SoSe22_Zucht

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MEHR FAMILIENH AUS

Bachelor Thesis

Janina Zucht

msa | muenster school of architecture

Sommersemester 2022

Prof. Kazu Blumfeld Hanada Münster, August 2022

Prolog

„How will we live together?“1, so lautete das Motto der letzten Architektur-Biennale 2021.

Und nicht nur in Architekturkreisen wird in der letzten Zeit viel über das Thema Wohnen und Zu sammenleben gesprochen. Rapide steigenden Mieten, immer knapper werdender Wohnraum in den Städten, sowie veränderte Lebens- und Arbeitsfor men bestimmen die Diskussionen. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem steti gen Wandel, sie ist heterogener und offener denn je. Längst ist der Wunsch, nach der Kernfamilie mit idyllischem Eigenheim im Grünen nicht mehr der Lebenstraum, in dem sich jeder wiederfindet oder den sich jeder leisten kann. Die Menschen streben nach mehr Flexibilität. Der Arbeitsplatz, der Wohnort, das Zuhause und die Interessen sind nicht, wie früher, das ganze Leben lang fest geschrieben. Doch die Formen und Typologien, in denen wir wohnen haben diesen Wandel nicht mit vollzogen. Sie entsprechen nicht mehr den aktuel len Wohnvorstellungen, wurden aber immer weiter reproduziert.

Architektur hat nicht nur maßgeblich Einfluss auf uns Menschen, genauer auf unser verhalten, unsere Kommunikation, unser Wohlergehen, sondern auch auf unseren Planeten und das Ökosystem. Die Folgen des Klimawandels, sichtbar durch Hitzerekorde, Dürren, Hochwasser und starken Verlust der Artenvielfalt, zeichnen sich immer deutlicher ab. Mittlerweile ist der breiten Masse bewusst, was die Zahlen und Prognosen der Klimaforscher bedeuten und auch, dass wir nicht so

weitermachen können wie bisher.

Doch unsere Gesellschaft ist geprägt vom Konsum und Wirtschaftswachstum. Höher, schneller, weiter als Motto für alles. Nachhaltige Ziele werden an gestrebt, doch die schwarze Zahl am Ende des Jahres ist Pflicht. Aber Nachhaltigkeit und Wachstum? Kann beides zusammen funktionieren? Naja, eher nicht, aber greenwashing funktioniert und die Wirtschaft profitiert. Der Wille ist da, aber es ist schwer und unbequem einzusehen, dass sich grundlegendes an unseren Lebensformen ändern muss. Und dass die Umsetzung konsequent sein muss.

In der Baubranche wird der Ruf nach der „Bau wende“ immer lauter. Pionier*innen zeigen mit ihren Ideen, Projekten und Visionen wie die Zu kunft des Bauens ausschauen kann. Trotzdem ist der Weg zu einer ausschließlich nachhaltigen Architektur, die wieder mit der Welt im Einklang steht, ihr nicht die Luft zum atmen und den Platz zum wachsen raubt, noch weit.

Methodik

In meiner Bachelorthesis widme ich mich daher zwei Themen, dem sozialgerechten und umweltgerechten Wohnen. Wie kann in Zukunft sowohl sozial- und gleichzeitig auch umweltgerecht Woh nen? Wie kann eine Typologie aussehen, in der wir uns frei und flexibel entfalten können, die unsere diversen Lebensweisen unterstützt und uns die Chance auf ein gutes Leben bietet? Wie können wir bauen, dass wir der Erde nicht noch mehr

Schaden zufügen und auch den zukünftigen Gene rationen ein Ort zum Wohnen bleibt?

Es wird unumgänglich sein die bereits gebaute Welt zu nutzen, sie zu erweitern, zu adaptieren, ihr einen zu Wert geben. Ein großer Anteil des Gebäudebestandes sind Wohnhäuser. Typologien, wie Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhäuser, die auf vergangenen Lebenskonzepten beruhen. Aus diesem Grund möchte ich eine Strategie ent wickeln, wie bereits bestehende Mehrfamilienhäu ser umgebaut werden können, sodass in Zukunft sozial- und umweltgerecht in Ihnen gewohnt werden kann. Denn ich bin der Meinung, dass wir uns nicht länger nur auf die technischen Fortschritte ausruhen können, sondern dass wir ganzheitliche Ansätze finden müssen! 1 Homepage 2021, 2021.

Inhalt

01 Sozial gerecht wohnen

01.01 01.02 01.03 01.04 01.05

S. 008-073

wohnen Wohnsituation aktuell Wandel der Gesellschaft Betonierte Lebensmodelle Exkurs: Einküchenhäuser gemeinsam wohnen Referenz: San Riemo

010-013 014-019 020-029 030-035 036-037 038-045 046-051

02 Umwelt gerecht wohnen S. 052-101

02.01 02.02 02.03 02.04 02.05 02.05

Bauwende Exkurs: Architects for future Der Wert der Fläche Der Wert der Ressource Der Wert des Bestehenden Um-Baukultur im Wandel Strategien einer Umbaukultur Referenz: Haus Schreber Referenz:2

054-057 058-059 060-067 068-073 074-081 082-083 084-091 092-097 098-101

03 Strategie: sozial und Umwelt gerecht Wohnen S. 102-109 04 Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht Wohnen S. 110-169

04.01 04.02 04.03 04.04

Typologie: Mehrfamilienhäuser Projektort: Dülmen Mehrfamilienhaus Sebastian Anwendung Strategie

112-115 116-123 124-133 134-169

05 Epilog S. 170-171

06 Anhang S. 172-191

06.01 06.02 Quellen Abbildungen 172-181 182-191

eg r e c ht wohnen;

Sozia l gerecht woh ne n ; laizoS thcereg ;nenhow laizoS

so|zi|al gesellschaftlich, gemeinnützig, hilfsbereit, karita tiv, Nächstenliebe übend, selbstlos, uneigennützig; (Gehoben) barmherzig, mildtätig; (veraltet) wohltä tig1 ge|recht dem geltenden Recht entsprechend/gemäß, fair, rechtdenkend, unparteiisch, unvoreingenommen, vorurteilsfrei, vorurteilslos, (bildungssprachlich) ob jektiv begründet, berechtigt, kopieren, gerechtfertigt, mit Recht, richtig, verdient, zu Recht; (bildungssprachlich) legitim (rechtssprache, sonst veraltend) billig angemessen, angepasst, entsprechend, geeignet, gemäß, genügend, passend, (bildungssprachlich) adäquat2

woh|nen ansässig/beheimatet sein, bewohnen, sich einmie ten, sich einquartieren, leben, sich niederlassen, ortsansässig/registriert sein, seine Wohnung/seinen Wohnsitz haben, zu Hause sein; (gehoben) seine Behausung haben; (bildungssprachlich) residieren; (bildungssprachlich, meist scherzhaft) domizilieren; (umgangssprachlich) sich breitmachen; (meist ab wertend) sich einnisten; (umgangssprachlich, ab wertend) hausen, sich häuslich niederlassen; (be sonders süddeutsch, österreichisch, schweizerisch) daheim sein; (Amtssprache) wohnhaft sein3

wohnen

Jeder Mensch wohnt.

Ob in der schnelllebigen Stadt, auf dem idyllischen Land oder in der Peripherie.

Ob in der noblen Gründerzeitvilla, im beschau lichen Einfamilienhaus oder in der kleinen Wohnung im siebten Stock eines Plattenbaus.

Ob alleine, mit dem Partner, der klassischen Kern familie oder in einer Kommune.

Gewohnt wird immer und überall.

Das Verb wohnen beschreibt keine konkrete, greifbare Handlung. Es ist vielmehr ein Sammelbegriff für all die Tätigkeiten, die der Mensch tut, um sei ne alltäglichen und überlebenswichtigen Bedürf nisse zu stillen: Schlafen, kochen, essen, duschen, Wäsche waschen. Aber auch die Räume in denen all das stattfindet sind Inbegriff des Verbes woh nen. 2

Der deutsche Philosoph Martin Heidegger, sagte 1951 in einem Vortrag: „Das Wohnen ist die Wei se, wie die Sterblichen auf der Erde sind.“3 Woh nen ist für den Menschen existenziell, trotzdem ist es etwas alltägliches und gewohntes. Es ist ein räumliches, soziales sowie persönliches Gefüge. Wohnen ist eine Daseinsnotwendigkeit, ein Grundbedürfnis und jede*r hat das Recht zu wohnen. 1948 wurde dieses Recht in den Menschen rechten, der Vereinten Nationen formuliert: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden Menschen auf einen angemessenen Lebensstan dard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung, sowie auf eine stetige Verbesserung der

Lebensbedingungen. […]“4

Doch für die Gesellschaft impliziert das Zuhau se noch so viel mehr. Der französische Ökonom Thomas Petteky bezeichnet Wohnen: „als Start kapital“, das über Chancengleichheit entscheidet. Denn es ist in vielen Lebensbereichen, wie Gesundheit, soziales Leben oder im beruflichen Werdegang von großer Bedeutung und entscheidet über Vor- und Nachteile.5 Für einen Menschen in Deutschland ohne ein Zuhause, ist es beispielswei se fast unmöglich einen neuen Job zu finden und sich damit eine neue Lebensexistenz aufzubauen.

1 Vgl. Dudenredaktion, o. D, „sozial“.

2 Vgl. ebd., „gerecht“.

3 Vgl. ebd., „wohnen“.

2 Vgl. Kransy, 2021, S.52.

3 Wielens, 1994.

4 Recht auf Wohnen, 2021.

5 Vgl. Piketty/Lorenzer, 2016, S.8.

11
Sozial gerecht wohnen wohnen
10

Das Ideal (Kurt Tucholsky, 1927)

Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße; mit schöner Aussicht, ländlich-mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –aber abends zum Kino hast dus nicht weit. Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit: Neun Zimmer – nein, doch lieber zehn! Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn, Radio, Zentralheizung, Vakuum, [...] eine Bibliothek und drumherum Einsamkeit und Hummelgesumm.

1 Vgl. Tucholsky, o. D.

12 13 Abb. 2 | wohnen Sozial gerecht wohnen

Wohnsituation aktuell

Debatten zu der Wohnsituation in deutschen Städ ten gehören mittlerweile zum Alltag dazu. Die Suche nach einer geeigneten Wohnung, die bezahl bar, groß genug und am richtigen Ort steht gestal tet sich für viele sehr schwierig. Aber woran liegt das? Wird wohnen zum Luxusgut?1

Die Situation am Wohnungsmarkt ist kompliziert, denn er wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Fehlende Wohnungen, vor allem im Bereich des Sozialwohnungsbaus, dazu eine stei gende Anzahl an Haushalten und die Zunahme an Wohnraum pro Kopf führen zu der angespannten Lage.

Wohnen kostet

Durch eine hohe Nachfrage steigt der Preis, so ist es auch bei den Immobilien. Seit 2005 ist ein durchschnittlicher Mietpreisanstieg von rund 21% zu verzeichnen (vgl. Abb. 4). In Schwarmstädten, wo der Anstieg noch höher ausfällt, führte das in den letzten Jahren zu Gentrifizierung. Vor allem Menschen mit wenig bis mittlerem Einkommen können sich die Mieten kaum noch leisten und werden so Stück für Stück aus den Innenstädten verdrängt.

Politische Anstrengungen in der Vergangenheit, wie beispielsweise durch Anreize den sozialen Wohnungsbau zu fördern oder durch die Miet preisbremse die wuchernden Mieten zu stoppen, zeigten nur mäßige Erfolge. Die aktuelle Bundes bauministerin Klara Geywitz hat sich daher das Ziel gesetzt jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Darunter 100.000 Sozialwohnungen.3

Abb. 4: Entwicklung Wohnungsmiet index Deutschland (2015=Index 100)

15 14 Abb.3 |Wohnsituation aktuell Sozial gerecht wohnen
110 105 100 95 90 85 80 1995 2005 2015 2021

Ein Aspekt der dabei beachtet werden muss ist, dass der Bedarf an Wohnraum nicht überall in Deutschland besteht. Er konzentriert sich vor wiegend auf bestimmte Städte und Regionen, während in anderen Regionen eher einen Bevölkerungsschwund und zunehmender Leerstand zu verzeichnen ist. (vgl. Abb. 5)

Zudem ist fraglich, ob neu gebauter Wohnraum wirklich die zentrale Lösung für alle Probleme sein kann. Denn „Möglichst schnell, möglichst viel und möglichst renditeorientiert zu bauen, ist kein Strategie für sozial und ökologisch ausgewogene Wohnungsversorgung.“, wie Giesela Schmitt und Jan Polívka in einem Artikel feststellen.5 Da es zum einen kaum möglich ist, in dem aktuell an gespannten Bausektor, preiswerten neuen Wohn raum zu bauen und zum anderen schwer ist neue Bauflächen zu generieren.4

Als nachhaltige ökologische Alternative zum Neubau sollte die Aufwertung des Gebäudebestands mehr in Betracht gezogen werden. Dafür müsste dieser nach aktuellen technischen und energeti schen Standards saniert, sowie an heutige Wohn anforderungen angepasst werden.3

wie gewohnt wird

Auf wie viel Fläche wird im Durchschnitt ge wohnt? Wird lieber alleine, als Paar, mit der Fami lie oder in einer Wohngemeinschaft mit mehreren Personen gewohnt? Wenn man die Entwicklungen der deutschen Haushalte betrachtet fällt auf, sowohl die Wohnfläche pro Kopf als auch die Anzahl der Personen pro Haushalt haben in den letzten

bis unter -5% -5% bis unter -2,5% -2,5% bis unter 2,5% 2,5% bis unter 5%

5% bis unter 7,5% 7,5% bis unter 10% 10% und mehr

5% bis unter 7,5% 7,5% bis unter 10% 10% und mehr Wohnsituation aktuell

Abb. 5: Regionale Entwicklung der Wohnflächennachfrage 2015 bis 2030

17 16
bis unter -5% -5% bis unter -2,5% -2,5% bis unter 2,5% 2,5% bis unter 5% Sozial gerecht wohnen

47,4m2

20m2

1960 2020

Abb.

Jahren eine Richtung eingeschlagen, die immer mehr Platz benötigt.

Der Raum, der zum Wohnen benötigt wird steigt kontinuierlich an. Im Jahr 1960 haben die Men schen in Deutschland im Durchschnitt auf gerade mal 20 m2 pro Kopf gewohnt, 2020 ist die Wohnfläche pro Kopf auf 47m2 angestiegen. (vgl. Abb. 6)

der emotionale Faktor spielt eine Rolle bei der Entscheidung das Zuhause, auch für jetzt nur noch zwei Personen, so zu belassen wie es ist.7

Vergleich Wohnraumbedarf

Abb. 7: Zahl der Privathaushalte und durchschnittliche Haushalts größe (1991-2035)

Somit hat sich die Wohnfläche in 60 Jahren mehr als verdoppelt. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig.

Zum einen steigt die Anzahl der Haushalte, da sich eindeutig der Trend zu Ein- oder Zweipersonenhaushalten abzeichnet, große Wohngemein schaften werden immer seltener. Im Vergleich zu 1991, wo Durchschnittlich 2,27 Personen in einem Haushalt gewohnt haben, sind es 2020 nur noch 2,02 und im Jahr 2035 wird die Zahl der Personen pro Haushalt voraussichtlich auf 1,9 sinken. (vgl. Abb. 7) Diese Entwicklung hat maßgeblich Einfluss auf die Wohnfläche pro Kopf, da Kleinstwohnungen mehr Nutzfläche benötigen als Wohnungen für mehrere Personen. Denn die Infrastruktur einer Wohnung, wie Erschließung, Küche, Bad, wird nicht mehr geteilt.6

Auch der demografische Wandel (vgl. Abb. 8) kann als eine Ursache genannt werden, denn statistisch gesehen nimmt die Wohnfläche mit dem Alter zu. Oft ziehen Paare, wenn sie eine Familie gründen in ein Haus, damit für alle genügend Platz vorhanden ist. Jedoch, wenn die Kinder nach eini gen Jahren ausziehen, bleiben die Eltern in dem großen Haus zurück. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung gestaltet sich oft schwierig, aber auch

Außerdem beeinflussen die verbesserten Lebens standards die Wohnungsgröße der Bevölkerung. Da die Wohnung für viele ein Statussymbol ist, gilt das Motto: je größer, desto besser. Wohnungen mit geräumigen Grundrissen werden immer beliebter. Wovon vor allem Investoren profitieren, weshalb sie vor allem in höherpreisige Wohnungen inves tieren.8

Folgen dieser Entwicklung sind sowohl finanzielle als auch zunehmend räumliche Probleme, vor allem in Städten. Der Mehrbedarf an Wohnfläche pro Kopf führt zu einer abnehmenden Bevölke rungsdichte. Diese Entwicklung hat wiederum Auswirkungen auf die Bebauungsdichte, die im mer weiter zunehmen muss, um den Bedarf an Wohnraum zu decken.9

w m

Abb. 8: Demografischer Wandel, Vergleich 2019 zu 1990

1 Vgl. Dömer et al., 2016, S. 14 f.

2 Vgl. Mehr bezahlbare und klimage rechte Wohnungen schaffen, o. D.

3 Vgl. Schmitt/Polívka, o. D.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. Dömer et al., 2016, S. 14 f.

7 Vgl. ebd.

8 Vgl. ebd.

9 Vgl. ebd.

19 18 Wohnen aktuell Sozial gerecht wohnen
6:
1960 und 2020 44 42 40 38 36 34 2,3 2,2 2,1 2,0 1,9 1,8 1991 2000 2010 2020 2030

Wandel der Gesellschaft

„Staatlich Wohnungsbaugenossenschaften, Immobilienentwickler und Bauträger fragen viel zu selten, für wen sie eigentlich Bauen. Sie ignorieren das Phänomen einer alternden Gesellschaft, die nicht mehr über die gleichen räumlichen und finanziellen Ressourcen verfügen, wie frühere Generationen und die sich schon aus ökonomischen Zwängen heraus einschränken muss - und sie ignorieren die Entwicklung zu einer Gesellschaft, in der die klassische Familie nicht mehr die Mehrheit stellt. Anders gesagt, man baut für einen Lebensentwurf, den es gar nicht mehr gibt.“ (Niklas Maak)1

Die ursprünglichste Aufgabe von Wohnungen ist es, die menschlichen Grundbedürfnisse nach Si cherheit, Privatsphäre und Intimität zu schützen. Allerdings ist die Bedeutung, die dem Wohnen in unserer Gesellschaft zukommt, vielfältiger. Laut der Soziologin Christine Hannemann verbinden sich im Wohnen „[...] alles: Sozialhistorische Ent wicklungsstränge, politische, ökonomische und kulturelle Bedingungen, psychologische Aspekte sowie individuelle und familiäre Dispositionen und Konstellationen.“2

Allerdings zeigt sich, dass die Architektur des Wohnens nicht zugeschnitten für alle ökonomi schen Bedingungen oder familiären Dispositionen und Konstellationen ist. Die Auswahl an Typolo gien beschränkt sich je nach ökonomischer Lage auf „kleine oder große Wohnungen, ein kleines oder großes Haus“.3

Die Typologien sind auf standardisierte Lebens

21 20 sozialgerechtes Wohnen Abb. 9|Wandel der Gesellschaft

42,3% 11,9% 9,1% 3,5% 33,2%

Abb. 10: Anzahl der Personen pro Haushalt, 2019

entwürfe abgestimmt. Die erste Station ist das Einfamilienhaus mit den Eltern auf dem Land, für den zweiten Schritt geht es zum studieren oder die für Lehre in die Stadt in eine Einzimmerwohnung oder in eine WG. Danach folgt die Familiengründung, dafür ist ein letzter Umzug vorgesehen der zwei Optionen bereithält, die Vier-Zimmerwoh nung in der Stadt oder das Einfamilienhaus auf dem Land. Für Lebenskonstellationen, die von der Kernfamilie abweichen, gibt es in den Typologien keine Lösungen.4

Das diese Biografie mit der heutigen Realität nicht übereinstimmt, zeigen die Statistiken zu der An zahl der Personen pro Haushalt. (vgl. Abb. 10)

Viele Bedingungen und Wünsche der Bewoh ner*innen von Wohnungen haben sich geändert, allerdings hat sich die architektonische Ebene nicht mit entwickelt. Laut Niklas Maak ist es jetzt „höchste Zeit für neue Häuser und günstige angemessenere Wohnformen […]“5

Individuelle Lebensstile

„Im Megatrend Individualisierung spiegelt sich das zentrale Kulturprinzip der aktuellen Zeit: Selbstverwirklichung innerhalb einer einzigartig gestalteten Individualität. Er wird angetrieben durch die Zunahme persönlicher Wahlfreiheiten und individueller Selbstbestimmung.“ (Zukunftsinstitut)6

Dass sich Lebensstile und die Rahmenbedingungen, die Lebensweisen bestimmen, ändern ist kein neues Phänomen. Es ist ein beständiger Prozess, der allerdings seit dem Ende des zweiten Weltkrieges deutlich dynamischer geworden ist. „Durch das höhere Wohlstandsniveau, den tech nischen Fortschritt […] und den Wandel der kul turellen Rahmenbedingungen haben sich größere Wahlmöglichkeiten für die Lebensgestaltung des Einzelnen ergeben.“ beschreibt die Politikwissen schaftlerin Sybille Münch.7

Dieser Prozess wird auch als Wandel von der Fremdbestimmung des Individuums hin zu der Selbstbestimmung bezeichnet. Das individualisier te Leben bewirkt, dass jeder Mensch selbst dafür verantwortlich ist, seine Identität und seinen Lebenssinn zu finden.8

Die Pluralisierung von Lebensstilen und Haushalts formen beschreibt eine Folge dieses Prozesses. Der größte Kontrast zu den heutigen vielfältigen Familienformen ist die Zeit zwischen 1955 und 1975, die geprägt von der klassischen Kernfamilie war. Mutter, Vater und Kinder lebten zusammen

Abb. 11: Pluralismus bei Lebens wegen

23 22 Wandel der Gesellschaft sozialgerechtes Wohnen

im Eigenheim, die Ehe wurde konsequent nach dem Motto bis das der Tod uns scheidet verfolgt. Geschlechterrollen dominierten das Alltagsleben, der Mann war arbeiten und brachte das Geld nach Hause. Die Frau passte auf die Kinder auf, war für den Haushalt und das Kochen zuständig. Zur gleichen Zeit in der DDR war die sozialistische Fami lie das vorherrschende Modell, bei dem beide, Va ter und Mutter Vollzeit arbeiteten. Seit den 1970er Jahren lösen unkonventionelle Lebensformen die Überlegenheit der klassischen Kernfamilie ab. Konstellationen wie, alleinerziehende Eltern, Fernbeziehungen, uneheliche Partnerschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, oder doch die klassische Familie gleichen sich immer mehr aus (Abb. 12). Allerdings sind das, bis auf die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, keine neu entstandenen Familienformen. All diese gab es bereits schon mal. Der relevante Unterschied zu vorher ist, dass diese Formen nun frei willig gewählt und gesellschaftlich anerkannt sind, während es früher Formen waren, die aus der Not heraus entstanden sind und kein gesellschaftliches Ansehen besaßen.9

Zudem ist die Binnendifferenzierung von Lebensformen ein weiterer entscheidender Faktor, der zu der Pluralisierung von Lebensstilen beiträgt. (vgl. Abb. 13) Damit werden verschiedenen Modelle der Arbeitsaufteilung beschrieben, beispielsweise zwischen den Ehepartnern. Das Ernährermodell steht für den Vater als Alleinverdiener, beim Hinzuverdienermodell arbeitet zudem die Mutter in Teilzeit. Das Partnerschaftlich-egalitäres Modell

Abb. 13: Binnendifferenzierung bei (Ehe-)partnern, 2011

25 24 Wandel der Gesellschaft sozialgerechtes Wohnen
Bevölkerung insg. 81.937 Tsd. Eltern/-teile 25% Ehe Aleinstehende 22,8% Partnerschaft ohne Kinder 28,9% Kinder 23,3% Lebensgemeinschaft Alleinerziehend Alleinerziehende Eltern Mehrpersonenhaushalt Eltern in Lebensgemeinschaft Eltern in Ehe Einpersonen-
Ehe Lebensgemeinschaft 20,8% 1,9% 19,2% 2,6% 3,2% 23,6% 5,3% 16,9% 1,9 % 4,5% Abb. 12: Bevölkerung nach Lebensformen, Deutschland 2019 10% 20% 30% 40% 50%
haushalt
Enährermodell Hinzuvermodell partnerschaftlich egalitär sonstige Modelle

bedeutet dass Beide Vollzeit arbeiten.10

Zusammenfassend beschreibt das Zukunftsin stitut, dass in Zukunft der Fokus auf das Ich im Kontext von Beziehungen und die Wechselwirkung vom Ich mit der Umwelt liegen. Die Stellung des solitären Ichs tritt zurück, dahingegen nimmt die Bedeutung von neuen Ideen für Freiheit und Krea tivität zu.11

Auf architektonischer Ebene bedeutet das, dass es neue Wohntypologien braucht. Häuser, die nicht explizit auf die Institution der Kernfamilie zugeschnitten sind, sondern die Flexibilität und die Möglichkeit für verschiedene und wandelnde Lebensformen zulassen. Zum einen werden Typo logien benötigt, die genügend Platz für eine große Patchworkfamilie bieten und zum anderen Typo logien die dem Wunsch der zunehmenden Singu larisierung der Bevölkerung ermöglichen und sich zusätzlich den Veränderungen der Bewohner*innen anpassen.

Flexibles Arbeiten

Ein wichtiger Teil des Lebens ist die Arbeit. Um sich die Freizeit, die Familie, das Zuhause und den Lebensunterhalt leisten zu können, muss gearbeitet werden. Allerdings ist die finanzielle Ebene nicht der einzigste Lebensbereich den die Arbeit stark beeinflusst. Vor allem die Veränderungen, der Art zu arbeiten wirkt sich auf das Wohnen und die vorherrschenden Lebensmodelle aus.

Auf soziologischer Ebene spricht man von der Ent grenzung und Subjektivierung von Arbeit, als ein Anzeichen für die strukturellen Veränderungen.

Zu finden ist diese in verschiedenen Bereichen. Der Trend zu flexiblen Arbeitszeiten wird mit der zeitlichen Entgrenzung beschrieben. Teilzeit- und Gleitzeit-Modelle oder die Schichtarbeit lösen die klassische 40-Stunden-Woche ab. Aber auch die Tageszeit, zu der gearbeitet wird, ist variable.12

Die räumliche Entgrenzung der Arbeit bedeutet, dass der Ort an dem gearbeitet wird zunehmend selbst bestimmt werden kann.13 Die Pflicht jeden Morgen zum Arbeiten ins Büro zu fahren und auch nur von dort aus die Tätigkeiten ausüben zu können, wird durch den Fortschritt der Digitalisierung aufgehoben. Am Anfang der Covid-19 Pan demie wurde dieser Trend, durch die Regelungen, die Kontakte auf ein Minimum zu beschränken, rasant beschleunigt. Home-Office wurde für bei nahe alle Berufe zur Pflicht. Während die ganzen Büros in den Städten leer standen, gab es die ersten Prognosen, dass in Zukunft die Typologie der Büros der Vergangenheit angehören. Die Realität zeigte allerdings, wie wichtig Austausch zwischen den Kollegen und der Ortswechsel zwischen dem Zuhause und dem Büro ist. Das Zukunfst-Institut prognostiziert daher einen Wandel für Büros, hin zu einer Kulturmeile für das Büro.14 Auch auf der rechtlichen Ebene findet eine Entgrenzung statt, Soziologen bezeichnen diesen als Deregulierung. „Indikatoren für diese Wertung sind das vermehrte Aufkommen von Zeit- und Leiharbeit, von befristeten Verträgen und einem verringerten Kündigungsschutz.“16

Die Folgen dieser strukturellen Veränderungen sind, dass Erwerbstätigkeiten aus persönlichen

27 26 Wandel der Gesellschaft sozialgerechtes Wohnen

Ambitionen oder unternehmerischen Gründen häufiger gewechselt werden, sowie Verträge ver mehrt zeitlich oder für Projekte beschränkt wer den. Die Bedeutung der „räumlichen Flexibilität“ wächst zunehmend. Arbeiten und Wohnen kann nicht mehr klar voneinander abgeschottet werden, dafür werden zum Einen die räumliche Voraus setzungen für das Homeoffice notwendiger, zum Anderen nehmen, auf Grund der fluiden Beschäf tigungen, der Wohnortswechsel zu. Auch auf zwi schenmenschlicher Ebene wird der Drang zu mehr Flexibilität spürbar. „An Stelle von fester institutioneller und privater Strukturen treten netzwerk artige Strukturen“.17

In einem Dossier des Zukunftsinstitutes wird von einem Wechsel der Philosophie der Work-Life-Ba lance hin zu einer Work-Life-Blending gesprochen.

Damit wird ausgedrückt, dass durch mehr Flexibilität und Selbstständigkeit die Bereiche Arbeiten und Leben miteinander verschmelzen.18

„So entsteht ein Menschentyp, der nicht nur flexibel auf Erwerbsarbeit- und jegliche Bindungsanforderungen reagiert, sondern auch flexible Wohnsituationen präferieret.“ (Christine Hannemann)19

14: Flexibilität der Lebensstile

1 Maak, 2018, S.17.

2 Hannemann, 2017, S.31.

3 Maak, 2018, S.17.

4 Vgl. Maak, 2018, S. 17 f.

5 Maak, 2018.

6 Zukunfstinstitut, 2022.

7 Münch, o. D.

8 vgl. Hannemann, 2017, S.31 f.

9 Vgl. Schneider, 2021.

10 vgl. ebd.

11 vgl. Zukunfstinstitut, 2022.

12 Vgl. Hannemann, 2017, S. 32.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Zukunftsinstitut, 2022.

15 Zukunftsinstitut, 2022.

16 Hannemann, 2017, S. 32.

17 ebd.

18 vgl. Zukunftsinstitut, 2022.

19 Hannemann, 2017, S. 33.

29 28
sozialgerechtes Wohnen
Wandel der Gesellschaft
Abb.

Betonierte Lebensmodelle

Sowohl die Vorstellungen und Werte das Leben zu gestalten, als auch die Art und Weise zu Arbeiten haben sich in den letzen Jahren stetig weiterent wickelt. In der Architektur ist man auf diese Ent wicklungen nur geringfügig eingegangen und ist bei den bekannten Wohntypologien und Grundrissen geblieben. Ein Punkt, der gesellschaftlich kaum wahrgenommen wird ist, dass in den Grund rissen, die für frühere Lebensentwürfe entworfen wurden, die Vorstellungen von Lebensmodellen und Rollenbilder alter Generationen verankert sind. Die Typologien repräsentieren vor allem die klassischen Stereotypen des Mannes, der den gan zen Tag arbeitet und das Geld nach Hause bringt und das der Frau, die zuhause bleibt, für den Haus halt und die Kindererziehung zuständig ist.1

„In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde[n] [die Arbeitseinteilung zwischen den Geschlechtern in eine „öffentliche Sphäre“ der Produktion und eine „private Sphäre“ der Reproduktion] mit dem Leitbild der bürgerlichen Kleinfamilie, in der der Vater als Ernährer und die Mutter zuständig für Heim und Kinder galt, räumlich zementiert, buchstäblich in Beton gegossen.“ (Melissa Koch, Anh-Linh Ngo)2

Entstanden sind diese Vorstellungen und Typolo gien in der Zeit der Industrialisierung. Durch den überdurchschnittlichen Anstieg an Wohnraum bedarf entstand der Massenwohnungsbau. Dieser führte zu einer klaren Trennung zwischen der Arbeitsstätte, als Ort der Produktion, und dem Zu

hause, als Ort der Reproduktion der Arbeitskraft.3 Unter Reproduktionsarbeit sind, im Sinne der marxistischen Terminologie, all die Tätigkeiten zu sammengefasst, die der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft dienen. Kochen, Waschen, Putzen, die Kindererziehung und die Pflege kranker Angehöriger sind alles Aufgaben, die der Reproduktion beigemessen werden.4 Es sind Tätigkeiten die gesellschaftlich und wirtschaftlich keinen Stellenwert besitzen, un bezahlt sind und im Privaten stattfinden. Es sind Aufgaben, die vor allem der Rolle der Frau zugeschrieben werden.5

Die feministischen Theoretikerinnen Mariarosa Dalla Costa und Silvia Federerici kritisierten An fang der 70er die Lebensbedingungen der Frauen, die durch die Wohntypologien entstanden sind. Sie bezeichneten die Wohnungen als „goldene Gefängnisse, in denen die Frauen, trotz ihrer apparativ aufgerüsteten Küchen, sozial isoliert werden.“6 Doch obwohl in den letzten Jahrzehnten viel für die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern getan wurde, Frauen mittlerweile in Deutschland rechtlich gleichgestellt sind, herrschen bei der Sor gearbeit und in vielen anderen Bereichen weiterhin Unterschiede zwischen Männern und Frauen.7

Die Gender Care Gap zeigt auf, dass Frauen 52,4% mehr Zeit in Tätigkeiten, die der Sorgearbeit zuge schrieben werden, investieren als Männer. Im Jahr 2019 sind das bei Frauen pro Tag 4 Stunden und 13 Minuten, bei Männern 2 Stunden und 47 Minuten. Insgesamt sind das 82 Minuten jeden Tag, die Frauen mehr Sorgearbeit leisten. (vgl. Abb. 16)

REPRODUKTON

Kochen Waschen Putzen Kindererziehung Pflegearbeiten ...

Abb. 15 : Ort der Reproduktion und Produktion

31 30 betonierte Lebensmodelle
sozialgerechtes Wohnen
Frauen Männer +82 Min. Abb. 16: Gender Care Gap (2019)
PRODUKTON

Aufbruch der typologischen

Zwänge

Wie könnte eine nicht-sexistische Stadt ausse hen? Wie könnte eine egalitäre Neuordnung des privaten Raums gelingen? Wie können die damit verbundenen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen, Abhängigkeiten und Konventionen durch den Ausbau kollektiver Infrastruktur für reproduktive Tätigkeiten (Waschen, Kochen, Kin dererziehung, etc.) aufgehoben werden? (Dolores Hayden)8

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden im mer wieder architektonische Lösungsvorschläge, die sich mit der Aufhebung von Rollenstrukturen, Verbesserungen der Lebensstandards und der Re produktionsarbeit beschäftigten. Zuerst lag der Fokus auf der Modifikation der Wohnverhältnisse, Ideen basierten beispielsweise auf kollektiven Lebens- und Wirtschaftsführungen. Mitte des 19 Jahrhunderts verlagerte sich dieser auf die Entlas tung für Frauen. Ansätze für Städte mit Zentralen Küchen und Wäscherein, mit Einrichtungen für die Betreuung von Kindern und einem Haushaltsservice wurden entworfen, um die Sorgearbeit in eine kollektive Tätigkeit zu verwandeln.9

Einige Visionen wurden zu realen Projekten, wie die Kommunenhäuser in der Sowjetunion oder die Einküchenhäuser, die im folgenden näher erläutert wenden. Allerdings funktionierten die Ansätze nur für kurze Zeit. Ökonomischen Aspekte waren hauptsächlich Gründe für das schnelle Scheitern.

33 32 Abb. 17 | betonierte Lebensmodelle sozialgerechtes Wohnen

Die Miete für eine Wohnung in den Einküchen häusern waren verhältnismäßig hoch, sodass diese nur von nur von der gut situierten Bevölkerung leistbar war. Die Folge war eine homogene Be wohnerschaft, Klassenunterschiede konnten nicht aufgehoben werden und die eigentliche Zielgruppe von berufstätigen Frauen mit der Familie konnten nicht angesprochen werden.10

Aktuelle Ansätze sind im Gegensatz zu früheren weniger revolutionär und konzentrieren sich nicht hauptsächlich auf die Aufhebung des bestehenden Wirtschaftssystems und der damit verbundenen Trennung von Produktions und Reproduktions arbeit. In der online Ausstellung „Frauen & Woh nen“ der TU Wien werden drei aktuelle Konzepte vorgestellt, die sich mit Modifikationen einzelner Bereiche befassen. Zum einen führt das Konzept „der Stadt der kurzen Wege“ zu einer funktionsgemischten Stadt, in der reproduktive Arbeiten wieder sichtbarer werden. Ein weiterer Ansatz ist „Arbeiten und Wohnen“ wieder miteinander zu verbinden, beispielsweise durch Co-Working-Spa ces. Außerdem können alternative Wohnformen wie „Clusterwohnungen und Großhaushalte“ den Raum für vielfältige Lebensentwürfe bieten.11

Die Sichtbarkeit der Reproduktionsarbeiten ist ein wichtiger Ansatz, um die verankerten Strukturen und Rollenbilder aufzulösen. Sowohl in den frühe ren als auch den aktuellen Konzepten wird durch die Zentralisierung von den Orten, an denen diese Arbeit anfällt versucht die Tätigkeiten aufzuteilen und zu erleichtern.

Wohnen und Arbeiten

Clusterwohnung und Großhaushalte Stadt der kurzen Wege

Abb. 18: aktuelle Ansätze zur räumlichen Umorganisierung der reproduktiven Arbeit

1 Vgl. Koch/Ngo, 2021, S.1.

2 Koch/Ngo, 2021, S.1.

3 Vgl. Schwarte, 2021, S. 22.

4 Vgl. Gatti, 2018, S. 210 ff.

5 Vgl. TU Wien, 2021.

6 Schwarte, 2021, S. 22.

7 Vgl. BMFSFJ, 2019.

8 Koch/Ngo, 2021, S.1.

9 Vgl. TU Wien, 2021.

10 Vgl. ebd.

11 Vgl. ebd.

35 34
betonierte Lebensmodelle sozialgerechtes Wohnen

Exkurs: Einküchenhäuser

„Ein Stadthaus,in dem man in zwanzig kleinen Küchen über- und untereinander Fleischbällchen brät, wo in vielen Kinderzimmern jeweils ein schmächtiges Wesen verkümmert, ruft so et was nicht nach einer planmäßigen Organisation, nach einer Organisation im Zeichen des Kollektivismus?“ (Alva Myrdal)1

Die grundlegende Idee hinter den Einküchenhäu sern war es, die Hausarbeit zu zentralisieren und zu vergesellschaften, um die Doppelbelastung arbeitender Frauen zu reduzieren. Entstanden ist sie Ende des 19. Jahrhunderts, da immer mehr Frau en der Erwerbstätigkeit nachgingen und stärker für ihre Rechte kämpften.

In Europa wurden einigen Gebäude nach diesem Ansatz gebaut. Das Konzept basierte auf einer Zentralküche (Abb. ??), die die Haushalte, teilweise mit Speiseaufzügen, mit Essen versorgte. In einigen Projekten gab es zusätzlich einen kollektiven Waschservice, Gemeinschaftsräume, wie Speisesä le oder Kinderbetreuungseinrichtungen.

Allerdings konnte dieses Modell, auf Grund von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen nur für kurze Zeit bestehen. Zum einen waren durch die Serviceleistungen die Mieten hoch, sodass sich nur gut verdienende Familien, bei denen die Frauen nicht arbeiten gingen, diese leisten konnten. Außerdem nahm die Erwerbstätigkeit von Frauen in der Zeit zwischen den Kriegen ab und das Bild der Hausfrau wurde wieder etabliert.2

1 Schmid, 2019, S. 81.

2 Vgl. Schmid, 2019, S. 81 ff

Abb. 20 | Exkurs: Einküchenhäuser 37 36
sozialgerechtes Wohnen
Abb. 19: Broschüre der Einküchen haus Gesellschaft Berlin, 1908
39 38
21 | gemeinsam
sozialgerechtes
Abb.
wohnen
Wohnen

gemeinsam wohnen

„Neue Wohnformen und Wohntypologien sind im Kontext der neuen Unübersichtlichkeit unserer Gesellschaft zu entwickeln. Sie sollten sich für unterschiedliche Lebensvorstellungen eignen und den sich wandelnden Wünschen und kulturellen Besonderheiten von Mietern und Käufern nachkommen: Wohnen mit der Familie, in der Gemeinschaft mit hohem Anspruch oder mit minimalem Budget, Wohnen und Arbeiten kombiniert, Wohnen in teilbaren Einheiten, die sich verschiedenen Lebensphasen anpassen können.“ (Gudrun Sack)1

Alternative Wohnformen, als Gegenentwurf zu den vorherrschenden Typologien, können „Ant wort auf den gesellschaftlichen Strukturwandel“ geben.2 Wie in den bisherigen Kapiteln beschrieben, prägten, in den letzten Jahren, Veränderungen die verschiedensten Lebensbereiche. Die In dividualisierung, der Weg zur Selbstbestimmung des eigenen Lebensweges, sowie der Wandel der Arbeit führen zu multiplen und flexiblen Lebens weisen. Auf die, die bisherigen Wohnformen, nur bedingt eingegangen sind. Zudem beeinflusst das gemeinschaftliches Zusammenleben Aspekte, wie die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern und Arbeiten, die der Reproduktion zugeschrieben werden. Repro duktive Tätigkeiten können in öffentliche Wohn bereiche ausgelagert werden und dazu können sich die Bewohner*innen gegenseitig unterstützen und Arbeiten abnehmen.3

Allgemein ist die soziale Teilhabe und Gemein schaft ein entscheidender Faktor für gemeinschaft liche Wohnmodelle. Die Institution der Kernfa milie nimmt immer weiter ab, Single-Haushalte nehmen zu, und so wird das Grundbedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit von der Hausgemeinschaft übernommen.4

„In einem stabilen Umfeld zu leben, sei es innerhalb der Wohnung, im Wohnobjekt oder in der Nachbarschaft, ist für die meisten Menschen wichtig, um sich in der Gesellschaft eingebettet zu fühlen.“ (Susanne Schmid)5

41 40 Abb. 22 | gemeinsam wohnen
sozialgerechtes Wohnen

Wie viel Gemeinschaft?

Die Grundlage von innovativen Wohntypologien ist die soziale Gemeinschaft. Meistens schließen sich die Gruppe von Bewohner*innen vor Projekt beginn zusammen, um gemeinsam das Projekt zu planen. Auf diesem Weg können von jedem die individuellen Bedürfnisse mit einfließen, der Grad von privaten und öffentlichen Räumen bestimmt werden und das Gebäude nach dem zukünftigen gemeinsamen Alltag gestaltet werden. In den letz ten Jahren sind so, wieder vermehrt, Gebäude mit unkonventionellen Wohnformen entstanden, die alle vollkommen unterschiedliche Konzepte ver folgen.6

Die verschiedenen Konzepte sind definiert von der Zusammenstellung der privaten und öffentlichen Räume. Anne Kaestle definiert in ihrer These „Wer teilt, hat mehr“ für die Publikation „Neue Standards: Zehn Thesen zum Wohnen.“, dass die „Wohnqualität […] auf einem wohl proportionier ten Verhältnis von privaten Wohnbereichen und ei nem gesunden Anteil an gemeinschaftlich genutz ten, dem Shared Space, [basiert].“7 Das Bedürfnis nach Rückzug, Privatsphäre und Geborgenheit ist Essenziel, um auf der anderen Seite das Verlangen nach Gemeinschaft zu spüren.8

Es ist wichtig, dass die gemeinschaftlichen Flä chen von den Bewohner*innen angenommen und benutzt werden. Ihnen müssen Funktionen und Tätigkeiten zugeschrieben werden.9 Dieser Raum sollte als Ergänzung zum Privaten Bereich angesehen werden, der dann wiederum im Sinne der Suffizienz verkleinert werden kann. Beispielsweise

können Tätigkeiten der Reproduktionsarbeit, wie das Wäsche waschen, in den öffentlichen Raum ausgelagert werden.10

Einen großen Stellenwert wird dem Teilen zuge schrieben. Das Teilen von Infrastruktur, Räumen, Arbeiten, Verantwortung, sowie von Gegenständen bestimmt das Zusammenleben. Nach dem Motto: „Nutzen ist wichtiger als Besitzen.“, müs sen nicht alle Dinge einem selbst gehören, sondern können gemeinsam genutzt werden.11

Günstiger gemeinsam?

Das gemeinschaftliches Wohnen immer günstiger ist als herkömmliche Wohnmodelle, kann nicht klar definiert werden. Die Kosten hängen von ver schiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise von der Form der Organisation der Bewohnerschaft. Zum einen gibt es Baugruppen, dabei treten die zukünftigen Bewohner*innen als Eigentümer auf und bilden zusammen einen Gemeinschaft, die ihr Vorhaben selbst finanziert. Bei Genossenschaften ist es eine Zwischenform zwischen Mieten und Wohneigentum, da Mitglieder*innen einen Anteil der Genossenschaft erwerben. Gemeinschaftli ches Zusammenleben auf Miete bieten Investoren und Wohnungsbaugesellschaften an. Der jeweilige Anteil an Partizipation und Mitbestimmung vari iert je nach Form.12 Allgemein können Kosteneinsparungen durch vor herige individuelle Planungen und Absprachen generiert werden. Effiziente Grundrissgestaltung, Ausstattungsstandards, sowie auf die Bewohner*innen angepasste Wohntypologien sind Fak

43 42 gemeinsam wohnen
sozialgerechtes Wohnen

toren die Einsparungen möglich machen. Zudem kann durch das Teilen von Räumlichkeiten und Gegenständen der Wohnraum pro Kopf minimiert werden.13

1 Sack, 2017,S. 110.

2 Kasper, 2015, S. 18.

3 Vgl. Schmid, 2019, S. 10 ff

4 Vgl. ebd.

5 Schmid, 2019, S. 12.

6 Vgl. Kasper, 2015, S. 18 f.

7 Kaestle, 2017, S. 124.

8 Vgl. ebd., S. 124 f.

9 Vgl. Becker/Kienbaum, 2017, S. 50.

10 Vgl. Schmid, 2019, S. 10 ff.

11 Vgl. Kaestle, 2017, S. 125 f.

12 Vgl. Becker/Kienbaum, 2017, S. 50.

13 Vgl. Becker et al., 2015., S. 10 f.

45 44
Abb. 23 | gemeinsam wohnen sozialgerechtes Wohnen
47 46 Kapitel
24 | Referenz San Riemo
Abb.

Referenz San Riemo

Projekt:

Größe: Ort: Architekt*innen: Bauherrschaft:

Genossenschaftliches Wohngebäude, 27 Wohneinheiten 4.250m2 München-Riem Anna Femmer, Juliane Gerb, Petter Krag, Florian Summa Kooperative Großstadt eG

Das Ziel, der Genossenschaft, war ein neuer Woh nungsbau mit hoher architektonischer Qualität, bezahlbare Mieten auf Basis einer solidarischen Projektfinanzierung. Realisiert wurde das Gebäude mit dem Namen „San Riemo“ in enger Zusam menarbeit der Architekt*innen und zukünftigen Bewohner*innen.

Abb. 25: Ausschneidebögen für Wohnraumaufteilung, Mitwirken der Nutzer*innen

Auf jeder Etage wurde ein anderes Wohnkonzept realisiert, die verschiedene Intensitäten der Ge meinschaft erproben. Von eher konventionellen Wohntypen bis hin zu neuen, experimentellen Ansätzen. Außerdem wurde das Gebäude nach dem Prinzip des „atmenden Hauses“ geplant, Räume können so flexibel je nach Bedarf zu- und abgeschaltet werden. Möglich wird das zum einen durch das offene Träger, Stützen Tragsystem und zum Anderen durch viele Türen, wodurch Räume schnell verbunden werden können.

Pflege- und Reparaturarbeiten werden partizipativ von der Hausgemeinschaft organisiert. Zudem gibt es Gemeinschaftsräume für alle Bewohner*innen, die „große Straße“ im Erdgeschoss, unter anderem zum Wäschewaschen, sowie auf dem Dach mit Gemeinschaftsgarten und Sommerküche.

1Vgl. ARGE Summercumfemmeer/Büro Juliane Gerb, 2021, S.88 ff.

49 48 sozialgerecht Wohnen Abb. 26 | Referenz: San Riemo
EG Promenade 1.OG WG-Wohnungen 2.OG Familienwohnungen 3.OG Durchwohnen 4.OG Nukleuswohnungen 5.OG Filialwohnungen
51 50 Sozialgerecht
Abb. 27 und 28 |Referenzprojekt: San Riemo
Wohnen

Umwelt gerecht woh n e ;n thceregtlewmU ;nenhow lewmU t g e recht wohnen;

Um|welt

Feld und Wald, Flora und Fauna, Natur, Tier- und Pflanzenwelt; (gehoben) Mutter Natur Wald und Flur, Außenwelt, Kreis, Leute, Mitwelt, Um gebung, (besonders psychologie, soziologie) Um feld1 ge|recht dem geltenden Recht entsprechend/gemäß, fair, rechtdenkend, unparteiisch, unvoreingenommen, vorurteilsfrei, vorurteilslos, (bildungssprachlich) ob jektiv begründet, berechtigt, kopieren, gerechtfertigt, mit Recht, richtig, verdient, zu Recht; (bildungssprach lich) legitim (rechtssprache, sonst veraltend) billig angemessen, angepasst, entsprechend, geeignet, gemäß, genügend, passend, (bildungssprachlich) adäquat2

woh|nen3 ansässig/beheimatet sein, bewohnen, sich einmie ten, sich einquartieren, leben, sich niederlassen, ortsansässig/registriert sein, seine Wohnung/seinen Wohnsitz haben, zu Hause sein; (gehoben) seine Behausung haben; (bildungssprachlich) residieren; (bildungssprachlich, meist scherzhaft) domizilieren; (umgangssprachlich) sich breitmachen; (meist ab wertend) sich einnisten; (umgangssprachlich, ab wertend) hausen, sich häuslich niederlassen; (be sonders süddeutsch, österreichisch, schweizerisch) daheim sein; (Amtssprache) wohnhaft sein1

Bauwende?!

Genau so weitermachen wie bisher?

Die Auswirkungen des Klimawandels werden im mer deutlicher und spürbarer. Der Bericht des Weltklimarates IPCC 2022 verdeutlicht, dass der Mensch die Erderwärmung beschleunigt. Er warnt vor den verheerenden Auswirkungen, wenn nicht jetzt so schnell wie möglich gehandelt wird.1 Viele versuchen nachhaltiger zu Leben. Beispiels weise wird der Fleischkonsum reduziert, weniger geflogen, mal das Auto stehengelassen oder auf die Plastiktüten beim Supermarkt verzichtet. Ein Thema was bisher noch kaum Aufmerksamkeit in der Nachhaltigkeitsdebatte bekommen hat, ist der Wohn- und Bausektor. Doch im Gegensatz zum Flugverkehr, der für rund 2 - 3% des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist,2 ist der Bausek tor zuständig für:

60% Ressourcenverbrauch

50% Emissionen

50% Treibhausgase

35% Energieverbrauch3

Wenn weiter in der Art gebaut wird wie bisher und der Rohstoffbedarf nicht verringert wird, kann das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens nicht erreicht werden.4 Die Lösung könnte die Bauwen de sein.

Es braucht einen Paradigmenwechsel. Das Poten zial, welches im Bausektor steckt, ist groß und könnte ein entscheidender Faktor für die allgemeine Klimakrise sein.Nachhaltige Bauweisen können nicht länger auf freiwilliger Basis oder als

tolles Add-On gelten.

In den letzten Jahren hat sich bereits einiges ge tan, vor allem junge Architekt*innen engagieren sich für eine Umstrukturierung des Bauwesens, beispielsweise in der Gruppe „Architects for future“. Unternehmen wie „Cradle to Cradle“ oder „Concular“, die für zirkuläre Bauweisen und die Nutzung Grauer Energie stehen, wurden gegrün det. Aber auch auf politischer Ebene entstehen Projekte wie das „New European Bauhaus“ oder das „Bauhaus der Erde“ und erste Kongresse über die Bauwende wurden abgehalten.

„All die Forderungen und Parolen, die landauf, landab zu hören sind – wie etwa „klimaneutrales Bauen“ oder „cradle to cradle“ – müssen in gelebte Architektur übersetzt werden. Nicht nur die Vernunft ansprechen, sondern auch Gefühle auslösen. Dabei spielt der Begriff Suffizienz eine wichtige Rolle.“ (Robert Kaltenbrunner BBSR)5

Die Aussage von Dr. Robert Kaltenbrunner vom BBSR beim „Zukunft Bau Kongress 2021“ lässt erahnen, wie weit der Weg zu einer klimagerech ten Baubranche ist. Diese Tendenz verdeutlichen auch die aktuellen Zahlen, denn 2020 verfehlte der Gebäudesektor die Klimaziele des Umwelt bundesamtes.6

Das neuen Ziel der aktuellen Bundesregierung, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, wofür mehr Rohstoffe und Energie aufgewendet werden müssen, steht in einem Widerspruch zu den Klimazielen.7

55 54 Umwelt gerecht wohnen Bauwende ?!

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ (Art 20a, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland)

Der Staat ist mit diesem Gesetz verpflichtet den Schutz vor dem Klimawandel zu gewährleisten. Dabei wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Bauwende, politische Rahmenbedingungen zu schaf fen, damit nachhaltiges Bauen den herkömmlichen Baumethoden vorgezogen werden.

Zum nachhaltigen Bauen bedarf es beispielswei se Änderungen beim Gebäudeenergiegesetz, der Bauordnung, der Baunutzungsverordnung und den Normen. In der „Muster(um)bauverordnung“ zeigt die Organisation Architects for future welche Änderungen jeweils nötig sind, um nachhaltiges Bauen zum Standard zu machen.8

Ein einfaches Beispiel ist der Bereich der Mate rialwiederverwendung. Der normale, aus knap pen Ressourcen und mit sehr viel Primärenergie hergestellte Beton ist noch immer günstiger als Recycling Beton.9 Des weiteren bevorzugen die aktuellen Gesetze den Abriss mit Neubau und er schweren so das Bauen im und mit dem Bestand.10 Zudem braucht es eine grundlegende Änderung der Kommunikations- und Verantwortungsstruktur im Bausektor, erklärt der Ingenieur Werner Sobek. Da zum einen die Kommunikation und

Informationsweitergabe zwischen den Phasen wie Planung, Produktion, Betrieb und Rückbau nicht ausreichend funktioniert. Zum anderen wird bis her nur wenig geforscht und die meisten Forschun gen finden nur im Bereich der Baustoffe statt.11

„Wir alle wissen: Die Lösungen von gestern können nicht die Lösungen für morgen sein. Wir brauchen ein Klimawunder und die Verantwortung für dieses Wunder liegt in unseren Händen.“ (Andrea Gebhard)12

Dieses Zitat macht es abschließend noch einmal deutlich, dass der Handlungsbedarf in diesem Be reich groß ist und die Gesellschaft in der Verant wortung steht. Im Folgenden wird näher die auf einzelnen Handlungsfelder, wie der Flächenver brauch, die Ressourcen und der Wert des Bestandes, eingegangen und mögliche Lösungsansätze beschrieben.

1 Vgl. Lanio, 2021.

2 Vgl. ebd.

3 Sobek, 2022, S. 18.

4 Vgl. Lanio, 2021.

5 Kaltenbrunner, 2021.

6 Vgl. Treibhausgasemissionen sinken 2020 um 8,7 Prozent, 2021.

7 Vgl. Mehr bezahlbare und klimagerechte Wohnungen schaffen, o. D.

8 Vgl. Architects for future, 2021, S. 5 f.

9 Vgl. Dechantsreiter, 2022.

10 Vgl. Architects for future, 2021, S. 5 f.

11 Vgl. Kaestle, 2017, S. 125 f.

12 Gebhard, 2021.

57 56
Umwelt gerecht wohnen Bauwende ?!

Exkurs: Architects for future

Das Ziel: die Bauwende. Eine neue Haltung für den Umgang mit Architektur, Bestand und Res source.

Die Gruppe Architects for future (A4F) möchte sowohl politisch als auch gesellschaftlich ein Bewusstsein für eine nachhaltige Architektur entwickeln, mit der Klimaziele zu erreichen sind.

Aus Frustration gegenüber der aktuellen Baubran che gründete sich 2019 die erste A4F Gruppe in Wuppertal. Im Laufe der letzten drei Jahre, ist ein Netzwerk aus über 45 Ortsgruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz entstanden.

1. Hinterfragt Abriss kritisch 2. Wählt gesunde und klimapositive Materialien

Entwerft für eine offene Gesellschaft

Konstruiert kreislaufgerecht

Vermeidet Downcycling 6. Nutzt urbane Minen 7. Erhaltet und schafft biodiversen Lebensraum

Mit den sieben Forderungen als Leitbild, ver schafft sich die Gruppe durch Projekte, Demonst rationen, Workshops, Stellungnahmen und Vorträ ge, große öffentliche Aufmerksamkeit. Inzwischen hat A4F einige politische Erfolge erzielen können. Beispielsweise durch die „MusterUMbauordnung“ oder die Petition „Bauwende JETZT“. Im Mai die sen Jahres fand das „Bauwendefestival“ statt, mit viele Referent*innen, Mitglieder*innen und weite re Interessierten. Im Mittelpunkt stand dabei der Austausch.

Vgl. Architects for Future Deutschland e.V., 2021.

59 umweltgerecht Wohnen 58
3.
4.
5.
Abb. 30 | Exkurs : Architects for future
Abb. 29 : Architects for future Logo
61 60
Umwelt gerecht wohnen Abb. 31| Der Wert des Bodens

Der Wert des Bodens

Abb. 32: Immer mehr Fläche für gleich viele Menschen

Ein Teil des oben beschriebenen Umdenkens muss auch die Erkenntnis sein, dass bestimmte Ressourcen, die für Bauvorhaben benötigt wer den endlich sind. So auch das wohl Elementarste was es an Ressourcen in der Baubranche gibt, der Boden auf dem gebaut wird. Jeden Tag werden in Deutschland um die 54 Hektar Land versiegelt. (vgl. Abb.33) Mit Beton, Asphalt oder Pflaster für Straßen, Gebäuden und Plätze. Alles Flächen die zu Siedlungs- und Verkehrsflächen (SuV) gehören. Circa 42-50% dieser Flächen, sind versiegelt und mittlerweile sind 14% Deutschlands SuV.1 In den letzten 60 Jahren hat sich die SuV verdoppelt, ob wohl die Bevölkerung annähernd gleich geblieben ist. (vgl. Abb. 32) Ein Grund dafür ist, wie auch im Kapitel Wohnsituation aktuell beschrieben, der steigende Bedarf an Wohnraum, durch zuneh menden Wohlstand und dem Trend zu Single- und Paarhaushalten. Außerdem wird auch an Orten gebaut, wo eigentlich kein neuer Wohnraum benötigt wird. Bis zu 80% der Flächenentwicklung findet im ländlichen Raum statt. Obwohl einige Regio nen schrumpfen, weisen Gemeinden dort neue Einfamilienhausgebiete aus.2

Politische Zielsetzungen

Die Inanspruchnahme an Flächen für SuV ist in den letzten 20 Jahren erheblich gesunken. Wäh rend zwischen 1997 und 2000 im Schnitt 129 ha pro Tag beansprucht wurden sind, pendelt es sich aktuell bei zwischen 50 und 60 ha ein. (vgl. Abb.??) Trotzdem können die Ziele, die sich die Politik in den letzten Jahren gesetzt hat, nicht ein

gehalten werden.

2002 wurde im Rahmen der nationalen Nach haltigkeitsstrategie von der Bundesregierung das 30-Hektar-Ziel für 2020 formuliert. Da das nicht zu erreichen war, wurde dieses Ziel 2016 überarbeitet. Daraus ergab sich das neue Ziel für 2030: 30 Hektar minus x. Dahingegen hat sich das Bun desumweltministerium im „integrierten Umwelt programm 2030“ das Ziel gesetzt, 2030 nur noch 20 ha Land pro Tag zu versiegeln. Im „Fahrplan für ein ressourceneffizientes Europa“ von 2011 ist die Flächenkreislaufwirtschaft das Ziel für 2050.

Das bedeutet, dass neue Flächen nur beansprucht werden dürfen, wenn woanders Flächen entsiegelt werden.3

Das sind alles vielversprechende Zielsetzungen, al lerdings braucht es auch konsequente Handlungs

ha pro Tag

Wohnbau, Industrie, Gewerbe, Öffentliche Einrichtung Sport-, Freizeit-, Erholungsfläche, Friedhof Verkehrsfläche

Abb. 33: Siedlungs- und Verkehrsfläche

63 62
Umwelt gerecht wohnen Der Wert des Bodens
n 40.305 km2 50.799 km2 120 130 110 100 90 1995 2005 2015 81 Mio. EW 82,5 Mio. EW % 0 60 40 80 2020 2010 2000 2030

strategien, um diese einzuhalten. Ein möglicher Ausweg ist die Innenentwicklung. Das Nutzen von Brachflächen, Baulücken, sowie Bestandsgebäu den. Allerdings ist das Ausweichen auf die grüne Wiese im Außenbereich einfacher und günstiger. Ausreden wie, mögliche Altlasten, weniger Nutzungskonkurrenzen oder die Freiheit sich nicht an den Bestand anzupassen, finden sich schnell.4

„Mit Grund und Boden soll sparsam und schonend umgegangen werden; dabei (…) die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen.“ (BauGB, §1a ABs.2)

Im Baugesetzbuch wird seit 1987 die Innenentwicklung bevorzugt. Jedoch ist das Gesetz so unverbindlich, dass es bisher keinen Erfolg gebracht hat, berichten Rechtsexperten. Es fehlt schlicht weg das Bewusstsein der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft für die Potenziale der Innenentwick lung und die ökologischen negativen Folgen der zunehmenden Versiegelung.5

Auswirkungen

Es darf nicht vergessen werden, dass bei den Flä cheninanspruchnahmen, dementsprechend Waldund Landwirtschaftsfläche abnehmen. Zwischen 1992 und 2015 sind so 10.780 m2 für die Landwirtschaft, also für den Anbau von Nahrungsmittel und Tierfutter, verloren gegangen. Daher bezieht

Deutschland große Mengen an Futtermittelpflan zen, die auf ca. 2,6 Millionen ha im Ausland wach sen. Brasilien ist ein Hauptimporteur und damit ist diese Entwicklung mitverantwortlich für die Ro dung des Amazonas, der grünen Lunge der Erde. 6 Allerdings ist das nicht die einzige negative Auswirkung der zunehmenden Versiegelung. Feuchte Böden sind Wärmespeicher, bei Sonneneinstrah lung nehmen sie Wärme auf und geben diese nur langsam durch Verdunstung an die Umgebung ab. Dieser Vorgang trägt zur Kühlung der Atmosphäre bei. Versiegelte Böden hingegen nehmen kein Wasser auf, können daher auch keine Wärme spei chern und auch nicht die Umgebung abkühlen.7 Es entstehen Hitzeinseln. Zudem wird der Was serhaushalt des Bodens gestört und Regenwasser versickert schlechter. Diese Folgen haben Einfluss auf die Grundwasservorräte und das Risiko von Überschwemmungen steigt. Auch die Qualität des Bodens geht verloren. Der Abschluss von Luft und Wasser zerstört die Bodenfauna und alle Lebe wesen die vor der Versiegelung im Boden gelebt haben.8 Kurz gesagt, die biologische Artenvielfalt sinkt und das lokale Klima wird verschlechtert. Die Relevanz dieses Themas ist unabdingbar. Es braucht konkrete Lösungsansätze, die Versiegelung von natürlichen Flächen muss zur Ausnahme werden, dafür muss der Fokus auf die Innenent wicklung liegen. Entscheidend ist allerdings das Bewusstsein der Bevölkerung, welche die Qualitä ten der bestehenden Bausubstanz schätzt, die Folgen von zusätzlicher Baumasse kennt und deshalb das Weiterbauen unterstützt.

65 64 Umwelt gerecht wohnen Der Wert des Bodens

1 Vgl. Haberle, 2022, S. 20.

2 Vgl. ebd, S. 22.

3 Vgl. ebd, S. 21.

4 Vgl. Rettich/Tastel, 2020, S. 44.

5 Vgl. Haberle, 2022, S. 27.

6 Vgl. Rettich/Tastel, 2020, S. 44.

7 Vgl. ebd., S. 43.

8 Vgl. Haberle, 2022, S. 27.

67 66
Umwelt gerecht wohnen
Abb. 34 | Der Wert des Bodens

Der Wert der Ressource

„Das zugrundeliegende Weltbild ist eines der unbegrenzten Steigerungsmöglichkeit. Das bleibt ganz unhinterfragt und ist selbstverständlich. Im Rahmen dieses Weltbilds versuchen wir aber, einen fiktionalen Begriff von Nachhaltigkeit zu praktizieren, der nicht berücksichtigt, dass alles das, was Ressourcen übernutzt, per se gar nicht nachhaltig sein kann.“ (Harald Welzer)1

Die Welt ist gebaut. Straßen, Gebäude, Möbel, Autos, Kleidung, Plastikverpackungen, all das was zum Leben gebraucht wird. 2020 überschritt die Masse, an von Menschen gemachten Sachen, die natürliche Biomasse.2 Das heißt, dass es weniger Lebewesen, Pflanzen, Pilze und Bakterien auf der Welt gibt als Dinge, die der Mensch produziert hat.

Die globale Materialentnahme hat sich von 1900 bis 2005 fast verachtfacht. Damit ist sie doppelt so schnell angestiegen wie die Weltbevölkerung. Rund 84 Gt Material wurden 2015 aus der Erde entnommen oder geerntet und es ist zu erwarten, dass dieser Wert im Jahr 2030 auf 186 Gt ansteigt. Grund dafür ist der weltweit steigende Wohlstand.3 Am 04.05.2022 hatte Deutschland bereits seine zur Verfügung stehenden Ressourcen aufgebraucht. Ab diesem Tag lebt die Bevölkerung von Deutschland auf Kosten anderer Länder. Die Kam pagne Earth Overshoot Day vom Global Footprint Network berechnet jedes Jahr, wann der Ressour cenverbrauch der Menschen die natürlichen Ressourcen überschreitet. Dieses Jahr (2022) wird das am 28.07. sein, was bedeutet, dass gerade so

gelebt wird, als ob 1,7 Erden zu Verfügung stehen würden. Zudem wird beim country’s overshoot day, verdeutlicht, wie ungleich die Ressourcenentnah men auf der Welt verteilt sind. Es wird aufgezeigt, dass der heutige Lebensstil und Umgang mit der Erde nicht folgenlos bleibt. Die Menschen überlasten die Erde. Das Ökosystem hat keine Zeit sich zu regenerieren, da zu viele Ressourcen entnommen werden. Auf lange Sicht kann dieses System nicht funktionieren.4

Denn die vorhandenen Rohsto

69 68 Abb. 35|Der Wert der Ressource Umwelt gerecht wohnen

sind endlich. Eine Studie des Clausthaler Umwelt technik-Instituts (CUTEC) zeigt die Verfügbarkeit von Ressourcen und Reserven einzelner Rohstof fe. Beispielsweise werden die Reserven für Kupfer in den nächsten 32 Jahren aufgebraucht sein, bei Zink schon in acht Jahren. Es droht eine Rohstoffknappheit. Jedoch hängt die Versorgung von Roh stoffen nicht allein von den natürlichen Reserven ab. Die Recyclingfähigkeit spielt auch eine Rolle, allerdings muss in diesem Bereich noch einiges ge tan werden.5

Bauen im Überfluss

Für ca. 50 - 60% des globalen Materialverbrauches ist die Baubranche zuständig. Bei mineralischen Stoffen sogar für 80%. Damit ist die Branche auf Platz eins der materialverbrauchenden Industrien weltweit.7

„Bauen bedeutet Zerstörung-zerstöre mit Verstand“ (Luigi Snozzi)6

Deutschland ist gebaut. Trotzdem wird immer weiter neu gebaut. Materialknappheit und rapide Kostenanstiege, erschwerten in den letzten Jahren die Kalkulation des Neubaus und verzögerten den Bau. Dabei ist ein großer Teil der Materialen in der Stadt vorhanden, denn Gebäude sind urbane Mi nen. In ihnen stecken viele wertvolle Ressourcen, sowie jede Menge graue Energie. Doch bei dem bisherigen Modell des Abreißens und Neubauens, werden die urbanen Minen nicht berücksichtigt. Nur 7% des Gebäudeabfalls werden überhaupt

wiederverwendet, der Rest landet auf Deponien.8

Besser nutzen!

Der Ansatz Urban-Mining-Design beschreibt die „Rückgewinnung von verwend- oder verwertbaren Baumaterialien und Bauteilen aus der gebauten Umwelt, welche nicht kreislaufgerecht konzipiert und errichtet wurden.“9 Es wird als Übergangsme thode hin zu einer im Kreislauf Wirtschaftenden Baubranche angesehen.10

Der Grundgedanke der Kreislaufwirtschaft ist, dass durch Innovation und Gestaltung direkt am Anfang eines Lebenszyklus die Entstehung von Abfall vermieden wird. Sie steht für „ein sich selbst erholendes und erneuerndes Wirtschafts system“.11 Bauteile und Materialien müssen zu künftig so geplant und eingebaut werden, dass sie sortenrein sind, am Ende des Lebenszyklus wieder in Einzelteile zerlegt werden können, um dann wo anders wieder eingebaut zu werden.

Bisher gibt es nur wenig umgesetzte Projekte, bei denen das kreislaufgerechte Bauen konsequent umgesetzt wurde. 2017 entstand die Urban Mining und Recycling (UMAR) Unit von Werner Sobek, Dirk E. Hebel und Felix Heisel. Es ist ein komplett kreislauffähiges Wohn- und Forschungsmodul, das in dem Projekt NEST der Empa Schweiz einge baut wurde. Die Modulwohnung dient vor allem Forschungszwecken, ist aber auch für die Öffent lichkeit zugänglich, um die Visionen, das Grundprinzip, die Vorteile sowie die Ästhetik weiterzugeben.12

71 70
Abb. 36: Materialbibliothek UMAR
Wert der
Der
Ressource Umwelt gerecht wohnen

Um die Ansätze in den Alltag der Baubranche zu etablieren, werden einige strukturelle Erneuerun gen im Bauwesen benötigt. Zum Beispiel wird bis her der Abbau von Gebäuden kaum geplant. Um den schadenfreien und sortenreinen Ausbau von Materialien zu gewährleisten, bräuchte es einen anderen Ablaufplan, zudem würde der Planungs aufwand größer werden. Außerdem müssen die ausgebauten Materialien, die auf ihre neue Ver wendung warten, gelagert werden. Dafür muss eine Infrastruktur an Lagerungsmöglichkeiten geschaffen werden.13

Es gibt auch schon andere Ansätze, wie die Wei tergabe von Materialien ganz ohne ein physisches Lager funktionieren kann. Das Unternehmen Con cular hat ein digitales Materiallager entwickelt. Vor dem Abbruch eines Gebäudes werden alle Baumaterialien dokumentiert und in die Datenbank eingepflegt. Beim Kauf werden dann die Materialien ausgebaut und direkt zur neuen Baustelle gebracht, ohne Zwischenlagerung.14

„Wir können als Beitrag zur Weiterentwicklung zeigen, dass es aus dem Überfluss auch ein Zurück gibt zum Weniger, zur Vernunft, zur Bescheidenheit.“ (Muck Petzet)15

1 Welzer/Sauerbruch, 2022.

2 Vgl. Deutschlandfunk Nova, 2021.

3 Vgl. Sobek, 2022, S. 32.

4 Vgl. Country Overshoot Days 2022, 2022.

5 Vgl. Rohstoffknappheit // REMONDIS Nachhaltigkeit, o. D.

6 Luigi Snozzi, professur, 2010.

7 Vgl. Sobek, 2022, S. 38.

8 Vgl. Gunter, 2021, S. 20.

9 Vgl. Heisel/Hebel, 2021, S. 21.

10 Vgl. ebd., S. 21.

11 Vgl. ebd., S. 18.

12 Vgl. ebd., S. 108.

13 Vgl. Dechantsreiter, 2022.

14 Vgl. Schäufele, 2022.

15 Vgl. Petzet, 2020, S.58.

73 72
der Ressource Umwelt
Der Wert
gerecht wohnen

Der Wert des Bestehenden

Neu ist immer besser. Ein Motto, das auch in der Bauindustrie und Immobiliengesellschaften gilt. Wenn ein Gebäude zu alt wird, seine ursprüng liche Nutzung verliert oder die aktuellen energe tischen Standards nicht mehr einhalten kann, ist die Entscheidung abzureißen und neu zu bauen schnell gefasst. Die Alternative des Umbauens wird nur selten in Betracht gezogen. Die Risiken und der Aufwand scheinen zu hoch, sodass die Vorteile, die ein Neubau mit sich bringt, überwie gen. Die ökologische und kulturelle Relevanz ist leider weder den Planungsbeteiligten noch der allgemeinen Bevölkerung bewusst. Zudem sind poli tische Rahmenbedingungen nötig, um Umbauten und Sanierungen überhaupt attraktiv und möglich zu machen.1

Die aktuellen Zahlen spiegeln diese Haltung wie der. Jedes Jahr werden rund 17.000 Gebäude in Deutschland abgerissen, 130.000 werden neu gebaut und nur knapp 1% des Gebäudebestandes werden überhaupt saniert.2

„Bauen muss vermehrt ohne Neubau auskommen [...] wir brauchen eine neue Kultur des Pflegens und Reparierens“ (Positionspapier BDA, 2019)3

Die Wertschätzung und Erhaltung des Bestandes ist von immenser Bedeutung für die Bauwende. Im Gebäudebestand, der ca. 21,7 Mio. Gebäude in Deutschland umfasst,4 befinden sich viele Ressour cen und graue Energie. Diese gilt es zu bewahren. Allein durch den Erhalt des Rohbaus können um die 56% der grauen Energie, die im Gebäude steckt

erhalten werden. (vgl. Abb. 37) Abriss und Neu bau können keine Lösung sein, denn der Großteil der grauen Emissionen entstehen durch den Bau, das sind je nach Bauweise an die 50 bis 70%.5

Abb. 37: Die Energie die im Rohbau steckt

Politische Maßnahmen

Damit das Bauen im und mit dem Bestand zum Normalfall werden kann, sind auf politischer Ebe ne einige Änderungen notwendig. Da der Großteil der aktuellen Gesetze in der Nachkriegszeit entstanden ist, in der viel und fast ausschließlich neu gebaut wurde, waren Umbau- und Sanierungsmaß

75 74 Der Wert des Bestehenden
Ausbau Elektronik 10% 56% 20% 14%
Rohbau
Fassade
Umwelt gerecht
wohnen

nahmen nicht vorgesehen.6

Wenn Änderungen der Bausubstanz oder der Nutzungen geplant werden, wird eine behördliche Genehmigung notwendig. Diese wird allerdings nur ausgestellt, wenn der Bestand alle aktuellen baulichen Bestimmungen, wie Brand- und Schallschutz, Barrierefreiheit oder Deckenhöhen erfüllt. Ansonsten muss Nachgerüstet werden, was in vie len Fällen mit negativen Konsequenzen für den Bestand und mit hohen Kosten verbunden ist.7

Vor allem im energetischen Bereich, werden Sanierungen erschwert. Denn der Gebäudebestand aus den 1950er bis 70er Jahre wurde noch vor der ers ten Wärmeschutzverordnung von 1977 gebaut und erfüllt demnach meist keinerlei Energieeffizienzund Klimaschutz-Anforderungen.8

Die aktuell praktizierte Lösung für Altbausanie rungen und Neubauten ist es, Bauschaumprodukte aus Erdöl an die Fassade zu kleben. Bei Altbauten führt das zur Verfettung der Außenwände und somit zu einem komplett anderen Aussehen des Gebäudes. Oft rechnet sich daher auch diese Art der Sanierung für Umbauten nicht. Das Problem ist, dass nur der Energiebedarf in der Nutzungs zeit eines Gebäudes zählt. Sowohl die eingesetzte Primärenergie der Dämmstoffe, als auch der Fakt, dass die Dämmplatten beim Abbruch auf dem Sondermüll landen und nicht wiederverwendet werden können wird nicht beachtet. Auch die ein gesparte Energie durch den Erhalt des Gebäudes wird nicht mit gezählt.9

Im Allgemeinen muss der Vorrang für den Erhalt von Bausubstanz im Recht festgeschrieben werden.

Es braucht eine gesetzliche Basis, die den ökologi schen Nutzen einer Umbaukultur, durch den Er halt der Ressourcen und Energie, anerkennt.

Bewusstsein

„Sind wir dazu da immer etwas Neues zu machen oder sind wir dazu da, die Dinge, die bestehen immer weiter zu vollenden?“ (Egon Eiermann) 10

Die aktuelle Haltung zum Bestand wurde durch die Industrialisierung gebildet. Davor war das Umbau en, Umnutzen und Weiterbauen Normalität. Öko nomisch gesehen war der Abriss und Neubau an gleicher Stelle nicht vorstellbar. Zu Wertvoll waren die Baumaterialien und die Arbeit, die in einem Gebäude steckten. Anfang des 19. Jahrhunderts, änderte sich dieses Verständnis grundlegend. Die alten Gebäude passten nicht mehr zu den neuen Arbeits- und Lebensstilen der Industrialisierung. Es musste schnell und viel gebaut werden, was durch neue Techniken und Maschinen ermöglicht wurde. Techniken die das Um- und Weiterbauen aus Wirtschaftlichkeit nicht mehr beachteten. Dieses Verständnis ist bis heute geblieben.12 Die Ausnahmen bilden Gebäude, die unter Denk malschutz stehen. Ihnen wird große Beachtung und Vorsicht geboten. Allerdings fallen nur ca. 3% des Gebäudebestandes unter Denkmalschutz. (Abb. 39) Ähnlich ist es bei Kultur(um)bauten, wie das Neue Museum in Berlin von Chipperfield oder die Reaktivierung der Industriegebäude im

ca. 8% geschätzte Anzahl fertiger Neubauten 2017-2030

Gebäudebestand 31.12.16

59% Alltagbauten

3% Denkmale 30% besonders erhaltenswerte Bauten

Abb. 38: Gebäudebestand alt und neu 2030

77 76 Der Wert des Bestehenden
Umwelt gerecht
wohnen

Ruhrgebiet. Es sind Projekte mit enormem öffent lichem Interesse, die große finanzielle und poli tische Unterstützung bekommen. Sie zeigen wie, „eine neue Sicht auf den Umgang mit den Kom plexitäten der Geschichte eröffnet werden kann.“13 Alle anderen Gebäude bleiben bisher unbeachtet. Alltagsbauten die überall in den Städten, Periphe rien und auf dem Land stehen. In den gewohnt, ge arbeitet oder Handel betrieben wird. Sie besitzen keinen denkmalpflegerischen Wert und weisen auf den ersten Blick keine besonderen Eigenschaften auf, die es zu erhalten gilt. Die meisten entsprechen nicht mehr den technischen und repräsen tativen Anforderungen und haben ihren ursprüng lichen Nutzen verloren. Aber beim genaueren hinschauen fällt auf, dass auch sie Geschichten erzählen. Es sind nur banale und alltägliche Ge schichten ihrer vergangenen Nutzer*innen, aber es zeigt sich, dass Gebäude soziale Strukturen bilden und wichtige Erinnerungsorte für die Bewoh ner*innen sind. Zudem sind sie ein fester Bestand teil eines Ortes und prägen sowohl seine Gestalt als auch den Charakter und werden mit der Zeit zu Orientierungspunkten.14

Die verdeckten Qualitäten der Alltagsbauten müssen wiederentdeckt werden. Um-bauen unterscheidet sich Grundlegend vom Bauen, es ist komplexer und kann in verschiedenen Formen umgesetzt werden. Die Voraussetzung ist der Dialog mit dem Bestehenden, der daraus folgende Umbau, kann beispielsweise nur die Fassade einschließen oder nur das Innere des Gebäudes. Es kann eine vollkommene Veränderung des Gebauten bedeuten

79 78 Abb. 39 |Der Wert des Bestehenden
Umwelt gerecht wohnen

oder nur einen minimalen Eingriff.15 Dahingegen ist das Bauen, das Konstruieren eines Neubaus auf einem weißen, unbeschriebenen Blatt nur „eine rhetorische Fiktion; mehr noch: eine fehlgeleitete Vorstellung.“16

Zusammenfassend ist der Gebäudebestand aus energetischen, Ressourcen sparenden, ökologi schen, kulturellen und sozialen Gründen für die Zukunft von größter Bedeutung. Neubau und Ab riss müssen zu äußersten Ausnahme werden, um die Ziele der Klima- und Bauwende zu erreichen.

„Was wäre es für eine verkehrte Welt? Sie wäre einfach nur das Gegenteil vom fröhlichen Abbruch- und Neubaugewerbe, vom nicht tot zu kriegenden Wachstumsdenken, vom Schneeballsystem unserer so erfolgreichen Konsum wirtschaft, die auch das Baugewerbe mit einschließt.“ (Muck Petzet)17

1 Vgl. Architects for future, 2020, S. 7.

2 Vgl. Gunter, 2021, S. 22.

3 Vgl. BDA, o. D.

4 Vgl. Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2019.

5 Vgl. Architects for future, 2021, S. 5 f.

6 Vgl. Gunter, 2021, S. 26.

7 Vgl. ebd.

8 Vgl. ebd.

9 Vgl. ebd., S. 26 f.

10 Ebd., S. 20.

11 Vgl. Grafe/Rieniets, 2020, S. 11.

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. ebd.

15 Vgl. ebd., S.11 f.

16 Petzet, 2020, S. 59.

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Abb. 4047 | Der Wert des Bestehenden Umwelt gerecht wohnen

Um-Baukultur im Wandel

Das Entwerfen, Planen und Bauen mit und im Bestand differenziert sich wesentlich von einem Neubau, dieser Unterschied wird in diesem Kapi tel thematisiert. Der Prozess und die Herangehens weisen müssen sich an dem Vorhandenen orientieren. Um unerwarteten Problemen während des Bauprozesses vorzubeugen, ist es notwendig zuerst den Bestand zu analysieren. Dabei ist es von gro ßer Bedeutung Potenziale, Möglichkeiten, sowie Schwächen herauszufiltern, um im weiteren Ver lauf damit agieren zu können. Alle Maßnahmen müssen im Dialog mit dem Bestand erarbeitet werden.1

Der Architekt Hermann Czech ist der Meinung, dass im Umbau eine Reihe von Entscheidungen bereits getroffen wurden und die nachfolgenden Entscheidungen mit den vorgefundenen Gedan ken in Verhandlung treten müssen.2 Im Gegensatz zu einer Planung im Neubau, verlangt der Prozess des Umbauens, situatives Handeln und das Re agieren auf die Gegebenheiten.3 Auch die Priori tät, das Konzept und den Entwurf genauso wie ge plant durchzusetzen, muss zurückgestellt werden. Das Endprodukt ist eine Mischung des Neuen und Alten. Durch einen Umbau entsteht „ein mehrschichtiges Werk“4

Im Zusammenhang mit der Umbaukultur, sollte der Blick auf Gebäude weiterentwickelt werden. Architektur sollte nicht mehr als ein fertiges Pro dukt, sondern als permanentes und kontinuierli ches Gebäude geplant werden. Der Neubau ist dabei nur der erste Teil einer langen Geschichte, der bereit ist sich weiter zu entwickeln. Dafür braucht

es eine robuste Konstruktion mit wandelbaren Ele menten.5

„Im und mit dem räumlichen und baulichen Ge rüst weiterzuarbeiten, ist verbunden mit Demut und kultureller Praxis. Das genaue Hinsehen, Lesen und Neuinterpretieren von Räumen und sozialen Praktiken gehört ebenso dazu wie ein kluges Umdeuten und Umprogrammieren des Bestehenden und eben auch das kreative Unterlas sen von unnötigen Maßnahmen.“

(Katja Fischer und Jan Kampshoff )6

Nicht nur die Architektur vollzieht einen Para digmenwechsel, sondern auch das Bild des Archi tekturschaffens. Architekt*innen sind nicht länger nur Entwerfende und Planende. Ihr Tätigkeitsbe reich erweitert sich, wie in dem Zitat von Katja Fischer und Jan Kampshoff beschrieben. Als eine Art Kurator*innen programmieren, aktivieren und erfinden sie bestehende Räume neu. Zudem sind neue Formen der Kooperation und Kommunika tion notwendig, da Umbauen im Bestand immer auch ein Gemeinschaftsprojekt ist.7

1 Vgl. Petzet, 2020, S. 59.

2 Vgl. Czech, 1996, S. 127.

3 Vgl. Bernhardt, 2020, S. 56.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. Jüttner, 2020, S. 72.

6 Fischer/Kampshoff, 2020, S. 63.

7 Vgl. ebd.

83 82 Um-Baukultur im Wandel
Umwelt gerecht
wohnen

Strategien einer Umbaukultur

Auch wenn sich die Themen des Um- und Wei terbauens noch nicht im Baualltag etablieren konnten, gibt es zahlreiche Architekt*innen, die sich den ökologischen Folgen ihres Schaffens be wusst sind und versuchen mit ihren Projekten ein Umdenken zu bewirken. Dafür haben sie unterschiedlichste Gedanken, Strategien und Projekte entwickelt. Vier von diesen werden im Folgenden erläutert.

3-R Wertesystem

Muck Petzet

„Reduce/ Reuse/ Recycle – Ressource Architek tur“ so lautete 2012 der Titel des deutschen Bei trags zur Biennale von Muck Petzet. Die Ausstel lung präsentierte 16 Projekte, die eine neue und respektvolle Haltung gegenüber dem Bestehenden zeigten. Es waren Umbauten, Umnutzungen sowie minimale, bescheidene Maßnahmen, die wider spiegeln, dass weniger auch mehr sein kann. Die Intention hinter dem Beitrag ist es, dass hie rarchische Wertesystem der Abfallwirtschaft auf die Architekturpraxis zu übertragen. Der Umgang mit Ressourcen und dem Bestand muss durch Erhaltung und Vermeidung zukunftsfähig umgestaltet werden.

Als oberste Priorität des Bewertungssystems steht der Begriff Reduce, also die Vermeidung und Mi nimierung. Als architektonische Handlung werden diese aktuell nur selten in Betracht gezogen. Schon geringe Wahrnehmungs- oder Verhaltensänderungen, sowie das Hinterfragen von Standards können

zur Vermeidung von unnötigen Eingriffen führen. Zudem hilft die stetige Pflege und Reparatur des Gebauten, um eine Wertschätzung ihr gegenüber aufzubauen.

Reuse, bedeutet Modifikation. Es beschreibt verschiedene Umbaustrategien, um den Bestand an heutige technische und funktionale Anforderun gen anzupassen.

Als letzte Handlung steht Recycle. Damit ist das Sammeln, Weiterverarbeiten und Wiederverwen den von Materialien gemeint. Aktuell wird nur wenig recycelt, meistens kommen Baustoffe nach ihrem Lebenszyklus auf die Deponie und wenn Materialien wiederverwendet werden meistens nur in einem downcycling Prozess. Weiterbauen, Aufnehmen und Fortsetzen sind die Basis dieser Strategie. Das Ziel ist der minimalste Eingriff in den Bestand, wofür die Identifikation mit dem Bestand als Voraussetzung gilt.

1 Vgl. Petzet, 2020, S. 59 ff.

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Umbaukultur
Strategien einer
Umwelt gerecht
wohnen
Abb. 48: Haupteingang des Deut schen Pavillons, Biennale 2012 Abb. 49: Ausstellung: „Reduce/ Reuse/ Recycle – Ressource Archi tektur“ Biennale 2012 innen

Umbauen als Weltaneignung Tim Rieniets

Ein weiteren Gedanken beschrieb Tim Rieniets in einem Artikel für das Buch Umbaukultur. Dieser beschäftigt sich mit den Fähigkeiten, die beim Umbauen des Bestehenden zu erlernen sind. Er ana lysiert und vergleicht dafür das kindliche Spielen und Buden bauen mit der aktuellen Baupraxis. Um herauszufinden, ob die Erfahrungen nur im Kin desalter helfen oder auch im erwachsenen Alter, sowie für den Bausektor angewandt werden können, untersucht er drei Aspekte des Umbauens. Der erste Aspekt ist das Umdeuten. Kinder kön nen sich beim Spielen, vor allem durch ihre Vor stellungskraft und das Erzählen von Geschichten, ihre eigene Welt gestalten. Das zeigt, dass es nicht nur auf die handwerklichen Fähigkeiten ankommt, sondern auf die Imagination, das Hineindeuten neuer Funktionen in Gegenstände. Allerdings verschwindet die Einbildungskraft mit dem Alter und auch im Architekturalltag findet sie kaum An wendung. Bislang ging es oftmals bei Umbauten nur darum das Alte wiederherzustellen oder die Optik von etwas Neuen zu erzielen. Das Umwandeln, Hineininterpretieren neuer Funktionen und das Erzählen neuer Geschichten waren nur selten Bauaufgabe. Des Weiteren untersuchte Rieniets den Aspekt des Zusammenarbeitens. Beim Bauen einer Höhle müssen Kinder sich absprechen, was sie machen möchten und wie sie ihre Pläne umsetzen. Sie müssen zusammenarbeiten und sammeln dabei

kognitiv-körperliche Erfahrungen. Laut dem So ziologen Richard Sennett, sind das Fähigkeiten, „die Menschen zur Überwindung sozialer Unter schiede erlernen müssen“. Allerdings verlernt die aktuelle Gesellschaft diese Kompetenz, die beim handwerklichen Zusammenarbeiten zu erlernen ist, immer mehr. Momentan gibt es nur wenige Möglichkeiten für die breite Masse am Bauen teil zunehmen. Doch vor allem Umbaumaßnahmen würden sich dafür eignen, dass auch Laien mit helfen und ein Projekt in Gemeinschaft realisieren können. Zudem wird durch das Mithelfen eine Beziehung zum Ort und dem Projekt hergestellt, sowie Verantwortungsbewusstsein aufgebaut.

„Die Welt verändern“ ist der letzte Aspekt. Die kulturelle Bedeutung des Umbauens ist, die Welt nach der eigenen Vorstellung verändern zu kön nen. Durch das Bauen erlernen Kinder zuerst, dass sie von der Welt umgeben sind. Dann, dass sie die Fähigkeit besitzen sie verändern zu können und abschließend, dass sie nach ihrer eigenen Fan tasie die Welt gestalten können. Heutzutage kann die Bevölkerung, außer in der eigenen Wohnung oder auf dem Balkon, nur noch wenig an ihrer Umgebung mitwirken. In Anbetracht der Tatsache, dass durch den Klimawandel die Welt vor extremen Veränderungen steht, wird diese Fähigkeit bedeutender. Denn wenn Menschen das Gefühl haben, Dinge in ihrer Umgebung mitzubestimmen und verändern zu können, kann ihnen die Welt nicht fremd werden.

1 Vgl. Rieniets, 2020, S.66 ff

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Umbaukultur Umwelt
Strategien einer
gerecht wohnen

Einfach umbaueneinfach transformieren Eike Roswag-Klinge

Im Rahmen der Publikation und der Ausstellung „Sorge um den Bestand_Zehn Strategien für die Architektur“ schrieb Eike Roswag-Klinge die Stra tegie „Einfach umbauen - einfach transformier ten“. Er plädiert dabei, wie bedeutend es ist, durch intelligente, kreative sowie klimagerechte Umnut zungen den Bestand zu erhalten. Zudem zeigt er auf, welche Chancen und Werte für die Gesellschaft entstehen und die Möglichkeiten aus dem Vorhandenen klimagerechte Orte zu schaffen.

In der Strategie geht er auf verschiedene Themen felder ein, die für das Umbauen und Transformie ren von Bedeutung sind und bei denen Handlungs bedarf besteht.

Da Europas Städte gebaut sind, bilden sie die perfekte Voraussetzung für inneres Wachstum. Um Ressourcen und Energie zu nutzen, sollte in Zu kunft der Schwerpunkt auf der Bestandsnutzung liegen, der Abriss muss die letzte Option darstel len. Zudem birgt die gebaute Welt durch Umbau und Transformation die Möglichkeit eines Strukturwandels für neue Lebensstile.

Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte auf fossile Ma terialien verzichtet werden. Dagegen sollten, im Sinne des zirkulären Bauens, simple und reversible Konstruktionen die Möglichkeit schaffen das na türliche und schadstofffreie Materialien langfristig nutzbar bleiben. Außerdem kann durch natürliche Baustoffe auf Übertechnisierung in Gebäu

den verzichtet werden, was unnötige Ressourcen einsparen würde. Gleichzeitig kann so auch die Qualität des Raumklimas gesteigert werden. Denn natürliche Baumaterialen nehmen Schadstoffe und Feuchtigkeit auf und verbessern so das Raumklima.

Die Transformationen sollten sich nicht allein auf den Bestand fokussieren. Die Infrastruktur für den autorisierten Verkehr, sowie für Parkmöglichkei ten ist gigantisch. Daher wäre es sinnvoll an diesen Punkten einzugreifen, indem die Fläche der Natur und den Menschen wieder zugänglich wird. Bei seinem letzten Punkt geht Roswag-Klin ge näher auf die Bedeutung der Gesellschaft für Transformationen ein. Er sieht vor allem in Raum laboren Chancen für mehr experimentelle und in novative Ideen.

Durch suffizientes Verhalten mit dem Bestand sowie durch einfache und natürliche Konstruktionen, können nachhaltige, umweltgerechte Chan cen für unsere Gesellschaft entstehen.

1 Vgl. Roswag-Klinge, 2020, S. 123 ff.

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Strategien einer Umbaukultur Umwelt gerecht wohnen

Vom Wert der Permanenz

„Was besteht, altert. Was altert wächst, wird er wachsen, gelegentlich sogar weise. Was altert, nutzt sich ab, nimmt Gebrauchsspuren an gezeichnet von seiner Vergangenheit, bedarf der Pflege. Gute Architektur wächst. Ihr altern ist nicht Vorbote eines unmittelbaren bevorstehenden Versagens, sondern wesentlicher Teil einer unbestrittenen, aber schwer fassbaren Qualität.“ (Simon Jüttner)1

Simon Jüttner beschreibt ebenfalls seine Strategie „Vom Wert der Permanenz“ mit einer dazugehöri gen Fotostrecke, für die Publikation und die Aus stellung „Sorge um den Bestand_Zehn Strategien für die Architektur“.

In der Strategie stellt er, den Wert von Gebäuden und Materialien durch den Prozess des Alterns dar. Spuren und Makel der Geschichte sind cha rakteristische Merkmale, die im Alltag des Lebens und niemals in einem Entwurfsprozess oder durch die Absicht der Reproduktion entstanden wären. Sie zeigen die Biografie und geben jedem Gegenstand seine Identität.

Auch bei Alltagsbauten sind die Makel der Ge schichte vorhanden. Sie sind von größerer Bedeu tung, als die Architektur selbst, denn sie geben dem Gebauten die Kraft der Identifikation. Aller dings sind oftmals Argumente, die nichts mit dem ökonomischen Wert eines Gebäudes zu tun haben, unbedeutend bei der Entscheidung, ob es bestehen

bleibt oder abgerissen wird. 2

In einem Vortrag im Rahmen der Ausstellung er wähnte Jüttner, im Zusammenhang mit seiner Strategie, den japanischen Kulturbegriff „Wabi-sa bi“. Es ist ein japanisches ästhetisches Empfinden für die Schönheit der Dinge, die sich von der aktuell modernen Schönheitsvorstellung unterschei det.

Wabi-Sabi beschreibt die Schönheit unvollkom mener, vergänglicher und unvollständiger Dinge.

Es beschreibt die Schönheit anspruchsloser und schlichter Dinge.

Es beschreibt die Schönheit unkonventioneller Dinge.3

Es sind Gegenstände die intuitiv entstanden sind, Einzelstücke, die die Unkontrollierbarkeit der Natur zeigen, scheinbar grob sind und auch Vernachlässigung und Abnutzung vertragen können. In der Haltung von Wabi-Sabi sind alle Dinge unvollstän dig. Nichts ist jemals vollendet. Auf den Grundzügen dieser Schönheitsvorstellung basiert auch der Ansatz von Simon Jüttner, dass Dinge nicht perfekt sein müssen und man ihnen ihr Alter ansehen darf. Es bedarf einen Perspektivwechsel der zeigt, dass diese Schönheit den Wert besitzt bewahrt zu werden und dem neuen makel losen vorgezogen wird.4

1 Jüttner, 2020, S. 69

2 Vgl. ebd., S. 69 ff

3 Koren, 2017, S. 7.

4 Vgl. ebd., S.7 ff.

91 90
einer Umbaukultur Umwelt gerecht
Strategien
wohnen
93 92
Abb. 50 | Refeerenz Haus Schreber Umwelt gerecht wohnen

Referenz: Haus Schreber

Typologie: Ort: Architekt*innen: Geschichte:

Doppelhaus, in Arbeitersiedlung Aachen, Deutschland

Amut

1920 - 2011 : Wohnen - 70 m2

2011 : Umbau + Wohnen - 130 m2

Zu fünft war die kleine Doppelhaushälfte in einer Aachener Arbeitersiedlung etwas zu klein. Doch durch die Visionen von Amut-Architekten das Häuschen mit einem doppelstöckigen Anbau zu erweitern, entschied sich die Familie für den Kauf. Bei der Umsetzung achteten die Architekt*innen auf einen behutsamen und rücksichtsvollen Um gang mit dem Bestand. Durch eine zeitgenössische Fortsetzung in Struktur und Material, wurden die Qualitäten des Alten hervorgehoben und ergänzt. An der Ostseite des Gebäudes schließt nun der neue Anbau an und auch das Dach wurde mit einer charakteristischen Form erweitert. Von außen verschwimmen in der Ansicht die alte Klinkerfassade mit dem neuen Bims-Leichtbeton- Mauerstein. Im Inneren wurde das Erdgeschoss durch eine Art Gartenzimmer erweitert, welches durch seine Of fenheit den Bezug zur Natur eröffnet. Das Herz stück des Hauses, die alte Holztreppe, verbindet weiterhin die Geschosse. Die Schlafzimmer der Familie liegen im Obergeschoss, jedes hat durch den Umbau seinen eigenen Charakter erhalten. Der Umbau zeichnet sich durch seine einfachen, rauen Materialien aus, die die Geschichte des Hau ses weitererzählen, sowie die Besonderheiten jedes Raumes.

1Vgl. Schreber, o. D.

95 94 Abb. 51| Refeerenz Haus Schreber
Umwelt gerecht wohnen
97 96 Abb. 52, 53 | Refeerenz Haus Schreber Umwelt gerecht wohnen

Referenz: Quartier du Grand Parc

Typologie: Ort: Architekt*innen: Geschichte:

drei Wohnhäuser

Bordeaux, Frankreich

Lacaton & Vassal Architects ca. 1960 - 2017: Wohnen seit 2017: Umbau + Wohnen

Die drei Wohnhäuser sind Teil eines größeren Re novierungsprogrammes der Cité du Grand Parc in Bordeaux. Dieses Programm beruhte auf einem Manifest von 2007 „PLUS-Les grands ensembles de logements - Territoires d´exception“, welches eigentlich für den Abriss von Sozialwohnungen und den Neubau an selber Stelle stand. Allerdings planten Lacaton & Vassal nur einen minimalen Eingriff im Bestand, der durch seine Wirtschaftlichkeit und die große qualitative Verän derung beeindruckt. Das Ziel des Entwurfes war, mehr Luft, Licht und Freiheit in das Vorhandene zu bringen.

Der Fokus des Umbaus wurde auf den Anbau von 3,8m tiefen Wintergärten gelegt. Wodurch die Grundrisse vergrößert wurden und ein neues Wohngefühl entstand. Die Bewohner*innen haben nun einen großen Bezug zur Umgebung und kön nen selbst durch das Verschieben von transparenten Elementen und Vorhängen ihre Räume nach eigenen Belieben verändern.

Es sind drei Beispielprojekte, wie mit den nega tiv behafteten Plattenbauten der 60er, 70er Jahre nachhaltig und respektvoll umgegangen werden kann. Weiterhin wird die Wirkung von minimalen Eingriffen verdeutlicht.

1Vgl. Lacaton & Vassal Architects, 2020, S.220 ff.

Abb. 54, 55 | Referenz: Quatier du Gand Parc

99 98
Umwelt gerecht wohnen
101 100 Abb. 56 | Referenz: Quatier
Umwelt gerecht
du Gand Parc
wohnen

hnen

Strategie: sozi a

dnu tlewmU sethcereg

Strategie: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Wie können wir in Zukunft sowohl Sozial und gleich zeitig auch Umwelt gerecht wohnen? Wie kann eine Typologie aussehen, in der wir uns frei und flexibel entfalten können, die unsere diversen Lebensweisen unterstützt und uns die Chance auf ein gutes Leben bietet? Wie können wir bauen, dass wir der Erde nicht noch mehr Schaden zufügen und auch den zu künftigen Generationen ein Ort zum Wohnen bleibt?

Rückbesinnend zu den Fragen, die im Prolog gestellt wurden, wird im Folgenden, auf der Grundlage der beiden theoretischen Kapitel „Sozial gerecht wohnen“ und „Umwelt gerecht wohnen“ eine Strategie entwickelt.

Beide Themenbereiche sind komplex und vielschichtig, sie beziehen sich auf die gesam ten Entstehungs- und Nutzungsprozesse von Projekten. Daher unterteilt sich die Strategie in vier Prozessphasen, beginnend mit den Grundlagen, die geschaffen werden müssen, damit ein Wohnprojekt das „Sozial und Umwelt gerecht“ zugleich ist entstehen kann. Daran anschließend folgen die Phasen der Pla nung und Umsetzung. Zum Schluss wird auf die Phase der Nutzung eingegangen.

Die Strategie erläutert wichtige Handlungs ansätze für ein Sozial und Umwelt gerechtes wohnen, die für die einzelnen Prozessphasen von Bedeutung sind.

102
l
w o

Strategie: Sozial gerecht wohnen

Grundlagen: Gemeinschaft

Der Mittelpunkt für ein Sozial gerechtes Wohnen in einer Gemeinschaft, ist die Gemeinschaft. Diese bildet die Grundlage.

Daher ist der erste Schritt die Gemeinschaft zu gründen und alle Mitglieder*innen zu finden. Im Folgenden sind dann, die Art der Gemeinschaft und die Finanzierung zu klären. Beispielsweise ist der Zusammenschluss zu einer Genossenschaft oder einer Baugruppe möglich.

Des weiteren wird ein Bestandsgebäude benötigt, das die Qualitäten für den gemeinsamen Alltag bereithält.

Umsetzung: zusammen arbeiten

Es ist wichtig, dass die zukünftigen Bewohner*in nen auch bei der Umsetzung des Umbaus zusam men arbeiten. Zum Einen sollten sie in die konkreten Planungen, der eigenen vier Wände mit einbezogen werden, damit diese ihren Bedürfnissen entsprechen. Zum Anderen bieten Möglichkeiten der Mithilfe an Um baumaßnahmen diverse Vorteile. Je nach dem, wie viel die Mitglieder*innen selber anpacken, können Kosten gespart werden. Zudem wird beim Zusammenarbeiten das Wir-Gefühl der Gemeinschaft ge stärkt und ein Verantwortungsgefühl gegenüber dem neuen Zuhause aufgebaut.

Planung: Gemeinschaftstypologie

Wenn die ersten Schritte organisiert sind und ein Gebäude gefunden wurde, beginnt die Planung der Gemeinschaftstypologie.

Die Vorstellungen des zukünftigen Alltages wer den von allen Bewohner*innen zusammengetragen, um daraus die perfekte Mischung für Gemeinschaft und Privatheit zu schaffen. Entscheidungen welche Tätigkeiten, Bereiche und Räume gemein schaftlich von allen Bewohner*innen genutzt und geteilt werden sind zu treffen. Durch Ansätze wie, „das atmende Haus“ oder „aneignungsoffene Räume“ bleibt das Gebäude für zukünftige Lebensveränderungen und Nutzer*innen flexibel.

Nutzung: zusammen leben

In einer Gemeinschaft mit unterschiedlichen Men schen zusammen zu leben bietet viele verschiede ne Vorteile.

Ein großer Faktor ist das füreinander Sorgetra gen und die gegenseitige Unterstützung und Hilfe. Arbeiten, die dem Einen schwer fallen, fallen dem Anderen leichter und umgekehrt. Kleine und gro ße Dinge im Alltag können einander abgenommen werden. Die Verantwortung und Aufgaben liegt nicht mehr bei jedem einzelnen, sondern wird ge meinschaftlich getragen. Partizipative Treffen der Gemeinschaft müssen organisiert werden um anstehende Projekte umzusetzen.

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Strategie:
Sozial und Umweltgerecht wohnen

Strategie: Umwelt gerecht wohnen

Grundlagen: Bewusstsein

Die Grundlage für Umweltgerechtes Bauen ist das Bewusstsein. Sich selbst bewusst sein, welche Auswirkungen die Materialbeschaffung, die Versiegelung und das Bauen auf die Erde haben. Den Wert des Bestan des und der Ressourcen neu schätzen zu lernen. Ein Perspektivwechsel kann eine neue, wertschät zende Haltung aufbauen. Es hilft zu verdeutlichen, wie viele Ressourcen und graue Energie im Bestehen den steckt. Zudem zeigen Geschichten, Spuren und Makel der Vergangenheit, den sozia len Wert, sowie die Bedeutung des Bestandes für die Umgebung.

Planung: Analyse

Für einen respektvollen Umgang mit dem Bestand, ist es wichtig die Gegebenheiten des Gebäudes zu analysieren. Stärken, Schwächen und Potenziale herauszufinden, um mit diesen weiterzuarbeiten. Entscheidungen und Prozesse müssen im Dialog mit dem Bestand entwickelt werden, da jedes Gebäude seinen eigenen Charakter besitzt. Durch dieses Vorgehen können minimale Eingriffe geplant werden, deren Ergebnisse die Qualitäten des Bestehenden hervorbringen und erweitern. Es ist nicht das Ziel den Charakter eines Neubaus zu erschaffen, die verschiedenen Entstehungszeiten dürfen offen und ablesbar bleiben.

Umsetzung: Umbau-Kultur

Die Umsetzung erfolgt im Sinne der Umbau-Kul tur. Eine Kultur des Umbauens, die Gebäude nicht als ein fertiges Produkt, sondern als ein Zwischenstand ansieht, an dem immer weiter gebaut wird. Dabei ist für das bereits Bestehende die 3‘R Me thode, Reduce, Reuse, Recycle, anzuwenden. Neue Elemente werden direkt mit dem Gedanken der Umbau-Kultur geplant. Kreislaufgerechte Mate rialien, die flexibel sind, also einfach ein- und ausgebaut werden können, sowie Möglichkeiten für Veränderungen und Anpassungen bieten. Zudem sollte möglichst auf natürliche und nachwachsen de Baustoffe gesetzt werden.

Nutzung: Pflege + Reparatur

Pflege und Reparaturen nehmen während der Pha se der Nutzung, einen großen Stellenwert ein, um möglichst lange Lebenszyklen für das Gebäude und die einzelnen Bauteilen zu gewährleisten. Zudem sollten Bewohner*innen, wenn möglich, diese Arbeiten selbst oder partizipativ ausführen können, dadurch kann das Verantwortungsgefühl für das eigene Zuhause gestärkt werden. Es fördert einen sorgsamen und respektvollen Umgang dem Bestand.

107 106
Strategie: Sozial und Umweltgerecht
wohnen

Eine Strategie für Sozial und Umwelt gerechtes wohnen:

Grundlagen

Umsetzung

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Planung
Nutzung
Strategie: Sozial und Umweltgerecht wohnen

Anwen dung: sozi al

tlewmU sethcereg

Anwendung: Sozial und Umwelt gerechtes wohnen

Wie kann ein Sozial und Umwelt gerechtes wohnen umgesetzt werden? Was muss dabei beachtet werden, welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden? Wel che Räume werden für gemeinschaftliche Nutzungen benötigt? Wie sollte gebaut werden und wie sollte mit dem Bestand umgegangen werden?

Das Mehrfamilienhaus Sebastian dient als Projektbeispiel, an dem die entwickelte Strategie für ein Sozial und Umwelt gerechtes wohnen angewandt wird. Es ist ein reales Beispiel, für ein Haus aus den 1960er Jahren, welches mo mentan leer steht und auf eine neue Nutzung wartet. Erste Ideen und Pläne für einen Abriss mit anschließenden Neubau wurden bereits entwickelt, der nachfolgende Entwurf soll aufzeigen, welche Qualitäten im Bestand stecken, wie mit ihnen Umgegangen werden kann und das es sich aus vielen verschiedenen Grün den lohnt den Bestand zu erhalten. Vor der Bearbeitung der Strategie, wird zur Einleitung, auf die allgemeine Typologie des Mehrfamilienhauses eingegangen. Anschließend folgt eine Beschreibung und Verortung des Projektortes Dülmen, sowie die Vorstel lung des Mehrfamilienhauses Sebastian. Die Strategie wird anhand der einzelnen Pha sen erprobt. Durch den Umbau des Bestandes wird eine neue Typologie für ein gemeinschaftliches Wohnen, im kleinen Maßstab, entwi ckelt, welches sowohl Sozial als auch Umwelt gerecht ist.

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Typologie: Mehrfamilienhaus

Das Mehrfamilienhaus als solches gibt es in vielen verschiedenen Variationen. Vom kleinen Mehr familienhaus mit 4 Wohnparteien bis zum hohen Geschosswohnungsbau der insbesondere in Ost deutschland vorkommt.

Die Wohnform Mehrfamilienhaus ist verglichen mit den Ein- und Zweifamilienhäusern eine gering verbreitete Wohnform in Deutschland, denn es macht nur rund 20% des Wohngebäudebestandes der 1950er bis 1970er aus.1 Allerdings streben der zeit immer mehr Menschen danach, in ebendieser gemeinschaftlichen Wohntypologie zu leben. Erst kürzlich, in einer Studie des Statistischen Bundes amtes aus dem Jahr 2021, wurde deutlich, dass 59% der 288.000 genehmigten Wohnungen in Mehrfamilienhäusern entstehen.2

Es zeichnet sich insbesondere darüber aus, dass mehrere Parteien unter einem Dach leben und dadurch das Potenzial des Teilens enorm hoch ist. Allerdings wird dieses Potenzial in der heutigen Zeit nicht komplett ausgeschöpft, da zwar das Grundstück und der Hausflur geteilt werden, aber häufig die Bewohner, gezwungen durch die iso lierende Bauform, meist für sich leben. Daher ist nicht nur aufgrund der derzeit steigenden Preise das Thema des Teilens sinnvoll, sondern auch um das Nachbarschaftsklima und die Wohnqualität zu verbessern.

1 Vgl. Schmid, 2021.

2 Vgl. Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., 2022.

113 112
Typologie: Mehrfamilienhaus
Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen
115 114 Fotosammlung Mehrfamilienhaus Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Projektort: Dülmen

Bevölkerung: Größe: Kreisstadt: Ortsteile:

ca. 47.000 18.483 ha Coesfeld Buldern, Hiddingsel, Hausdülmen, Merfeld, Rorup, Kirchspiel

Die Stadt Dülmen gehört zum Kreis Coesfeld und ist ein Teil des Münsterlandes. Südwestlich von der Stadt Münster verortet, liegt Dülmen auf dem direkten Weg zum Ruhrgebiet. Bekannt ist die Re gion durch die letzte Wildpferdeherde in Europa, die im Naturschutzgebiet Merfelder Bruch leben. 1

Die Stadt ist von viel Natur umgeben. Landschaf ten mit Seen, Flüssen, und Wäldern bieten den rund 47.000 Einwohner*innen ausreichend Erho lungsfläche, für lange Spaziergänge oder Radtou ren. Trotz der Lage im Grünen ist die Anbindung sowohl für den Autoverkehr, als auch den Zugverkehr ideal.2 Durch direkte Fahrten mit dem Regionalzug sind Städte wie Münster innerhalb von 13 Minuten, Dortmund in 50 Minuten oder Düssel dorf in ca. einer Stunde zu erreichen.3

Die Bevölkerung von Dülmen wohnt auf ca. 45,2 m2 und die Haushaltsgröße liegt, wie der Bundes durchschnitt, bei 2,02. Die vorherrschende Wohntypologie sind Einfamilienhäuser, 21% der Wohngebäude besitzen zwei und nur 11% drei oder mehr Wohneinheiten.4

1 Vgl. Stadt Dülmen, o. D.

2 Vgl. ebd.

3 Vgl. DB Vertrieb GmbH, o. D.

4 Vgl. Stadt Dülmen, 2019.

117 116 Projektort: Dülmen
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Reken

Coesfeld

Coesfeld

Reken

Merfeld

Haltern am See

Dülmen

Rorup Hausdülmen

Rorup Hausdülmen

Dülmen-Kirchspiel

Buldern Hiddingsel

Nottuln Senden

Bouldern Hiddingsel

Nottuln Senden

Dülmen

Lüdinghausen

Merfeld Dülmen-Kirchspiel 0 1 2 3 km

Anwendung:

119 118
Haltern am See Schwarzplan Ortschaften Dülmen _ 120.000
Lüdinghausen
Sozial und Umwelt gerecht wohnen
121 120 A43 B474 B474 RE2|RE42 RB42 RE2|RE42 Münster13Min. Düsseldorf75Min. Dortmund 50Min Enschede RB42 Dülmen Merfeld Dülmen-Kirchspiel Bouldern Hiddingsel Rorup Hausdülmen 0 1 2 3 km Coesfeld Nottuln Senden Reken Haltern am See Lüdinghausen Verkehrsanbindung Dülmen_120.000 Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Dülmen

Dülmen

0 250 500 750 1.000 m

0 250 500 750 1.000 m

Sozial und Umwelt gerecht wohnen

123 122 Schwarzplan Dülmen | 1:30.000 Anwendung:

Mehrfamilienhaus Sebastian

Dülmen Overbergerstrasse 65 1960 ca. 650 m2 292,5 m2 5

Das Mehrfamilienhaus Sebatian steht in einer Wohnsiedlung in Dülmen, eingebettet zwischen Einfamilienhäuser und einer neuen Mehrfamilien haus Siedlung. In die Dülmener Innenstadt sind es nur wenige Gehminuten und auch der Bahnhof ist mit dem Fahrrad in weniger als zehn Minuten zu erreichen. Natur, Wälder und Seen sind es eben falls nur wenige Minuten vom Haus entfernt. Geplant wurde das Haus 1950 von Anni Muhle, als Ladenlokal mit Wohnhaus. Nach ca. 40 Jahren wurde es zu einem kleinen Altenwohnheim umgebaut. 2015 kauften Sebastians Eltern das Haus und vermieteten die einzelnen Wohnungen. 2021 wurde das Haus vom Bauordnungsamt in Dülmen geräumt, da zu viele nicht genehmigte Veränderun gen durchgeführt wurden.

Aktuell steht das Haus leer und Sebatian, als neuer Eigentümer und Mitglied bei Architects for future, möchte das Haus nicht abreißen. Ihm ist es wichtig den Bestand zu erhalten und damit auch die Ressourcen und die Graue Energie. Ein Umbau ist unumgänglich, zum einen wegen dem Bauord nungsamt und zum anderen muss es energetisch optimiert werden.

und Umwelt gerecht wohnen

125 124 Mehrfamilienhaus Sebastian
Ort: Straße: Baujahr: Grundstück: Nutzfläche: Wohnungen: Anwendung: Sozial
127 126 Lageplan_ 1:1.000 GSEduca onalVers on
15 m Anwendung:
0 5 10
Sozial und Umwelt gerecht wohnen
129 128
Mehrfamilienhaus Sebastian Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen
131 130
Mehrfamilienhaus Sebastian
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen
133 132
Mehrfamilienhaus
Sebastian Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Planung

Grundlagen

Wie kann die Strategie auf das Mehrfamilienhaus von Sebastian angewandt werden?

Nutzung Anwendung:

Sozial und Umwelt gerecht wohnen

135 134
Umsetzung

Grundlage: Gemeinschaft

Horst und Annelise

Die beiden sind seit 45 Jahren verheiratet und ge nießen mittlerweile das Rentnerleben. Horst war sein ganzes Leben als Handwerker tätig und liebt es noch heute an den ein oder anderen Dingen rumzuwerkeln. Die größte Leidenschaft von Annelise ist der Garten und der Gemüseanbau.

Die beiden wohnen in einem Einfamilienhaus, da die Kinder inzwischen ausgezogen sind ist ihnen das Haus viel zu groß geworden. Als sie von dem Wohnprojekt erfahren haben waren sie direkt begeistert, denn ihnen ist ein gemeinschaftlicher Kontakt mit den Nachbarn wichtig. Gerade im Alter freuen sie sich über ein bisschen Trubel und Abwechslung, sowie die Gewissheit, das immer wer da ist, der helfen könnte, wenn sie irgendwann nicht mehr alles alleine machen können.

Sahra und Tabea

Sahra ist seit kurzen alleinerziehende Mama, für ihr fünf Jährige Tochter Tabea, die bald in die Grundschule kommt.

Vor paar Monaten hatte ein Freund von einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt erzählt und ihr wurde klar, sie möchte unbedingt auch so wohnen.

Der Gedanke, dass ihr im Notfall jemand mit Ta bea unter die Arme greifen könnte, klingt für sie sehr beruhigend. Ihr gefällt aber auch, dass man so viel mehr Platz und vor allem einen Garten hat, welchen man in den meisten 3-Zimmerwohnungen, nicht bezahlen könnte.

Fillipi

Fillipi ist Künstler, ein Freigeist. Er wohnt momen tan in Düsseldorf, möchte aber mehr in die Na tur. Da er nur ein bis zweimal die Woche pendeln muss, ist Dülmen für Ihn perfekt angebunden.

Er träumt schon lange von einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt, mit Garten und netten Leu ten, die zu seiner Wahlfamilie werden können.

Die beiden sind seit 5 Jahren zusammen und möchten jetzt endlich zusammen ziehen. Wäh rend des Studiums haben beide in WGs gelebt und schätzen den Kontakt zu den Mitbewohner*innen. Daher war für sie eine klassische Wohnung keine Option.

Für die beiden ist das Mehrfamilienhaus Sebastian die perfekte Mischung zwischen privater Wohnung und gemeinschaftlichem Zusammenleben. Sie freuen sich auf gemeinsame Aktionen und Lukas

Lukas hat gerade sein Informatikstudium abgeschlossen und arbeitet als Freelancer. Das macht er vor allem von zuhause. Er findet es gut, dass er das nun nicht mehr alleine in seiner Wohnung machen muss, sondern im gemeinschaftlichen Arbeitsraum.

Außerdem liebt er es zu kochen und in Gesellschaft macht es immer noch viel mehr Spaß.

137 136 Grundlage Gemeinschaft
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen
Tim und Isabella

Grundlage: Bewusstsein

Den Wert der Ressourcen und der Arbeitskraft wieder schätzen lernen 56% der Grauenenergie stecken im Rohbau! Gebäude sind fester Bestandteil ihrer Umgebung. Bestandsgebäude sind Geschichtsbücher.

Beim dem Abriss dieses Gebäudes würden 900t Abfall entstehen.

139 138 Grundlage: Bewusstsein
Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Leerstand

Das Mehrfamilienhaus wird vom ansässigen Bauamt geräumt, da zu viele bauliche Änderungen vorgenommen wurden, die nicht genehmigt waren.

141 Grundlage
Bewusstsein
2021
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Planung: Gemeinschafts typologie

Sommerküche Sauna

Clusterwohnungen Kino

Yogaraum

Co-WorkingSpace

Bibliothek Fahrradraum

Waschsalon

Kinderzimmer Gästezimmer

Grillplatz

Obstgarten Werkstatt

Gewächshaus

143 142
Planung: Gemeinschaftstypologie
Anwendung: Sozial
und Umwelt gerecht wohnen

Planung: Analyse

Potenzial: Grundstück

Rechts neben dem Haus, ist eine große Restfläche, die bereits Versiegelt ist und als Parkplatz genutzt wurde. Links neben ist ein großer Garten, der viel Potenzial als Ge meinschaftsgarten bereite hält.

Potenzial: Fenster

Die großen Fenster im Erdgeschoss zur Straße hin, erinnern an die frühere Nutzung des Gebäu des als Ladenlokal

Schwäche/ Potential: Treppe

Die Treppe liegt in der Mitte des Hauses, von der Lage könnte diese zum Herzstück werden. Aller dings wirkt sie sehr eng und verschlossen.

Schwäche: Fassade

Die Fassade, aus Plasikpaneelen, ist von der Sonne ausgeblichen und spröde.

145 144 Planung: Analyse
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Umsetzung: Umbau-Kultur

Potentialfläche Erweiterung

Erschließung

147 146 Umsetzung: Umbau-Kultur
Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen
149 148 Modellstudie
Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Bestandserweiterung

Das Mehrfamilienhaus Sebastian wird durch ver schiedene Eingriffe erweitert.

Zum einen wird das Haus an der Südfassade extrudiert, um die Räume im Inneren zu erweitern und die Wohnfläche zu vergrößern. Die Fläche auf der dieser Anbau steht bot sich an, da sie bereits versiegelt war und keinen klaren Mehrwert hatte. Um die Wohnungen im Obergeschoss besser zu nutzen wird das Dach an der Westseite ergänzt. Durch einen vorgesetzten Wintergarten bekom men die Wohnungen einen stärkeren Bezug zum Außenraum und der Umgebung. Das Gewächs haus, welches an den Wintergarten anschließt fun giert als gemeinschaftlicher Treffpunkt und kreiert einen sanften Übergang zum Garten.

Die aktuellen energetischen Ansprüche können nicht erreicht werden, daher muss das komplette Mehrfamilienhaus energetisch saniert. Gleichzei tig wird die alte Fassade aus Plastikpaneelen durch eine einheitliche Holzfassade aus Linde ersetzt.

Trotz dieser diversen Veränderungen wird ver sucht im Innern behutsam mit dem Bestand umzugehen, minimale Veränderungen vorzunehmen und die Qualitäten hervorzuheben.

151 150 Explosionsaxonometrie
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen
153 152 Lageplan_1:1.000 GSEduca onalVers on 0 5 10 15 m Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Erdgeschoss

Gemeinschaftsbereich: alle Hausbewohner*innen Zimmer: Küche, Wintergarten, Waschsalon Größe: 127,5 m2

Wohung 1: Horst und Annelise Zimmer: 3 Größe: 53,5 m2

155 154 Grundriss Erdgeschoss
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen GSEduca ona Ve s on 0 3 6 m

1. Obergeschoss

Wohung 2: Fillipi Zimmer: 2 Größe: 34 m2

Gemeinschaftsbereich: Fillipi, Sahra Tabea Zimmer:Küche, Wintergarten Größe: 62

Wohung 3: Sahra, Tabea Zimmer: 4 Größe: 67 m2

157 156 Grundriss 1. Obergeschoss
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen GSEduca ona Ve s on 0 3 6 m

2. Obergeschoss

Wohung 4: Lukas Zimmer: 1 Größe: 32,5 m2

Gemeinschaftsbereich: Lukas, Tim, Isabella Zimmer: Küche, Wintergarten Größe: 80 m2

Wohung 5: Tim und Isabella Zimmer: 2 Größe: 41,5 m2

159 158 Grundriss Dachgeschoss
Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht
GSEduca ona Ve s on 0 3 6 m
wohnen
161 160 Schnitt
(Nord Ost)
und Ansicht
GSEducationalVers on 0 3 6 m GSEducat ona Vers on GSEducat ona Version 0 3 6 m Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

1 Dachaufbau: Holzverkleidung 30 mm Dampfbremse Sparren mit Zwischensparrendämmung 160 / 80 mm Unterspannbahn Holzlattung 30 / 50 mm Konterlattung 30 / 50 mm Solardachziegel 20 mm

2 Holzpfette 200 / 200 mm

3 Glasschiebeelement mit Aluminiumprofilen-/rahmen

4 Wandaufbau: Innenputz 15 mm Hohlblockstein (Bestand) 250 mm Holzfaserdämmplatten 160 mm Holzlattung 30 / 50 mm Konterlattung 30 / 50 mm Vertikale Holzschalung Lärche 20 mm

5 Bodenaufbau (EG - KG): Klinkerstein (Wiederverwendung) 240 / 115 / 71 mm Mörtelbett 20 mm Trittschallvlies Stahlbetonbodenplatte 130 mm Dämmung 60 mm Innenputz 15 mm

Anbau Stahlbaukonstruktion:

6 Bodenaufbau: Holzdielen 150 / 25 mm Holzaufständerung 30 / 10 mm Stahlträger HEB 100 100 / 100 / 10 mm Schraubfundament, verzinkter Stahl mit Tragprofil HEB 100 100 / 100 / 10 mm

7 Deckenaufbau: Holzdielen 150 / 25 mm Holzaufständerung 80 / 70 mm Stahlträger HEB 100 100 / 100 / 10 mm

8 Stahlhohlprofil mit rechteckigen Querschnitt 160 / 180 / 13 mm

9 Stahlstütze

HEB 160 160 / 160 / 13 mm mit Aluminiumschiebeelement und Plycarbonatplatten 10 Vorhang (Verschattung) Befestigung zwischen Stahlträgern

163 162 Fassadenschnitt Anwendung: Sozial
und Umwelt gerecht wohnen
± 0 00 0 30 OKG 0 38 4 1 5 6 8 7 9 10 2 3 + 3 01 + 2 81 0 14 OKF F ± 0 00 + 5 97 + 5 77
raufe + 8 58 0 1 2 m
T

Anwendung: Sozial und Umwelt gerecht wohnen

165 164
GSEducat ona Version
Axonometrie gesamt

Nutzung: zusammen leben

167 166 Nutzung:
zusammen leben
Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Umsetzung: Pflege und Reparieren

169 168
Umsetzung:Pflege und Reparieren
Anwendung:
Sozial und Umwelt gerecht wohnen

Epilog

Architektur, die ein Mehrwert für uns Menschen hat und gleichzeitig bewusst nachhaltig mit der Welt umgeht, waren bereits vor meiner Bachelor thesis Themenfelder der Architektur die mich besonders gereizt haben. Dieses Interesse wurde besonders während der letzten vier Monate verstärkt.

Bei der Bearbeitung des theoretischen Teils konn te ich viel dazulernen und weitreichende Zusam menhänge verstehen. Mir war es wichtig beide Bereiche zusammen zu thematisieren, da ich der Ansicht bin, dass gute Projekte eine Umwelt und Sozial gerechte Relevanz haben sollten. Die The men bedingen einander und müssen daher zusam men bedacht werden. Durch die Erkenntnisse und das Wissen haben ich meine Strategie entwickelt, die für die einzelnen Phasen eines Projektes wichtige Handlungsansätze beschreibt. Besonders aufgefallen ist mir, dass es bei beiden Bereichen vor allem an Bewusstsein, Wertschätzung und Alter nativen fehlt, um diese zur Regel der Baupraxis zu machen. Daher fängt meine Strategie an diesen Stellschrauben an und setzt auf eine ganzheitliche Betrachtung.

Angewandt habe ich meine Strategie an dem Mehrfamilienhaus Sebastian. Anfänglich traf die Entscheidung, ein Mehrfamilienhaus als Beispiel projekt zu nehmen, nicht wirklich auf eine positive Resonanz, denn die Typologie ist klein, alltäglich und langweilig. Spannender wäre es Bauen im Bestand in einem alten Industriegebäude, einer gro

ßen Büroanlage oder auf einem alten Bauerhof zu bearbeiten.

Allerdings hat mich genau das gereizt. Das Haus ist kompakt, hat keinen denkmalpflegerischen Wert, es ist schlichtweg ein Alltagsbau. Trotzdem gilt es auch solche Gebäude zu erhalten und ihnen neue Qualitäten zu schenken, denn wir kön nen nicht weiterhin hemmungslos alles abreißen was in die Jahre gekommen ist. Im Anbetracht der Klimakrise muss insbesondere in der Baubranche ein Umdenken stattfinden und die neue Aufgabe der Architekt*innen wird sein, die Potenziale dieser Alltagsgebäude herauszuholen, sie an neue Lebensweisen anzupassen und Ressourcen, sowie Energie zu sparen.

Bei meinem Entwurf liegt der Fokus auf der Ge meinschaft und der Verbindung zwischen dem Bestandsgebäude aus den 50er Jahren und einem neuen kreislauffähigen Anbau. Dadurch kann das Gebäude und die damit verbundene graue Energie erhalten werden und ein neuer Abschnitt der Ge schichte des Hauses beginnt. Zusätzlich entsteht eine neue Wohntypologie, die auf die flexiblen Be dürfnisse der Bewohner*innen reagieren kann und Platz schafft für mehr Kommunikation und Austausch in den gemeinschaftsorientierten Räumen.

Das Potenzial der Gemeinschaft, welches das Mehrfamilienhaus bietet, kann so erweitert und ausgeschöpft werden. Die Bewohner teilen nicht nur den Hausflur, sondern können sich gegenseitig in ihrem Alltag unterstützen und leben somit nicht nur nebeneinander sondern miteinander.

171 170
Epilog

Quellen

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Gruppenzwang? Von Baugruppen, Genossenschaften und neuen Gemeinschaften, in: Alle wollen wohnen: Gerecht. Sozial. Bezahlbar, 1. Aufl., Berlin, Deutschland: JOVIS Verlag GmBH, 2017, S. 50–53.

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Gender Care Gap - ein Indikator für die Gleichstellung, in: BMFSFJ, 27.08.2019, https://www.bmfsfj.de/ bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikatorfuer-die-gleichstellung-137294 (abgerufen am 27.07.2022).

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Schneider, Norbert F.: Vielfalt der Familie, in: bpb.de, 23.06.2021, https://www.bpb.de/themen/familie/familienpolitik/207447/viel falt-der-familie/ (abgerufen am 23.07.2022).

Schreber: in: AMUNT-Architekten, o. D., https://amunt.info/#schreber (abgerufen am 14.07.2022).

Schwarte, Ludgar:

Revolution des Wonens, in: Arch+, Nr. 244, 2021, S. 22–24.

Sobek, Werner: Non nobis über das Bauen in der Zukunft Band 1:: Ausgehen muss man von dem, was ist, 1. Aufl., Stuttgart, Deutschland: AV Edition GmbH, 2022.

Stadt Dülmen:

Stadtporträt | Stadt Dülmen, in: Dülmen, o. D., https://www.duelmen.de/833.html (abgerufen am 23.07.2022).

Strukturdatenbericht der Stadt Dülmen, 3. Aufl., 2019, https://www.duelmen.de/fileadmin/user_upload/all gemein/sonstige/Strukturdatenbericht_der_Stadt_Dülmen_3._Auflage_2019_.pdf.

Treibhausgasemissionen sinken 2020 um 8,7 Prozent:

in: Umweltbundesamt, 15.03.2021, https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/treibhaus gasemissionen-sinken-2020-um-87-prozent (abgerufen am 08.07.2022).

TU Wien, Fakultät für Architektur und Raumplanung:

Utopien und Wohnmodelle zur räumlichen Umorganisation der reproduktiven Arbeit, in: Frauen Wohnen, 08.03.2021, https://frauenundwohnen.at/utopien-und-wohnmodelle-zur-raumlichen-umorganisation-der-repro duktiven-arbeit/ (abgerufen am 27.07.2022).

Tucholsky, Kurt:

Das Ideal (1927), in: Deutsche Lyrik, o. D., https://www.deutschelyrik.de/das-ideal.html (abgerufen am 26.07.2022).

Welzer, Harald/Matthias Sauerbruch: Veränderung beginnt nicht im Konjunktiv, in: Baumeister, Bd. B&, 2022, S. 20–137.

179 178
Quellen Anhang

Wielens, Hans:

Bauen Wohnen Denken: Martin Heidegger inspiriert Künstler, Münster, Deutschland: Coppenrath, 1994.

Wohnungsbestand Ende 2020:

42,8 Millionen Wohnungen: in: Statistisches Bundesamt, o. D., https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemit teilungen/2021/07/PD21_326_31231.html (abgerufen am 10.07.2022).

Zukunfstinstitut:

Megatrend Individualisierung, in: Zukunftsinstitut, 2021, 12.07.2022, https://www.zukunftsinstitut.de/ dossier/megatrend-individualisierung/ (abgerufen am 19.07.2022).

Zukunftsinstitut: Megatrend New Work, in: Zukunftsinstitut, 2021, 12.07.2022, https://www.zukunftsinstitut. de/dossier/megatrend-new-work/ (abgerufen am 19.07.2022).

181 180
Quellen Anhang

Abbildungen

Abb. 2 Abb. 3

Soweit nicht anders vermerkt, sind alle Grafiken und Fotogra fien von © Janina Zucht. Sämtliche Bildrechte bleiben bei den Verfassern. Kartengrundlage aller kartografischen Abbildungen sind OpenStreetMap Contributors und Google Earth.

Les cinq Étages du monde parisien

Radierung: © Texier, Edmond, Tableau de Paris, Frankreich, 1852, https://johnroeluna.tumblr.com/post/97061664598 [18.07.2022].WW

Framing Progress, 1988, 35“x36“, Portland Fotografie: © Spike Mafford, Quelle: http://artpulsemagazine. com/art-vs-real-estate-gentrification-and-urban-artistic-sce nes[01.08.2022].

Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6

Entwicklung Wohnungsmietindex Deutschland

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://de-statistacom.ezproxy.fh-muenster.de/statistik/studie/id/110956/doku ment/immobilienpreise/[18.07.2022].

Regionale Entwicklung der Wohnflächennachfrage 2015 bis 2030

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://de-statistacom.ezproxy.fh-muenster.de/statistik/studie/id/110956/doku ment/immobilienpreise/[18.07.2022] .

Vergleich Wohnraumbedarf, 1960 und 2020

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle 1960: https://www. fes.de/fulltext/stabsabteilung/00518.htm [23.07.2022], Quelle 2020: https://de-statista-com.ezproxy.fh-muenster.de/statistik/ daten/studie/36495/umfrage/wohnflaeche-je-einwohner-indeutschland-von-1989-bis-2004/ [23.07.2022].

Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12

Zahl der Privathaushalte und durchschnittliche Haushaltsgrößen (1991-2035)

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://www.bib.bund. de/DE/Fakten/Fakt/L50-Privathaushalte-Haushaltsgroesse1991-Vorausberechnung.html [23.07.2022].

Demografischer Wandel S. 15 S. 16 S. 17 S. 19 S. 20

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://www.destatis. de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/_inhalt. html [23.07.2022].

Familienidylle im Garten, Eigenheim, 1932

Illustration: © TV-Yesterday, Quelle: https://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/wohnen/haussuche-ein-haus-kaufen-istnicht-so-leicht-13066293/vorteil-frei-stehendes-haus-13068197. html#fotobox_1_3066293 [08.08.2022].

Anzahl der Peronen pro Haushalt (2019)

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://www.bpb. de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutsch land/61587/haushalte-nach-zahl-der-personen/ [23.07.2022].

Pluralismus bei Lebenswegen

Diagramm: © eigene Darstellung.

Bevölkerung nach Lebensformen, Deutschland 2019

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: Statistisches

Bundesamt Mikrozensus 2019: https://www.destatis.de/DE/ Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Haushalte-Fami lien/Publikationen/Downloads-Haushalte/haushalte-fami lien-2010300197004.pdf?__blob=publicationFile. [08.08.2022].

S. 20 S. 21 S. 23 S. 24 S. 25 S. 26

183 182
Abbildungen Anhang

Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18

Binnendifferenzierung bei (Ehe-)partnern, 2011

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://www.bmfsfj. de/resource/blob/94262/14f3ce302d2517061d2aefc9e85b77da/ muettererwerbstaetigkeit-dossier-data.pdf, S. 54. [08.08.2022].

Flexibilität der Lebensstile

Diagramm: © eigene Darstellung.

Ort der Reproduktion und Produktion

Diagramm: © eigene Darstellung.

Gender

Care Gap (2019)

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://www.bmfsfj.de/ bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-diegleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstel lung-137294 [27.07.2022].

Women’s School of Planning and Architectu re, Smith College, 1975

Fotografie: © Sophia Smith Collection, Quelle: https://www. nowwhat-architexx.org/articles/2018/5/25/the-womens-school-ofplanning-and-architecture[08.08.2022].

aktuelle Ansätze zur räumlichen Umorgani sierung der reproduktiven Arbeit Diagramm: © eigene Darstellung.

Abb. 19 Broschüre der Einküchenhaus Gesellschaft Berlin, 1908

Broschüre: © Einküchenhaus Gesellschaft Berlin https://www.rehhoffstrasse.de/blicke/bilder/HEFT%203.1/Ein kuechenhaus-broschuere.jpg/ [27.07.2022].

S. 27 S. 31 S. 33 S. 33 S. 34 S. 37 S. 38

Abb. 20 Abb. 22 Abb. 23 Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26

Zentralküche, Einküchenhaus

Fotografie: © ullstein-bild https://images.berliner-zeitung.de/2022/04/27/4fefbf55-bd014103-b5d1-fc513d2c9ec2.jpeg?rect=0%2C236%2C5268%2C351 2&w=1024&auto=format/ [27.07.2022].

Genossenschaft Spreefeld, Berlin, 2014

Fotografie: © Ute Zscharnt https://www.german-architects.com/en/carpaneto-schoningharchitekten-berlin/project/neubau-spreefeld-berlin#image-3 [08.08.2022].

Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1

Fotografie: © Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1, Foto: Katrin Simonett https://www.urbancoopberlin.de/wp-content/up loads/2020/04/I-love-Genossenschaft.jpg [10.08.2022].

San Riemo, außen Fotografie: © Peter Krag https://www.detail.de/de/de_de/wohnungsbau-san-riemo-inmunchen [29.07.2022]

Ausschneidebögen für Wohnraumaufteilung, Mitwirken der Nutzer*innen Fotografie: © ARGE Summacumfemmer und Büro Juliane Gerb https://www.detail.de/de/de_de/wohnungsbau-san-riemo-inmunchen [29.07.2022]

San Riemo, Grundrisse EG - 5.OG

Zeichnung: © ARGE Summacumfemmer und Büro Juliane Gerb https://julianegreb.com [29.07.2022]

S. 39 S. 43 S. 47 S. 48-49 S. 50 S. 51

185 184
Abbildungen Anhang

Abb. 27

San Riemo, Wintergarten

Fotografie: © Florian Summa https://www.detail.de/de/de_de/wohnungsbau-san-riemo-inmunchen [29.07.2022]

Abb. 28 Abb. 29 Abb. 31 Abb. 32 Abb. 33

San Riemo, „offene Straße“

Fotografie: © Florian Summa https://www.detail.de/de/de_de/wohnungsbau-san-riemo-inmunchen [29.07.2022]

Logo, Architects for future

Logo: © Architects for future https://www.cs-mm.com/en/profile/responsibility [29.07.2022]

Die Umgebung von Memmingen aus der Luft

Quelle: © Klaus Leidorf https://www.bund-naturschutz.de/fileadmin/_processed_/f/4/ csm_Memmingen%E2%94%AC_Klaus-Leidorf_S2p41638_ cc9dbeccd6.jpg/ [11.08.2022]

Immer mehr Fläche für gleich viele Menschen

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: Statistisches Bundes amt: Fachserie 3; Reihe 5.1 2015, 2016, Pressemitteilung Nr. 409, 2017; https://tinyurl.com/ydhmy3ob [27.07.2022].

Anstieg

Siedlungs-

und Verkehrsfläche

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: https://www.umwelt bundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/de_in dikator_terr-03_suv_2022-03-23.pdf [27.07.2022].

S. 52 S. 53 S. 60 S. 62 S. 64 S. 65

Abb. 34 Abb. 35 Abb. 36 Abb. 37 Abb. 38 Abb. 39 Abb.40

Braunkohle-Tagebau Garzweiler II

Fotografie: © Oliver Berg/dpa, https://www.duda.news/wissen/braunkohle-abbau-wie-warumproteste/attachment/braunkohle-protest-und-der-unsicherheitsfaktor-hamburg/ [29.07.2022]

Country Overshoot Days 2022

Diagramm: © 2022 Earth Overshoot Day. Global Footprint Network, https://www.overshootday.org/newsroom/countryovershoot-days/ [02.08.2022]

Materialbibliothek UMAR

Fotografie: © Rene Mülleri https://labs.aap.cornell.edu/ccl/umar-unit [02.08.2022]

Die Energie die im Rohbau steckt

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: Energie Atlas, Nachhaltige Architektur, Edition Detail, München, 2007

Gebäudebestand alt und neu 2030

Diagramm: © eigene Darstellung, Quelle: BDA NRW 2016; BBSR 2016; Wuppertal Institut 2017; Destatis 2017

Neues Museum

Fotografie: © Achim Kleuker Johannes Bennke https://arquitecturaviva.com/works/neues-museum-1 [02.08.2022]

Antivilla (vorher), Architektur: Brandlhuber+ Emde

Fotografie: © Paul Reinhardt https://archeyes.com/antivilla-brandlhuber-emde-burlon/#jp-ca rousel-5340 [11.08.2022]

S. 69 S. 71 S. 73 S. 77 S. 79 S. 80 S. 83

187 186
Abbildungen Anhang

Abb. 41

Antivilla (nachher), Architektur: Brandlhuber+ Emde

Fotografie: © Erica Overmeer https://archeyes.com/antivilla-brandlhuber-emde-burlon/#jp-ca rousel-5341 [11.08.2022]

Abb. 42 Abb. 43 Abb. 44 Abb. 45

Werkhaus Uckermark (vorher), Architektur: Thomas Kroeger Architekten

Fotografie: © Thomas Heimann https://thomaskroeger.net/de/werkhaus/ [11.08.2022]

Werkhaus Uckermark (nachher), Architektur: Thomas Kroeger Architekten

Fotografie: © Thomas Heimann https://thomaskroeger.net/de/werkhaus/ [11.08.2022]

Arealentwicklung Lysbüchel (vorher), Archi tektur: baubüro in situ + zirkular

Fotografie: © Matin Zeller, Gelterkinden https://www.hochbauamt.bs.ch/projekte/abgeschlossene-projek te/lys-areal.html[11.08.2022]

Arealentwicklung Lysbüchel (nachher), Archi tektur: baubüro in situ + zirkular

Fotografie: © Matin Zeller, Gelterkinden https://www.hochbauamt.bs.ch/projekte/abgeschlossene-projek te/lys-areal.html[11.08.2022]

Abb. 46

Austragshaus am Schedlberg, Arnbruck (vor her), Architektur: Peter Heimerl

Fotografie: © Edward Beierle https://www.dbz.de/imgs/1/4/5/1/6/5/6/c9b92ce2b4d9db68. jpg[11.08.2022]

S. 83 S. 83 S. 83 S. 83 S. 83 S. 83

Abb. 47 Abb. 48 Abb. 49 Abb. 50 Abb. 51 Abb. 52

Austragshaus am Schedlberg, Arnbruck (nachher), Architektur: Peter Heimerl

Fotografie: © Edward Beierle https://www.dbz.de/imgs/1/4/5/1/6/5/6/8ffb682765d6c475.jpg [11.08.2022]

Haupteingang des Deutschen Pavillons, Biennale 2012

Fotografie: © Erica Overmeer https://www.stylepark.com/de/news/germania-in-venezia [03.08.2022]

Ausstellung: „Reduce/ Reuse/ Recycle –Ressource Architektur“ Biennale 2012 innen Fotografie: © Erica Overmeer https://www.spiegel.de/fotostrecke/architektur-biennale-derdeutsche-beitrag-reduce-reuse-recycle-fotostrecke-86663.html [03.08.2022]

Haus Schreber, Architektur: AMUNT

Fotografie: © Filip Dujardin https://www.heinze.de/architekturobjekt/zoom/12542340/ [11.08.2022]

Axo: Haus Schreber, Architektur: AMUNT Zeichnung: © Amut https://media1.heinze.de/m1/47/12542247/ pdf/42/12542342px595x839.pdf [11.08.2022]

Terrasse Haus Schreber, Architektur: AMUNT Fotografie: © Filip Dujardin https://www.heinze.de/architekturobjekt/zoom/12542340/ [11.08.2022]

S. 83 S. 86 S. 87 S. 94 S. 97 S. 98

189 188
Abbildungen Anhang

Abb. 53

Ostansicht mit Terrasse Haus Schreber, Architektur: AMUNT

Fotografie: © Filip Dujardin https://www.heinze.de/architekturobjekt/zoom/12542340/ [11.08.2022]

Abb. 54 Abb. 55

Cité du Grand Parc in Bordeaux (vorher), Architektur: Lacaton & Vassal architectes

Fotografie: © Philippe Ruault https://cdn.ca.emap.com/wp-content/uploads/sites/12/2021/03/ Cite-du-Grand-Parc-Bordeaux-Lacaton-Vassal-architectural-re view-01-1024x683.jpg [11.08.2022]

Cité du Grand Parc in Bordeaux (nachher), Architektur: Lacaton & Vassal architectes

Fotografie: © Philippe Ruault https://www.architectural-review.com/buildings/housing/retro spective-lacaton-vassal [11.08.2022]

Abb. 56

Wohnung Cité du Grand Parc in Bordeaux, Architektur: Lacaton & Vassal architectes

Fotografie: © Philippe Ruault https://baukultur.nrw/site/assets/files/10109/baukultur_nrw_ mies_award_cite_grand_du_parc_apartment_foto_philippe_ru ault.1920x1280.webp[11.08.2022]

S. 99 S.101 S. 101 S. 102

191 190 Anhang Abbildungen

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken,wwWW die mich während der letzten vier Monate begleitet und unter stützt haben.

Danke an: Prof. Kazu Blumfeld Hanada AA. Dipl. meine Familie, dem Gango de Wurmo, und an Bruno.

Sozial und U m tlew thcereg ow h n en

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