leben zum Guten zu wenden, sind Linda und ne leidenschaftliche, redegewandte und intelligente Person», fährt er Trygve Bundgaard überzeugt. Nach Monaten harter Arbeit hatte sie ihr fort. «Ich denke, dieser Teil von ihr hat ihren kommunalen Einsatz und Ziel, die Gründung von The Springs Echo, verwirklicht, sie hatte ihr Alihren Aktivismus so erfolgreich und kraftvoll gemacht. Sie hat allen Erkoholproblem unter Kontrolle und ein paar juristische Dinge geregelt wartungen darüber, wie jemand, der auf der Strasse lebt, auszusehen und fand schliesslich Unterkunft in einem Zimmer bei Freunden. Auch und zu klingen hat, getrotzt.» ihr Einsatz für Obdachlose begann Früchte zu tragen. William Murray, Obwohl sie selbst noch keine dauerhafte Bleibe gefunden hatte, Mitglied des Stadtrats von Colorado Springs, nannte sie «einen aufstrebrachte Raven mit dem für sie typischen Biss im Januar die Erstausgabenden Star der Gemeinde». be von The Springs Echo heraus. Ein Spender hatte ihr die letzten fehlenden paar Hundert «Alles, was ich jemals wirklich wollte, war ein Platz, den mir Dollar zugesichert. Wegen Verwaltungsfehlern niemand wegnehmen kann. Ein Zuhause.» verzögerte sich jedoch die Zahlung, und eine andere Strassenzeitung, Denver Voice, sprang zur Überbrückung ein, sodass die ersten Zeitungen ausgeliefert werden Doch dann schickte sie am Donnerstag, den 2. März, eine beunruhikonnten. Denver-Voice-Redaktorin Sarah Harvey: «Ich muss sagen, dass gende Nachricht. Sie hatte das Gefühl, nicht länger in ihrer Unterkunft mich Ravens Antrieb und ihre Entschlossenheit schwer beeindruckt hableiben zu können und war wieder auf der Strasse. «Ich fühle mich wie ben.» eine totale Versagerin», meinte sie. «Ich bin einfach nur so, so müde … und habe Angst, da draussen zu sterben.» «Angst, da draussen zu sterben» Noch ist unklar, was genau zwischen Donnerstag und SamstagmorAm 17. Januar schrieb Raven mir über Facebook: «Ich liebe es, für algen passierte. Offensichtlich verzweifelt, nahm Raven am Donnerstag le auf der Strasse das lebende Beispiel dafür zu sein, dass man es von Verbindung mit Linda, Trygve Bundgaard, Tim Harris und Stadtrat Murganz unten bis an die Spitze schaffen kann.» Sie hatte sich finanzielle ray auf. Ihr letzter Post auf Facebook an diesem Tag: «Alles, was ich jeUnterstützung für die Reise zum Internationalen Gipfeltreffen der Strasmals wirklich wollte, war ein Platz, den mir niemand wegnehmen kann. senzeitungen in Manchester gesichert und freute sich darauf, dort KolEin Zuhause.» Trygve machen diese Worte zu schaffen. «In unserem legen aus aller Welt zu treffen. Als ich ihre Bilder von der Erstausgabe letzten Gespräch am Donnerstag wurde mir klar, dass sie niedergevon The Springs Echo als Teil der INSP-Ausstellung «Still Homeless, Still schlagen war. Ich konnte die Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme hören,

20

SURPRISE 397/17


aber ich habe nicht aus ihr herausbekommen, was anders war als vorher. Soweit ich sehen konnte, war alles da, was sie für den Start in ein faszinierendes neues Kapitel in ihrem Leben brauchte.» Von offizieller Seite kommt bisher nicht viel Erhellendes zu Ravens Tod. Die Polizei von Colorado Springs schliesst Fremdeinwirkung aus, die Gerichtsmedizin will bis zu ihrem Abschlussbericht in sechs bis acht Wochen keinen weiteren Kommentar abgeben. Linda hat aus der Ferne ein paar Informationen sammeln können. «Um 5.30 Uhr war sie wohl noch wach, wurde dann schläfrig und wickelte sich in eine Decke, die sie von irgendwoher hatte», sagt sie. «Sie schlief ein. Und ich nehme an, es war sehr kalt draussen. Und sie ist doch so klein. Als sie dann um 9.30 Uhr bei ihr ankamen, war sie nicht mehr ansprechbar.» «Dann wäre das alles vielleicht nicht passiert» Raven hinterlässt eine Tochter, zu der sie viele Jahre keinen Kontakt hatte. In der Zeit vor ihrem Tod waren die beiden jedoch wieder ins Gespräch gekommen. Lesley Tippens sammelt nun im Internet Spenden, um ihre Mutter einäschern lassen und die Asche im Meer verstreuen zu können. «Ich möchte sie nach Panama in Florida bringen und ihre Asche dort im Ozean verteilen», schreibt sie auf ihrer GoFundMe-Seite. Bei Drucklegung dieses Artikels hatte sie bereits 1825 Dollar gesammelt. Auch Stadtrat Murray hat gespendet. «Ehrlich gesagt habe ich mich geschämt, weil ich Raven das Geld zu ihren Lebzeiten hätte geben können», sagt er. «Jetzt ist es ein Zeichen des Beileids statt ein Versprechen für die Zukunft. Hätte ich es ihr vorab gegeben, wäre das alles vielleicht nicht passiert.» Viele, die Raven kannten, werden sich noch lange fragen, was wohl passiert wäre, wenn sie genau nachgefragt hätte. Dabei hatten alle, mit denen sie in ihrer letzten Woche sprach, ihr doch vermittelt: Du beflüSURPRISE 397/17

gelst uns, du hast es geschafft, wir sind für dich da. Und doch drang das irgendwie nicht zu ihr durch. «Wenn ich zurückdenke, ist das Traurigste, dass sie mir ständig sagte, wie allein sie sich fühlte», sagt Trygve Bundgaard. Tim Harris kämpft seit über 20 Jahren für die Rechte von Obdachlosen in den USA. Ravens Geschichte geht ihm besonders nah. «Für sie gab es kein ‹das wäre zu viel›», sagt er. «Ihr Antrieb war Liebe, und sie hat jeden Tag ihr gebrochenes Herz geöffnet, sich um andere gekümmert und für grundlegende menschliche Würde gekämpft. Das ist ein Vorbild, das ich mein Leben lang in mir tragen werde.» Raven hat einmal zu mir gesagt, sie fühle sich gesegnet, ein Teil der Strassenzeitungsbewegung zu sein. Die beste Nachricht, die ich seit ihrem Tod erhalten habe, kam von Steve Saint-Thomas, einem professionellen Journalisten, von dem Raven zu ihrer Zeitung beraten wurde. Die Überschrift lautet: «The Spring Echo lebt weiter!» Es könnte keine bessere Ehrung, kein besseres Vermächtnis geben. ■ Laura Kelly ist Journalistin beim Internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP in Glasgow. Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Veronica Koehn.

Mit freundlicher Genehmigung von INSP.ngo

21


BILD: GUIDO SÜESS

Wörter von Pörtner Gespenster «Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.» So begann 1848, einer Zeit grosser technischer und gesellschaftlicher Umwälzungen, das Kommunistische Manifest, in dem sich Marx darüber lustig machte, wie sehr sich die herrschenden Klassen vor diesem Gespenst fürchteten. Heute geht das Gespenst des Rechtspopulismus um, nicht nur in Europa. Es gibt durchaus Gründe, dieses Gespenst zu fürchten. Es gelingt den Rechtspopulisten zusehends, traditionell links stimmende Arbeitende und Angestellte für sich zu gewinnen. In Frankreich laufen ganze Regionen wie ElsassLothringen von den Sozialisten zum Front National über. Auf den ersten Blick sieht das nach einem radikalen Wandel aus. Die Rechtspopulisten und Rechtsextremen haben den Begriff der Lügenpresse etabliert: Nur

22

was in den von ihnen kontrollierten Medien steht, stimmt. Es gibt nur noch eine Wahrheit. Alles, was dieser widerspricht, wird zu Lüge und hinterhältiger Manipulation. Eine derart kritische Haltung, ja Ablehnung den Medien gegenüber war bis vor nicht allzu langer Zeit vor allem in linken Kreisen verbreitet: Vordenker wie Noam Chomsky wiesen nach, dass die Medien sich fest im Griff der Grosskonzerne und Werbekunden befanden. Diese bestimmten, was das Publikum lesen durfte, welchen Themen und Konflikten Beachtung geschenkt wurde. Dadurch verzerrten sie die Wahrnehmung der breiten Massen, so die Lesart. Ein weitum beklagtes Phänomen war das volksverdummende Fernsehen, das die Menschen zu gefügigen Konsumenten anästhetisierte, die sich mehr für das Liebesleben von Prominenten als für die schleichende Entrechtung und Enteignung der eigenen Schicht interessierten. Chomskys Analyse traf damals weitgehend zu, auch auf jene Medien, die in der heutigen, komplett veränderten Medienlandschaft von den ins Internet abgewanderten Werbegeldern bedroht sind. Nun gelten sie plötzlich als Garanten von Meinungsvielfalt und Objektivität. Sich mit diesen Zeitungen und Sendern, die teils staatlich, teils im Besitz schwerreicher Unternehmer sind, zu solidarisieren, empfindet mancher gestandene Linke als Verrat an den eigenen Werten. Vertrauter ist da das Gefühl, Widerstand zu leisten gegen einen übermächtigen Gegner, der

trickst und schummelt. Das ist einerseits frustrierend und erschöpfend, die Gewissheit jedoch, auf der richtigen Seite zu stehen, zu den wenigen Eingeweihten zu gehören, entschädigt für vieles. Genauso fühlen die Anhänger der rechtspopulistischen Parteien. Zu ihnen überzulaufen, bedeutet daher kein radikales Umdenken, eher eine Koordinatenverschiebung. Aus dem Establishment wird die Elite, aus dem Schweinesystem die EU, aus den Bonzen die Flüchtlinge. Wer an einem einfachen, überschaubaren Weltbild mit klaren Fronten interessiert ist, wird bei diesen Parteien eine Heimat finden. Wenn sie an die Macht kommen, wurden sie nicht von Ausserirdischen oder Fanatikern gewählt, sondern von ganz normalen Menschen, von Kolleginnen, Nachbarn und Bekannten, mitunter sogar Freundinnen. Schon im Dritten Reich gab es einen Witz, der besagte, dass auf einmal so viele Hakenkreuzfahnen von den Fenstern wehten, weil die Leute die roten Fahnen bereits besessen hatten und nur noch leicht abändern mussten.

Stephan Pörtner schaut an seinem Zürcher Fenster immer erst nach links und rechts, bevor er die weisse Fahne hisst.

Sarah Weishaupt ist freie Illustratorin aus Basel. SURPRISE 397/17


Visions du Réel Wie wenn einer zum Fenster hinausschaut

BILD: STÉPHANE BRETON

Visions du Réel gehört zu den wichtigsten internationalen Dokumentarfilm-Festivals. Wobei es zu eng gefasst ist, hier vom rein Dokumentarischen zu sprechen. Die Filme von Stéphane Breton zeigen, warum.

VON DIANA FREI

Visions du Réel widmet neben dem Wettbewerb jedes Jahr zwei Regisseuren sogenannte «Ateliers» und zeigt eine Werkschau ihrer Filme. Neben Gianfranco Rosi («Fuocoammare») ist es dieses Jahr Stéphane Breton. Der Filmemacher und Ethnologe drehte in Papua-Neuguinea nicht etwa einen Dokumentarfilm über fremde Völker, sondern einen Film über «Eux et moi» – so auch der Titel des Films: über sie und ihn. Und vor allem über den Raum dazwischen. «Das Ich in diesem Film ist ein Ethnologe, der sich in einem Dorf von Leuten aufhält, die ihn nicht eingeladen haben. Die Leute gehen nackt und mit Pfeil und Bogen in der Hand herum, der Ethnologe ist in gewissem Sinn allein unter ihnen», sagt Stéphane Breton. «‹Eux et moi› ist nicht ein Film über sie und ihre Sitten, sondern über sie und mich selbst.» Breton spricht Wolani mit den Einwohnern, hat lange in dem Dorf gelebt und sich die Sprache angeeignet, bevor er zu drehen begann. Er führt keine Interviews, sondern lässt sich mitnehmen in dieses Leben – immer hinter der Kamera, nie im Bild, man hört bloss seine Stimme. Die Dorfbewohner spielen ihre kleinen Spielchen mit ihm: Neckereien, Schummeleien und Gekicher im Urwald. «Es ist ein Film über die Distanz, die es zwischen Leuten gibt – zwischen Leuten, die nicht die gleiche Muttersprache haben, sich aber doch ein bisschen verstehen. Und über die Distanz zwischen dem, der schaut, und denen, die angeschaut werden», sagt Breton und fügt an: «Mais attention! Die, die angeschaut werden, schauen zurück. Ich reflektiere immer auch meine Rolle.» Genauso in «Quelques jours ensemble» – einer Zugreise durch den russischen Winter. Reisen, das sind Begegnungen. Mit einem ehemaligen Mitglied der Roten Armee. Oder mit Söhnen in Uniformen, die von der Angst ihrer Mütter erzählen, wenn sie ins Militär gehen. «Ich mache oft Filme, in denen ein Reisender an einen Ort geht, der nicht sein eigener ist. Der Reisende bin ich, aber er ist gleichzeitig eine Filmfigur, wie eine Romanfigur», sagt Breton. Der scheinbar ganz anders gelagerte Film «Chère humaine» beginnt mit einem formatfüllenden Auge, das uns direkt anblickt. Es sind SURPRISE 397/17

Traumhaftes Durchstreifen üppiger Wälder und praller Gedankenwelten: «Nuages apportant la nuit».

schwarz-weisse, körnige Fotos aus dem Archiv der Fotoagentur Vu, die Stéphane Breton durch einen fiktionalen Text zu einer Erzählung zusammenführt. Wir spazieren durch Strassen, streifen durch das Leben und nehmen die Perspektive eines Hundes ein, dann sind wir wiederum in einem Zimmer mit einer nackten Frau. Es sind sinnliche, poetische Momente, die sich wie in einem Fotoroman zu einer Welt zusammenfügen. «‹Chère humaine› ist ein nach innen gekehrter Film und sehr viel fiktionaler als zum Beispiel ‹Eux et moi›», sagt Breton. «Ein Film entspricht dem, was sich einer bei sich denkt, wenn er zum Fenster hinausschaut. Wenn er seinen Blick auf etwas richtet. Das kann eine Poesie entstehen lassen. Mich interessiert ein Blick auf die Welt, in der das Aussen und Innen in ständigem Austausch sind. Das Innere sind unsere Gedanken, unsere Vorstellungen, unsere Wünsche, unsere Schmerzen. Das Äussere sind die Strassen, die Leute, die Dörfer, der Himmel. Und der Film ermöglicht die Durchlässigkeit zwischen Innen- und Aussensicht.» Für «Nuages apportant la nuit» hat er nach dem gleichen Prinzip SchwarzWeiss-Fotos, die er in Papua-Neuguinea gemacht hat, zu einem lyrischen, traumhaften Durchdriften des Urwaldes zusammengefügt.

In «Le Monde extérieur» streift Stéphane Breton durch seine Heimatstadt Paris und beobachtet Alltagsszenen. Ankommende und Abreisende, einen Stadtlauf, die Strassenfeger. Über ein Jahr lang ging er durch die Strassen. Die meisten Passanten hatten es eilig und reagierten schlecht auf die Kamera. Und Breton kannte sie nicht – im Gegensatz zu den Einwohnern in Papua-Neuguinea. «Ich sagte mir, wenn ich es legitim finde, in einem weit entfernten Land einen Film zu machen, muss ich auch imstande sein, bei mir zuhause zu drehen. Es war eine Prüfung für mich selbst und eine bestimmte Art von Erfahrung. Journalisten denken nicht in Kategorien von Erfahrung. Sie versuchen sie vielmehr zu vermeiden, damit die Dinge objektiv bleiben. Als Dokumentarfilmer will ich die Erfahrung aber möglich machen. Es bedeutet nicht, die Welt zu verstehen. Aber es bedeutet zu verstehen, wie wir in dieser Welt leben.» ■

Visions du Réel, 21. bis 29. April, Nyon. Masterclass Stéphane Breton, Do, 27. April, 10 Uhr, sämtliche Filme unter www.visionsdureel.ch

23


BILD:SOEREN KIRKEGAARD

BILD: ZVG

Kultur

Wenn Gott vorbeispaziert, braucht der Hund eine Zigarette.

Studentenparty: Jetzt fängt das Leben neu an.

Buch Schöpfung in Schieflage

Kino Was unter dem Herbstlaub liegt

Axel Hackes Erzählung von Gott und der Welt ist eine humorvoll philosophische Liebeserklärung an das Leben.

«Parents» spürt dem Älterwerden eines Paars nach. Auf eine Art und Weise, dass man Mitleid bekommt. Erst mit dem Sohn, dann mit dem Vater.

VON CHRISTOPHER ZIMMER VON DIANA FREI

In einer Geschichte, die mit einem Zug beginnt, der ohne Schienen durch eine Stadt fährt, und in der ein Büro-Elefant mitspielt, kaum grösser als eine Katze, ist alles möglich. Zum Beispiel, dass man vom lieben Gott gerade noch rechtzeitig von einer Parkbank geschubst wird, so dass man nicht von einer Weltkugel, einem gläsernen Globus mit Metallfuss, erschlagen wird. In so einer Geschichte kommt es dann auch immer wieder zu Begegnungen und Gesprächen mit Gott. Der steht etwa am Altglascontainer, wo er Champagnerflaschen entsorgt, weil er gerne mal einen über den Durst trinkt, oder man trifft ihn auf Spaziergängen durch München. Da ist von Regen die Rede, Regen in Form von Fröschen, Marshmallows oder Sternen, worauf der Erzähler von Wolken bis ins Badezimmer verfolgt wird – kleiner Scherz von mir, sagt dann der liebe Gott. So wie er auch seinen Spass daran hat, wenn er die steinernen Portallöwen bei der Feldherrenhalle durch einen brennenden Reifen springen lässt. Oder wenn ein Hund Zigarette raucht, und eine Katze (!) ihm Feuer gibt. Vieles ist möglich, wenn Gott in der Nähe ist. Denn Gott ist ein Künstler, allerdings einer, der eine unvollkommene Welt geschaffen hat, weil einfache Welten nicht funktionieren, und der an dieser Unvollkommenheit leidet. Ein Universumsflüchtling, der vor dem Alleinsein, der Ewig- und Unendlichkeit und vor allem der Langeweile davonläuft und Trost in seiner Schöpfung sucht, obwohl oder gerade weil in dieser so manches schiefgelaufen ist. Das führt ihn und den Erzähler bis ins Zentrum der Welt, in das düstere Herz all dessen, was Gott nach dem Urknall der Evolution und damit sich selbst überlassen hat. Was in diesen Tagen mit Gott vom Schönen und Bösen, vom Sinn des Lebens oder der Freiheit des Willens zur Sprache kommt, ist starker Tobak und so unbegreiflich wie Gott und die Welt. Axel Hacke aber erzählt von diesen grossen und schweren Themen so humorvoll, so leicht und fantasievoll – wobei ihm die Bilder von Michael Sowa in nichts nachstehen –, dass es ein wahres Lesevergnügen ist und eine Liebeserklärung an das Leben in all seiner Unvollkommenheit. Am Ende hätte man gerne noch mehr Tage mit dem alten Herrn verbracht. Nicht zuletzt, weil dieser Allmächtige so sympathisch allzu menschlich ist.

Eben war das Kinderzimmer noch mit Leben gefüllt, jetzt ist das Bett abgezogen und nur die Heizung muss noch endgültig abgedreht werden. Sohn Esben ist mit seiner Freundin zusammengezogen: «Parents» beginnt mit einem fein beobachteten Abnabelungsprozess. Mutter Vibeke versucht den Schmerz unter dem Laub zu begraben, das sie unermüdlich im Garten zusammenrecht. Vater Kjeld steht derweil in der Küche und versucht eine Art Familienalltag weiterzuführen. Doch dann halten sie plötzlich alte Fotos in den Händen: Vibeke in ihren Zwanzigern, mit Zigarette in der Hand, auf dem Tisch sitzend. Kjeld findet einen Walkman mit Kassette: sein früheres Ich, wie es Vibeke ins Ohr säuselt, ihm käme schon in den Sinn, was man auf dem Fussboden alles zusammen machen könnte. Und plötzlich geht man – einfach so – die gemeinsame Studentenwohnung von damals besichtigen, die unterdessen totalrenoviert worden ist. Und zieht prompt wieder ein. Plötzlich blitzt da so vieles an Erinnerungen auf, das durch die Jahre des Familienlebens hindurch vergessen schien. Es sind emotionale Kontinentalplatten, die sich hier aneinander reiben und schliesslich einen Spalt auftun, in den wir mitsamt der Geschichte hinüberrutschen in eine andere – fantastische Realität: Wie genau, verraten wir hier nicht. Das emotionale Geflecht wird damit aber nicht einfacher, und die Paardynamiken bekommen neuen Zug. Die Vertrautheit, die Vibeke und Kjeld als alternden Eltern eigen ist, zeigt sich mit einem Mal als bloss eine Möglichkeit unter vielen. Das ist sehr unterhaltsam für uns als Zuschauer, aber umso erschreckender für Kjeld. Und ganz wohl ist Sohn Esben letzten Endes auch nicht dabei, wenn seine Mutter das Leben auf sehr spezielle Art neu für sich entdeckt. Das Unmögliche wird möglich: beruflich, in der Liebe. Aufbruch. Lebenslust. Freiheit. Was dabei aber auf der Strecke bleibt: Sicherheiten, Verlässlichkeit, fester Boden unter den Füssen. «Parents» arbeitet mit den Mitteln des fantastischen Erzählens, der Film stellt aber mit solcher Sorgfalt zwei Beziehungsalter einander gegenüber, dass er sich immer ganz nah an der Wirklichkeit der menschlichen Regungen bewegt.

Axel Hacke: Die Tage, die ich mit Gott verbrachte. Verlag Antje Kunstmann 2016.

Elliott Crossett Hove u. a. Läuft zurzeit in den Deutschschweizer Kinos.

Christian Tafdrup: «Parents», DK 2016, 86 Min., mit Søren Malling, Bodil Jørgensen,

CHF 26.90

24

SURPRISE 397/17


BILD: ISTOCKPHOTO

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Diese Trauben können sogar Fische kochen.

Piatto forte Was macht Sie sauer? Säure ist in der Küche unverzichtbar und gibt den meisten Speisen das gewisse Etwas. Aber nur sauer machen reicht nicht. VON TOM WIEDERKEHR

Sein Feind war gelb und rund und kam aus Asien: Die Zitrone hat dem Verjus den Garaus gemacht. Für ein paar hundert Jahre zumindest. Verjus ist flüssig, sauer, wird aus Trauben hergestellt und ist trotzdem kein Essig. Die Sache ist viel einfacher: Verjus ist ein Saft, der aus unreifen Trauben gepresst wird. Was sich so wenig spektakulär anhört, ist eine Wiederentdeckung. Im Mittelalter, als es in Mitteleuropa noch keine Zitronen gab, war er wesentlicher Bestandteil vieler Rezepte, geriet aber ab dem 17. Jahrhundert zunehmend in Vergessenheit. Inzwischen erobert der Verjus sich langsam, aber sicher seinen Platz in der Küche zurück. Zu Recht, denn seine Säure ist milder als die von Essig, sein Aroma feiner als das von Zitronensaft. Verjus wird aus allen Traubensorten, sowohl aus blauen als auch weissen, hergestellt. Da die Trauben unreif und daher vor ihrer Färbung geerntet werden, sind sie in jedem Fall noch grün. Daher auch der Name. Für die Weinbauer ist der Verjus ein ideales Ergänzungsprodukt. Im Spätsommer werden die Rebstöcke für eine bessere Qualität des Weins ausgedünnt. Das bedeutet, dass teilweise fast die Hälfte der Trauben eines Weinstocks entfernt werden. Bisher landete dieser Überbehang einfach auf dem Boden und vergammelte. Nun werden die unreif geernteten Trauben zu Verjus gepresst. Eigentlich kann der Verjus grundsätzlich und überall eingesetzt werden, wo eine Zitrone im Rezept verwendet wird. Ein Wiener Schnitzel oder Cordon bleu schmeckt mit etwas Verjus statt Zitrone gleich viel feiner. Der Eistee wird fruchtig und rund statt nur sauer. Speziell gut kommt Verjus zur Geltung, wenn er als Hauptdarsteller zum Einsatz kommt – wie im Ceviche: Pro Person 150 bis 200 g Saiblingfilets in ca. 1 cm breite Streifen schneiden und grosszügig mit Verjus beträufeln, bis alles benetzt ist. Eine halbe rote, frische Peperoncini und eine ganze Frühlingszwiebel in feinste Streifen schneiden und zusammen mit etwas Fleur de Sel dazugeben. Alles vermischen und mindestens 30 Minuten in der Kälte ziehen lassen. Da die Säure das Eiweiss des Fisches gart, sind die Filets quasi «kalt gekocht». Wenn Sie dieses fein-fruchtige Ceviche mit frischer Baguette essen, können Sie erahnen, wieso es jemand nicht immer böse mit Ihnen meint, wenn er Ihnen Saures geben will.

01

Coop Genossenschaft, Basel

02

Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

03

Maya-Recordings, Oberstammheim

04

Scherrer & Partner, Basel

05

Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

06

ChemOil Logistics AG, Basel

07

Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

08

Institut und Praxis Colibri, Murten

09

Kaiser Software GmbH, Bern

10

Klinik Sonnenhalde AG, Riehen

11

Rechtsanwalt Peter von Burg, Zürich

12

Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

13

Hofstetter Holding AG, Bern

14

Hedi Hauswirth Privat-Pflege, Oetwil am See

15

Echtzeit Verlag, Basel

16

OpenTrack Railway Technology GmbH, Zürich

17

Intercelix AG, Basel

18

Naef Landschaftsarchitekten GmbH, Brugg

19

Schweizerisches Tropeninstitut, Basel

20

PS: Immotreuhand GmbH, Zürich

21

Iten Immobilien AG, Zug

22

Proitera GmbH, Basel

23

Petra Wälti Coaching, Zürich

24

Alfred Rappo-Kolenbrander, Breitenbach

25

Botanica GmbH, Sins

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende von mindestens 500 Franken sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

Bezugsquellen und Rezepte: www.piattoforte.ch/surprise 397/17 SURPRISE 397/17

25


Statue angeschaut? Hauptsache, Replik gekauft.

Baden Im Taschenformat Manchmal rauscht man ja durch Ausstellungen, schaut sich flüchtig die Bilder an, um die Motive dann im Museumsshop als Postkarten oder als bedruckter Schirm käuflich zu erwerben. Es hat halt einfach was, wenn man seinen Monet durch den Regen tragen kann. Das Museum Langmatt in Baden spielt nun mit dem Reflex, den viele in sich tragen: etwas mitnehmen wollen von dem, was man gerade gesehen hat. Zwei Künstlerinnen und ein Künstler variieren das Thema Souvenirs im Museum Langmatt mit je einem eigenen Ansatz: Joëlle Flumet richtet eine theaterhafte Videoinstallation ein, die vom vergangenen und heutigen Leben in der Langmatt erzählt. Johanna Bossart nimmt sich Motive aus impressionistischen Bildern zum Vorbild für Porzellanobjekte im Hosentaschenformat. Und Martin Voller nimmt die Strukturen von Steinen und Kacheln, die man in der Langmatt findet, und verarbeitet sie in kleinformatige Bilder. Und wer wirklich was mit nach Hause nehmen möchte, als Erinnerung ans schöne Baden, an einen Sonntagnachmittag im Museum oder als Denkanstoss dazu, was alles als Souvenir dienen kann, der kauft eine 3D-Druck-Replik eines Gegenstands aus der Langmatt: Dortige Objekte wurden nämlich eingescannt und kurzerhand ausgedruckt. (dif)

BILD: ANDRI STADLER

BILD: ZVG BILD: 3D-PRINTS VON FIGUREN AUS DEM PARK DER LANGMATT (VEREIN FABLAB)

Ausgehtipps

Hören Sie die Schweiz ab.

Bern Heimatklänge Möglicherweise haben Sie nicht gewusst, dass nicht nur die Schriftstücke der Schweiz archiviert werden (in der Nationalbibliothek), sondern auch die Klänge. Aber es gibt sie, die Nationalphonotek, in Lugano. Hier werden Aufnahmen klassischer Musik gehütet, aber auch von Rock, Jazz, Pop, Hörbüchern. Theaterstücke, Interviews und Rechercheaufnahmen und Tondokumente aus privaten Sammlungen. Fünf Millionen Titel insgesamt. Das ist ein reicher Schatz für so manches Quiz – Stimmen erkennen auf höherem Niveau liesse sich gut umsetzen. Zu ihrem 25-jährigen Bestehen konzipierte die Nationalphonotek Lugano eine Hör-Ausstellung fürs breite Publikum, die danach durch die Lande zog. Letzte Station ist nun Bern: Hier kann man Liedern aus den letzten 100 Jahren lauschen, Stimmen zu erraten versuchen und sich Tondokumente aus seiner Heimatregion reinziehen. «tü-ta-too» heisst die Ausstellung: Na, was könnte das sein? Allenfalls erraten Sie es ja. Ein Tipp: Die Frage ist eher an Anfänger gerichtet. (dif) «tü-ta-too. Das Ohr auf Reisen», Mo bis Fr 9 bis 18 Uhr, Sa 9 bis 16 Uhr, Schweizerische Nationalbibliothek, Hallwylstrasse 15, Bern, Eintritt frei. www.nb.admin.ch/tu-ta-too

Hier lauert die Gefahr. Und die Langeweile.

Rapperswil-Jona Grenzwertig «Sie haben die Grenze passiert», flötet das Navigationsgerät schon 500 Meter vor der eigentlichen Durchfahrt der Grenzkontrolle zwischen der Schweiz und Deutschland am Übergang Weil am Rhein. Ein kurzer Blick in gelangweilte Lastwagenfahrergesichter auf der Spur nebenan, wo Warten angesagt ist. Wer in einem kleinen Land wie der Schweiz lebt, für den ist das Passieren von Grenzen Alltag, mit den richtigen Papieren sind das Elsass und der Schwarzwald, Vorarlberg und die Lombardei wie der erweiterte Vorgarten. Platz zum Einkaufen, Skifahren, zum Flammkuchen essen und Wandern. Für Menschen, die nicht über die entsprechenden Papiere verfügen, ist die nahe Grenze eine ewige Erinnerung an die Limitierung ihrer Bewegungsfreiheit. Besonders schmerzhaft dort, wo die eigentlichen Kontrollen weggefallen sind. Hier mutiert die Grenzlinie zur Schere im eigenen Kopf: unsichtbar und doch allgegenwärtig. (win) Ausstellung «in_visible limits», Kunst(zeug)haus, Schönbodenstrasse 1, Rapperswil-Jona, Mi bis Fr, 14 bis 18 Uhr, Sa und So 11 bis 18 Uhr, Begleitprogramm «Grenzgespräche», 5., 12. und 26. April, jeweils 18.30 bis 20 Uhr. www.kunstzeughaus.ch

«Souvenirs, Souvenirs – Die Langmatt zum Mitnehmen», Di bis Fr, 14 bis 17 Uhr, Sa und So 11 bis 17 Uhr, bis So, 7. Mai, Museum Langmatt, Römerstrasse 30, 5401 Baden. www.langmatt.ch

26

SURPRISE 397/17


BILD: BEA BORGERS

Basel 40° Fieber Ob der Wahlkampf des neuen US-Präsidenten oder die Hasstiraden eines Recep Tayyip Erdog˘an: Satiriker haben es derzeit schwer. Früher waren Witze über die katholische Kirche eine echte Provokation, heute hält ausgerechnet ihr oberster Würdenträger die Fahne der liberalen, emanzipatorischen Werte hoch (zumindest in manchen Gesichtspunkten). Und das, was Satire bezwecken will, nämlich ein irres Lachen über die Wirklichkeit hervorzulocken, entfährt vielen schon beim Lesen nüchterner Nachrichten. Macht die groteske Realität Satirikerinnen und Satiriker arbeitslos? Muss die Satire sich neu erfinden? Ganz und gar nicht, finden die biennal stattfindenden Basler Dokumentartage 17 und loten aus, wie das «Dokumentarische im Fieberzustand» heute aussehen kann, was es darf und was es muss. (win) «It’s The Real Thing», Basler Dokumentartage 17, Theater/Performance/ Tanz/Kunst, 5. bis 9. April, Kaserne Basel, Roxy Birsfelden, Markthalle Basel und EG Lounge im Parterre. www.itstherealthing.ch

BILD: STUART FRANKLIN

Was der Strauss kann, können wir schon lange.

Anzeige:

«Voller Menschlichkeit und lakonischem Humor.» THE GUARDIAN

Wer flüstert da – Fabelwesen oder innere Stimme?

Aarau Waldkultur Was flüstert uns der Wald? Besser gefragt: Was flüstert er der Kunst? Dieser Frage geht die Ausstellung «Whispering Woods» nach. Denn der Wald – je wilder und ungezähmter, desto besser – inspiriert seit Jahrhunderten das Kulturschaffen, das wiederum als Hauptmerkmal für Zivilisation gilt. Der Wald ist Projektionsfläche für romantischen Eskapismus, wirkt bedrohlich, bietet Schutz. Er ist das Reich der Fabelwesen und Hexen, Rückzugsort für Vertriebene und Einsiedler, für Partisanen und Rebellen. Er ist ein Ort der Heimlichkeit und der Unheimlichkeit, den einen ist er heilig, den anderen ein Vergnügungspark. Auch im verdichteten 21. Jahrhundert ist der Wald ein Sehnsuchtsort geblieben, und für heutige Kunstschaffende ein zentrales Motiv. «Whispering Woods» ist eine Annäherung an den Wald und seine Inspirationskraft entlang unterschiedlichster zeitgenössischer Arbeiten, wie etwa der Bilder des Magnum-Fotografen Stuart Franklin, einer Hörspur eines Waldspaziergangs mit Robert Walser oder eines Videos der Performancekünstlerin Victorine Müller. (ami) Whispering Woods. Der Wald in der zeitgenössischen Kunst. Noch bis So, 21. Mai, Forum Schlossplatz, Schlossplatz 4, Aarau. forumschlossplatz.ch SURPRISE 397/17

E D I S R E H T THE O OKIFKAHUROISMPÄKEI A FILM BY

A

SHERWAN HAJI SAKARI KUOSMANEN IN COPRODUCTION WITH

WRITTEN AND DIRECTED BY AKI KAURISMÄKI PRODUCTION BY SPUTNIK OY OY BUFO AB AND PANDORA FILM WITH THE PARTICIPATION OF SUOMEN ELOKUVASÄÄTIÖ YLEISRADIO OY ZDF/ARTE SUOMI 100 AND KIRKON MEDIASÄÄTIÖ

AB 30. MÄRZ IM KINO 27


Verkäuferporträt «Wir gingen immer zurück zu Oma» S¸tefan-Zsolt Adam, 24, verkauft Surprise am Basler Hauptbahnhof. In der Schweiz hat er zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.

«Mein Zwillingsbruder Attila und ich wurden 1992 in St. Georgen auf der Heide in Rumänien geboren. Der Ort ist berühmt für seine halb im See versunkene Kirche und zieht viele Touristen an. Mein Vater war arbeitslos. Als wir ein Jahr alt waren, floh meine Mutter vor seinen Schlägen nach Portugal. Attila und ich waren unzertrennlich. Mit fünf bettelten wir den ganzen Tag bei den Touristen und stahlen, was immer uns in die Finger kam. Die Familie meiner Mutter versuchte, uns zu entführen und zu ihren Eltern zu bringen, aber mein Vater merkte es. Also blieben wir und kamen weiter vom Weg ab. Ich muss hier noch sagen, dass unser Vater uns wirklich liebte. Ja, er schlug uns. Aber nur, wenn wir es wirklich verdient hatten. Im selben Jahr wurde ich zum ersten Mal missbraucht. Ein Verwandter von mir, mit welchem wir oft auf der Strasse unterwegs waren, brachte mich in eine Hütte in den Bergen. Ich war fünf und wusste nicht, was er von mir wollte. Er wurde wütend, und ich hatte Angst. Also tat ich, was ich konnte. Als ich sechs war, starb mein Grossvater. Er hatte sein Leben lang bei der Bahn gearbeitet und gut verdient. Er war ein Säufer, hatte aber ein grosses Herz. Er war stets zur Stelle, wenn jemand Hilfe brauchte. Irgendwie hielt er diese kaputte Familie immer zusammen. Dann war er einfach weg. Kurz darauf musste mein Vater ins Gefängnis. Attila und ich wohnten fortan bei Oma, die hoffnungslos überfordert war mit uns. Schlussendlich mussten wir ins Kinderheim. Noch im selben Jahr kamen wir in die Schule. Komischerweise waren wir gute Schüler. Wir gingen gerne hin und lernten schnell. Als wir im dritten Schuljahr waren, kam mein Vater aus dem Knast. Er hatte eine neue Frau kennengelernt, und während er in Ungarn auf dem Bau arbeitete, lebten wir mit ihrer Familie. Nach zwei Wochen begann wieder der altbekannte Rattenschwanz: Schläge, weglaufen, Polizei. Auch begannen wir, Fragen über unsere Mutter zu stellen. Als wir keine Antworten bekamen, stahlen wir Gold und Geld von unserer Stiefmutter und machten uns auf die Suche. Wir reisten kreuz und quer durch Rumänien, natürlich ohne sie zu finden. Als das Geld aufgebraucht war, gingen wir zu Oma. Wir gingen immer zurück zu Oma, wenn wir etwas Schlechtes getan hatten. Als ich 19 war, erzählte mir Oma die Geschichte meiner Mutter. Am nächsten Morgen sass ich im Auto nach Portugal, über ein paar Umwege fand ich meine Mutter schliesslich in der Nähe von Lissabon. Wir trafen uns in einem Strassencafé. Sie hatte neu angefangen, hatte einen Job und eine Familie, die nichts wusste von ihrer Vergangenheit. Wir unterhielten uns eine halbe Stunde lang. Ich verstand, dass in diesem neuen Leben kein Platz für uns war. Nach meiner Rückkehr driftete ich ziellos umher. Ich war leer. Da fand mich Gott, er füllte diese Leere mit Liebe. In der Faith Church Romania liess ich mich taufen. Ich merkte aber, dass ich einen kompletten Neustart brauchte. Ich wollte etwas richtig machen, wenigstens dieses eine Mal. Ich ging nach Rom, aber es lief alles schief: Ich fand keine Arbeit und lebte schon bald wieder auf der Strasse. Ich war 20, und es ging nicht lange, bis ich erste unmoralische Angebote bekam. Ich lehnte ab, erfüllt von der Flamme des Glaubens. Aber ich bekam Hunger, die gebotenen Summen wurden höher. Die Flamme schrumpfte. Bei vier Nul-

28

BILD: ZVG

AUFGEZEICHNET VON FELIX MÜLLER

len für ein Wochenende erlosch sie. Drei Jahre ging das so. Ich trank und verdiente gut. Ich suchte meinen Bruder in München auf der Strasse und organisierte ihm eine gute Wohnung. Das meiste Geld schickte ich aber Oma. Als ich es nicht mehr aushielt, ging ich zurück nach Rumänien. Dort fand ich auch meinen Glauben wieder. Seit vergangenem Mai bin ich in der Schweiz. Das ist meine letzte Chance. Verschiedene christliche Gemeinden unterstützen mich, seit ich hier bin. Im Begegnungszentrum Elim im Kleinbasel half man mir bei der Arbeitssuche. Dann traf ich Gabriel, einen Surpriseverkäufer, der mir vom Strassenmagazin erzählte. Ich mag die Arbeit, endlich habe ich etwas zu tun. Zwischenzeitlich hatte ich auch einen Job in der Kabelproduktion in Sissach, manchmal arbeite ich über temporäre Arbeitsvermittlung als Dachdecker auf dem Bau. Ich weiss, ich bin auf dem richtigen Weg. Hier in der Schweiz erfahre ich zum ersten Mal so viel Liebe von Menschen ausserhalb meiner Familie. So bietet mir der New Convenant Fellowship Riehen ein Dach über dem Kopf. Nächste Woche fahre ich für eine Woche zurück nach Rumänien. Ich will meine Glaubensgemeinde besuchen und natürlich Oma. Es ist das erste Mal, dass ich ihr nichts beichten muss, wenn ich zu ihr zurückkehre.» ■ SURPRISE 397/17


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

Ralf Rohr Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Tatjana Georgievska Basel

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Anja Uehlinger Baden

Andreas Hossmann Basel

Haimanot Ghebremichael Bern

Roland Weidl Basel

Daniel Stutz Zürich

Markus Thaler Zürich

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

397/17 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 397/17

29


Surprise – mehr als ein Magazin

Ich möchte Surprise abonnieren! 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

Strasse

PLZ, Ort

Rechnungsadresse: Vorname, Name

Strasse

PLZ, Ort

Telefon

E-Mail

Datum, Unterschrift

Hilfe zur Selbsthilfe Surprise unterstützt armutsbetroffene Menschen – beim Strassenverkauf, Strassenchor oder Strassensport, dem Sozialen Stadtrundgang oder Café Surprise: Der Verein fördert die soziale Integration der Betroffenen. Surprise gibt das vierzehntägig erscheinende Strassenmagazin heraus. Eine professionelle Redaktion produziert das Heft zusammen mit freien Journalisten, Fotografen und Illustratoren. Das Magazin wird auf der Strasse verkauft. Über 350 armutsbetroffene Menschen, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten über den Strassenverkauf eine Erwerbsmöglichkeit und eine Tagesstruktur. Die Hälfte des Magazinerlöses behalten die Verkaufenden. Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht sozial ausgegrenzten Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit z.B. mit dem Sozialen Stadtrundgang in Basel und Zürich. Die Surprise-Stadtführer sind Armutsbetroffene, Ausgesteuerte und Obdachlose. Sie erzählen aus ihrem Alltag in ihrer Stadt und zeigen Orte, an denen man sonst vorübergeht.

30

Über Surprise Der Verein Surprise unterstützt Armutsbetroffene ohne staatliche Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle Angebote ist Surprise auf Spenden, Sponsoren und Stiftungen angewiesen. Surprise ist Mitglied des internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP), dem über 120 Magazine in über 40 Ländern angehören.

Impressum Herausgeber Surprise, Spalentorweg 20, CH-4051 Basel, surprise.ngo Öffnungszeiten Sekretariat Nicole Mathys, Thomas Oehler T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@surprise.ngo, Mo bis Fr 9 bis 12 Uhr Geschäftsleitung Paola Gallo (Geschäftsführerin) Sybille Roter (Stv. Geschäftsleitung) Jannice Vierkötter (Mitglied der Geschäftsleitung) T +41 61 564 90 62/63/64 geschaeftsleitung@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Amir Ali (ami), Beat Camenzind (bc), Diana Frei (dif), Simon Jäggi (sim), Thomas Oehler (toe), Sara Winter Sayilir (win, verantwortlich für diese Ausgabe) T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Thomas Andermatten, Ruben Hollinger, Laura Kelly, Felix Müller, Mark Reis, Tobias Tscherrig Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 27 400, Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Marketing, Fundraising, Kommunikation Zaira Esposito, Nicole Huwyler, Katrin Pilling T +41 61 564 90 53/50, marketing@surprise.ngo

Geschäftsstelle Basel Vertrieb und Sozialberatung: Thomas Ebinger, Tarek Sayed Islami, Anette Metzner Spalentorweg 20, CH-4051 Basel T +41 61 564 90 83/90, basel@surprise.ngo Regionalstelle Zürich Vertrieb und Sozialberatung: Christian Sieber, Ralf Rohr Kanzleistr. 107, CH-8004 Zürich T +41 44 242 72 11, M+41 79 636 46 12 zuerich@surprise.ngo Regionalstelle Bern Vertrieb und Sozialberatung: Alfred Maurer, Negussie Weldai Scheibenstrasse 41, CH-3014 Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02, bern@surprise.ngo Café Surprise Zaira Esposito T +41 61 564 90 53, zaira.esposito@surprise.ngo Strassenchor Paloma Selma T +41 61 564 90 40, paloma.selma@surprise.ngo Strassenfussball Lavinia Besuchet (Leitung) T +41 61 564 90 10, lavinia.besuchet@surprise.ngo David Möller (Sportcoach) T +41 61 564 90 10, david.moeller@surprise.ngo Sozialer Stadtrundgang Gesamtleitung Basel und Zürich: Sybille Roter T +41 61 564 90 63, sybille.roter@surprise.ngo Koordination Basel: Paloma Selma T +41 61 564 90 40, rundgangbs@surprise.ngo Koordiniation Zürich: Carmen Berchtold T +41 44 242 72 14, rundgangzh@surprise.ngo Vereinspräsident Beat Jans

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

397/17

Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

Stärken. Bewegen. Integrieren. Surprise fördert die Integration mit Sport. In der Surprise-Strassenfussball-Liga spielen Teams aus der Deutschschweiz um den Titel des Schweizermeisters. Einige Spieler nehmen am Homeless World Cup teil. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Strassenchor. Gemeinsames Singen und Auftritte ermöglichen Glücksmomente für Menschen, für die der gesellschaftliche Anschluss erschwert ist. Café Surprise ermöglicht es Menschen mit wenig Geld, am sozialen Leben teilzunehmen: Gäste bezahlen ihren Kaffee und spendieren einen weiteren.

Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen.

SURPRISE 397/17


Eine Tasse Solidarität! Machen Sie mit: Zwei bezahlen, eine spendieren. Café Surprise gibt es hier: In Basel BackwarenOutlet, Güterstr. 120 Café Bohemia, Dornacherstr. 255 Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 10 Café Flore, Klybeckstr. 5 Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 Kiosk Amann, Claragraben 101 Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 Rest. Les Gareçons, Schwarzwaldallee 200 Rest. Manger et Boire, Gerbergasse 81 Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 In Luzern Jazzkantine zum Graben, Garbenstr. 8 Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 In Rapperswil Café good, Marktgasse 11 In Schaffhausen Kammgarn Beiz, Baumgartenstr. 19

In Bern Café Kairo, Dammweg 43 Café MARTA, Kramgasse 8 Café Tscharni, Waldmannstr. 17a Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 Rest. Genossenschaft Bras. Lorraine, Quartiergasse 17 Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 Zentrum44, Scheibenstr. 44 In Biel Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d In Zürich Café Zähringer, Zähringerplatz 11 Sphères, Hardturmstr. 66

www.vereinsurprise.ch/cafesurprise Ein Projekt des Vereins Surprise.


SURPRISE STRASSENFUSSBALL LIGA AUFTAKT TURNIER 11.00 Anpfiff / 17.00 Siegerehrung

T BES T EE STR ER C SOC

23. April Dreispitzhalle, Basel

Offizielle Partner:

Unterstützt durch:

Surprise ist Partner von:


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.