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Nordische Skiweltmeisterschaften in Oberstdorf

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Doris De Agostini

Doris De Agostini

Ein wichtiges Puzzle-Teil gefunden

Gregor Deschwanden galt einst als kommende Nummer 1 im Schweizer Skisprung-Team. In den vergangenen Jahren geriet der Luzerner jedoch in ein Leistungstief; er verpasste gar die letzten Weltmeisterschaften in Tirol. In dieser Saison sicherte sich der 29-Jährige den nationalen Meistertitel und stieg zum Leistungsträger der Schweizer Equipe auf. Im Interview äussert sich Deschwanden unter anderem zu einem Sprungschuhwechsel, den er letztlich nicht vollzog, aber dadurch gleichwohl Fortschritte erzielte, zu einem Flug in Planica, der seine Karriere vor knapp drei Jahren verlängerte, und zu seiner Reisefreudigkeit.

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Gregor, welches sind deine ersten Kindheitserinnerungen in Bezug aufs Skispringen?

Gregor Deschwanden: Ich war keiner, der im Fernsehen Skisprung-Wettkämpfe gesehen hat und gesagt hat: Ich will auch einmal Skispringer werden. Vielmehr war es so, dass der Vater von Ronny Heer (ehemaliger NordischKombinierer, d. Red.) ein Skiclub-Training in Horw geleitet hat, wo wir eines Tages ein Bänkli schräg aufgestellt haben und dann mittels eines Tuchs dieses Bänkli hinuntergerutscht sind und auf einer Matte landeten. Das war eigentlich mein erster «Skisprung» – in einer Halle. Weil mir das riesigen Spass gemacht hat, dachte ich mir, ich mache dies mal richtig. Ich habe dann an einer Dreier-Kombination bestehend aus Ski Alpin, Skispringen und Langlauf teilgenommen. Das war mein erster Wettkampf im Zusammenhang mit Skispringen. Skifahren hat mir zwar auch Spass gemacht, ich stamme jedoch nicht unbedingt aus einer Ski-Alpin-Familie. Auch war ich im Skifahren nie besonders talentiert.

Du hast Ronny Heer erwähnt. War die Nordisch-Kombination nie eine Option für dich, zumal du ja auch auf Langlauf-Ski unterwegs warst?

Doch, durchaus. Ich war bis zur Stufe U16 Kombinierer und habe es an Schweizer Junioren-Meisterschaften auch aufs Podest geschafft. Ich gelangte dann aber irgendwann an einen Punkt, wo ich mir eingestehen musste, dass ich im Ausdauerbereich nicht mehr besser und im Oberkörper nicht muskulöser werde. So kam es, dass ich beim Skispringen geblieben bin.

Die nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Oberstdorf werden deine vierten sein. Welches WM-Erlebnis – während oder abseits eines Wettkampfes – blieb dir besonders in Erinnerung?

(Lacht) Ich erinnere mich heute noch daran, dass ich nach den Weltmeisterschaften 2015 in Falun zusammen mit Luca Egloff den bislang besten Burger meines Lebens gegessen habe.

Vor zwei Jahren warst du an den Titelkämpfen in Seefeld nicht dabei. Auch im vergangenen Winter lief es für dich nicht wunschgemäss. Worauf führst du deine Leistungssteigerung auf diese Saison hin zurück?

Wegen einer Entzündung im Fuss musste ich die Saison 2018/19 abbrechen und mich einem Eingriff unterziehen. Ich hatte dann auch letzten Winter noch Mühe, den Anschluss zu schaffen. Der grösste Faktor im Hinblick auf die laufende Saison war wohl, dass ich im Sommer auf den Carbon-Schuh von Simon Ammann gewechselt habe. Dieser Schuh hat mir aufgezeigt, was mir noch fehlt. Ich brachte nach dem Absprung meine Ski nun näher an den Körper heran. Das gesamte Springen wurde für mich dadurch einfacher. Ich habe in der Folge das Setup des alten Schuhs so angepasst, dass es aussah wie mit dem Carbon-Schuh. Letztlich stellte sich dann im Vergleich heraus, dass ich mit dem alten Schuh und dem neuen Setup doch besser springe als mit dem CarbonSchuh. Allerdings wäre ich nie dahin gekommen, wo ich heute bin, wenn ich den CarbonSchuh nicht ausprobiert hätte. Bis eine Woche vor dem Saisonstart bin ich noch mit dem Carbon-Modell gesprungen. Durch dieses habe ich ein Puzzle-Teil gefunden, auf welches ich ansonsten vielleicht nicht gestossen wäre.

Gab es vor dieser Saison Momente, in denen du in Betracht gezogen hast, mit dem Skispringen aufzuhören?

Unser Sport hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Ich wurde eigentlich jedes Jahr besser, allerdings fehlten die Resultate. Die Konkurrenz wurde eben noch schneller besser. Da stellt man sich schon die Frage, ob sich der Aufwand lohnt. Man investiert so viel und kann keine Früchte ernten. Ich denke, wenn man an einem solchen Punkt angelangt ist, ist es normal, dass man sich Gedanken über seine Zukunft macht. Am Ende der Saison 2017/18 habe ich gefühlt schon fast aufgehört. Damals gelang mir aber in Planica, beim letzten Weltcup, ein Flug auf 230 m. Ich denke, ohne diesen Flug und die damit verbundenen Emotionen, wäre ich heute nicht mehr am Start. Mir wurde im richtigen Moment aufgezeigt, welche Emotionen und Gefühle dieser Sport in mir auslöst.

Welche Rolle kommt dir aktuell innerhalb des Schweizer Teams zu – insbesondere jetzt, wo Killian Peier verletzungsbedingt ausfällt?

Für die Jungen bin ich aktuell eine Art Interimsleader. Dort, wo ich stark bin, bin ich gerne der Leader. In anderen Dingen möchte ich mich vom Verhalten her gar nicht ändern, nur

weil Killian in dieser Saison leider nicht dabei ist. Dort, wo ich Defizite habe, kann und will ich nicht plötzlich der Leader sein.

Wie würde dein Leben aktuell aussehen, wenn du nicht Skispringer geworden wärst?

Nach der Schule habe ich in Sachen Ausbildung wegen des Skisprings auf die Karte KV gesetzt, weil dies gut miteinander vereinbar war. Ohne den Sport wäre allenfalls eine Ausbildung als Polymechaniker in Frage gekommen. Vielleicht hätte ich mittlerweile auch ein Studium abgeschlossen. Es wäre ohne das Skispringen sicherlich ein anderes Leben – und ich denke auch ein langweiligeres. Schon als Neun-, Zehn-, Elfjähriger hatte ich eine Reiselust in mir. Ich habe meiner Mutter schon früh gesagt, dass ich einmal in der Welt herumkommen will. Während damals die Fussballer in meinem Alter vielleicht ein, zwei Dörfer nebenan gespielt haben, bin ich als junger Skispringer beispielsweise schon nach Berchtesgaden gereist. Und wir fuhren zwei Tage, um nach Zakopane zu gelangen. Das war damals für uns eine andere Welt und gleichzeitig ein Abenteuer, das ich geliebt habe.

Das Reisen war im vergangenen Jahr zeitweise stark eingeschränkt. Was hast du im Zuge der Covid-19-Pandemie gelernt?

Persönlich betroffen war ich in der Tat durch die Tatsache, dass es plötzlich keine Reisefreiheit mehr gab. Für uns Wintersportler ist der April jeweils der Ferienmonat, wo wir abschalten und verreisen können. Meine Freundin wohnt in Polen, an ein Treffen mit ihr war nicht zu denken.

Was machst du, um auf andere Gedanken als jene zum Skispringen zu kommen?

Grundsätzlich nimmt der Sport schon viel Zeit ein – sowohl im Sommer als auch im Winter. Man muss sich einfach Räume schaffen, um dann etwas mit der Freundin oder mit Kollegen zu unternehmen. Für Ablenkung sorgt sicher auch mein Studium der Betriebsökonomie an der FernUni Schweiz. Allerdings hält sich der Aufwand hierfür für mich derzeit noch in Grenzen. Intensiv wird es jeweils kurz vor den beiden Prüfungsterminen, wenn ich das Lernen mal wieder zu sehr hinausgeschoben habe.

Kannst du dir vorstellen, über deine Aktiv karriere hinaus mit dem Skispringen verbunden zu bleiben?

Grundsätzlich schon. Ich weiss allerdings nicht, ob ich ein guter Trainer wäre oder nicht. Auf jeden Fall würde ich wohl nicht direkt im Anschluss an meine Aktivkarriere im Skispringen tätig sein wollen. Ich absolviere jetzt ein Studium, da reizt es mich schon auch, einen klassischen Beruf in der Privatwirtschaft auszuüben. Ich möchte gerne mal das anwenden, was ich jetzt lerne, und auch irgendwann etwas anderes sehen. ROMAN EBERLE

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POKLJUKA

Schöne Erinnerungen

Der Höhepunkt des Biathlon-Weltcups 2020/21 findet vom 9. bis 21. Februar im Winter-Wunderland Sloweniens statt. Die alpine Hochebene Pokljuka im Nordwesten des Landes ist damit erstmals nach 20 Jahren wieder Austragungsort von Biathlon-Weltmeisterschaften.

Vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ging Pokljuka von zirka 135 000 Zuschauern aus, welche die Hochebene besuchen und die Biathletinnen und Biathleten anfeuern würden. Der Event sollte das grösste bisherige Wintersportereignis in Slowenien werden. Leider werden die diesjährigen Biathlon-Weltmeisterschaften in Pokljuka diesen Titel nicht erhalten. Ganz auf Zuschauer verzichtet wird jedoch nicht. Am 15. Dezember hat das Organisationskomitee entschieden, dass eine begrenzte Anzahl von Biathlon-Fans zugelassen wird. Die Anzahl der Zuschauenden will der Veranstalter je nach epidemiologischer Situation in Slowenien und im Ausland anpassen. Die Pokljuka weckt gute Erinnerungen beim Schweizer Biathlon-Team. Im Dezember 2018 konnten zwei Schweizerinnen und zwei Schweizer beim Weltcup in Slowenien Geschichte schreiben. Elisa Gasparin, Lena Häcki, Benjamin Weger und Jeremy Finello realisierten mit einem 2. Rang in der MixedStaffel den ersten Schweizer Staffel-Podestplatz im Biathlon-Weltcup überhaupt. Acht Jahre zuvor erreichte Benjamin Weger gleichenorts als Zweiter im Einzel seinen ersten Weltcup-Podestplatz. MARTHA HÄCKI

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